Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2015, Az. V ZR 207/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7979

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

V [X.]
Verkündet am:
17. Juli
2015
Rinke
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
VerkFlBerG § 9 Abs. 1 Satz 4, § 8, § 3
Das Besitzrecht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG erlischt, wenn der öffentliche Nutzer seine Rechte nicht bis zum 30. Juni 2007 ausgeübt hat und der Grundstückseigentümer eine Bereinigung der Rechtsverhältnisse im Sinne von § 3 VerkFlBerG ablehnt.

[X.], Urteil vom 17. Juli 2015 -
V [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli
2015
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die
Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und
die Richter
Dr.
[X.], [X.] und Dr.
Göbel

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 18. August 2014 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Herausgabe des Grundstücks abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer eines 262 qm großen Grundstücks
in Thürin-gen, das in der [X.] in staatliche Verwaltung genommen und in eine öffentlich zugängliche Grünfläche umgestaltet wurde. Zu diesem Zweck nutzt die [X.] das Grundstück bis heute.
Am 18. Juni 2007 machte die Beklagte zwei namentlich bekannten Erben der früheren Eigentümerin des Grundstücks ein notariell beurkundetes Angebot 1
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zum Abschluss eines Kaufvertrages. In der Folgezeit stellte sich heraus,
dass die Erbengemeinschaft aus zwei weiteren Personen bestand. Zu dem [X.] eines Kaufvertrages mit allen
Erben kam es nicht. Diese veräußerten
das Grundstück an den Kläger, der
von
der Beklagten die Herausgabe des Grundstücks und Zahlung entgangener Pachtzinsen für das [X.] in Höhe von 9.600

verlangt.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte
beantragt,
verfolgt der Kläger sein
Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist
der Auffassung, der Beklagten stehe ein Recht zum Besitz nach dem [X.] (VerkFlBerG) zu. Bei dem Grundstück handele es sich um eine Verkehrsfläche im Sinne von § 2 Abs.
2 Nr. 5 VerkFlBerG. Es sei im Zeitraum zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3.
Oktober 1990 zu diesem Zweck tatsächlich in Anspruch genommen worden und diene ihm
heute noch. Mit Ablauf der in § 8 Abs. 1 VerkFlBerG vor-gesehenen Frist
am 30. Juni 2007
sei lediglich das Recht,
den Ankauf zu ver-langen,
nach § 8 Abs. 2 VerkFlBerG auf den Eigentümer übergegangen. [X.] bestehe das Besitzrecht der Beklagten nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halb-satz
1 VerkFlBerG bis zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse weiter. Die vor-prozessuale und während des Rechtsstreits wiederholte Erklärung des [X.], auf die Geltendmachung seiner Rechte nach §
8 Abs. 2 VerkFlBerG zu verzich-ten, lasse dieses nicht
entfallen. Nach dem Gesetzeszweck könne der [X.] die öffentliche Nutzung seines Grundstücks nicht einseitig beenden. Da 3
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es an einer Vindikationslage fehle, stünden
dem Kläger auch entgangene Pachtzinsen nicht zu. Im Übrigen komme nur eine Haftung der Beklagten nach
§ 990 Abs. 2 BGB in Betracht. Für die insoweit erforderliche Bösgläubigkeit der Beklagten spreche aber nichts.
II.
Dies
hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Herausgabeanspruch des [X.] nach § 985 BGB nicht verneinen. Die Beklagte kann dem Anspruch kein Besitzrecht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halb-satz 1 VerkFlBerG
entgegenhalten.
a)
Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass das [X.] nach dessen § 1 Abs. 1
Satz 1
Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 5 Anwendung findet. Nach den von ihm getroffenen Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen werden,
ist das Grundstück
während des Bestehens der [X.] in eine öffentlich zugängli-che Grünfläche
umgestaltet worden und wird seither als solche genutzt.
Das Berufungsgericht konnte dabei auch offen lassen, ob der über einen geringen Teil des Grundstücks verlaufende
Weg
ein
öffentlicher
ist.
Auch wenn der Weg nicht öffentlich-rechtlichen Zwecken
dient, käme das Verkehrsflächenbereini-gungsgesetz wegen der überwiegenden öffentlichen Nutzung des Grundstücks (§ 1 Abs. 1 Satz 5 VerkFlBerG) zur Anwendung (vgl. [X.], Urteil vom
6. Oktober 2006 -
V [X.], [X.] 2007, 190 Rn. 8; Urteil vom 12. Juli 2013
-
V [X.], [X.] 2013, 120 Rn. 27).
b)
Rechtsfehlerhaft nimmt das Berufungsgericht aber an, die Beklagte
sei gemäß § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB als öffentliche Nutzerin
des Grundstücks 5
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nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG
zum Besitz berechtigt.
Die Vor-aussetzungen dieses [X.] der Beklagten sind nicht (mehr) gegeben.
aa) Nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG ist der öffentliche Nutzer gegenüber dem Grundstückseigentümer zum Besitz berechtigt. Eine zeitliche Grenze nennt die Vorschrift, anders als die Vorgängerregelung in Art.
233 § 2a Abs. 9 EGBGB aF (Befristung bis zum 30. September 2001), nicht. Sie ist aber, wie der systematische Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 Satz 1
VerkFlBerG, aber auch der Sinn und Zweck der Regelung ergeben, zu weit gefasst. Das Besitzrecht besteht deshalb unbestrittenermaßen -
wie das [X.] für den privaten Nutzer nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB -
nur bis zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse nach dem Verkehrsflächenbereini-gungsgesetz oder der Aufgabe der öffentlichen Nutzung (BT-Drucks. 14/6204, S.
21 f.; [X.] Prütting/[X.]/Heller, Grundstücksrecht Ost, 2003, § 9 VerkFlBerG Rn. 4; [X.] in [X.] in der ehemaligen [X.], [X.], 61. Ergänzungslieferung 2012, §
9
VerkFlBerG Rn. 8). Meist [X.] bleibt die -
hier entscheidende -
Frage, ob die als Endzeitpunkt genannte Bereinigung der Rechtsverhältnisse den Zeit-punkt meint, zu dem die Rechtsverhältnisse tatsächlich (im Sinne des Nutzers) bereinigt werden, oder denjenigen, zu
dem der Nutzer eine Bereinigung nicht mehr verlangen kann und sich der Grundstückseigentümer gegen eine [X.] entscheidet und Herausgabe des Grundstücks verlangt. Soweit die Frage behandelt wird, wird sie im zweiten Sinne beantwortet ([X.], [X.]
2007, 12, 14; [X.] in [X.], [X.], [X.], Stand: Juni 2009, §
8 VerkFlBerG Rn. 7, § 9 VerkFlBerG Rn. 15).
[X.]) Diese Ansicht trifft zu. Nach dem Erlöschen der in § 3 VerkFlBerG geregelten Bereinigungsansprüche des öffentlichen
Nutzers entfällt dessen Besitzrecht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG, wenn der Grund-9
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stückseigentümer seinen eigenen [X.] nach § 8 Abs. 2
VerkFlBerG nicht geltend macht und stattdessen Herausgabe verlangt.
(1) In diesem Sinne hat der [X.] bereits für das Besitzrecht des priva-ten Nutzers nach Art.
233 § 2a EGBGB entschieden ([X.], Urteil vom 21. No-vember 2014 -
V [X.], NJW-RR 2015, 338 ff.).
Ein solches Besitzrecht besteht nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3
EGBGB in den in
§ 3 Abs. 3, § 4 und § 121
SachenRBerG bezeichneten Fällen

s-a-chenrechtsbereinigungsgesetz kann der private Nutzer eine Bereinigung aber nur erreichen, indem er seinen [X.] gegenüber dem [X.] geltend macht. Das Besitzrecht sichert deshalb nur den [X.], dem ein Anspruch auf Bereinigung durch Erwerb oder Belastung des Grundstücks zusteht, bis zu dessen Erfüllung.
Das Besitzrecht ist -
was auch in § 79 Abs. 3 Satz 2 SachenRBerG zum Ausdruck kommt -
akzessorisch. Daher erlischt es, wenn der [X.] entweder seinerseits erlischt oder nach Erhebung der Einrede der Verjährung nicht mehr erfüllt werden muss ([X.],
Urteil vom 21. November 2014 -
V [X.], NJW-RR 2015, 338 Rn.
15).
Für
das Besitzrecht des öffentlichen Nutzers nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG gilt nichts anderes. Auch dieses Besitzrecht ist ak-zessorisch
und sichert nur den [X.] des öffentlichen Nutzers.
(2) Das [X.] folgt dem Modell des [X.] und sieht auch für die Bereinigung der Rechtsverhältnisse bei der Nutzung privater Grundstücke für öffentliche [X.] keine gesetzliche Übertragung von Eigentum oder Begründung von Dienstbarkeiten
vor, sondern einen auf die Einräumung solcher Rechte gerich-teten gesetzlichen [X.] des öffentlichen Nutzers gegen den jeweiligen Eigentümer des genutzten Grundstücks. Die Bereinigung der Rechtsverhältnisse erfolgt damit wie nach dem Sachenrechtsbereinigungsge-11
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-

setz dadurch, dass der öffentliche Nutzer von dem Grundstückseigentümer das Eigentum an dem genutzten Grundstück oder Grundstücksteil erwirbt. An Stelle des Verkaufs kann auch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt werden, wenn das Grundstück durch die Verkehrsfläche nur in einzelnen Be-ziehungen genutzt wird und deshalb die Rechtsbeziehungen der Beteiligten bei der Neuanlage von Verkehrsflächen dieser Art üblicherweise durch bloße Be-lastung des Eigentums an dem Grundstück gestaltet werden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 VerkFlBerG). In den technischen Einzelheiten weicht das Verkehrsflächenbe-reinigungsgesetz zwar teilweise von dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ab (vgl.
J.
Schmidt-Räntsch, [X.] 2006, 385 ff.). So unterliegt der Bereinigungsan-spruch nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG nicht der Verjährung, sondern der [X.] nach § 8 Abs. 1 VerkFlBerG. Bis dahin kann nur der öffentliche Nutzer eine Bereinigung verlangen. Nach dem Erlöschen der Rechte des öf-fentlichen Nutzers kann nur noch der private Grundstückseigentümer nach §
8 Abs. 2 VerkFlBerG verlangen, dass der öffentliche Nutzer nach den Vorschrif-ten des [X.]es das Grundstück ankauft oder unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 VerkFlBerG eine entgeltliche Dienstbarkeit bestellt wird (§ 8 Abs. 2 VerkFlBerG).
Diese technischen Unter-schiede
ändern aber nichts daran, dass die Bereinigung der Rechtsverhältnisse auch bei einer Nutzung zu
öffentlichen Zwecken
nicht von Amts wegen erfolgt, sondern nur,
wenn der öffentliche Nutzer oder der Grundstückseigentümer von seinem gesetzlichen [X.] (rechtzeitig) Gebrauch macht. Deshalb sichert auch das Besitzrecht nach § 9 Abs. 1 Satz
4 Halbsatz 1
VerkFlBerG nicht die Bereinigung der Rechtsverhältnisse als solche, sondern ungs-recht des privaten Nutzers nach Art. 233 §
2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB akzesso-risch und setzt voraus, dass dem öffentlichen Nutzer (weiterhin) ein durchsetz-barer [X.] zusteht.
-
8
-

(3) Dass an der dauerhaften rechtlichen Absicherung der öffentlichen Nutzung des privaten Grundstücks regelmäßig ein öffentliches Interesse be-steht, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

(a) Die Wahrnehmung dieses Interesses ist Aufgabe des öffentlichen Nutzers. Ihm hat der Gesetzgeber aber bewusst keinen unbefristeten [X.]sanspruch eingeräumt. Der Anspruch sollte vielmehr mit dem Ablauf des 30. Juni 2007 erlöschen. Damit hat der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen den Interessen der Grundstückseigentümer und der öffentlichen Nutzer [X.]. Er hat dabei
berücksichtigt, dass die Eigentümer der Grundstücke bei Ablauf der Frist, die der haushaltsrechtlichen Bereitstellung der Gelder für den Ankauf diente,
fast 17 Jahre -
das [X.] löste
das bis zu seinem Inkrafttreten in Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB geregelte, bis zum 30. September 2001 befristete [X.] ab
-
keinen
Zugriff auf ihr Eigentum hatten. Unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 1 GG wurden daher von [X.] der Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Verlän-gerung der Ausschlussfrist für den öffentlichen Nutzer vorgebracht
(Pl-Prot.
16/90 S. 9072, 9112 f.). Sie wäre auch nach der Rechtsprechung des [X.]s eine mit Art.
14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende einseitige Benachtei-ligung der privaten Grundstückseigentümer (Urteil vom 20.
Juni 2008
-
V [X.], NJW-RR 2008, 1548 Rn. 10).
(b) Die Grundstückseigentümer sollen nach Ablauf der Ausschlussfrist berechtigt, aber nicht verpflichtet sein, den [X.] geltend zu machen. Für dieses Normverständnis spricht schon der Wortlaut des § 8 Abs. 2 VerkFlBerG, wonach der Eigentümer den Ankauf seines Grundstücks durch den öffentlichen Nutzer oder die Bestellung einer Dienstbarkeit zu dessen weiteres vereinbar, dass der Grundstückseigentümer nach dem Ablauf des 30.
Juni 2007 von der Geltendmachung seines [X.]s abse-13
14
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9
-

hen und stattdessen die Herausgabe des Grundstücks verlangen kann. Auch die Entstehungsgeschichte, systematische Gesichtspunkte und der Sinn und Zweck der Regelung sprechen für eine derartige Auslegung.
Die massiven Be-schränkungen der Rechte des Grundstückseigentümers sollten befristet wer-den. Dieses Ziel würde verfehlt, führte der Ablauf der in § 8 Abs. 1 VerkFlBerG angeordneten Ausschlussfrist lediglich dazu, dass das Besitzrecht des öffentli-chen Nutzers unverändert bestehen bliebe und nunmehr der [X.] die Möglichkeit hätte, den [X.] geltend
zu machen. Denn dann bliebe es dem Grundstückseigentümer verwehrt, das Grundstück heraus
zu
verlangen, obwohl der öffentliche Nutzer sich nicht für den Ankauf des Grundstücks oder dessen Belastung mit einer Grunddienstbarkeit ent-schieden hat. Allein
der Umstand, dass der öffentliche Nutzer die öffentliche Nutzung nicht aufgegeben hat, vermag die weitergehende Beschränkung der Rechte des
Grundstückseigentümers
nicht zu rechtfertigen.
(4) Für das Erlöschen des [X.] des öffentlichen Nutzers mit dem Ablauf des 30.
Juni 2007 spricht auch, dass die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz
4 Halbsatz
2 VerkFlBerG andernfalls
keinen
Anwendungsbereich hätte. Nach
dieser Vorschrift
bleiben andere Bestimmungen, aus denen sich das [X.] des öffentlichen Nutzers ergibt, unberührt. Dieser Vorbehalt gewinnt nur dann einen Sinn, wenn das in Halbsatz 1 der Regelung angeordnete [X.] entfallen kann, ohne dass es zu einem Ankauf des Grundstücks oder dessen Belastung mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gekom-men ist. Das ist aber nur denkbar, wenn das Besitzrecht des öffentlichen [X.]s nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG mit dem Ablauf der in §
8 Abs. 1 VerkFlBerG bestimmten Ausschlussfrist wegfällt. Für
diese Sichtweise spricht
auch die amtliche Überschrift des § 9 VerkFlBerG, in der von einem

16
-
10
-

(5) Unbegründet ist schließlich der Einwand des Berufungsgerichts, der private Grundstückseigentümer verhindere durch die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB die weitere Nutzung von öffentlichen Verkehrsflächen. Diese Folge ist Teil des von dem Gesetzgeber angestrebten Ausgleichs der Interessen des öffentlichen Nutzers und des privaten [X.]s. Zudem bleiben andere Bestimmungen, aus denen sich ein Besitzrecht des öffentlichen Nutzers ergibt, nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 VerkFlBerG gerade unberührt. Derartige Bestimmungen können sich aus dem öffentlichen Recht, etwa aus
einer
auf Gesetz beruhenden
Widmung ergeben (vgl. BT-Drucks. 14/6204, S.
21
f.). Damit ist den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der bestehenden Nutzung des Grundstücks hinreichend Rechnung getragen.
[X.])
Die Beklagte hat die ihr nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG zustehenden Rechte nicht bis zum Ablauf des 30. Juni 2007 ausgeübt.

(1) Sie
hat zwar am 18. Juni 2007 ein notariell beurkundetes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über das Grundstück abgegeben, was für die Ausübung des [X.] (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VerkFlBerG) an sich aus-reichend
ist. Zur
Wahrung der Ausschlussfrist genügt
ein
Angebot aber nur, wenn es innerhalb der Frist

Gesetzgeber an den Sprachgebrauch des Bürgerlichen Gesetzbuchs an, das für Willenserklärungen, die wie der Antrag auf Abschluss eines [X.] oder eines Vertrags zur Bestellung einer Dienstbarkeit einem an-deren gegenüber abzugeben sind, in §§
130, 145 BGB den Zugang bei dem Empfänger vorsieht (BT-Drucks. 14/6204 S. 16: Übersendung). Das notarielle Angebot nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG muss deshalb in der [X.] nicht nur errichtet
werden, sondern auch dem Grundstückseigentümer [X.]. Sind
mehrere
Personen Grundstückseigentümer, muss es ihnen allen zugehen.
17
18
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-
11
-

(2) Danach hat die Beklagte ihr Erwerbsrecht nicht wirksam ausgeübt. Nach den Feststellungen des [X.]s, auf welches das Berufungsgericht in der angegriffenen Entscheidung verweist, gehörte
das Grundstück bei Ablauf der Ausschlussfrist am 30. Juni 2007 den -
insgesamt vier -
Mitgliedern einer Erbengemeinschaft. Ihr Angebot hatte die Beklagte deshalb an alle Mitglieder der Erbengemeinschaft, einen von diesen bestellten gemeinsamen Vertreter oder an einem für diese nach Maßgabe von § 3 Abs. 4 Satz 3 VerkFlBerG in Verbindung mit §
17 Abs. 1 Nr. 4 SachenRBerG bestellten Pfleger zu richten. Das ist nicht geschehen. Die Beklagte hat sich mit der Zusendung an zwei der vier Mitglieder begnügt. Damit konnte sie die Frist nicht wahren. Ob die [X.] durch die Einleitung eines notariellen [X.] nach §
14
Abs. 2 Satz 1 VerkFlBerG hätte gehemmt werden können
(bejaht für §
104
SachenRBerG in [X.], Urteil vom 21. November 2014 -
V [X.], NJW-RR 2015, 338
Rn. 27 a.E.), bedarf keiner Entscheidung, weil die Beklagte ein [X.] Verfahren nicht (fristgerecht) eingeleitet hat.
dd) Da sich der Kläger gegen den
Ankauf des Grundstücks durch die Beklagte entschieden hat, ist ihr Besitzrecht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG erloschen. Das Urteil des Berufungsgerichts kann daher, soweit es einen Herausgabeanspruch des [X.] verneint, keinen Bestand haben.
2. Demgegenüber hat das Berufungsgericht den Anspruch auf Zahlung eines Vorenthaltungsschadens in Gestalt entgangener Nutzungen für das [X.] zu Recht abgewiesen.
Die von ihm gegebene Hilfsbegründung, wonach es an einer Bösgläubigkeit der beklagten [X.] fehlt, hält rechtlicher Nachprü-fung stand.
a) Die verschärfte Haftung des Nutzers bei Verzug mit der Herausgabe der Sache nach § 990 Abs. 2 BGB setzt dessen Bösgläubigkeit im Sinne des §
990 Abs. 1 BGB voraus
([X.], Urteil vom 12. November 1992 -
V [X.], 20
21
22
23
-
12
-

NJW 1993, 389, 392).
Da die Beklagte zunächst zum Besitz berechtigt war, kommt es nach § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB darauf an, ob sie später erfahren hat, dass ihr Besitzrecht entfallen ist. Erforderlich ist Kenntnis des mangelnden [X.]s; grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht ([X.], Urteil vom 22.
Januar 1958 -
V ZR 27/57, [X.]Z 26, 256, 258).
Die Kenntnis von dem Wegfall der Besitzberechtigung gilt allerdings als erlangt, wenn dem Besitzer die Rechte des Eigentümers durch liquide Beweise dargetan oder er über den Mangel seines [X.] in einer Weise aufgeklärt wird, dass sich ein redlich Denkender der Überzeugung hiervon nicht verschließen würde ([X.], Urteil vom 22. Januar 1958 -
V ZR 27/57, aaO, [X.]). Sie ist andererseits unbe-denklich zu verneinen, wenn die Besitzberechtigung von der Beantwortung ei-ner
nicht ohne weiteres zu entscheidenden Rechtsfrage abhängt
und der Besit-zer die Tatsachen, aus denen der Schluss auf den Wegfall der Besitzberechti-gung gezogen werden könnte, [X.] beurteilt
([X.], Urteil vom
22. Januar 1958 -
V
ZR 27/57, aaO, S.
258; [X.], Urteil vom 25. Februar 1960
-
II ZR 125/58, [X.]Z
32, 76, 92; Urteil vom 28. Mai 1976 -
III ZR 186/72, NJW 1977, 31, 34 unter B. 1. -
insoweit nicht in [X.]Z 67, 152 abgedruckt).

b) So liegt es hier. Die Beklagte hatte
in dem maßgeblichen Zeitraum
-
dem [X.] -
keine Kenntnis von dem Wegfall ihres [X.] nach
§ 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG. Sie befand sich in einem den bösen Glauben ausschließenden
Rechtsirrtum. Ihre Kenntnis lässt sich nicht aus dem Umstand ableiten, dass ihr [X.] befristet ist. Das Verkehrs-flächenbereinigungsgesetz gibt
nämlich auf die Frage, ob der [X.] nach dem Ablauf der Ausschlussfrist am
30.
Juni 2007
die Heraus-gabe seines Grundstücks verlangen kann, keine eindeutige Antwort. Stimmen in der Literatur haben die Frage zwar bejaht, eine eingehende Begründung hierfür aber
nicht
gegeben. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung fanden sich
für die Reichweite des
[X.]
nach § 9 Abs. 1 Satz 4 [X.]
-
13
-

satz 1 VerkFlBerG
jedenfalls im [X.] keine Leitlinien. Eine Klärung ist bislang nur für das Besitzrecht nach Art. 233 § 2a EGBGB und für dieses auch erst durch das Urteil des [X.]s vom 21.
November 2014 (V [X.], NJW-RR 2015, 338 ff.) erfolgt.
III.
Die Sache ist
in Bezug auf den geltend gemachten Herausgabean-spruch nicht zur Entscheidung reif.
Daher ist sie unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen (§
563 Abs. 1 ZPO). Für die neue Verhandlung weist der [X.] auf Folgendes hin:
1. Es wird
zu klären sein, ob sich ein Besitzrecht der Beklagten aus an-deren Bestimmungen (§ 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 VerkFlBerG) ergibt. Ein [X.] Besitzrecht bliebe durch das
Erlöschen des [X.] nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 VerkFlBerG
unberührt. Es ist
Sache der Beklagten
darzule-gen, auf Grund welcher Bestimmung sie sich ggfs.
weiterhin als zum Besitz des Grundstücks oder Teile hiervon berechtigt ansieht.
2. Aus der
Nutzung des Grundstücks als öffentliche Grünfläche folgt für sich genommen kein
Besitzrecht. Die Indienststellung eines Grundstücks für öffentliche Zwecke führt nämlich nicht ohne weiteres dazu, dass dessen privater Eigentümer seine Rechte nicht mehr wahrnehmen, insbesondere dessen
Her-ausgabe nicht verlangen kann. Das ist zwar bei den Sachen des Gemeinge-brauchs -
insbesondere bei Straßen -
auf Grund von deren Widmung regelmä-ßig der Fall ([X.], Urteil
vom 25. September 1961 -
III ZR 140/60,
[X.]Z 36, 1, 5; BVerwG,
NJW 1980, 2538, 2540). Diese Wirkung tritt
aber nicht allein auf Grund der Widmung der Sache
ein. Vielmehr bedarf es hierfür einer gesetzli-chen Regelung, die einer Widmung diese Wirkung zuschreibt. Ohne eine solche Regelung hindert auch eine förmliche Widmung den Eigentümer nicht an der 25
26
27
-
14
-

Durchsetzung seiner Rechte
(BVerwG, NJW 1980, 2538, 2540; NJW 1994, 144, 145; [X.],
Urteil vom 7. Juli 1995 -
V
ZR 46/94, [X.] 1995, 646, 649; Urteil
vom 24. Juni 1996 -
V [X.], [X.]
1996, 520, 521).

Stresemann

Rin[X.] Prof. Dr. Schmidt-Räntsch

[X.]

und Ri[X.] Dr.
Göbel sind infolge Urlaubs

an der Unterschrift
gehindert.

[X.], den 27. August 2015

Die Vorsitzende
Kazele

Stresemann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.11.2013 -
9 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 18.08.2014 -
3 U 963/13 -

Meta

V ZR 207/14

17.07.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2015, Az. V ZR 207/14 (REWIS RS 2015, 7979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7979

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 207/14

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