Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2014, Az. 2 StR 556/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5606

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BUN[X.]ES[X.]ERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VOLKES

URTEIL
2 StR 556/13
vom
14. Mai 2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen versuchten Totschlags u.a.

-
2
-
[X.]er 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 14. Mai 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. [X.]r. Fischer

und [X.] am [X.]
Prof. [X.]r. [X.],
Prof. [X.]r. [X.],
[X.],
[X.],

Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

für den Angeklagten B.

,
Rechtsanwalt

für den Angeklagten [X.].

als Verteidiger,
Rechtsanwalt

als Vertreter für den Nebenkläger,

Justizhauptsekretärin

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der [X.]eschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 12.
Juni 2013 im Fall I[X.]
2 der Ur-teilsgründe sowie in den
Maßregel-
und [X.]esamtstrafenaus-sprüchen
mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
[X.]ie Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
3.
[X.]ie Revision des Angeklagten B.

wird verworfen.
[X.]er Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch
dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

[X.]ründe:
[X.]as [X.] hat die Angeklagten B.

und [X.].

wegen ver-suchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehr-heit mit [X.]iebstahl in sieben rechtlich selbständigen Fällen jeweils zu einer [X.]e-samtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; außerdem hat es hinsichtlich beider Angeklagter die Unterbringung in der Entziehungsanstalt und den [X.]
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-
wegvollzug von Freiheitsstrafe angeordnet. [X.]ie Revision der Staatsanwalt-schaft, die sich gegen die Verneinung von [X.] im Fall I[X.]
2 der Ur-teilsgründe richtet, hat Erfolg; das Rechtsmittel des Angeklagten B.

bleibt dagegen erfolglos.
[X.] 1. Nach den Feststellungen des [X.] entschlossen sich die Angeklagten Ende November 2012, Kraftfahrzeuge aufzubrechen und daraus Radios oder andere Wertsachen zu entwenden, um diese später weiter zu ver-kaufen. [X.]iesem Plan entsprechend hebelten sie in sieben Fällen in der [X.] vom 26.
November 2012 bis 30.
November 2012 in R.

und anderen Orten Fahrzeugtüren auf, beschädigten dadurch die Kraftfahrzeuge und entwendeten daraus werthaltige [X.]egenstände (Autoradios, Handtasche mit EC-Karte).
2. Am 2.
[X.]ezember
2012 morgens um 4.15 Uhr
verließen die Angeklag-ten, die beide im Laufe des vorangegangenen Abends Amphetamin und Alkohol zu sich genommen hatten, eine [X.]iskothek in W.

und fuhren mit dem Kraftfahrzeug des Angeklagten B.

zur Wohnung der Ex-Freundin des [X.]

,

[X.].

. [X.]

, zur Zeugin [X.].

in die Wohnung zu gelangen, scheiterte. [X.]araufhin rüttelte er an den Türgriffen in der Nähe
abgestellter Fahrzeuge, um daraus eventuell [X.]e-genstände zu entwenden. In diesem Augenblick näherte sich der Nebenkläger Z.

Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen [X.].

und dem [X.], die endete, als [X.].

ihn e-benkläger ging weiter; der Angeklagte B.

war erstaunt, dass der [X.]isput gewaltlos beendet worden war, und stichelte [X.].

.

ging darauf hin an den Kofferraum des PKW und entnahm ihm einen Baseballschläger, den der Ange-klagte B.

am Vorabend dorthin gelegt hatte. Um den Nebenkläger, der sich 2
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zwischenzeitlich weiter entfernt hatte, aufmerksam zu machen, schlug der An-geklagte [X.].

den Schläger mit Wucht auf den Boden, so dass er zerbrach. [X.]as in der Hand verbliebene [X.]riffstück warf er in ein [X.]ebüsch, das keulenartige Schlagstück hob er auf, rannte dem Nebenkläger hinterher und trat ihm aus
r-raschte Nebenkläger ging zu Boden und kam teilweise (UA
13) auf dem Ange-klagten [X.].

zu liegen. Zwischenzeitlich hatte auch der Angeklagte B.

den [X.] erreicht. Er schlug zur Unterstützung seines Freundes [X.].

dem Nebenkläger mit geballter Faust auf das linke Auge, wodurch er
u.a. einen [X.] erlitt. [X.]er Angeklagte [X.].

konnte sich nun aufrichten und schlug mit dem Rest des [X.] zweimal wuchtig auf den ungeschützten Hinterkopf des [X.] ein, wodurch er ihm zwei klaffende [X.] in der Kopfschwarte zufügte. Mit einem weiteren Schlag zer-fetzte er ihm das linke Ohr. [X.]ass diese Schläge auf den Kopf zum Tod des [X.]s hätten führen können, erkannte
der Angeklagte [X.].

und nahm es billigend in Kauf. [X.]er Angeklagte B.

ging bei seinem Faustschlag davon aus, dass [X.].

auf den Kopf des [X.] einschlagen würde, und [X.] dies. [X.]er Nebenkläger verlor das Bewusstsein und blieb regungslos liegen. [X.]ie beiden Angeklagten erkannten, dass dieser nicht in der Lage sein würde, sich selbst zu helfen. Sie ließen ihn dennoch am [X.] zurück,
dies in dem [X.], dass er aufgrund der winterlichen Witterung binnen einer Stunde in die [X.]efahr eines Todes durch Unterkühlung geraten konnte. Auch dies nahmen sie billigend in Kauf. [X.]er Nebenkläger wurde gegen 4.45 Uhr aufgefunden und ins Krankenhaus verbracht, wo er zwei Wochen stationär verblieb.
[X.]as [X.] ist davon ausgegangen, dass
bei beiden Angeklagten zur Tatzeit im Fall I[X.]
2 der Urteilsgründe aufgrund einer ausgeprägten Mischintoxikation
mittels Alkohol und Psychostimulantien nicht ausschließbar eine vorübergehende krankhafte seelische Störung vorgelegen habe und 4
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dadurch deren Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich vermindert gewesen sei.
[X.]ie [X.] hat die Angeklagten im Fall I[X.]
2 der Urteils-gründe wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperver-letzung, im Übrigen wegen [X.]iebstahls in sieben Fällen verurteilt. [X.]abei ist sie davon ausgegangen, dass die Angeklagten sich auch wegen eines Totschlags durch Unterlassen strafbar gemacht haben, als sie den bewusstlosen Angeklag-ten am [X.] zurückgelassen haben. Mordmerkmale hat das [X.] nicht feststellen können. Soweit niedrige Beweggründe in Betracht kämen, sei ange-sichts der erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht festzu-stellen gewesen, dass sie erkannt hätten, dass ihre Beweggründe nach [X.] sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stünden und deshalb besonders ver-achtenswert seien. Im Hinblick auf das Merkmal der Heimtücke hat die Kammer ein bewusstes Ausnutzen einer Arglosigkeit und der gerade infolge der [X.] vorhandenen Wehrlosigkeit nicht feststellen können. [X.]er Nebenkläger sei bereits durch die vorangegangene verbale Auseinandersetzung gewarnt gewesen und hätte es erst recht durch das Zerschlagen des [X.] sein können.
I[X.] [X.]ie Revision der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg.
1. Wie der [X.]eneralbundesanwalt zutreffend in seiner Antragsschrift [X.] hat, ist die an sich unbeschränkt eingelegte Revision nach dem maß-geblichen Sinn der Revisionsbegründung, die die Verneinung von [X.] durch das [X.]
beanstandet, wirksam auf den Schuld-
und Straf-ausspruch im Fall I[X.]
2 der Urteilsgründe, den [X.]esamtstrafenausspruch und die Maßregelanordnung beschränkt.

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2. [X.]ie Ablehnung niedriger Beweggründe durch das [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[X.]ie [X.] beschränkt sich bei ihrer rechtlichen Würdigung darauf, die subjektiven Voraussetzungen einer Tötung aus niedrigen Beweggründen zu verneinen, weil die Angeklagten in der konkreten Tatsituation, die durch eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geprägt gewesen sei, nicht erkannt hätten, dass ihre Beweggründe nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stünden und deshalb besonders verachtenswert seien. [X.]iese knappen Erwägungen knüpfen zwar der Sache nach an die nach der Recht-sprechung maßgeblichen Anforderungen an die subjektive Tatseite beim Merkmal der niedrigen Beweggründe an, wonach der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Be-deutung für die Tatausführung
in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie -
auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaf-ten Regungen wie Wut und Eifersucht
-
in der Lage gewesen sein muss, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; vgl.
B[X.]H NStZ 2013, 524). Sie machen freilich nicht hinreichend deutlich, in welcher Weise die nicht ausschließbare erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit sich auf die Fähigkeit ausgewirkt haben soll, die Umstände, die die Niedrigkeit der Beweg-gründe ausmachen, in ihrer Bedeutung zu erkennen. Erläuternde Ausführun-gen, die es nachvollziehbar erscheinen lassen, dass die beschriebene geistig-seelische Verfassung, die in erster Linie Einfluss auf das Steuerungsvermögen der Angeklagten hat, schon die Einsicht in die Niedrigkeit von Beweggründen versperrt haben könnte (vgl. etwa B[X.]H NStZ 2004, 620, 621), lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Sie geben vielmehr sogar Hinweise, dass dies gerade nicht der Fall war, wenn die [X.] ausführt, die Mischintoxikation habe die Fähigkeit der Angeklagten nicht erheblich beeinträchtigt, sich der [X.]e-8
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fährlichkeit der Handlungen und ihrer Folgen bewusst zu werden (UA S.
34, 36).
[X.]iese mangelhafte Ablehnung der subjektiven
Tatseite führt zur Aufhe-bung des Schuldspruchs im Fall I[X.]
2 der Urteilsgründe. [X.]er Senat kann nach den bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass bei möglicher Annahme der objektiven Voraussetzungen dieses [X.] auch die subjektiven festgestellt werden können.
3. Auch die Verneinung des [X.] der Heimtücke begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit die [X.] ausführt, der Nebenkläger sei durch die vorangegangene verbale Auseinandersetzung ge-warnt gewesen und hätte es erst recht durch das Zerschlagen des Baseball-schlägers sein können (UA S.
4), steht dies nicht in Einklang mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung, der Nebenkläger sei von dem Angriff "völlig überrascht" gewesen. Schon dieser Widerspruch bedingt die Fehlerhaftigkeit der landgerichtlichen Prüfung, die im Übrigen hinsichtlich der Ablehnung der subjektiven Komponente des bewussten Auswirkens der Arg-
und Wehrlosigkeit an den gleichen Mängeln leidet wie bei den niedrigen Beweggründen. Es ist nicht dargetan, dass die Angeklagten infolge ihres Zustandes
daran gehindert waren zu erkennen, mit ihrem Angriff einen durch seine Ahnungslosigkeit schutzlosen Menschen zu überraschen.
4. [X.]ie Aufhebung des Schuldspruchs im Fall I[X.]2 der Urteilsgründe ent-zieht ohne Weiteres den
[X.]esamtstrafenaussprüchen
die [X.]rundlage und führt auch -
da die Voraussetzungen des § 64 St[X.]B lediglich hinsichtlich dieser Tat festgestellt worden sind
-
zum Wegfall des jeweiligen Maßregelausspruchs.
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II[X.] [X.]ie Revision des Angeklagten B.

bleibt ohne Erfolg.
Schuld-
und Rechtsfolgenausspruch halten entsprechend den Ausfüh-rungen des [X.]eneralbundesanwalts rechtlicher Nachprüfung stand. [X.]ies gilt ins-besondere im Hinblick auf das Vorbringen der Revision, es fehle an ausrei-chenden Feststellungen zur mittäterschaftlichen
Begehung der Tat durch den Angeklagten B.

. Ohne Rechtsfehler nimmt das [X.] an, dass der Angeklagte B.

dem Nebenkläger mit der Faust ins [X.]esicht geschlagen ha-be, und stützt darauf nachvollziehbar die Annahme von Mittäterschaft (UA S.
42).
Fischer [X.] [X.]

Eschelbach [X.]

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Meta

2 StR 556/13

14.05.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2014, Az. 2 StR 556/13 (REWIS RS 2014, 5606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5606

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Mordmerkmal der Heimtücke: Anforderungen an die Arglosigkeit des Opfers


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