Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2011, Az. XII ZR 157/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5316

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII [X.]
Verkündet am:

29. Juni 2011

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 1578 Abs. 1 Satz 2,
3 aF, § 1578 b Abs. 1, 2; EGZPO § 36 Nr. 1
Zur Herabsetzung eines vor der Unterhaltsrechtsreform titulierten oder vereinbarten Unterhaltsanspruchs nach dem Eintritt des Unterhaltsberechtigten in das [X.].

[X.], Urteil vom 29. Juni 2011 -
XII [X.] -
OLG [X.]

AG [X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2011
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne, die Richterin [X.] und [X.] Klinkhammer, Schilling und Dr.
Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung der Revision der [X.]n das Urteil des 2. Familiensenats des [X.] vom 3. September 2009
aufgehoben, soweit zum Nachteil des [X.] erkannt ist.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Abänderung eines Vergleichs über nach[X.] Unterhalt. Der 1942 geborene Kläger (Ehemann) und die 1941 geborene [X.] (Ehefrau) schlossen
1968 die Ehe, die kinderlos blieb. Der Ehemann war als Arzt, später als Chefarzt und Medizinaldirektor tätig. Seit 2004 befand er sich im Vorruhestand und ist seit September 2007 endgültig in Pension. Die Ehefrau hatte vor der Ehe eine Ausbildung zur milchwirtschaftlich-technischen Assistentin absolviert und war bis zum 15. Oktober 1970 berufstätig.
In der [X.]
-
3
-
gezeit
führte sie den kinderlosen Haushalt bis zur Trennung der Parteien im Jahre 1980. Von Juni 1981
bis Dezember 1983
war sie
für 20 Wochenstunden als technische Assistentin nach der Vergütungsgruppe BAT V
b
beschäftigt. Im Oktober 1983 gebar sie
eine Tochter,
deren Ehelichkeit der Ehemann erfolg-reich [X.].
Nach der Geburt
war die Ehefrau nicht mehr berufstätig, sondern kümmerte sich um die Erziehung ihrer Tochter.
Das [X.] hat die Ehe durch Urteil vom 20. Juni 1985 rechts-kräftig geschieden. Mit
einem am selben Tag vor dem [X.] ge-schlossenen Vergleich
verpflichtete sich der Ehemann,
an die Ehefrau nach-ehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 3.500 DM

zu zahlen. Ferner erklärten
sich die Parteien einig, dass bei einer Abänderungsklage ge-mäß § 323 ZPO aF eigenes Einkommen der Ehefrau für die Dauer von fünf Jahren nach Rechtskraft der Scheidung unberücksichtigt bleiben solle.
Die Ehefrau
wohnt miet-
und schuldendienstfrei in einer Eigentumswoh-nung, die sie im Wesentlichen aus [X.] erwarb.
Eine vom Ehemann im Jahre 1992 erhobene Abänderungsklage und die
von der Ehefrau erhobene Abänderungswiderklage hatte
das Oberlandesge-richt auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 1994
abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass es bei der bisherigen Unterhaltsver-pflichtung von monatlich 3.500
DM verbleibe.
Zu dem [X.]punkt hatte
der [X.] ein
um Renten-
und Krankenversicherungsbeiträge bereinigtes Nettoein-kommen von monatlich 22.350
DM

.
Seit dem 1. August 2006 bezieht die Ehefrau eine Altersrente
von monat-lich 941,85

und
seit
April 2007 von

2
3
4
5
-
4
-
Im September 2006
hat der Ehemann die vorliegende
Abänderungsklage
erhoben, zunächst
mit dem Ziel einer Reduzierung seiner Unterhaltsverpflich-tung

ab August 2006.
Die Klage ist
vor dem [X.] erfolglos
geblieben. Mit seiner Berufung hat der Ehemann eine Abänderung des [X.]vergleichs
dahin
verfolgt, dass er seit
August 2006 keinen Unterhalt mehr schulde, hilfsweise den Unterhalt bis Dezember 2007 zu befristen. Außerdem
hat er
in der Berufungsinstanz
für den Fall seines Obsiegens mit dem [X.] auf Rückzahlung der seit August 2006 [X.] erhoben. Das Berufungsgericht hat den Unterhaltsver-gleich dahin abgeändert, dass der Ehemann ab August 2006 noch einen mo-natder danach überzahlten Beträge

an den Ehemann verurteilt. Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der zugelasse-nen Revision, mit der der Ehemann sein Berufungsbegehren auf
Wegfall der Unterhaltspflicht, hilfsweise eine Befristung weiterverfolgt und die Ehefrau eine Wiederherstellung des die Klage abweisenden Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:
Von den beiderseits zulässigen Revisionen hat nur diejenige des [X.]s Erfolg.

I.
Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt: Der Ehemann könne eine Abänderung des am 20. Juni 1985
geschlossenen Unterhaltsvergleichs
verlangen, da dieser an die nach 6
7
8
-
5
-
dem 21. Juli 1994 eingetretenen Umstände anzupassen sei.
Das [X.] sei allerdings nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die es gestützt werde, nach der mündlichen Verhandlung im
früheren
Abänderungs-verfahren entstanden seien
(§ 323 Abs. 2 ZPO
aF).
Ab August 2006 sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dadurch eingetreten, dass der Ehefrau nunmehr ein höheres (Renten-)Einkommen von

bzw.
ab April 2007
von 938,85

zuzurechnen sei anstelle von 656,76

e-rechnet worden seien.
Zusätzlich könne der Ehemann sein Abänderungsver-langen darauf stützen, dass der
Ehefrau ein
fiktives weiteres Einkommen von 265,92

aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuzurechnen sei, welches sie erworben hätte, wäre sie zuvor ihrer Erwerbsobliegenheit hinreichend nach-gekommen, indem sie
seit Beginn des Jahres 1993 -
aus Anlass der Erhebung der ersten Abänderungsklage
-
eine [X.] begonnen
und seit [X.] 1999
-
in dem ihre Tochter das
16. Lebensjahr
erreichte
-
eine Vollzeittätigkeit als medizinisch-technische Assistentin in der Vergütungsgruppe VI b bis zum Eintritt
in den Ruhestand am 1. August 2006 ausgeübt
hätte. [X.] Bewerbungsbemühungen habe sie nicht vorgetragen.
Ein weiteres fiktives Einkommen aus einer betrieblichen Altersvorsorge des öffentlichen Dienstes sei ihr
jedoch
nicht zuzurechnen, da keine Obliegenheit bestanden habe, im öffentlichen Dienst tätig zu werden.
Auch sei nicht fiktiv dasjenige zu-zurechnen, was sie an privater Altersvorsorge unter Aufwendung ihrer [X.]mittel zu erwerben unterlassen habe.
Schließlich sei der Wohnvorteil nicht zuzurechnen, da die Wohnsituation bereits zum [X.]punkt
des ersten Abände-rungsverfahrens gegeben gewesen und deshalb präkludiert sei.
Eine weitere Veränderung der Verhältnisse sei durch die Rechtspre-chungsänderung
im April 2006 und auch durch die Änderungen der Unterhalts-9
10
-
6
-
rechtsreform per 1. Januar 2008 gegeben. Eine danach mögliche Herabsetzung des Unterhalts aus Billigkeitsgründen sei nicht durch das vorangegangene [X.] präkludiert, weil solche Gründe seinerzeit weder geltend gemacht worden seien noch eindeutig vorgelegen hätten oder zuverlässig prognostizierbar gewesen seien. Daher sei die Herabsetzung des Unterhalts aus Billigkeitsgründen auf den angemessenen Bedarf ab dem 1. August 2006 gemäß
§
1578 Abs.
1 Satz
2 BGB aF
auszusprechen.
Angemessen
sei es, es bei dem Betrag als Gesamteinkommen zu belassen, der der Ehefrau mit dem bisher titulierten und gezahlten Unterhalt von gerundet 1.790

m
Bezug der Altersrente tatsächlich zur Verfügung stand. Hierauf anzurechnen sei das
eigene Renteneinkommen von 940

weiteren 266

nur noch ein monatlicher Unterhalt von 584

Eine Befristung des Unterhalts bis 31. Dezember 2007 sei nicht auszu-sprechen, da sich der Aufstockungsunterhalt mit dem Erreichen der [X.] im August 2006 in einen Altersunterhalt umgewandelt und
das bis zu
dem [X.]punkt
geltende Unterhaltsrecht keine Befristungsmöglichkeit
für diesen [X.] habe.
Auch sei die Befristung nicht deshalb auszusprechen, weil zuvor schon der Aufstockungsunterhalt zu befristen gewesen wäre.
Nach der früheren
Rechtsprechung sei
das
schon wegen der 16jährigen Ehedauer
und der [X.] ehelichen Haushaltsführung durch die Ehefrau nicht in Betracht ge-kommen.
Aber auch im Hinblick auf die seit dem 12.
April 2006 geänderte Rechtsprechung des [X.] sei der Unterhalt nicht zu befristen, da
der Ehemann die Abänderungsklage erst eingereicht habe, als sich der [X.] bereits in einen Altersunterhalt umgewandelt hatte und die Ehefrau nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes nicht mehr damit [X.] musste, dass es nachträglich zu einer Befristung komme.

11
-
7
-
Auch
nach
der am 1. Januar 2008 geänderten Rechtslage, die eine
Be-fristung
des [X.] grundsätzlich eröffne,
sei der Unterhalt nicht zu befristen, da
der Ehefrau dies
unter Berücksichtigung ihres Vertrauens in die getroffene Regelung nicht mehr zuzumuten sei (§ 36 Nr. 1 EGZPO).
Denn der Titel liege schon längere [X.] zurück, die Ehefrau könne keine Erwerbstätigkeit mehr ergreifen und habe mit der neuen Rechtslage nicht rechnen müssen.
Eine kausale Verknüpfung mit ehebedingten Nachteilen sei insoweit nicht erforder-lich. [X.] sei hier allein die fortwirkende Solidarität und Verantwor-tung im Lichte des Grundsatzes der
Eigenverantwortung.
Weiter sei von Bedeu-tung, dass die Klägerin nunmehr 68 Jahre alt sei, eine Erwerbstätigkeit [X.] ausscheide und sie außer ihrer Rente über keine anderen Mittel verfüge, aus denen sie ihren Lebensunterhalt oder einen Teil hiervon bestreiten könnte. Auf Seiten des Ehemanns seien hingegen keine Anhaltspunkte gegeben, die dazu führen könnten, dass seine finanzielle Belastung durch den Unterhalt als unerträglich anzusehen sei.
Auf die in der Berufungsinstanz zulässig
erweiterte
Klage sei die Ehefrau nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereiche-rung zur
Rückzahlung des überzahlten Unterhalts verpflichtet. Auf ihre Entrei-cherung könne sich die Ehefrau für den [X.]raum ab Rechtshängigkeit der Rückzahlungsklage wegen der in §
818 Abs. 4 BGB normierten [X.] nicht berufen. Für den davor liegenden [X.]raum habe sie
nicht hin-reichend dargelegt, dass sie den Unterhalt für ihre Lebensführung verbraucht habe. Die für untere und mittlere Einkommen bestehende Vermutung, dass der erhaltene Unterhalt zur Lebensführung verbraucht worden sei, gelte hier nicht, da die Ehefrau in der fraglichen [X.] seit dem 1. August 2006 von ihrem zusätz-lich vereinnahmten Renteneinkommen habe leben können.

12
13
-
8
-
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1.
Zu Recht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Abände-rungsklage ausgegangen.
Auf das
im Jahre 2006 eingeleitete Abänderungsverfahren
ist wie auf das Verfahren im Allgemeinen nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1, 2 [X.] das vor dem 1. September 2009 geltende Recht anzuwenden. Die Zulässigkeit der Abände-rungsklage ergibt sich bereits aus §
323 ZPO
aF, ohne dass es eines Rückgriffs auf die insoweit nur klarstellende Regelung in §
36 Nr.
1 EGZPO bedarf (vgl. [X.]surteil [X.]Z 183, 197 =
FamRZ
2010, 111 Rn. 16).
Die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO aF ist
nach ständiger [X.]srechtsprechung auf Vergleiche nicht anzuwenden ([X.]surteil vom 26.
Mai 2010
-
XII [X.]/08
-
FamRZ
2010, 1238 Rn. 12
mwN). § 323 Abs. 2 ZPO aF
ist allerdings anwendbar, wenn ein Prozessvergleich bereits in einem früheren Abänderungsverfahren durch Urteil abgeändert worden ist
([X.]sur-teil vom 27.
Januar 1988 -
IVb [X.]/87
-
FamRZ 1988, 493). Ob
die [X.]-schranke in gleicher Weise anwendbar ist, wenn ein Prozessvergleich zuvor schon einmal Gegenstand einer Abänderungsklage war, diese aber [X.] wurde, hat der [X.] bislang offen gelassen (vgl. [X.]surteil vom 23. No-vember 1994 -
XII ZR 168/93
-
FamRZ 1995, 221, 223). Die Frage kann auch hier dahinstehen, denn
die Sachlage hat sich nach der ersten [X.] in das Rentenalter und
durch
den damit einsetzenden
Rentenbezug wesentlich verändert, außerdem durch die seit dem 12. April 2006 geänderte [X.]srechtsprechung, die für sich genom-men einen Abänderungsgrund darstellt (vgl. [X.]surteil vom 29. September 14
15
16
17
-
9
-
2010 -
XII ZR 205/08
-
[X.], 1884 Rn. 16 mwN), sowie schließlich durch die am 1. Januar 2008 in [X.] getretenen Gesetzesänderungen.
2.
Das Berufungsgericht hat den Unterhalt ab August 2006 im rechtlichen Ansatz zutreffend auf der Rechtsgrundlage des § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung herabgesetzt.
Nach der Übergangsregelung des §
36 Nr. 7 EGZPO
bleiben die vor dem 1.
Januar 2008
fällig gewordenen Unterhaltsbeträge von den [X.] unberührt. Eine Herabsetzung auf den angemessenen Unterhalt kam daher für den [X.]raum ab
August 2006 bis 31. Dezember 2007 nur auf der Grundlage der bis dahin
bestehenden Rechtslage in Betracht
und ab dem 1. Januar 2008 auf der Grundlage der durch
die Unterhaltsrechtsreform geänderten Vorschriften (Art. 4 UÄndG).
Nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF
kann die Bemessung des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen zeitlich begrenzt und danach auf den angemessenen Lebensbedarf abgestellt werden, soweit insbesondere unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe sowie der Gestaltung von Haushaltsfüh-rung und Erwerbstätigkeit eine zeitlich unbegrenzte Bemessung nach den [X.] Lebensverhältnissen unbillig wäre; dies gilt in der Regel nicht, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht nur vorübergehend ein gemeinschaftliches Kind al-lein oder überwiegend betreut hat oder betreut. Die danach maßgeblichen Ab-wägungskriterien sind weitgehend deckungsgleich mit den in der [X.] des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB spezifizierten [X.]
(vgl. bereits [X.] FamRZ 2005, 1417, 1419). Nach dieser Vorschrift ist der Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten auf den angemesse-nen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen
Lebensverhält-nissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung 18
19
20
-
10
-
der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre.
3. Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kom-menden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisions-gericht nur darauf hin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billig-keitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Se-natsurteile vom 14. November 2007 -
XII ZR 16/07
-
FamRZ 2008, 134 Rn. 23; vom 26. September 2007 -
XII ZR 11/05
-
FamRZ 2007, 2049 Rn. 25 und vom 28.
Februar 2007 -
XII ZR 37/05
-
FamRZ 2007, 793 Rn. 66). Der revisions-rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ([X.]surteile
vom 11.
Februar 1987 -
IVb [X.]/86
-
FamRZ 1987, 470, 471
und
vom 14.
Oktober 2009 -
XII [X.]6/08
-
FamRZ
2009, 1990 Rn. 19).
4. Nach diesem Prüfungsmaßstab tragen die vom Berufungsgericht an-gestellten [X.] die Unterhaltsherabsetzung
dem Grunde nach.
Anknüpfungspunkt dafür, dass eine fortwährende Unterhaltsgewährung nach den ehelichen Lebensverhältnissen
unbillig wäre, ist das im Laufe der Jahre immer schwächer gewordene Band der nachehelichen Solidarität.
Bei der Bemessung des
Umfangs der nachehelichen Solidarität
fällt den in §
1578 Abs.
1 Satz 2, 3 BGB aF und § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB genannten [X.], also der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der mit zunehmender Ehedauer fortschreitenden wirtschaftlichen Verflechtung,
21
22
23
-
11
-
besondere Bedeutung zu (vgl. BT-Drucks.
16/1830 S.
19; [X.]surteil vom 2.
März 2011 -
XII ZR 44/09
-
FamRZ 2011, 713 Rn. 21 f. mwN).
In dem hier vorliegenden Fall ist das Maß der -
im Wesentlichen nur durch die rd. zehnjährige Haushaltsführung in der kinderlosen Ehe
-
begründe-ten
nachehelichen
Solidarität nach inzwischen rund 25jähriger
Distanz zur Ehe und ebenso lang
währender Unterhaltszahlung weithin verwirklicht. Auch hat die vorwiegend durch die
Betreuung und Erziehung des außerehelich gebore-nen Kindes geprägte
weitere
Lebensgestaltung der Ehefrau eine
zunehmende Distanz zu
den ehelichen Zusammenhängen zum Ausdruck gebracht. Zuletzt hat
das Erreichen der Altersgrenze, welche typischerweise mit finanziellen Ein-bußen verbunden ist, eine
weitere
Zäsur
markiert, die es jedenfalls seitdem
als unbillig erscheinen lässt, den ehelichen Lebensstandard der [X.] auf Kosten ihres geschiedenen Ehemannes weiterhin fortzuschreiben. Vielmehr ist -
mit dem [X.]
-
eine Herabsetzung des Unterhalts trotz fortbestehender Leistungsfähigkeit des Ehemanns und auch unter Anse-hung der rund zehnjährigen Haushaltsführung durch die Ehefrau geboten.
Auch ein schützenswertes Vertrauen in den dauernden Fortbestand der titulierten Unterhaltsregelung bestand nicht. Zwar kann ein solches Vertrauen im Einzelfall zu berücksichtigen sein ([X.]surteil vom 20. Oktober 2010 -
XII ZR 53/09
-
[X.], 2059 Rn. 37). Hier musste der Ehefrau jedoch gewahr sein, dass das Band der nachehelichen Solidarität mit zunehmender Distanz zur Ehe eine
immer weniger tragfähige
Grundlage für den Unterhaltsanspruch bieten konnte.
Zwar durfte sich die Ehefrau durch die in den 1990er Jahren vom Ehemann angestrengte und rechtskräftig abgewiesene Abänderungsklage einstweilen darin bestätigt fühlen, dass ihr der Unterhalt weiterhin zustehe. Je-doch
durfte
sie schon auf der Grundlage des früheren Rechts nicht davon [X.], dass der Ehemann eine ungeschmälerte Unterhaltszahlung lebenslang 24
25
-
12
-
hinnehmen wolle
und nicht eine sich
weiter bietende Gelegenheit ergreifen werde, von seiner
Unterhaltspflicht loszukommen, selbst wenn er die zwischen-zeitlich
gegebene Möglichkeit verstreichen ließ, eine Vollerwerbsobliegenheit der Ehefrau einzufordern.
Dass die Ehefrau im berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand des
[X.]stitels
Dispositionen getroffen hätte, die rückgängig zu machen ihr nicht oder nicht sogleich möglich oder zumutbar wären
(vgl. [X.]surteil vom 8. Juni 2011 -
XII ZR 17/09
-
zur [X.] bestimmt),
ist nicht festgestellt.
5. Allerdings ist das Berufungsgericht von einem unzutreffenden Begriff des angemessenen Bedarfs ausgegangen, bis zu dessen Untergrenze der [X.] herabgesetzt werden kann, indem es auf den zuvor titulierten Unterhalt als angemessenen Bedarf abgestellt hat. Herabsetzung auf den angemessenen Bedarf bedeutet
vielmehr, wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils ent-schieden hat, dass nicht der an den ehelichen Lebensverhältnissen gemessene Unterhalt geleistet, sondern nur der Bedarf abgedeckt wird, den der [X.] ohne die Ehe zum jetzigen [X.]punkt aus eigenen Einkünften zur [X.] hätte ([X.]surteil vom 20.
Oktober 2010 -
XII ZR 53/09
-
[X.], 2059 Rn. 22). [X.] ist somit ein Vergleich zwischen der jetzigen Lebens-lage und der hypothetischen Lebenssituation ohne Eheschließung ([X.]surteil vom 4.
August 2010 -
XII ZR 7/09
-
[X.], 1633 Rn. 33), wobei eine Schätzung nach § 287 ZPO bei ausreichender Grundlage zulässig ist ([X.]s-urteil vom 4. August 2010 -
XII ZR 7/09
-
[X.], 1633 Rn. 39).
Ist der Unterhaltsberechtigte erwerbsfähig, ist
auf das Einkommen abzu-stellen, das er ohne die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch die Ehe oder die Kindererziehung erzielen könnte ([X.]surteil vom 14.
Oktober 2009 -
XII [X.]6/08
-
FamRZ 2009, 1990 Rn. 14). Hat der Unterhaltsberechtigte hinge-26
27
28
-
13
-
gen -
wie hier
-
das Rentenalter erreicht, kommt es darauf an, ob die erzielten Alterseinkünfte aus seiner früheren, nachehelich ausgeübten oder ihm zumut-baren Erwerbstätigkeit hinter demjenigen zurückbleiben, was er ohne die [X.] Einschränkung seiner Berufstätigkeit an Alterseinkommen hätte er-werben können.
Ein [X.] Nachteil ist nicht darin zu erblicken, dass die Ehefrau während der Ehezeit nicht erwerbstätig war, was zu einer geringeren Altersren-te führen kann. Denn insoweit greift der zwischen den Parteien durchgeführte Versorgungsausgleich. Darauf, ob der Ausgleichsbetrag gemeinsam mit den eigenen ehezeitlichen Anwartschaften die Höhe der Anwartschaften erreicht, die die Ehefrau bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit als milchwirtschaftlich-technische Assistentin während der Ehezeit selbst verdient hätte, kommt es nicht an. Denn durch den Versorgungsausgleich sind die gesamten ehezeitlich erworbenen Versorgungsanwartschaften der Parteien vollständig ausgeglichen. Insoweit können ehebedingte Nachteile keine Berücksichtigung mehr finden ([X.]surteile vom 16. April 2008 -
XII [X.]/06
-
FamRZ 2008, 1325 Rn. 43; vom 6. Oktober 2010 -
XII [X.]/08
-
[X.], 1971 Rn. 27 und
vom 2.
März 2011 -
XII ZR 44/09
-
FamRZ 2011, 713 Rn. 30).
In Betracht kommen daher nur die nach der Ehezeit entstandenen [X.]n Versorgungsnachteile. Solche bestehen jedoch nicht, wie das [X.] zutreffend angenommen hat. Denn ein [X.] Nachteil ergibt sich in der Regel daraus, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte [X.] der gewählten Rollenverteilung nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe erzielen würde. Das ist hier nicht gegeben.
Vor der Ehe hatte die Ehefrau eine Ausbildung zur milchwirtschaftlich-technischen Assistentin absolviert und war in diesem Beruf bis zum 15.
Oktober 29
30
31
-
14
-
1970 tätig. Nach der Trennung erlangte sie am 1. Juni 1981
eine Anstellung als technische Assistentin in Anlehnung an die Vergütungsgruppe [X.], was nach den getroffenen Feststellungen dem unter Berücksichtigung des [X.] erreichbaren Endgehalt einer medizinisch-technischen Assistentin entspricht. Dass die Ehefrau ohne die ehebedingte Berufspause ein höheres Endgehalt in ihrem erlernten Beruf als milchwirtschaftlich-technische Assistentin hätte erreichen können, hat sie im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. [X.]surteil vom 6. Oktober 2010 -
XII [X.]/08
-
[X.], 1971 Rn. 23
und [X.]Z 185, 1 = [X.], 875 Rn. 20 ff.)
nicht substanziiert. Somit durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass die Ehefrau bereits in der Trennungszeit wieder das [X.] ihrer
vorehelich angelegten beruflichen Möglichkeiten
erreicht hatte, so dass ehebedingte Fortkommens-nachteile bereits damals nicht mehr gegeben waren. Dass die Ehefrau aus ehebedingten Gründen dauerhaft daran gehindert gewesen wäre, die in der Trennungszeit ausgeübte [X.] alsbald in eine Vollzeittätigkeit -
ggf. in einem anderen Anstellungsverhältnis
-
auszuweiten, hat das Berufungsge-richt nicht festgestellt. Auch liegt kein [X.] Nachteil darin, dass die Ehefrau sich nach der Geburt eines außerehelichen Kindes dessen Betreuung widmete, von weiterer Berufstätigkeit absah und nach Abschluss der Kindeser-ziehung altersbedingt auf dem Arbeitsmarkt keinen Platz mehr fand. Denn die dadurch entstandenen
Versorgungsnachteile hat die Ehefrau nicht aufgrund der
Ehe, sondern durch die Geburt eines nicht aus der Ehe hervorgegangenen [X.] erlitten. Durch dessen Betreuung und nicht durch ehebedingte Umstände
wurde sie an der weiteren Erwerbstätigkeit gehindert. Daher kann nicht auf fiktiv erworbene Versorgungsanwartschaften abgestellt werden, welche sie als Kin-derlose hätte erzielen können (vgl. [X.]surteil vom 17. Februar 2010 -
XII [X.]0/08
-
[X.], 629 Rn. 29). Das setzt sich fort, soweit sie im [X.] an die Kinderbetreuung aus Altersgründen keinen Platz mehr auf dem Arbeits--
15
-
markt fand. Auch diese Einbuße ist nicht durch die Ehe, sondern durch das [X.] Kind verursacht.

Da diese
nicht im Zusammenhang mit der Ehe stehenden Nachteile
un-terhaltsrechtlich nicht zu Lasten des Ehemanns verwertet werden können, hat das Berufungsgericht der Ehefrau auch zutreffend ein fiktives Alterseinkommen von 226

mit der Begründung zugerechnet,
dass
die Ehefrau für die [X.]räume ab 1993 (halbtags) und ab 1999 (Vollzeit) so zu behandeln sei, als habe sie eine ihren beruflichen Fähigkeiten entsprechende Erwerbstätigkeit gefunden und ausgeübt. Insoweit oblag ihr, nach ihren Möglichkeiten zum weiteren Auf-bau einer eigenen Altersversorgung durch Berufstätigkeit beizutragen
(§ 1569 BGB).
Die von der Revision des Ehemanns angegriffenen [X.]punkte, ab denen das Berufungsgericht eine unterhaltsrechtliche Eigenverantwortung der Ehefrau für den Erwerb eigener Versorgungsanwartschaften angenommen hat, unterlie-gen nur der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle, da diese Erwä-gungen in Ausübung einer tatrichterlichen Billigkeitskorrektur getroffen sind, welche nur daraufhin überprüft werden kann, ob maßgebende Rechtsbegriffe verkannt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen sind. Das ist hier nicht der Fall.
Da die Ehefrau
somit keine ehebedingten Einbußen zu beklagen hat, ist ihr angemessener Lebensbedarf,
auf den gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF herabgesetzt werden kann, bereits durch ihre tatsächlichen sowie fiktiv zuzu-rechnenden [X.] gedeckt.

32
33
34
-
16
-
III.
Da das
Berufungsgericht das nach dem angemessenen Lebensbedarf
zu bestimmende
Unterhaltsmaß und damit zugleich die Untergrenze verkannt hat, bis zu der der Unterhalt herabgesetzt werden kann, kann die angefochtene Ent-scheidung keinen Bestand haben.
Eine abschließende Sachentscheidung ist dem [X.] allerdings ver-wehrt. Der Unterhalt nach dem angemessenen
Bedarf stellt nämlich nur die ge-setzliche Untergrenze dar, bis zu der der Unterhalt herabgesetzt werden kann. Auch bei feststehender Untergrenze ist eine Ausschöpfung des Spielraums bis zum angemessenen Lebensbedarf nicht zwingend, sondern unterliegt der tat-richterlichen Beurteilung des Einzelfalls ([X.]surteil vom 4.
August 2010 -
XII ZR 7/09
-
[X.], 1633 Rn. 40). Eine teilweise Herabsetzung des [X.] ist geboten, wenn dies der Billigkeit entspricht ([X.]surteil vom
6. Okto-ber 2010 -
XII [X.]/08
-
[X.], 1971 Rn. 35).
Auch eine stufenweise Herabsetzung bis zum völligen Wegfall des Unterhaltsanspruchs ist rechtlich
35
36
-
17
-

möglich, so dass sich die Frage einer Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB im Ergebnis
nicht mehr stellen wird. Das erfordert eine erneute tatrichterliche Wür-digung, die vom Revisionsgericht nicht ersetzt werden kann.

Hahne
[X.]
Klinkhammer

Schilling
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.07.2007 -
285 F 258/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 03.09.2009 -
2 UF 90/07 -

Meta

XII ZR 157/09

29.06.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.06.2011, Az. XII ZR 157/09 (REWIS RS 2011, 5316)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5316

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZR 157/09 (Bundesgerichtshof)

Vor der Unterhaltsrechtsreform vereinbarter Unterhaltsanspruch: Herabsetzung nach dem Eintritt des Unterhaltsberechtigten in das Rentenalter


XII ZB 235/12 (Bundesgerichtshof)

Nachehelicher Unterhalt: Ausgleich des ehebedingten Nachteils geringerer Versorgungsanwartschaften des unterhaltsberechtigten, kindesbetreuenden Ehegatten infolge teilweiser Hinderung …


XII ZB 235/12 (Bundesgerichtshof)


XII ZR 147/10 (Bundesgerichtshof)


XII ZR 47/10 (Bundesgerichtshof)

Nachehelicher Unterhalt: Herabsetzung bzw. Befristung des Unterhalts bei Ausschluss der Herabsetzung des nach altem Recht …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.