Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2014, Az. IV ZR 145/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3159

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 145/12

Verkündet am:

3. September 2014

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat
des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 25. August 2014

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerseite
gegen das Urteil der 2. Zi-vilkammer des [X.] vom 29.
März 2012 wird als unzulässig verworfen, soweit der Anspruch nicht auf den gemäß § 5a [X.] erklärten Widerspruch ge-stützt ist.

Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsur-teil auf die Revision aufgehoben und die Sache
zur [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 921,15

festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) 1
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Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversiche-rung.

Diese wurde

unter Wahl einer monatlichen Prämienzahlung -
auf-grund eines Antrags d.
[X.] mit Vertragsbeginn zum
1. Juli
2007
nach dem so genannten Policenmodell des § 5a [X.] in der bei Antragstellung gültigen Fassung
(im Folgenden § 5a [X.]) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde d. [X.] nicht ordnungs-gemäß, insbesondere auch nicht in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht nach § 5a [X.]
belehrt.
Im Mai 2008 erklärte er den Widerspruch nach §§
5a, 8 [X.] sowie Anfechtung und hilfsweise Kündigung des Versicherungsvertrages. Er erhielt den Rückkaufswert einschließlich einer geringen Überschussbeteiligung in Höhe von [X.] erklärte er unter anderem den Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 [X.] und hilfsweise den Widerruf nach § 355 BGB.

Mit der Klage verlangt d. [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d. [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des

gegen Gemein-schaftsrecht verstoßenden

§
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] habe der [X.] noch erklärt werden
können. Außerdem hätten die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen nach §§ 355, 495 BGB a.F. wi-derrufen werden können, weil es sich bei der vereinbarten unterjährigen Prämienzahlung um einen entgeltlichen Zahlungsaufschub i.S.
von § 499 Abs. 1 BGB a.F.
handele.
Schließlich habe er Anspruch auf Schadenser-2
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satz
im Hinblick auf die
sogenannte Kick-back-Rechtsprechung des [X.].

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren in Höhe von 921,15

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist bezüglich eines [X.]s nach § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 355, 495, 499 BGB a.F. und eines Schadenser-satzanspruchs als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Auf-hebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A. Dieses hat einen
Prämienrückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ord-nungsgemäß
über das Widerspruchsrecht belehrt. Der
Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs.
2 Satz 4 [X.] ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.
Auch ein Widerrufs-recht nach §
355, §
499 Abs. 1, §
495 Abs. 1 BGB a.F. und ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht.

[X.] Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Widerrufsrechts aus § 355 Abs. 3 Satz 3, §
495 Abs. 1, §
499 Abs. 1 BGB a.F. und eines Schadensersatzanspruchs
nicht zulässig.
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Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 [X.] für unwirksam erachtet hat.

Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage zugelassen, ob die Vorschriften des § 5a [X.] den Regelungen der [X.] entsprechen. Diese Beschränkung ist den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils zu entnehmen, das

worauf die Revisionserwiderung zu Recht hingewiesen hat

die Revisi-on erkennbar nur für die Frage zulassen wollte, die zuvor eingehend in den Entscheidungsgründen behandelt worden war. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014

[X.], [X.], 817, 818 Rn.
11; für [X.] vorgesehen). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tat-sächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für einen Scha-densersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss und für das Rückgewährschuldverhältnis maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Im Übrigen hätte die Revision insoweit auch in der Sache keinen Erfolg. Durch Senatsurteil vom 6. Februar 2013 ([X.], [X.] 196, 150) ist mittlerweile geklärt, dass die vertraglich vereinbarte unter-jährige Zahlungsweise von Versicherungsprämien keine Kreditgewäh-rung in Form eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs ist. Außerdem hat der [X.]. Zivilsenat des [X.] entschieden, dass die Recht-sprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmten [X.] nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt ([X.], Urteile vom 29. November 2011

[X.] ZR 220/10, NJW-RR 2012, 416, 420
Rn. 39 und vom 1. Juli 2014

[X.] ZR 247/12, [X.], 1621, 1623 Rn.
19 ff.).
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C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.

[X.] Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.

1. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

a) Nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden
Fest-stellungen des Berufungsgerichts belehrte der
Versicherer d. [X.] nicht ordnungsgemäß i.S. von §
5a Abs.
2 Satz
1 [X.] über das [X.]srecht.
Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.]
zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Das Widerspruchsrecht bestand hier aber
nach Ablauf der [X.] und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.]
auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19. Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 ([X.], [X.], 817, 819 ff. Rn. 19-34) entschieden
und im Einzelnen [X.], die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt 11
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reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversi-cherungen zur Lebensversicherung
grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]

wie hier -
nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherin-formation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat
(im [X.] dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).

b)
Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem [X.] nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn.
36 m.w.N.).
Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits voll-ständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).

2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

I[X.] Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss
sich d. [X.] bei
der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den
jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; 17
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bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben
(vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014
aaO Rn. 46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.09.2011 -
113 [X.]/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 29.03.2012 -
2 S 425/11 -

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Meta

IV ZR 145/12

03.09.2014

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2014, Az. IV ZR 145/12 (REWIS RS 2014, 3159)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3159

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