Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.01.2020, Az. VIII B 34/19 (VIII B 33/17), VIII B 34/19, VIII B 33/17

8. Senat | REWIS RS 2020, 3410

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Gegenstand

Aufnahme eines ausgesetzten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens durch die Erben oder den Testamentsvollstrecker


Leitsatz

NV: Wird ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aufgrund des Todes der Beschwerdeführerin auf Antrag gemäß § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO ausgesetzt und ein Testamentsvollstrecker bestellt, kann nur der Erbe das Verfahren aufnehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Bescheide einen Steueranspruch begründen, der zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 25.01.2017 - 5 K 368/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) legt die Voraussetzungen der geltend gemachten Verfahrensfehler nicht den Anforderungen der § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) genügend dar; die Rüge eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers des Finanzgerichts ([X.]) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ist nicht begründet.

3

1. Über die Beschwerde der Klägerin kann entschieden werden. Die Ansicht des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --[X.]--), das ausgesetzte Verfahren habe nur gemäß § 246 Abs. 2, § 243, § 241 der Zivilprozessordnung (ZPO) vom Testamentsvollstrecker der früheren Beschwerdeführerin (Rechtsvorgängerin der Klägerin) aufgenommen werden können, trifft nicht zu.

4

a) Gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO hatte der [X.] mit Beschluss vom 13.06.2017 - VIII B 33/17 das Verfahren auf Antrag der Bevollmächtigten nach dem Tod der Rechtsvorgängerin der Klägerin am ...03.2017 ausgesetzt. Zur Abwicklung des Nachlasses der Rechtsvorgängerin der Klägerin ist seit dem ...07.2017 ein neuer Testamentsvollstrecker bestellt worden. Mit am 21.03.2018 beim [X.] ([X.]) eingegangenen Schriftsatz wurde namens der Klägerin durch die Prozessbevollmächtigte die Aufnahme des Verfahrens erklärt. Das Verfahren wurde durch [X.]sbeschluss vom 06.04.2018 fortgeführt. Von der Bestellung des Testamentsvollstreckers erlangte der [X.] erst durch einen am 02.05.2018 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz des [X.] Kenntnis.

5

b) Entgegen der Ansicht des [X.] hat die --jetzige-- Klägerin als Erbin das ausgesetzte Verfahren wirksam aufgenommen, da (auch nur) sie im Streitfall gemäß § 40 Abs. 2 [X.]O klagebefugt ist. Ansprüche des [X.] aufgrund von [X.], die die Erben für ungerechtfertigt halten, müssen die Erben --wie z.B. Einkommensteueransprüche des Fiskus oder belastende Feststellungen in einem [X.] trotz einer angeordneten Testamentsvollstreckung ungeachtet der Regelungen in §§ 2212, 2213 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) durch eigene Rechtsbehelfe abwehren. Dies gilt jedenfalls für [X.] aus Bescheiden, die --wie im [X.] gegenüber dem Erblasser noch zu Lebzeiten ergangen sind und Nachlassverbindlichkeiten begründen (vgl. [X.]-Urteile vom 15.02.1978 - I R 36/77, [X.]E 125, 112, [X.] 1978, 491, unter 2.b; vom 10.07.1991 - VIII R 16/90, [X.]/NV 1992, 223, unter 1.). Anders ist dies nur bei Erlass eines Steuerbescheids gegenüber dem Testamentsvollstrecker als Adressaten (s. [X.]-Urteile vom 20.04.1989 - IV R 346/84, [X.]E 157, 111, [X.] 1989, 782, unter 1.; vom 16.07.2003 - X R 37/99, [X.]E 203, 14, [X.] 2003, 867). Auf die Aussagen in dem vom [X.] angeführten Urteil des [X.] vom 16.03.1988 - [X.] ([X.], 1) kommt es daher im Streitfall nicht an, da dieses sich nur zur Auslegung der hier nicht einschlägigen Regelungen in §§ 2212, 2213 BGB verhält.

6

c) Auf dieser Grundlage hat die Klägerin als Erbin und Rechtsnachfolgerin der verstorbenen [X.] durch die Prozessbevollmächtigte wirksam die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens erklärt. Der [X.] hat keinen Anlass, an einer Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin zu zweifeln. Die Prozessbevollmächtigte war nach der in den Akten des [X.] befindlichen Vollmacht von [X.] bevollmächtigt worden. Die auch zur Einlegung von Rechtsmitteln berechtigende Vollmacht blieb vom Tod der [X.] als Vollmachtgeberin unberührt. Die Prozessbevollmächtigte hat nach dem zwischenzeitlich gestellten Aussetzungsantrag die Aufnahme des Rechtsstreits namens der Klägerin als Erbin der [X.] erklärt. [X.] Anhaltspunkte dafür, dass dies "[X.]" geschehen sein könnte, sind nicht ersichtlich.

7

2. Soweit die Klägerin rügt, das [X.] habe bei seiner Entscheidung die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O verletzt, weil es keine Umstände ermittelt habe, aus denen sich ein [X.] der Rechtsvorgängerin der Klägerin ableiten lasse, macht sie zwar einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O geltend, sie legt die Voraussetzungen des Verfahrensfehlers aber nicht hinreichend dar.

8

a) Die schlüssige Darlegung einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) erfordert Angaben, welche Tatsachen das [X.] mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem [X.] eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines --insoweit [X.] hätte aufdrängen müssen. Weiter ist darzulegen, welches Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. [X.]-Beschluss vom 25.10.2016 - VIII B 50/16, [X.]/NV 2017, 57). Die Sachaufklärungspflicht des [X.] kann zudem nicht losgelöst von den Mitwirkungspflichten der Beteiligten (§ 76 Abs. 1 Satz 2 [X.]O) gesehen werden ([X.]-Beschluss vom 16.07.2019 - X B 14/19, [X.]/NV 2019, 1116).

9

b) Diesen [X.] genügt das Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht.

Soweit von der Klägerin im Zusammenhang mit der Feststellung eines [X.]es eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch das [X.] und die Bußgeld- und [X.] gerügt wird, kann kein gerichtlicher Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O gegeben sein.

Hinsichtlich der gerügten unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung durch das [X.] beschränkt sich die Begründung der Beschwerde auf den Vorwurf, das [X.] habe die genauen inneren Beweggründe, die zur [X.] der Einkünfte durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin geführt haben, nicht aufgeklärt und die Rechtsvorgängerin auch nicht persönlich angehört, sondern aus objektiven Umständen auf deren [X.] geschlossen. Es wird von der Klägerin aber nicht dargelegt, aufgrund welcher Umstände sich dem [X.] diese weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen musste, zumal in der mündlichen Verhandlung weder Beweisanträge gestellt noch eine Befragung der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Beteiligte beantragt wurde.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass das [X.] das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 370 der Abgabenordnung nicht allein aus den von ihm festgestellten objektiven Umständen habe ableiten dürfen, richtet sich ihr Vorbringen inhaltlich gegen die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz gemäß § 96 Abs. 1 [X.]O und enthält die Behauptung eines materiell-rechtlichen Fehlers des [X.] ([X.]-Beschlüsse vom 15.12.2011 - VIII B 14/11, [X.]/NV 2012, 594; in [X.]/NV 2017, 57; [X.]-Urteil vom 12.07.2016 - II R 42/14, [X.]E 254, 105, [X.] 2016, 868, Rz 14), nicht aber eine Sachaufklärungsrüge.

3. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 [X.]O, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) legt die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dar.

Zur schlüssigen Erhebung dieser Rüge ist auszuführen, wozu sich der Beteiligte nicht hat äußern können, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und dass bei Berücksichtigung dieses Sachvortrags eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre. Insbesondere ist darzulegen, inwieweit der Beteiligte alle zumutbaren Möglichkeiten genutzt hat, sich das rechtliche Gehör vor dem [X.] auch zu verschaffen. Da das [X.] nach § 80 Abs. 1 Satz 1 [X.]O nicht verpflichtet ist, einen ordnungsgemäß vertretenen Kläger --hier die Rechtsvorgängerin der [X.] persönlich zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden, es dem [X.] indes unbenommen bleibt, seinerseits eine persönliche Anhörung herbeizuführen oder ggf. sogar eine [X.] nach § 450 ZPO i.V.m. § 82 [X.]O zu beantragen, ist zu erläutern, aus welchen Gründen es gerade im konkreten Streitfall nicht möglich gewesen sein soll, eine Anhörung oder [X.] zu erreichen (vgl. [X.]-Beschluss vom 16.08.2007 - VIII B 211/06, [X.]/NV 2007, 2312). Hierzu fehlen Ausführungen der Klägerin. Allein der Hinweis, das [X.] habe zwar den Vertreter des [X.] persönlich befragt, nicht aber die Rechtsvorgängerin der Klägerin, genügt nicht, um einen Gehörsverstoß des [X.] darzulegen.

4. Schließlich ist die Revision nicht wegen der Rüge zuzulassen, die Beweiswürdigung des [X.] verstoße gegen Denkgesetze.

a) Die Sachverhaltswürdigung und die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung durch den [X.] im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen. Die Rüge eines materiell-rechtlichen Fehlers liegt insbesondere in dem Vorbringen, die Beweiswürdigung des [X.] verstoße gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze ([X.]-Beschlüsse vom 11.05.2012 - II B 63/11, [X.]/NV 2012, 1455; in [X.]/NV 2012, 594; vom 26.04.2018 - XI B 117/17, [X.]/NV 2018, 953). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn der vom [X.] gezogene Schluss schlechthin unmöglich ist, d.h. wenn nach dem festgestellten Sachverhalt nur eine Folgerung möglich, jede andere denkgesetzlich ausgeschlossen ist und das Gericht die in diesem Sinne allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2018, 953, Rz 66, m.w.N.). Eine Zulassung der Revision kommt unter diesem Gesichtspunkt nur in Betracht, wenn dem [X.] durch den Verstoß gegen Denkgesetze zugleich ein schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O unterläuft. Diese Voraussetzung ist nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern des [X.] im Sinne einer objektiv willkürlichen und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren Entscheidung erfüllt (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2018, 953, Rz 58).

b) Ein solcher Verstoß gegen Denkgesetze ist dem [X.] indes nicht unterlaufen. Es hat sich zur Begründung eines bedingten [X.]es der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Wesentlichen auf die von dieser im September 2000 mit der X-Bank und der Präsidialanstalt der [X.] abgeschlossenen Vereinbarungen gestützt und daraus auf deren Kenntnis der Verhältnisse der Stiftung und einer eigenen Verfügungsbefugnis über die Stiftungsmittel geschlossen. Das [X.] hat ferner den Vortrag, die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe die von der Stiftung erwirtschafteten Kapitalerträge als nicht steuerbar angesehen, weil sie dieser und nicht ihr persönlich zugeflossen seien und das Vermögen der [X.] nicht für private Zwecke habe verwendet, sondern gemeinnützigen Institutionen habe zugewendet werden sollen, in seine Würdigung einbezogen. Für das [X.] kam --anders als die Klägerin meint-- auf dieser Grundlage nicht nur die Schlussfolgerung in Betracht, die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe ohne bedingten Vorsatz gehandelt, indem sie die Kapitalerträge in ihren Steuererklärungen der Streitjahre unerwähnt ließ. Es konnte auf Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen und des klägerischen Vortrags auch zu dem Schluss kommen, die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe die über die [X.] erzielten Kapitalerträge jedenfalls möglicherweise als von ihr zu versteuernde Kapitalerträge angesehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 34/19 (VIII B 33/17), VIII B 34/19, VIII B 33/17

27.01.2020

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 25. Januar 2017, Az: 5 K 368/16, Urteil

§ 246 Abs 1 Halbs 2 ZPO, § 246 Abs 2 ZPO, § 370 AO, § 2212 BGB, § 2213 BGB, § 96 Abs 2 FGO, § 80 Abs 1 S 1 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 450 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.01.2020, Az. VIII B 34/19 (VIII B 33/17), VIII B 34/19, VIII B 33/17 (REWIS RS 2020, 3410)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3410


Verfahrensgang

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Az. VIII B 34/19 (VIII B 33/17), VIII B 34/19, VIII B 33/17

Bundesfinanzhof, VIII B 34/19 (VIII B 33/17), VIII B 34/19, VIII B 33/17, 27.01.2020.


Az. 5 K 368/16

FG Nürnberg, 5 K 368/16, 25.01.2017.

FG Nürnberg, 5 K 368/16, 25.01.2017.


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