Bundesgerichtshof, Urteil vom 31.10.2022, Az. VIa ZR 173/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6722

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 14. Januar 2022 im Kostenpunkt insgesamt und in der Hauptsache teilweise aufgehoben und im Ausspruch zur Hauptsache wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 15. Juli 2021 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.316,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 20.895,85 € für die [X.] vom 2. Juli 2020 bis zum 9. Juni 2021, aus einem Betrag von 20.895,85 €, der sich [X.] linear auf 20.316,50 € ermäßigt, für die [X.] vom 10. Juni 2021 bis zum 9. Dezember 2021 und aus 20.316,50 € seit dem 10. Dezember 2021 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs [X.] mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer                     zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die bis zum 15. August 2022 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4. Die nach dem 15. August 2022 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die beklagte [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin erwarb im Jahr 2014 von einer Händlerin ein Neufahrzeug des Typs [X.] zum Preis von 38.718 € brutto. Das Fahrzeug ist mit einem von der [X.] entwickelten Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgestattet. Dieser enthielt eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des [X.] auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren [X.] als im Normalbetrieb bewirkte. Die Software wurde im [X.] 2015 öffentlich bekannt und vom [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.

3

Mit der im Jahr 2020 erhobenen Klage hat die Klägerin die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der [X.] und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das [X.] hat den Freistellungsantrag abgewiesen und dem übrigen Klagebegehren weitgehend stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Verurteilung der [X.] in Höhe von nur noch 26.704,97 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs und die Feststellung des Annahmeverzugs aufrechterhalten. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zuletzt ihr Begehren auf Abweisung der Klage weiter, soweit sie zur Zahlung von mehr als 20.316,50 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Die Feststellung des Annahmeverzugs greift sie nicht mehr an.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist zulässig und nach der Beschränkung des Revisionsangriffs, mit der die Beklagte das Rechtsmittel teilweise zurückgenommen hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2022 - [X.], NJW 2022, 2752 Rn. 5), begründet.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt gerechtfertigt:

6

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB. Der Anspruch sei auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsvorteils in Höhe von 12.013,03 €, also auf Zahlung von [X.] um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtet. Der Durchsetzung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB stehe zwar die Verjährungseinrede der Beklagten entgegen, da die Klägerin ohne grobe Fahrlässigkeit bereits im [X.] Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hätte erlangen müssen. Die Klägerin könne jedoch einen inhaltsgleichen Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB geltend machen. Die Beklagte habe infolge des Fahrzeugerwerbs der Klägerin den Kaufpreis abzüglich einer Händlermarge von 16,5% erlangt, mithin 32.329,53 €. Da dieser Betrag den verjährten Anspruch aus §§ 826, 31 BGB übersteige, wirke sich die Beschränkung des Restschadensersatzanspruchs auf das von der Beklagten durch die unerlaubte Handlung Erlangte gemäß § 852 Satz 1 BGB nicht aus. [X.] könne die Klägerin letztlich aus dem zuerkannten Betrag von [X.], für die [X.] bis zur erstinstanzlichen Verhandlung aus dem vom [X.] ausgeurteilten Betrag von 27.284,32 € und für die Zwischenzeit - unter Berücksichtigung der fortgesetzten Fahrzeugnutzung - aus einem sich linear von 27.284,32 € auf [X.] verringernden Betrag verlangen.

II.

7

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Umfang des nachträglich reduzierten Revisionsangriffs nicht stand. Das Berufungsgericht hat bei der Ermittlung der Höhe des aus §§ 826, 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB geschuldeten [X.] übersehen, dass - was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 16) - der von der Beklagten erlangte [X.] nicht lediglich als Vergleichsgröße heranzuziehen, sondern Ausgangspunkt für die Berechnung der Anspruchshöhe ist. Entsprechend hätte das Berufungsgericht, weil auch der Restschadensersatzanspruch der Vorteilsausgleichung unterliegt, die von ihm gemäß § 287 ZPO rechtsfehlerfrei geschätzten Nutzungsvorteile in Höhe von 12.013,03 € von dem unangefochten festgestellten [X.] in Höhe von 32.329,53 € abziehen müssen, sodass es zu einem Anspruch in der Hauptsache bei Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz von nur noch 20.316,50 € gelangt wäre.

III.

8

Das Berufungsurteil ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Insoweit stellt es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

9

Der den Restschadensersatzanspruch übersteigende Anspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB ist, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, nicht durchsetzbar, da die Beklagte dem Anspruch gemäß §§ 195, 199 Abs. 1, § 214 Abs. 1 BGB die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann. Zwar kann eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts entgegen dessen Annahme nicht schon für das [X.], sondern erst für das [X.] angenommen werden (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.], [X.], 899 Rn. 16 ff.; Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.], [X.], 1039 Rn. 25 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 38 ff.). Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da die Klägerin erst am 1. Juli 2020 und damit nach Vollendung der Verjährung, die mit Ablauf des Jahres 2019 eingetreten ist, Klage erhoben hat.

Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, da die teilweise Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Restschadensersatzanspruch in Höhe von 20.316,50 € zuzüglich [X.] aus einem Betrag von anfänglich 20.895,85 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs. [X.] schuldet sie in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang so wie vom Berufungsgericht unangefochten angenommen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2020. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend berücksichtigt, dass die zu verzinsende Hauptforderung aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB bei Eintritt der Rechtshängigkeit den letztlich zuzusprechenden Betrag überstieg, weil sich der anzurechnende Nutzungsvorteil im Laufe des Rechtsstreits erhöht hat (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2020 - [X.], NJW 2020, 2806 Rn. 38). Der anfänglich zu verzinsende Betrag beläuft sich nach [X.], vom [X.] ausgehender Berechnung auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts auf 20.895,85 €. Für die [X.] zwischen dem 2. Juli 2020 und dem 9. Juni 2021 haben die Vorinstanzen - die Beklagte im Übrigen nicht beschwerend - eine geringere Laufleistung des Fahrzeugs als an dem Tag vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nicht ermittelt, sodass es bei einer Staffelung wie vom Berufungsgericht vorgenommen zu verbleiben hat. Die vom Berufungsgericht angenommene lineare Reduktion des zu verzinsenden Betrags in der [X.] vom 10. Juni 2021 bis zum 9. Dezember 2021 stellt die Revision nicht infrage.

[X.]     

      

Möhring     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 173/22

31.10.2022

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 14. Januar 2022, Az: 15 U 1398/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 31.10.2022, Az. VIa ZR 173/22 (REWIS RS 2022, 6722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6722

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZR 396/21

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VI ZR 397/19

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