Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2004, Az. 3 StR 428/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2004, 3531

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 [X.] vom 22. April 2004 in der Strafsache gegen

1.

2.

wegen besonders schwerer Brandstiftung u. a.
- 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22. April 2004, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.]

[X.]

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]

[X.],

von [X.],

[X.],

[X.]

als beisitzende [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten [X.]
,
Rechtsanwalt

als Verteidiger der Angeklagten [X.]
,
Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

- 3 - für Recht erkannt:
[X.] 1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]

wird das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2003, soweit es ihn betrifft, aufgehoben a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen beson-ders schwerer Brandstiftung verurteilt worden ist; je- doch bleiben die insoweit getroffenen Feststellungen - ausgenommen zur Frage des Einverständnisses der [X.] in die Inbrandsetzung - aufrechterhalten, b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen [X.]. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verwor-fen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.] Urteil, soweit es den Angeklagten [X.]

betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen [X.] aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmit-tel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, an eine an-dere [X.] des [X.] zurückverwiesen. - 4 - I[X.] Die Revision der Angeklagten [X.] gegen das vor-bezeichnete Urteil wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

wegen beson-ders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit zwei Fällen des Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und die Angeklagte [X.] wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Angeklagte [X.] rügt die Verletzung der Vorschriften über das Verfahren beim Ausschluß der Öffent-lichkeit. Mit der Sachrüge wendet er sich insbesondere gegen die Verurteilung wegen Brandstiftung; insoweit hat sein Rechtsmittel Erfolg. Die Angeklagte Hei-ke [X.]erhebt die gleiche Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge; ihre Revision ist unbegründet. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Rechtsmittel auf den Strafausspruch gegen den Angeklagten [X.]

beschränkt und beanstandet insbesondere die Verhängung einer unter dem gesetzlichen Straf-rahmen des § 306 b Abs. 2 StGB liegenden Freiheitsstrafe; die Revision hat Erfolg. - 5 - Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte [X.]

den Entschluß gefaßt, ein ursprünglich in seinem Eigentum stehendes und später im Zusammenhang mit einem Konkurs auf seine Ehefrau, die Mitangeklagte [X.] , übertragenes Mehrfamilienhaus mit insgesamt drei Wohnun-gen in Brand zu setzen, um die Versicherungssummen einer Feuer- und einer Hausratversicherung zu erlangen. Das Mehrfamilienhaus wurde von beiden Angeklagten mit ihrer Tochter, der Familie des Bruders des Angeklagten sowie einer Studentin bewohnt. Der Angeklagte unterrichtete seine Ehefrau von sei-nem Vorhaben und ermöglichte ihr, diverse Habe in Sicherheit zu bringen. [X.] hinaus vergewisserte er sich, daß auch die anderen Hausbewohner in der Tatnacht nicht im Hause sein würden. Ob er dazu die vorgenannten Personen von der geplanten Brandlegung unterrichtete und diese somit ebenfalls [X.] hatten, wertvolle Gegenstände wegzuschaffen, hat das [X.] nicht mit Sicherheit feststellen können. Der Angeklagte setzte sodann das Mehrfamilienhaus in Brand und beantragte mit seiner Ehefrau Versicherungs-leistungen. Der Brandversicherer leistete insgesamt rd. 295.000 DM; dagegen zahlte der [X.] lediglich einen Vorschuß von 10.000 DM und lehnte weitere Zahlungen auf die geltend gemachte Summe von rd. 163.000 DM ab.
[X.] Verurteilung des Angeklagten [X.] :

1. Revision des Angeklagten:

a) Verfahrensrüge: - 6 - Die auf § 338 Nr. 6 StPO gestützte Rüge, die Vorschriften über die Öf-fentlichkeit des Verfahrens seien verletzt, weil das [X.] die Öffentlich-keit bei der Vernehmung der Zeugin S. mit unzureichender [X.] ausgeschlossen habe, hat keinen Erfolg. Ausweislich des [X.] hatte der die Zeugin begleitende Rechtsanwalt für die Beantwortung einer Frage beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Die [X.] faßte daraufhin folgenden [X.]uß: "Die Öffentlichkeit wird gemäß § 171 b Abs. 1 und 2 [X.] ausgeschlossen". Zwar ist der Revision zuzugeben, daß dieser [X.]uß der Begründungspflicht nach § 174 Abs. 1 Satz 3 [X.] nicht genügt, da weder der konkrete Ausschließungsgrund, noch der [X.], für den der Ausschluß erfolgen soll, hinreichend bezeichnet ist. Dies führt hier jedoch nicht zur Aufhebung, weil beides im Zusammenhang mit dem sich aus dem Protokoll ergebenden Antrag des Zeugenbevollmächtigten und der ange-gebenen Gesetzesvorschrift für alle Verfahrensbeteiligten sowie die im [X.] anwesenden Zuhörer auf der Hand lag, zumal der Ausschluß in den Fällen des § 171 b Abs. 2 [X.] nicht im Ermessen des Gerichts steht, sondern zwingend anzuordnen ist. Denn nicht jede formale Verletzung der [X.] stellt einen absoluten Revisionsgrund dar (vgl. [X.]St 45, 117, 120, 121 und den dort zitierten [X.]uß des Senats vom 12. November 1998 - 3 [X.]; ferner [X.], [X.]. vom 26. Juli 2001 - 3 StR 239/01).
b) Sachrüge: Soweit das [X.] den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ver-urteilt hat, ist nur unzureichend geprüft, ob das Gebäude im Tatzeitpunkt noch - 7 - der Wohnung von Menschen diente. Bei der rechtlichen Würdigung hat es hier-zu lediglich ausgeführt, in dem Mehrfamilienhaus hätten der Angeklagte und seine Ehefrau gewohnt. Die [X.] hat dabei ersichtlich nicht bedacht, daß eine Zweckbestimmung als Wohnraum dann nicht mehr vorliegt, wenn sie durch die Bewohner aufgegeben worden ist (st. Rspr.; vgl. [X.]St 16, 394, 395; 26, 121, 122; [X.] NJW 1988, 1276). Dies liegt für die Person des Angeklagten [X.] selbst auf der Hand und für seine Ehefrau [X.] nahe, da sie über das Vorhaben informiert war, wertvolle Habe ent-fernte und das Gebäude zur geplanten Tatzeit mit der gemeinsamen Tochter verließ. Denn die Aufgabe als Wohnung bedarf keines formalen Aktes und kann auch in einem Einverständnis mit der Brandlegung enthalten sein (vgl. [X.] NStZ 1992, 541; 1994, 130). Auch bei den übrigen Bewohnern erscheint es nach Sachlage nicht ausgeschlossen, daß sie ihr Einverständnis zur Brandlegung erklärt und damit den [X.] des Hauses aufgegeben hatten. Daß das [X.] nicht mit Sicherheit hat feststellen können, daß sie unterrichtet waren und ebenfalls Gelegenheit hatten, wertvolle Gegenstände wegzubringen, läßt dies wenigstens für möglich erscheinen.
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs nur wegen besonders schwerer Brandstiftung, während er wegen der beiden abgeurteilten Fälle des Betrugs bestehen bleiben kann. Dieser Teilaufhebung steht nicht entgegen, daß das [X.] Tateinheit zwischen Brandstiftung und Betrug angenommen hat, denn dies war fehlerhaft. Allein der Umstand, daß die [X.] vorgenommene Brandlegung die Voraussetzungen für den später zu [X.] gegenüber den Versicherungsunternehmen schaffen soll, genügt nicht für die Annahme von Tateinheit (st. Rspr.; vgl. [X.]St 11, 398, 399; 45, 211, 213). Da somit bei zutreffender rechtlicher Wertung Tatmehrheit - 8 - zwischen der Brandstiftung und den beiden Betrugsfällen gegeben ist, kann die Teilaufhebung allein auf das Brandstiftungsgeschehen beschränkt werden und der Schuldspruch wegen der gesonderten Taten des Betrugs bestehen bleiben (vgl. [X.] in [X.]. § 353 Rdn. 12 [X.]).
Da das [X.] - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Einzelstrafen wegen Betrugs gebildet hat, muß der Strafausspruch insgesamt aufgehoben werden. Die getroffenen Feststellungen zum Brandgeschehen, mit Ausnahme derjenigen zum Einverständnis der übrigen Bewohner, sind jedoch von diesem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten werden. Der neue Tatrichter wird insoweit zu prüfen haben, ob alle Bewohner ihr [X.] zur Brandlegung gegeben und damit den [X.] aufgegeben hatten. Das unfreiwillige Verlassen des Gebäudes, gegebenenfalls unter Mit-nahme von Habe, wird dazu nicht ausreichen (aA wohl [X.] in [X.]/ [X.], StGB 26. Aufl. § 306 a Rdn. 5).
2. Revision der Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, daß die [X.] zwar die Voraussetzungen eines Verbrechens der besonders schweren Brand-stiftung nach § 306 b Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB bejaht, aber gleichwohl die gesetzliche Mindeststrafe des § 306 b Abs. 2 StGB von fünf Jahren Freiheitsstrafe unterschritten und lediglich eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt hat. Gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sind die [X.] dem Gesetz unterworfen. Es steht daher nicht in ihrem Belieben, von den gesetzlich vorgesehenen [X.] 9 - rahmen abzuweichen, wenn das Gesetz hierfür keine Möglichkeit bietet. Eine solche lag hier nicht vor. Im übrigen ist die von der [X.] für ihre abwei-chende Entscheidung gegebene Begründung - über ihre grundsätzliche Geset-zeswidrigkeit hinaus - nicht tragfähig. Insbesondere der Umstand, daß die [X.] in Vorgesprächen eine Freiheitsstrafe zwischen drei und vier Jah-ren "signalisiert" hatte, rechtfertigt nicht das Abweichen von der Verhängung einer gesetzlich vorgesehenen oder sonst schuldangemessenen Strafe. Sollte sich die erste Einschätzung als unzutreffend oder wie hier als rechtlich nicht haltbar erweisen, so kann es zur Vermeidung einer Überraschungsentschei-dung geboten sein, auf die nunmehr veränderte Beurteilung hinzuweisen und so dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, seine Verteidigung entsprechend darauf einzurichten.
Auch eine der sogenannten Rechtsfolgenlösung des [X.] zur Verhängung der absoluten lebenslangen Strafe in besonders gelagerten Fällen des [X.] ([X.]St 30, 105 ff.) entsprechende Konstellation lag nicht vor. Daß der Strafrahmen des § 306 b Abs. 2 StGB in einem Fall wie hier in verfassungswidriger Weise den Grundsatz schuldange-messenen Strafens verletzen würde, nimmt die [X.] ersichtlich nicht an. - 10 - I[X.] Verurteilung der Angeklagten [X.] :
Die von der Angeklagten ebenfalls erhobene Öffentlichkeitsrüge bleibt aus den unter Abschnitt [X.] 1. a) genannten Gründen ohne Erfolg. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der allgemeinen Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. [X.] [X.] von [X.]

[X.]

[X.]

Meta

3 StR 428/03

22.04.2004

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2004, Az. 3 StR 428/03 (REWIS RS 2004, 3531)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3531

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