Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.02.2014, Az. I R 6/13

1. Senat | REWIS RS 2014, 7551

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Gegenstand

(Erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung bei Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG)


Leitsatz

NV: Bei unterjähriger Veräußerung des einzigen Grundstücks einer grundstücksverwaltenden GmbH kommt mangels ausschließlicher Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Betracht. Bemühungen um den Erwerb eines neuen Grundstücks zur Fortsetzung der Grundstücksverwaltung sind nicht als Grundstücksverwaltung anzusehen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Streitjahr 2007 die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes 2002 (GewStG 2002) zustand.

2

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer GmbH i.L., war die Verwaltung von Grundstücken. Im Streitjahr gehörte zu ihrem Betriebsvermögen das Grundstück [X.] in [X.] Über weiteren Grundbesitz verfügte sie nicht. Die Klägerin erzielte aus der Grundstücksverwaltung Erlöse in Höhe von 141.058,69 €. Zudem erwirtschaftete sie sonstige Erlöse von 18,67 €, Zinserträge in Höhe von 428,18 € sowie weitere Zinsen in Höhe von 2.486,46 €, die mit Finanzierungsvorgängen im Zusammenhang standen, die über sogenannte Swap-Geschäfte abgesichert waren. Am 30. November 2007 schied das Grundstück [X.] veräußerungsbedingt aus dem Betriebsvermögen der Klägerin aus.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) versagte der Klägerin die zunächst erklärungsgemäß gewährte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 im Umfang von 420.808 € und setzte u.a. den [X.] für das Streitjahr entsprechend fest. Die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung lägen nicht vor. Da die Klägerin ihren Grundbesitz unterjährig veräußert habe, habe sie nicht während des gesamten [X.] eigenen Grundbesitz verwaltet.

4

Das gegen den Änderungsbescheid geführte Einspruchsverfahren blieb ebenso erfolglos wie die anschließende Klage vor dem [X.] ([X.]) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 12. Dezember 2012  12 K 12280/11, veröffentlicht in Entscheidungen der [X.]e 2013, 1420).

5

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt (sinngemäß), das [X.]-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 zu ändern.

6

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 im Streitjahr nicht zusteht.

8

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG 2002 ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des [X.] zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG 2002 bezeichneten Beträge. Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung nach Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des [X.], der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

9

2. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ist im Streitfall eine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 aufgrund der unterjährigen Veräußerung des einzigen Grundstücks der Klägerin nicht zu gewähren.

a) Soweit § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 die ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fordert, ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass der Begriff der Ausschließlichkeit gleichermaßen qualitativ, quantitativ wie zeitlich zu verstehen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 I R 1/10, [X.], 841, m.w.N.; zustimmend [X.]/ [X.], § 9 GewStG Rz 76; kritisch [X.], [X.] 2004, 1085, 1093; [X.], Neue Wirtschaftsbriefe 2012, 4223, 4225). Zwar ist nicht erforderlich, dass die Grundstücksverwaltung während des gesamten [X.] bestanden hat. Sie kann auch vorzeitig enden. Solange aber das Unternehmen --wie im [X.] während des [X.] überhaupt tätig ist, muss seine Haupttätigkeit durchgängig in der schlichten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes bestehen, um begünstigt zu sein (Senatsurteil vom 20. Januar 1982 I R 201/78, [X.], 327, [X.] 1982, 477). Dies folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer (Senatsurteil vom 29. März 1973 I R 199/72, [X.], 138, [X.] 1973, 563). Die erweiterte Kürzung kann daher nicht gewährt werden, wenn das letzte Grundstück vor Ablauf des [X.] veräußert und nicht mehr ausschließlich Grundbesitz verwaltet wird (Senatsurteile in [X.], 841; vom 19. Dezember 2007 I R 46/07, [X.], 930; Senatsbeschlüsse vom 14. April 2000 I B 104/99, [X.], 1497; vom 12. Juli 1999 I B 5/99, [X.], 79; Senatsurteil in [X.], 327, [X.] 1982, 477). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiterhin fest.

b) Im Streitfall war der Klägerin die erweiterte Kürzung zu versagen, weil sie seit dem Übergang ihres einzigen Grundstücks auf die Käuferin am 30. November 2007 --und damit vor Ablauf des [X.] (§ 14 Satz 2 GewStG 2002)-- keinen eigenen Grundbesitz mehr genutzt hat, aber weiterhin werbend tätig blieb. Soweit sie noch eigenes Kapitalvermögen in Form von Forderungen gegenüber ihren Gesellschaftern verwaltete, erfolgte dies nicht mehr (unschädlich) zeitlich neben, sondern nach der Grundstücksnutzung. Eine nur "technisch" bedingte Ausnahme liegt hier ersichtlich nicht vor (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. August 2004 I R 89/03, [X.], 40, [X.] 2004, 1080).

c) Darauf, ob es tatsächlich ihre Absicht war, neuen Grundbesitz zu erwerben, und sie im Erhebungszeitraum bereits diesbezügliche Maßnahmen unternommen hat, kommt es nicht an. Das Bestreben, wieder eine Grundstücksnutzung aufzunehmen, ist der Grundstücksnutzung nicht gleichzustellen.

Die nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002 erforderliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes grenzt die Vermögensverwaltung auf der einen Seite von gewerblichen Tätigkeiten ab. Auf der anderen Seite erfordert der Wortlaut aber ausdrücklich, dass während des gesamten [X.] eine "Nutzung" des Grundstücks --im Sinne einer Fruchtziehung (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2007 I B 148/07, [X.], 542)-- erfolgt. Eine solche Fruchtziehung aus eigenem Grundbesitz nahm die Klägerin aber seit dem Verlust des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück (vgl. auch § 20 Abs. 1 Satz 1 der [X.]) nicht mehr vor. Die Maßnahmen zur Vorbereitung oder Anbahnung eines (erneuten) Grundstückserwerbs stellten noch keine Grundstücksnutzung, also auch keine "Verwaltung und Nutzung" in diesem Sinne dar. Hierüber können auch der Gesellschaftszweck und die Absicht, neuen Grundbesitz zur eigenen Nutzung zu erwerben (vgl. bereits Urteil des [X.] vom 7. April 1967 VI R 285/66, [X.], 215, [X.]I 1967, 616), nicht hinweghelfen.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus Sinn und Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 2002, Kapitalgesellschaften, die (systembedingt) nur kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind, Personenunternehmen gleichzustellen. Die Vorschrift macht die --verfassungsrechtlich nicht unbedingt gebotene-- Begünstigung von engen tatbestandlichen Erfordernissen abhängig. Sind diese nicht vollen Umfangs erfüllt, ist sie nicht zu gewähren (Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 I R 67/09, [X.], 194, [X.] 2011, 367). Der Gesetzgeber ist grundsätzlich darin frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Begünstigung, wie hier der erweiterten Kürzung des [X.], zu gelangen (vgl. Senatsurteil in [X.], 40, [X.] 2004, 1080, m.w.N.). Eine Erweiterung der Kürzungsvorschrift gegen ihren ausdrücklichen Wortlaut kommt daher nicht in Betracht.

Von dem [X.] sind auch keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten (Senatsurteil in [X.], 40, [X.] 2004, 1080). Unabhängig davon lagen im Streitfall die tatbestandlichen Voraussetzungen während eines Monats des [X.] nicht vor, was weder absolut noch relativ als geringfügig anzusehen ist.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 6/13

26.02.2014

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 12. Dezember 2012, Az: 12 K 12280/11, Urteil

§ 9 Nr 1 S 2 GewStG 2002, GewStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.02.2014, Az. I R 6/13 (REWIS RS 2014, 7551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7551

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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12 U 30/19

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