Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2016, Az. VI ZB 63/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13234

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:120416BVIZB63.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]/14

vom

12. April
2016

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
Zum Wert des [X.] bei einer -
teilweise abgewiesenen -
Klage gerichtet auf Zahlung eines bestimmten Betrages nebst Zinsen abzüglich bereits [X.] Zahlungen.

[X.], Beschluss vom 12. April 2016 -
VI [X.]/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
12. April 2016
durch den [X.] [X.] Galke, den
[X.]
Wellner, die [X.]in von [X.], den [X.] [X.] und die [X.]in Müller
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss der 6. Zivil-kammer des [X.] vom 15. September
2014
aufgeho-ben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwie-sen.
[X.]: 637

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den
Beklagten
wegen einer vorsätzlichen Körperver-letzung in Anspruch.
Das Amtsgericht hat den Beklagten -
soweit im Rechtsbeschwerdever-fahren noch von Interesse
-
verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juni 2012 abzüglich am 6. Mai 2013, 3. Juni 2013 und 24. Juli 2013 1
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jeweils [X.] zahlen.
Es hat damit nur teilweise dem Antrag des [X.]
entsprochen, der ein Schmerzensgeld von (mindestens)

bereits erbrachten Zahlungen in Höhe von insgesamt

Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Amtsgerichts, mit der dieser ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 637

als unzulässig verworfen. Der . Der Kläger sei nur wert, da dies die Differenz zwischen dem vom Kläger beantragten und dem ihm vom Amtsgericht zugesprochenen Schmerzensgeld sei. Die vom Kläger nunmehr errechnete höhere Hauptforderung beruhe darauf, dass er in
der Berufungsbegründung erst Zinsen ab dem 28. August 2013 und nicht ab dem 6. Juni 2012
begehre. Die zuvor angefallenen, vom Kläger jetzt ausgerechneten Zinsen stellten eine Nebenforderung i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO dar und seien daher bei der [X.] nicht zu berücksichtigen. Dagegen wendet sich
der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall 2 ZPO).
Das Berufungsgericht hat dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert, da es den Umfang der Verurteilung des Beklagten sowie den dieser [X.] zugrunde liegenden Antrag des [X.] im entscheidenden Punkt verkannt 3
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-
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-

hat (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2011 -
V [X.], NJW-RR 2012, 82 Rn. 8).
1. Der angefochtene Beschluss ist nicht bereits deshalb aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
Eine Sachdarstellung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel noch mit hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergeben (Senatsbeschlüsse vom 29.
Oktober 2013 -
VI [X.], [X.], 350 Rn. 6; vom 16. April 2013 -
VI
ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077
Rn. 5; vom 8. Mai 2012 -
VI
ZB 1/11
und
VI [X.]/11,
VersR 2012, 1272 Rn. 3; jeweils mwN).
So liegt der Fall hier. Der angefochtene Beschluss lässt
-
jedenfalls in der Zusammenschau mit dem in den
Beschlussgründen teilweise in Bezug ge-nommenen amtsgerichtlichen Urteil und der Berufungsbegründung des Klä-gers
-
dessen
Rechtsschutzziel und die für die Berechnung des Wertes des [X.] entscheidende Schadensposition erkennen, so dass für
das Rechtsbeschwerdegericht noch in ausreichendem Maße ersichtlich ist, von welchem Sachverhalt das Berufungsgericht hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen ist.
2. Die Rechtsbeschwerde hat allerdings in der Sache Erfolg, weil die Be-rufung des
[X.]
nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung als unzulässig verworfen werden kann. Entgegen der Auffassung des [X.] übersteigt der Wert des [X.] die Wertgren-

a)
Fehlt es -
wie im Streitfall -
an einer Zulassung der Berufung durch das Erstgericht (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO),
so
ist eine Berufung gemäß § 511 Abs. 2 5
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übersteigt. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels eines [X.] ist grundsätzlich von der "formellen Beschwer" auszugehen. Danach ist der Kläger, soweit das angefochtene Urteil von seinen Anträgen abweicht, [X.] (Senatsbeschlüsse vom 12. April 2011 -
VI [X.], [X.], 816 Rn. 6; vom 26. Oktober 2010 -
VI [X.], VersR
2011, 646
Rn. 5 mwN).
aa) Der Kläger hat in erster Instanz ein Schmerzensgeld von ([X.])

, wovon
erfolgte Zahlungen des Beklagten in Höhe von insgesamt 250

werden sollten.
Für die Auslegung von [X.], die der erkennende Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann, ist -
ebenso wie bei materiell-rechtlichen Willenserklärungen -
nicht allein der Wortlaut maßgebend. [X.] ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Für die Auslegung ei-nes Klageantrags ist daher auch dessen Begründung heranzuziehen. Im Zwei-fel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht
(Senatsurteil vom 16. September 2008 -
VI [X.], [X.], 121 Rn. 11 mwN).
Danach ist der Klageantrag im Streitfall mangels gegenteiliger Anhalts-punkte
so zu verstehen, dass die dort in Abzug gebrachten Zahlungen des [X.] zunächst auf die Zinsen und erst danach auf die geltend gemachte Hauptforderung auf Schmerzensgeld angerechnet werden sollten. Dafür spricht bereits dessen
Wortlaut, der die anzurechnenden
Zahlungen nicht unmittelbar nach der geltend gemachten Hauptforderung
aufführt oder die Zahlungen schlicht hiervon in Abzug bringt, sondern diese vielmehr erst nach den aus der Schmerzensgeldforderung verlangten Zinsen nennt. Darüber hinaus entspricht ein derartiges Verständnis auch der Interessenlage des [X.]; dieser hat aus 10
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-

finanziellen Gründen ein schutzwürdiges Interesse daran, die verzinsliche Hauptforderung möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten. Ein solches Ver-ständnis steht nicht zuletzt im Einklang mit
der (dispositiven) gesetzlichen Re-gelung des § 367 Abs. 1 [X.], wonach eine zur Tilgung der ganzen Schuld nicht ausreichende Leistung vor der Hauptleistung zunächst auf die Zinsen an-gerechnet
wird (vgl. zu dessen Normzweck BeckOGK/[X.] [X.]
§ 367 Rn. 2 (Stand: 01.10.2015); Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 367 Rn. 1).
Somit
entfielen nach dem Klageantrag von den in Abzug gebrachten Zahlungen des Beklagten

auf die bis zum 28. August 2013
aufgelaufe-nen Zinsen

Hauptforderung; die mit dem Klageantrag gel-tend gemachte Schmerzensgeldforderung
umfasste danach

.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe erst mit der [X.] ab dem 28. August 2013 geltend
gemacht, ist daher unzutref-fend. Vielmehr hat sein [X.] bei [X.] Verständnis schon in erster Instanz nur noch Zinsen ab diesem Datum umfasst.
bb) Die vorstehenden Erwägungen lassen sich weitestgehend auf
die Auslegung des amtsgerichtlichen
Urteils
übertragen. Nach dessen Tenor
ist der
Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Grundsätzlich ist für den Inhalt der Entscheidung der Wortlaut der Urteils-formel
maßgebend. Gibt diese
zu Zweifeln Anlass, so können zu ihrer Ausle-gung auch Tatbestand,
Entscheidungsgründe und das dort in Bezug genom-mene Parteivorbringen
herangezogen werden. Eine solche Auslegung ist [X.] nur begrenzt möglich; sie hat sich im Interesse der Rechtssicherheit allein an das zu halten, was der [X.] erkennbar zum Ausdruck gebracht hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 24. Mai 1988 -
VI [X.], [X.], 929; 13
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vom 5. März 1985 -
VI [X.], VersR 1985,
663, 664; vom 15. Juni 1982 -
VI [X.], [X.], 877, 878; [X.], Urteile vom 30. September 2009 -
VIII ZR 29/09, NJW-RR 2010, 19 Rn. 15; vom 14. Februar 2008 -
I [X.], [X.], 2716 Rn. 13;
jeweils mwN).
Aus dem Wortlaut der Urteilsformel geht im Streitfall nicht zweifelsfrei hervor, ob die in Abzug zu bringenden Zahlungen des Beklagten zunächst auf das ausgeworfene Schmerzensgeld oder die hierauf entfallenden Zinsen anzu-rechnen sind. Allerdings deutet auch hier bereits die Formulierung der [X.] des Beklagten
darauf hin, dass die anzurechnenden Zahlungen primär von den Zinsen in Abzug zu bringen sein sollen; entsprechend dem Klageantrag sind
diese
Zahlungen erst nach der tenorierten Zinsforderung und nicht bereits im [X.] an die
Hauptforderung genannt oder schlicht von ihr abgezogen worden. Zudem kann kaum angenommen werden, dass das Amtsgericht trotz der von ihm übernommenen Formulierung des Klageantrags seiner Urteilsfor-mel
einen anderen Inhalt zu Lasten des [X.] geben wollte, ohne dies in [X.] Entscheidung anzusprechen. Da sich dem amtsgerichtlichen
Urteil auch im Übrigen keine weiteren Umstände entnehmen lassen, die für einen vorrangigen Abzug der Zahlungen des Beklagten vom tenorierten Schmerzensgeld selbst sprechen, ist die Urteilsformel dahingehend auszulegen, dass die geleisteten Zahlungen zunächst auf die Zinsen und erst dann auf die Hauptforderung anzurechnen sind. Dementsprechend sind von diesen Zahlun-ist nur der übrige Betrag in Höhe von 214,48

auf die Schmerzensgeldforderung anzurechnen, weshalb die Verurteilung des Beklagten in der Hauptsache 385,5

beträgt.
b) Damit weicht die Verurteilung des Beklagten in der Hauptsache jedoch [X.] ab. Diesen Betrag verfolgt der Kläger in der Hauptsache mit seinem Berufungsantrag weiter.
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3. Die Sache ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO).
Galke
Wellner
von
[X.]

[X.]
Müller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.05.2014 -
45 C 1390/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.09.2014 -
6 [X.] -

18

Meta

VI ZB 63/14

12.04.2016

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2016, Az. VI ZB 63/14 (REWIS RS 2016, 13234)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13234

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