Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2010, Az. 4 StR 216/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 5664

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln: Fehlerhaftigkeit des Eröffnungsbeschlusses wegen falscher Besetzung der großen Strafkammer und Anforderungen an die Einziehungsanordnung bei Betäubungsmitteln


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2009

a) aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen 37 bis 44 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, insoweit wird das Verfahren eingestellt; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen insofern der Staatskasse zur Last;

b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 34 Fällen und der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln schuldig ist,

c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, die Einziehung, den Verfall von Wertersatz und den erweiterten Verfall mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 37 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in fünf Fällen, dabei in vier Fällen gewerbsmäßig handelnd, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zudem hat es die Einziehung von sichergestellten Betäubungsmitteln und "Betäubungsmittelutensilien" sowie den Verfall von [X.] in Höhe von 3.290 € und den erweiterten Verfall von 5.605 € angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das Verfahren ist in den Fällen 37 bis 44 der Urteilsgründe einzustellen, da es insofern an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.

3

a) Wegen der Fälle 1 bis 36 der Urteilsgründe hatte die Staatsanwaltschaft am 28. Mai 2009 Anklage erhoben, die das [X.] mit Beschluss vom 8. Juli 2009 unverändert zum Hauptverfahren zugelassen hat; zugleich hat es beschlossen, die Hauptverhandlung mit der Vorsitzenden und - neben den [X.] - nur einer Beisitzerin durchzuführen. In der daraufhin begonnenen Hauptverhandlung beschloss die [X.] am 6. Oktober 2009, die am 23. September 2009 ferner erhobene Anklage zur Hauptverhandlung zuzulassen, mit der dem Angeklagten die später als Fälle 37 bis 44 abgeurteilten Taten zur Last gelegt wurden.

4

b) Diese Verfahrensweise war fehlerhaft. Bezüglich der dem Angeklagten in der Anklage vom 23. September 2009 zur Last gelegten Taten fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses. Denn die große [X.] hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Zulassung der Anklage nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung mit drei Berufsrichtern unter Ausschluss der [X.] entschieden, sondern in der gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG reduzierten Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei [X.]. Damit besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, das zur Aufhebung des Urteils in den Fällen 37 bis 44 der Urteilsgründe und zur Einstellung des Verfahrens führt (zum Ganzen [X.], Beschluss vom 13. Juni 2008 - 2 [X.], [X.], 52, und - auch zur Kostenentscheidung - Urteil vom 21. Januar 2010 - 4 StR 518/09 jeweils m.w.[X.]).

5

2. Zu den Einziehungs- und Verfallanordnungen hat der [X.] in der Antragsschrift vom 6. Mai 2010 ausgeführt:

"1. Die [X.], die lediglich auf zwei [X.] verweist, bezeichnet die einzuziehenden Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien nicht genau genug. Bei einer [X.] müssen die einzuziehenden Gegenstände so genau bezeichnet sein, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; die Bezugnahme auf ein Asservatenverzeichnis genügt nicht ([X.], Beschluss vom 25. August 2009, 3 [X.] m.w.[X.]). Bei der Einziehung von Betäubungsmitteln gehört dazu insbesondere die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts (Senat, Beschluss vom 12. Oktober 1999, 4 StR 391/99).

Diesen Anforderungen wird die [X.] des Urteils nicht gerecht. Da sich die Anordnung auch mit Hilfe der Urteilsgründe nicht so genau konkretisieren lässt, dass sie vom Senat ergänzt werden könnte ([X.], Beschluss vom 20. Juni 2007, 1 [X.]), ist sie aufzuheben.

2. In der Wohnung des Angeklagten wurde Bargeld in Höhe von 8.895,- Euro sichergestellt ([X.]), welches nach Ansicht der Kammer aus Drogengeschäften stammt ([X.]). Allerdings erschließt sich nicht, wieso ein Teilbetrag in Höhe von 3.290,- Euro "aus den [X.]" stammen soll und der andere Teilbetrag in Höhe von 5.605,- Euro aus anderen nicht abgeurteilten Drogengeschäften, so dass insoweit der erweiterte Verfall nach § 73d [X.] i.V.m. § 33 Abs. 1 BtMG anzuordnen war. Abgesehen davon, dass bei einer Zuordnung des sichergestellten Geldes zu den abgeurteilten Geschäften die Einziehung [richtig: Verfall] nach § 73 [X.] zu erfolgen hat - wieso die Kammer einen [X.]verfall nach § 73a [X.] angenommen hat, ist nicht nachvollziehbar - erfordert der Vorrang des § 73 [X.] gegenüber der subsidiären Vorschrift des § 73d [X.], dass vor einer Anwendung des § 73d unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 [X.] erfüllt sind (Senat, Urteil vom 11. Dezember 2008, 4 [X.] zahlr. w.[X.]). Dem werden die lediglich pauschalen Ausführungen der Kammer ([X.]) nicht gerecht, sie ermöglichen dem Revisionsgericht nicht die Prüfung, ob das Gericht die Vorschriften der §§ 73 ff. [X.] richtig angewendet hat".

6

Dem schließt sich der Senat an. Zudem kann die Anordnung des Verfalls von [X.] schon infolge der [X.] keinen Bestand haben.

7

3. Vorsorglich bemerkt der Senat, dass die auf § 353 Abs. 2 StPO beruhende Aufhebung der den [X.] zuzuordnenden Feststellungen nicht die sogenannten doppelrelevanten Tatsachen erfasst, die auch den Schuld- oder Strafausspruch tragen (z. B. die Feststellungen zu den Einkaufs- und Verkaufspreisen; vgl. näher [X.] 52. Aufl. [X.]. 187; § 353 Rdn. 20); insoweit sind nur ergänzende Feststellungen zulässig, die den bindend gewordenen nicht widersprechen dürfen.

[X.]                                                                         [X.]

                                        Mutzbauer                                                                                    [X.]

Meta

4 StR 216/10

22.06.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 4. Dezember 2009, Az: 13 KLs 26/09 - 562 Js 3415/09, Urteil

§ 207 StPO, § 338 Nr 1 StPO, § 76 Abs 2 S 1 GVG, § 73 StGB, §§ 73ff StGB, § 74 StGB, § 29 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2010, Az. 4 StR 216/10 (REWIS RS 2010, 5664)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5664

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.