Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2011, Az. EnVR 68/10

Kartellsenat | REWIS RS 2011, 2331

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Gegenstand

Energiewirtschaft: Einstufung des Stromleitungssystems eines Campingplatzes als Elektrizitätsversorgungsnetz


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Kartellsenats des [X.] vom 27. Mai 2010 wird auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 30.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Betroffene betreibt einen ca. 220.000 m

2

Die Betroffene hatte zunächst den Antrag gestellt, die von ihr betriebene Stromversorgungsanlage als Objektnetz anzuerkennen, diesen Antrag aber später wieder zurückgenommen. Zeitgleich prüfte die Landesregulierungsbehörde die Festsetzung von Netznutzungsentgelten. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 stellte sie fest, dass die Betroffene ein Energieversorgungsnetz betreibe, und setzte unter anderem vorläufige Höchst-Netznutzungsentgelte fest. Zugleich ordnete die Landesregulierungsbehörde (Ziffer 6 des Tenors des angefochtenen Bescheids) an, dass die Betroffene als Betreiberin eines Elektrizitätsversorgungsnetzes zum Zwecke der vollständigen Prüfung ihrer Netzkosten spätestens zum 31. März 2010 einen vollständigen Bericht über die Ermittlung ihrer Netzentgelte nach § 28 [X.] vorzulegen habe. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Betroffenen war nur teilweise erfolgreich. Das Beschwerdegericht hat den Bescheid der Landesregulierungsbehörde - wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage - insoweit aufgehoben, als die Landesregulierungsbehörde allgemein die Netzeigenschaft der Stromversorgungsanlage der Betroffenen festgestellt und für diese vorläufige Höchst-Netznutzungsentgelte bestimmt hat. Es hat jedoch die weitergehende Beschwerde gegen die der Betroffenen als Netzbetreiberin auferlegte Vorlage eines Berichts gemäß § 28 [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass sich die Anordnung in Ziffer 6 des Bescheids aus der Netzbetreibern nach § 28 [X.] obliegenden Pflicht ergebe, einen Bericht über die Ermittlung der Netzkosten zu erstellen. Die Betroffene sei Betreiberin eines Energieversorgungsnetzes. Der Begriff des Energieversorgungsnetzes müsse nach dem Verständnis des [X.]es weit ausgelegt werden. Mindestvoraussetzung für das Vorliegen eines Energieversorgungsnetzes sei dabei, dass die Anlage nachgelagerte Letztverbraucher versorge. Dieses Erfordernis erfülle die in Frage stehende Anlage, da die Betroffene Elektrizität an ihre Kunden [X.] und ihnen gegenüber auch gesondert abrechne. Auch wenn dies nicht ihren [X.] darstelle, sei sie damit ihrer objektiven Funktion nach [X.] gegenüber den an ihr Netz angeschlossenen Letztverbrauchern. Hinzu komme, dass die Betroffene - so jedenfalls ihre Darlegung - bei den ihr zur Verfügung stehenden 450 Plätzen 330 Dauermietverhältnisse eingegangen sei. Die Anlage wirke mithin wie eine kleine Siedlung. Sie könne deshalb auch nicht als eine sogenannte Kundenanlage angesehen werden. Die Strombelieferung der [X.] stelle sich nicht nur als kalkulatorisches Unterelement des Mietzinses dar. Vielmehr verkaufe die Betroffene Elektrizität an die [X.] weiter und erbringe somit eine eigenständige Leistung.

5

Das Beschwerdegericht führt zur Begründung seiner Rechtsauffassung weiter aus, dass diese Einordnung des Netzes der Betroffenen auch der Zielsetzung des [X.]es entspreche. Die Betroffene monopolisiere nämlich die Stromversorgung und nehme den [X.]n die Möglichkeit, selbst (günstigere) Lieferanten zu suchen. Für das gefundene Ergebnis spreche ergänzend auch ein gesetzessystematischer Gesichtspunkt. Das Netz der Betroffenen erfülle wesentliche Merkmale eines Objektnetzes im Sinne des § 110 [X.] aF. Solche Objektnetze seien aber begrifflich Energieversorgungsnetze, für die lediglich nach § 110 [X.] aF eine gewisse Privilegierung gelte. Ob die Anlage letztendlich tatsächlich als privilegiertes Objektnetz anzusehen sei, bedürfe keiner Entscheidung. Die Feststellung eines Objektnetzes sei antragsabhängig und die Betroffene habe einen entsprechenden Antrag nach § 110 [X.] aF zurückgenommen. Im Übrigen sei die (europarechtliche) Wirksamkeit der Ausnahmeregelung zweifelhaft. Soweit sich die Betroffene wegen der von ihr geschätzten Kosten von 5.000 € für die Umsetzung der Dokumentationspflichten als übermäßig belastet ansehe, könne dem nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass ein Aufwand in dieser Größenordnung nicht unverhältnismäßig sei, bestehe keine normative Grundlage, von einer Berichtspflicht nach § 28 [X.] abzusehen.

6

2. Die gegen diese Begründung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde bleiben erfolglos.

7

a) Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht die Stromleitungen, die über die Trafostation an die einzelnen Campingnutzer geführt werden, als Elektrizitätsversorgungsnetz im Sinne des § 28 [X.] angesehen.

8

aa) Weder das [X.] noch die gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, zu deren Umsetzung dieses Gesetz ergangen ist, enthalten eine Definition des "Netzes". Gleiches gilt für die Stromnetzentgeltverordnung. Die Bestimmung des Begriffs "Energieversorgungsnetz" in § 3 Nr. 16 [X.] erklärt den [X.] nicht, sondern setzt ihn voraus. Seine Auslegung muss  worauf das Beschwerdegericht zutreffend hingewiesen hat - aus einer Zusammenschau der energiewirtschaftsrechtlichen Begriffsbestimmungen unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Gesetzes entwickelt werden (vgl. dazu auch [X.], [X.], § 3 Rn. 128).

9

Besondere Bedeutung kommt dabei den Vorschriften der § 3 Nr. 29c und Nr. 36 [X.] zu. Die Regelung der Nr. 29c bezeichnet ein Netz, das überwiegend der Belieferung von Letztverbrauchern über örtliche Leitungen dient, als örtliches Verteilernetz. Die Bestimmung der Nr. 36 umschreibt näher, wann eine Versorgung mit Energie vorliegt. Danach stellen - neben deren Gewinnung - der Vertrieb von Energie an Kunden und der Betrieb eines Energieversorgungsnetzes eine Versorgung im Sinne des [X.]es dar. Dies verdeutlicht, dass der Begriff des Netzes vor dem Hintergrund seiner [X.] zu sehen ist. Werden durch die Anlage Dritte, insbesondere Verbraucher, mit Strom versorgt, ist der in § 1 Abs. 1 [X.] genannte Zweck des Gesetzes berührt, eine sichere, verbraucherfreundliche und effiziente Versorgung der Allgemeinheit mit leitungsgebundener Elektrizität zu gewährleisten. Es entspricht der Zielsetzung des [X.] grundlegend novellierten [X.]es, dem Verbraucher Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der Person seines Stromversorgers einzuräumen. Dies erfordert aber ein weites Verständnis des [X.]s. Um die Belieferung mit Elektrizität durch jeden Anbieter zu ermöglichen, müssen grundsätzlich alle Anlagen, die einer Versorgung der Letztverbraucher dienen, dem [X.] unterfallen. Für diese weite Auslegung sprechen im Übrigen auch die Regelungen der § 3 Nr. 16, 17 [X.], die den Gesichtspunkt der Versorgung mit Energie in den Vordergrund rücken. Mithin hat das Beschwerdegericht das Kriterium der Versorgung Dritter zu Recht als zentralen Gesichtspunkt für die Abgrenzung gesehen und vermengt nicht - wie die Betroffene meint - die Begriffe "Netz" und "Versorgung".

Ausgehend davon stellt sich das System von Stromleitungen auf dem Gelände der Betroffenen als ein Elektrizitätsversorgungsnetz dar. Über dieses System werden die Mieter der 450 Parzellen, insbesondere die 330 [X.], mit dem Strom versorgt, den sie bei der Nutzung ihrer Wohnmobile oder Ferienhäuser verbrauchen. Diesen Strom beziehen sie, ohne eine Alternative zu haben, von der Betroffenen, die ihnen gegenüber auch abrechnet und so - wie das [X.] zutreffend ausführt - der objektiven Funktion nach [X.] ist, die ihre Kunden nur über ein Elektrizitätsversorgungsnetz versorgen kann.

bb) Das Stromversorgungssystem der Betroffenen ist keine Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a [X.], die, auch wenn sie die Voraussetzungen des Begriffs "Energieversorgungsnetz" eigentlich erfüllt, [X.] der ausdrücklichen Anordnung in § 3 Nr. 16 [X.] aus diesem Begriff herausgenommen ist. Die ausdrückliche Ausgrenzung der Kundenanlage soll - so die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 17/6072, [X.]) - die Bestimmung ermöglichen, an welchem Punkt das regulierte Netz beginnt und die unregulierte Kundenanlage endet.

Durch das [X.] energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 ([X.] I, [X.]) ist die Kundenanlage jetzt in § 3 Nr. 24a [X.] gesetzlich definiert. Die Voraussetzung für eine Kundenanlage im Sinne des § 3 Nr. 24a [X.] ist nach [X.]. a), dass sich die Anlage auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befindet. Nach den Materialien (BT-Drucks. aaO) sollen hierfür vor allem eng begrenzte "[X.]", im Einzelfall auch Energieanlagen, die sich über ein größeres Grundstück erstrecken, in Betracht kommen. Ob diese Voraussetzung hier auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] zu bejahen sind, kann hier ebenso dahinstehen wie die Frage, ob die Anlage wettbewerblich unbedeutend im Sinne des [X.]. c) ist. Zentrales Kriterium ist nach [X.]. d), dass die Anlage jedermann zur Belieferung der Letztverbraucher mit Strom diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Jedenfalls diese Voraussetzung liegt bei der Anlage der Betroffenen nicht vor, weil sie den [X.]n nicht die Wahl des Stromlieferanten überlässt, sondern vielmehr selbst als Stromversorgerin auftritt und den in Anspruch genommenen Strom direkt und gesondert gegenüber diesen abrechnet.

cc) Die "Netzeigenschaft" des Stromversorgungssystems der Betroffenen kann auch nicht aus anderen Gründen verneint werden.

Allerdings dürfen die Regelungen des § 3 Nr. 16, 24a [X.] nicht dahin verstanden werden, dass ein System von Stromleitungen nur dann kein Energieversorgungsnetz darstellt, wenn es sich um eine Kundenanlage handelt, also nur dann, wenn dem Letztverbraucher die Wahl des Stromlieferanten vorbehalten bleibt. Dass § 3 Nr. 16 [X.] Kundenanlagen im Sinne des § 3 Nr. 24a [X.] ausdrücklich aus dem Begriff des Energieversorgungsnetzes herausnimmt, schließt die Annahme weiterer Ausnahmen nicht aus. Anderenfalls wären selbst die Stromleitungen in einem Hotel ein eigenständiges (der Regulierung unterliegendes) Elektrizitätsnetz, weil die Hotelgäste als Letztverbraucher regelmäßig nicht den Stromlieferanten wählen können. Um solche nach den Zielsetzungen des [X.]es nicht mehr gewollte Ergebnisse zu vermeiden, müssen etwa solche Innenanlagen, die hinter dem Hausanschluss gelegen und dadurch gekennzeichnet sind, dass zwar an Dritte Strom geliefert, aber die zur Verfügung gestellte Strommenge nicht gesondert mit den Kunden abgerechnet wird, auch von Elektrizitätsversorgungsnetzen unter der Geltung von § 3 Nr. 16 und 24a [X.] nF abgegrenzt werden.

Wesentliches Unterscheidungskriterium ist, dass den regelmäßig häufig wechselnden und die Leistungen nur kurzfristig nutzenden [X.] die Stromversorgung in einem Gesamtpaket angeboten wird, in dem diese ein (regelmäßig untergeordneter) Bestandteil ist, der nicht gesondert abgerechnet wird, sondern vom Preis umfasst ist. Bei einer solchen Sachverhaltskonstellation erscheint es nicht angemessen, dem Nutzer die Wahl des Stromlieferanten zu überlassen. Dies wird im Übrigen weder vom Geschäftsverkehr erwartet noch ist es von der regulatorischen Zielsetzung des [X.] gefordert. Gleiches mag auch für andere Konstellationen gelten, in denen das eine Stromlieferung einschließende Leistungspaket nur kurzfristig und nicht für eine gewisse Dauer in Anspruch genommen wird. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Innenanlagen die Netzqualität im Sinne des § 3 Nr. 16 [X.] fehlt, braucht der Senat aber letztlich nicht zu entscheiden. Denn das von der Betroffenen auf ihrem Campingplatz betriebene Stromversorgungssystem erfüllt ersichtlich nicht die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmetatbestand.

Auf der Grundlage der [X.] Feststellungen des [X.] lässt sich ausschließen, dass das Stromversorgungsnetz der Betroffenen eine Innenanlage darstellen konnte, die nicht dem [X.] des § 3 Nr. 16 [X.] unterfällt. Nach seinen Ausführungen vermittele die Anlage der Betroffenen das Bild einer kleinen Siedlung, die durch den hohen Anteil von [X.] gekennzeichnet sei; denn von 450 Plätzen seien 330 dauerhaft vermietet. Von den [X.] hätten ca. 150 kleinere bis mittelgroße Ferienhäuser auf dem Gelände erstellt. Auch die von der Betroffenen selbst in ihrer Rechtsbeschwerde genannten [X.] pro Parzelle weisen aus, dass diese in ihrer Größenordnung an kleinere Haushalte heranreichen. Nach ihrer Größe und ihrem Zuschnitt ist es zur Verwirklichung der Zielsetzungen des § 1 [X.] geboten, die Anlage als eigenständiges Elektrizitätsversorgungsnetz im Sinne des § 3 Nr. 16 [X.] zu qualifizieren. Eine Regulierung des Netzes und die hierdurch den Endkunden, also den Mietern der Parzellen, eröffnete Wahlmöglichkeit ihres Stromlieferanten entsprechen mithin dem Zweck des Gesetzes.

Deshalb trifft auch der Gedanke der Rechtsbeschwerde nicht zu, wonach angeblich Zufälligkeiten der Abrechnungskonzeption über die Netzqualität entscheiden sollen. Ihr eigener Vortrag zeigt Abweichungen im Stromverbrauch auf, der von unter 50 KW bis über 2.300 KW pro Einheit reicht. Es ist schon fraglich, ob derart gravierende Unterschiede sachgerecht mit einer Pauschale in die Preisbildung einfließen könnten, zumal die Betroffene dann das (erhebliche) Risiko von relevanten Strommehrentnahmen des für die [X.] praktisch kostenfreien Stroms träfe. Letztlich kommt es aber entscheidend darauf an, worin die angebotene Leistung besteht. Wenn die Betroffene den [X.]n, die zudem überwiegend [X.] sind, die Möglichkeit eröffnet, durch [X.] an ihre Elektrizitätsversorgungsanlage von ihr Strom zu beziehen, dann versorgt sie diese mit Strom über das von ihr zur Verfügung gestellte Leitungssystem und erhält hierfür von diesen ein gesondertes Entgelt. Sie ist damit Stromversorgerin, unabhängig davon, ob die Energieversorgung für sie Haupt- oder Nebenzweck ist.

dd) Die Anlage stellt auch keine Ansammlung von mehreren [X.] dar. Eine Direktleitung ist gemäß § 3 Nr. 12 [X.] eine Leitung, die einen Produktionsstandort mit einem Kunden verbindet. Insoweit grenzt sich die Direktleitung ebenfalls vom Netz ab ([X.] in [X.]/[X.]/Hermes, [X.], 2. Aufl., § 3 Rn. 25). Sie ist nicht Bestandteil des Netzes und kann ohne Beeinträchtigung des Verbundnetzes hinweggedacht werden ([X.], [X.], § 3 Rn. 56).

Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Es liegt - entgegen der Auffassung der Betroffenen - nicht nur dann ein Netz vor, wenn die Leitungen "vermascht" sind. Ein solches Verständnis ist zu eng, weil es im Ergebnis die durch Stichleitungen versorgten Einzelkunden aus dem Anwendungsbereich des [X.]es ausnehmen und damit dessen Regulierungszwecken nicht gerecht würde. Es ist nicht erforderlich, dass jede einzelne Versorgungsleitung durch ein selbständiges Kabel wieder in das allgemeine Netz zurückführt. Deshalb unterfällt auch ein "Strahlennetz", bei dem die Leitungen strahlenförmig von einem Punkt in verschiedene Richtungen ausgehen, dem [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 10. November 2004 - [X.] Rn. 15, [X.], 79).

Daran, dass die Anlage der Betroffenen mithin ein Stromnetz und keine Ansammlung von [X.] darstellt, ändert sich auch dadurch nichts, dass die [X.] teilweise die Netzverbindung durch Steckanschlüsse herstellen. Es kommt nämlich nicht darauf an, wie die Verbindung zum Netz gestaltet ist, sondern nur darauf, ob der jeweilige [X.] an das von der Betroffenen vorgehaltene Energieversorgungssystem angeschlossen ist.

ee) Die Qualifizierung des [X.] auf dem Gelände der Betroffenen als Energieversorgungsnetz wird durch die gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien gestützt. Sowohl die mittlerweile außer [X.] getretene Richtlinie 2003/54/[X.] vom 26. Juni 2003 ([X.]. Nr. L 176, [X.]) als auch die Richtlinie 2009/72/[X.] des Europäischen Parlamentes und des Rats vom 13. Juli 2009 ([X.]. Nr. L 211, [X.] - [X.] 2009), die gemäß ihrem Art. 49 Abs. 1 allerdings erst seit 3. März 2011 anzuwenden ist - und mithin vom Beschwerdegericht nicht zu beachten war -, belegen den aus den vorgenannten Regelungen entwickelten [X.]. Zwar enthalten diese beiden Richtlinien gleichfalls keine Begriffsbestimmung des Netzes. Die in ihnen inhaltsgleich getroffenen Begriffsbestimmungen zur Verteilung (Art. 2 Nr. 5 [X.] 2009) und zum Verteilernetzbetreiber (Art. 2 Nr. 6 [X.] 2009) legen aber das hier gefundene Ergebnis nahe. Die Verteilung bezeichnet den Transport von Elektrizität zum Zwecke der Belieferung der Kunden über [X.]. Dabei ist der Begriff des Netzes aus der Perspektive des Kunden, also desjenigen, der mit Strom beliefert wird, zu sehen. Denn auch die Erwägungsgründe verdeutlichen, dass ein Ziel der Richtlinie die Trennung von Netz und Stromlieferung ist, um so einen wirksamen Wettbewerb weiter zu fördern und dem Endkunden die Auswahl des aus seiner Sicht am besten geeigneten Stromanbieters zu ermöglichen (vgl. Erwägungsgründe Nr. 3, 4, 11, 26, 51 und 57 der [X.] 2009). Wenn die Richtlinie (Art. 2 Nr. 19 [X.] 2009) "versorgen" insoweit enger definiert als die Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 36 [X.], indem allein auf den Verkauf bzw. Weiterverkauf abgestellt wird, ist dies ohne Bedeutung. Hierdurch sollte letztlich nur die Trennung von Netzbetrieb und Stromverkauf unterstrichen werden.

Auch der 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009, der die sogenannten geschlossenen [X.] zum Gegenstand hat, spricht gegen die Sichtweise der Betroffenen. Dort sind "große Campingplätze" als Anwendungsfälle eines geschlossenen [X.]s genannt, für die der nationale Gesetzgeber Erleichterungen im Regulierungsverfahren vorsehen kann (Art. 28 [X.] 2009). Dies setzt aber gedanklich voraus, dass solche auf Campingplätzen typischerweise vorhandenen Elektrizitätsübertragungsanlagen als "Stromnetze" zu qualifizieren sein können, weil ansonsten die Privilegierungsmöglichkeit des Art. 28 [X.] 2009 ins Leere liefe. Die Richtlinie erwähnt ausdrücklich nur die "großen" Campingplätze. Dies mag allerdings als Indiz dafür gesehen werden, dass "kleinere" Campingplätze bereits nicht als Netzbetreiber im Sinne dieser Richtlinie anzusehen sind. Letztlich kann dies jedoch offen bleiben. Schon nach den Angaben der Betroffenen muss ihr Campingplatz im Hinblick auf die Anzahl der Plätze als überdurchschnittlich und mithin als "groß" angesehen werden, weil er mehr als das Doppelte an Stellplätzen als ein Campingplatz im Durchschnitt aufweist.

b) Die Betroffene ist im Sinne des § 3 Nr. 4 [X.] Betreiberin dieses Elektrizitätsversorgungsnetzes. Ihre möglicherweise fehlende Eigentümerstellung an der von ihr errichteten Trafostation steht dem nicht entgegen. Maßgeblich ist allein, dass die Betroffene das Leitungssystem unterhält und die bestimmungsgemäße Nutzung organisiert ([X.] in [X.]/[X.]/Hermes, [X.], 2. Aufl., § 3 Rn. 12; [X.], [X.], § 3 Rn. 16). Da die Betroffene den von ihr bezogenen Strom durch das von ihr unterhaltene Leitungssystem an die [X.] weiterleitet und mit diesen abrechnet, hat sie das Beschwerdegericht zutreffend als Betreiberin des Netzes angesehen.

c) Ob das Netz der Betroffenen als Netz im Sinne des § 110 [X.] einzuordnen ist, kann hier offen bleiben. Mit dem [X.] energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 2011 ([X.] I [X.]) wurde - in Umsetzung der oben genannten [X.] 2009 - der frühere Objektnetztatbestand des § 110 [X.] aF (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 24. August 2010 - EnVR 17/09, [X.] 2010, 584 - Flughafennetz [X.]/[X.]) novelliert. Der Gesetzgeber hat in Anlehnung an Art. 28 (i.V.m. Erwägungsgrund 30) [X.] 2009 nunmehr sogenannte geschlossene [X.] privilegiert (vgl. [X.]/6072, [X.]). Allerdings bedarf eine solche Einstufung nach § 110 Abs. 2 [X.] eines vorherigen Antrags des Netzbetreibers. Ob ein solcher gestellt wurde, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht aufzuklären. Ebenso kann das Rechtsbeschwerdegericht nicht der tatrichterlicher Prüfung vorbehaltenen Frage nachgehen, inwieweit es der Feststellung eines geschlossenen [X.]s entgegenstünde, dass über das Netz der Betroffenen auch [X.] versorgt werden und ob diese gegebenenfalls als Letztverbraucher, die Energie für den Eigenverbrauch im Haushalt beziehen, angesehen werden müssten (vgl. § 110 Abs. 2 Satz 2 [X.] nF).

d) Entgegen der Auffassung der Betroffenen ergibt sich auch aus der - nach ihrer Meinung - geringen Größe ihres Netzes nichts anderes. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, dass sie das Stromversorgungsnetz nicht als Hauptzweck betreibt (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 2008 - [X.]/06 Rn. 53, Slg. 2008 [X.] = [X.], 245 - [X.]). Wie schon im Hinblick auf die Vorgängerrichtlinie ([X.] aaO Rn. 49) wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht bestimmte Übertragungs- oder [X.] allein schon aufgrund ihrer Größe oder ihres Stromverbrauchs vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2009 ausnehmen. Für "isolierte Kleinstnetze" im Sinne des Art. 2 Nr. 27 [X.] hat [X.] keine Ausnahmeregelung nach Art. 44 [X.] herbeigeführt. Selbst wenn hier ein solches isoliertes Kleinstnetz vorläge, kann schon deshalb die Netzqualität der Stromversorgungsanlage der Betroffenen nicht in Zweifel gezogen werden. Hierfür spricht auch - worauf die Landesregulierungsbehörde zutreffend hinweist - der [X.] des § 110 [X.], weil die dort erfassten geschlossenen [X.] häufig unter den in Art. 2 Nr. 27 [X.] genannten Verbrauchsgrenzen liegen werden, ohne dass ihnen deshalb der [X.] fehlen würde. Vielmehr setzt die Regelung des § 110 [X.] das Vorliegen eines Elektrizitätsversorgungsnetzes im Sinne des § 3 Nr. 16 [X.] gerade voraus und sieht für geschlossene [X.] nur bestimmte Ausnahmeregelungen vor.

Jenseits der hier nicht zu prüfenden Voraussetzungen des § 110 [X.] erscheint die Anwendung energiewirtschaftsrechtlicher Normen, insbesondere auch des § 28 [X.], weder unbillig noch unverhältnismäßig. Die von der Betroffenen zu erbringenden Aufwendungen für die Erstellung eines Berichts nach § 28 [X.] können - wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat - gleichfalls nicht ohne weiteres als unverhältnismäßig angesehen werden.

[X.]                                       Raum                                   Strohn

                         Grüneberg                                 [X.]

Meta

EnVR 68/10

18.10.2011

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Stuttgart, 27. Mai 2010, Az: 202 EnWG 1/10, Beschluss

§ 3 Nr 16 EnWG, § 3 Nr 24a EnWG, § 3 Nr 29c EnWG, § 3 Nr 36 EnWG, § 28 StromNEV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2011, Az. EnVR 68/10 (REWIS RS 2011, 2331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2331

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