Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2012, Az. V ZR 141/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9962

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]/11
vom

19. Januar 2012

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. Januar 2012 durch [X.] Dr. [X.], die Richterin [X.], [X.]
Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und [X.]

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des 1.
Zivilsenats des [X.] vom 18.
Mai 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulas-sungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 65.000

Gründe:
I.
Mit notariellem Vertrag vom 21. November 2008 verkauften die Beklag-ten den Klägern ein mit einem zweistöckigen Einfamilienhaus bebautes Grund-und 30.000

s-tung für die Größe und die Beschaffenheit des [X.].
Die Beklagten hatten im Oktober 2008 der Streithelferin einen [X.] zur Suche eines Käufers erteilt, die in Zeitungsinseraten, im [X.] sowie in einem Exposé das Objekt mit der Angabe einer Wohnfläche von 160
m2 an-1
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bot. Die Kläger hatten sich nach einer Besichtigung des Objekts mit einem [X.] der Streithelferin zum Kauf des Objekts entschlossen.
Die Kläger haben unter Hinweis darauf, dass die umbaute Wohnfläche lediglich 133,21 m2 betrage, eine teilweise Rückzahlung des Kaufpreises in Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben.

II.
Das Berufungsgericht meint, auf Grund der Angabe einer Wohnfläche von 160 m2
in
den Inseraten der Streithelferin sei diese konkludent als Beschaf-fenheit der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 Satz 2, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) [X.] worden. Die Beklagten müssten sich die Erklärungen der Streithelferin nach §§ 166, 278 BGB zurechnen lassen, weil die Streithelferin nicht nur als Maklerin tätig geworden sei, sondern die Vertragsverhandlungen bis zu der Abwicklung des [X.] betreut habe.
Der Sachmangel berechtige aber nicht zur Minderung, da nach dem ein-geholten Sachverständigengutachten
keine Differenz zwischen dem Wert der mangelfreien und dem wirklichen Wert der Sache festzustellen sei, nach dem eine Herabsetzung des Kaufpreises nach §
441 Abs. 3 BGB zu berechnen sei. Bei der von dem Sachverständigen für richtig gehaltenen [X.] im Sachwertverfahren wirke sich die Abweichung von etwas mehr als 10
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noch nicht wertmindernd aus.
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III.
Das angefochtene Berufungsurteil ist auf die [X.] der Kläger nach §
544 Abs.
7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungs-erheblicher Weise verletzt hat.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht mit Recht eine Verletzung die-ses Verfahrensgrundrechts darin, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger, wie die Wohnflächen von Einfamilienhäusern in den Inseraten und den Exposés der Makler berechnet würden, zurückgewiesen hat, ohne ihren Beweisangeboten nachzugehen.
a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG ([X.], [X.] vom 11. Mai 2010 -
VIII
ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217, 1281 mwN; Senatsbeschluss vom 28. April 2011 -
V
ZR 182/10, Rn. 10, juris -
std. Rspr.). Das gilt insbesondere dann, wenn die Nichtberücksichtigung des [X.] auf vorweggenommener tatrichterlicher Beweiswürdigung beruht (vgl. [X.], Urteil vom 19. November 2008 -
IV
ZR 341/07, [X.] 2010, 64; [X.], NJW 2009, 1585, 1587 -
std. Rspr.) Eine unzulässige Beweisantizipation liegt
vor, wenn der von einer [X.] angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewon-nenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (vgl. [X.], NJW-RR 2001, 1006, 1007).
b) So ist es hier. Das Berufungsgericht hätte den Beweis erheben müs-sen. Es geht zutreffend davon aus, dass eine vertragliche Erklärung über die Größe der Wohnfläche der Auslegung nach §§
133, 157 BGB bedarf und dass dann, wenn -
wie hier
-
ein konkreter Berechnungsmaßstab
nicht vereinbart 6
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worden ist, der Begriff der Wohnfläche unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu bestimmen ist. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. die Ur-teile vom 30. November 1990 -
V
ZR 91/89, NJW 1991, 912, 913 und vom 11.
Juli 1997 -
V
ZR 246/96, NJW 1997, 2874, 2875). Ob eine behauptete [X.] besteht, ist jedoch keine Rechts-, sondern eine Tatfrage (vgl. [X.], Urteil vom 28. November 1963 -
I
ZR 8/63, [X.]Z 40, 332 334 und die Senats-urteile vom 30. November 1990 -
V
ZR 91/89, NJW 1991, 912, 913 und vom 11.
Juli 1997 -
V
ZR 246/96, NJW 1997, 2874, 2875).
Von diesem Ansatzpunkt aus hätte das Berufungsgericht dem von der Nichtzulassungsbeschwerde zitierten Beweisantritt auf Einholung einer (amtli-chen) Auskunft der Architektenkammer, die ein geeignetes Beweismittel zur Feststellung einer Verkehrssitte ist (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 1965 -
VIII
ZR 271/63, NJW 1966, 502, 503 zur Ermittlung von Handelsbräuchen), nachgehen müssen und den unzulässigen Antrag auf Einholung einer
Auskunft eines [X.], der keine Behörde ist, erst nach einem Hinweis nach §
139 Abs. 1 ZPO auf das zulässige Beweismittel (Beantragung eines Sachver-ständigengutachtens, vgl. [X.], Beschluss vom 13. Januar 2011 -
IX
ZR 13/07, NJW-RR 2011, 451) zurückweisen dürfen.
2. Die Verletzung des Gebots der Gewährung rechtlichen Gehörs betrifft auch einen entscheidungserheblichen Punkt. Das ist schon dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksich-tigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (Senat, [X.] vom 9. Juni 2005 -
V
ZR 271/04, NJW 2005, 2624, 2625).
[X.] die von den Klägern behauptete Verkehrssitte, wäre sie für die Auslegung der Erklärung zur Größe der Wohnfläche auch dann maßgebend, wenn sie den Beklagten oder ihrer Streithelferin nicht bekannt gewesen sein 10
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6
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sollte ([X.], Urteil vom 12. Dezember 1953 -
VI
ZR 242/52, [X.] zu §
157 (B) BGB). Wäre die Behauptung der Kläger richtig, ergäbe sich danach nicht eine Abweichung von lediglich 6,75 % zwischen der Wohnflächenangabe von 160
m2
und einer nach §§
1 bis 4 [X.] berechneten Wohnfläche von 149,2
m2, sondern eine solche von 16,74 % zwischen der im [X.] von 133,21
m2
und der in den Verkaufsunterlagen angegebe-nen Größe. Dass sich eine Flächendifferenz auch in dieser Größenordnung nicht wertmindernd auswirkte, ist nicht festgestellt.

IV.
Unabhängig davon, ob die Wohnfläche allein nach der Größe der Räume oder auch unter Einbeziehung der Terrasse nach der Wohnflächenverordnung zu ermitteln ist -
wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob zur Ermittlung der Anspruchshöhe eine ergänzende Begutachtung nach §
412 Abs. 1 ZPO anzuordnen ist.
Diese Entscheidung steht zwar grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermes-sen des Tatrichters, das sich aber dann zu einer Pflicht verdichtet, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist oder das Gutachten Widersprüche enthält (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 1999 -
VI
ZR 34/98, NJW 1999, 1778, 1779. Das könnte hier zu bejahen sein, weil der Sachverständige bei der Ermittlung des Verkehrswerts insofern von [X.] Voraussetzungen ausgegangen ist, als er seinen Berechnungen ei-nen falschen Haustyp zugrunde gelegt hat. Bei richtiger Wertermittlung ergeben sich nach seinen Angaben für das Sachwertverfahren höhere Baukosten (um 2
Bruttogrundfläche) und bei dem -
zur Unterstützung des Ergebnisses herangezogenen
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t-13
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achten ausgewiesener 5.000

der Fehler sich schon deswegen nicht auswirke, weil eine Veränderung der Wohnfläche ohne Einfluss auf die Bewertung im Sachwertverfahren sei, ist vor dem Hintergrund unvollständig, dass der Sachverständige es in seinem Gutach-ten für erforderlich gehalten hat, neben dem Sachwert auch den Ertragswert zu berücksichtigen, um daran eine Ergebniskontrolle vorzunehmen (zur [X.] dieses Verfahrens: [X.], Urteil vom 6. April 1995 -
III
ZR 27/94, NJW-RR 1995, 911, 913). Wenn sich jedoch -
wie im Gutachten ausgeführt
-
Sach-
und Ertragswert entsprechen, ist es nicht mehr nachzuvollziehen, dass die sich bei richtiger Berechnung ergebende Verdreifachung der Minderung des [X.] durch die verringerte Wohnfläche für den Verkehrswert hier ohne Bedeu-tung bleiben soll, weil dieser im Sachwertverfahren zu ermitteln sei.
[X.]
[X.]
Czub

Brückner
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.12.2009 -
11 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 18.05.2011 -
1 [X.] -

Meta

V ZR 141/11

19.01.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2012, Az. V ZR 141/11 (REWIS RS 2012, 9962)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9962

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 290/15

II ZR 291/15

II R 4/18

Zitiert

V ZR 141/11

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