Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2015, Az. VIII ZR 99/14

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 10061

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 99/14
Verkündet am:

10. Juni 2015

Ring,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 280 Abs. 1, § 573 Abs. 1
a)
Der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von ([X.] -
wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuld-verhältnisses -
dem Mieter gemäß §
280 Abs. 1 [X.] zum Schadensersatz ver-pflichtet (Bestätigung und Fortführung von [X.], Urteile vom 8. April 2009 -
VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13.
Juni 2012 -
VIII ZR 356/11, juris Rn. 10; Beschluss vom 7. September 2011 -
VIII ZR 343/10, [X.], 634 Rn.
3).
b)
Ob ein [X.] den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vor-täuschung einer ([X.]ssituation und dem später vom Mieter geltend ge-machten Schaden unterbricht, ist im Wege der Auslegung des Vergleichs und un-ter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die
Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die ([X.]slage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (Fortführung von [X.], Beschluss vom 7.
September 2011 -
VIII ZR 343/10, aaO).
-
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-

c)
An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter
wegen eines nur vorgetäuschten ([X.]s zu verzichten, sind strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss -
auch unter Berück-sichtigung sämtlicher Begleitumstände -
unmissverständlich sein ([X.] an und Fortführung von [X.], Urteile vom 21.
November 2006 -
VI [X.], [X.], 368 Rn. 9; vom 26. Oktober 2009 -
II ZR 222/08, [X.], 64 Rn. 18; vom 18. September 2012 -
II ZR 178/10, [X.], 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015
-
IV ZR 504/14, juris Rn.
15).
d)
Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten Ansprüche bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswil-len schließen lassen (Fortführung von [X.], Urteile vom 11.
Oktober 2000
-
VIII ZR 276/99, juris Rn. 18; vom 20. September 2006 -
VIII ZR 100/05, [X.], 177 Rn. 22; Beschluss vom 19.
September 2006 -
X [X.], juris Rn. 27). Derartige Umstände können bei einem [X.] etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung -
wie etwa einer
namhaften Abstandszahlung -
verpflichtet.

[X.], Urteil vom 10. Juni 2015 -
VIII ZR 99/14 -
LG [X.]

[X.]

-
3
-

Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2015
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger, [X.]
Achilles und Dr.
Schneider, die Richterin Dr.
Fetzer sowie [X.]
Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des
[X.]
wird der Beschluss
der 6. Zivilkam-mer des Landgerichts [X.]
vom 26. Februar 2014
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen
unberechtigter Kündigung des Mietverhältnisses.
Der Kläger hatte mit Vertrag vom 28. April
2008
vom Rechtsvorgänger des Beklagten eine Vier-Zimmer-Wohnung in K.

gemietet; die monatliche Miete belief sich zuletzt

Der Beklagte kündigte das Mietver-hältnis
mit der -
vom Kläger bestrittenen -
Begründung, die Wohnung werde für den neuen Hausmeister, Herrn
D.

,
benötigt.
Nachdem die Räumungsklage in erster Instanz erfolglos geblieben war,
schlossen die Parteien
im Vorprozess in der
zweiten
Instanz am 14. Juni 2011 auf Vorschlag des Berufungsgerichts einen [X.], in dem sich 1
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der Kläger (als damaliger Beklagter) verpflichtete,
die Wohnung bis spätestens
31. Dezember 2011 zu räumen
sowie die Kosten des Rechtsstreits einschließ-lich der Kosten des Vergleichs zu tragen. Ferner verzichtete der Kläger (abge-sehen von der gewährten vorbezeichneten Räumungsfrist) auf sämtliche [X.]. Im Falle eines vorzeitigen Auszugs,
den der Kläger zwei Wochen zuvor anzukündigen
hatte, sollte
er nur bis zum Auszug und zur Übergabe der Wohnung Miete zahlen.
Nach dem Auszug des [X.] zog nicht der angekündigte neue Haus-meister, sondern eine Familie in die ehemals vom Kläger gemietete Wohnung des Beklagten ein.
Im vorliegenden Prozess begehrt der Kläger Ersatz der Um-zugskosten,
der Mehrkosten, die ihm durch die höhere Miete für die neue [X.] mehr wie bisher zu Fuß zurücklegen könne, sowie Ersatz der ihm ent-standenen Prozesskosten des [X.].

Freistellung von vor-gerichtlichen
Anwaltskosten gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg
gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-sentlichen ausgeführt:
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-

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Zwar könne der Mieter von seinem Vermieter grundsätzlich nach § 280 Abs.
1 [X.] Schadensersatz erlangen, wenn dieser schuldhaft eine Kündigung wegen eines in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarfs ausspreche.
Weitere Voraussetzung eines solchen Schadensersatzanspruchs sei es jedoch, dass ein Kausalzusammenhang zwischen
der behaupteten Pflichtverletzung (vorge-täuschter Eigenbedarf) und dem geltend gemachten Schaden bestehe. Hieran fehle es.
Zwar führe der Abschluss eines [X.]s nicht zwangsläufig zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs.
Vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere darauf, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben nur den Streit über die Schlüssigkeit und Beweisbar-keit des Eigenbedarfs oder auch den Streit darüber hätten beseitigen wollen, ob die vom Vermieter behauptete Bedarfssituation bestehe
oder ob sie nur vorge-täuscht gewesen sei. Nur im letzteren Fall
könne in dem Vergleich ein Verzicht des Mieters auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbe-darfs
gesehen werden.
Aufgrund einer Würdigung nach den dargelegten Maßstäben habe der im Vorprozess abgeschlossene Vergleich der Parteien einen endgültigen Schluss-strich unter das Mietverhältnis ziehen sollen. Dafür spreche bereits die im [X.] getroffene Vereinbarung, wonach sich der Kläger verpflichtet
habe, die Wohnung bis zum 31. Dezember 2011 zu räumen. Denn eine Räumungsfrist von fast sechs Monaten sei in der damaligen [X.], in der die [X.] keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe
[gemeint dürfte sein: die Verteidi-gung des jetzigen [X.] gegen die damalige Berufung des jetzigen Beklag-ten], ein Nachgeben des (jetzigen) Beklagten gewesen.
Zudem sei dem Kläger zugestanden worden, die Wohnung vorzeitig zu räumen. Auch der Umstand, 8
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dass die Parteien im Vorprozess gegenseitig Vorwürfe -
angebliche Schikanen des Beklagten und angebliche Vertragsverletzungen des [X.] -
erhoben [X.], spreche dafür, dass die einvernehmliche
Regelung in erster Linie auf die Beendigung des Vertragsverhältnisses abgezielt habe. Überdies
habe der Klä-ger die Bedarfslage des Beklagten und das Vorliegen des "[X.]"
in seiner Berufungserwiderung im Räumungsrechtsstreit nicht mehr ausdrücklich bestritten; auch daraus sei zu schließen, dass die Parteien einen endgültigen Schlussstrich unter die mietvertraglichen Beziehungen hätten ziehen und auch den Streit über das Bestehen einer Bedarfslage beseitigen wollen.
Aus diesem Grund sei auch die vom Kläger
erklärte Anfechtung des [X.]s unbegründet. Zudem habe der Beklagte durch die Vorlage einer
eides-stattlichen Versicherung des Hausmeisters D.

vom 22.
April 2013 nachgewiesen, dass er noch im Zeitpunkt des Auszuges des [X.] keine Kenntnis davon gehabt habe, dass Herr D.

entgegen dessen bisheri-ger
eindeutig erklärter
Absicht aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr
in die bis dahin vom Kläger bewohnte Dachgeschosswohnung einziehen werde.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch des [X.] wegen unberechtigter Kündigung des Mietverhältnisses
gemäß §
280 Abs. 1 [X.] nicht verneint werden.
Das Berufungsgericht hat den [X.] rechtsfehlerhaft dahin ausgelegt, dass der Kläger damit auch auf eventuelle Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs ver-zichten sollte.
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1.
Allerdings kann die Auslegung einer Individualvereinbarung -
wie hier des [X.]s vom 14. Juni 2011 -
durch den Tatrichter vom [X.] nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Er-fahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer [X.] ge-lassen worden ist oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfah-rensfehlern beruht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 3. Dezember 2014 -
VIII ZR 224/13, [X.], 79 Rn.
37 mwN). Dies gilt auch für [X.], soweit es deren materiell-rechtlichen Inhalt betrifft ([X.], Beschluss vom 7.
September 2011 -
XII ZR 114/10, juris Rn. 15 mwN). Ein derartiger Rechts-fehler fällt dem Berufungsgericht hier indes zur Last.
a)
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Vermieter im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf -
wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauer-schuldverhältnisses
(st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 11.
Januar 1984 -
VIII ZR 255/82, [X.]Z 89, 296, 301 ff. [zur Wohn-
und Gewerberaummiete]; vom 14.
Januar 1988 -
IX ZR 265/86, NJW 1988, 1268 unter III 2 b [zum [X.]]; vom 28. November 2001 -
XII ZR 197/99, [X.], 291 unter 2 b [zur Gewerberaummiete]; vom 22. April 2010
-
I ZR 31/08, [X.], 1668 Rn. 17 mwN [zum [X.]]; vgl. auch [X.], Urteil vom 16. Januar 2009 -
V [X.], [X.]Z 179, 238 Rn. 16 [zum Grundstückskaufvertrag]), wie hier des Wohnraummietverhältnisses
-
dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 [X.] zum Schadensersatz verpflichtet ist (vgl. Senatsurteile
vom 8. April 2009 -
VIII ZR 231/07, NJW 2009, 2059 Rn. 11 mwN; vom 13.
Juni 2012 -
VIII ZR 356/11, juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom 7. September 2011 -
VIII ZR 343/10, [X.], 634
Rn.
3).

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-

Auch hat das Berufungsgericht -
im Ansatzpunkt zutreffend -
angenom-men, dass die Frage, ob ein
[X.] den Zurechnungszusammen-hang zwischen der Vortäuschung einer ([X.]ssituation
und dem [X.] vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, im Wege der Ausle-gung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls da-nach zu beurteilen ist, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die ([X.]slage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war. Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs ab-gegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusam-menhang (vgl. OLG Frankfurt
am Main [Rechtsentscheid], NJW-RR 1995, 145, 146; vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. September 2011 -
VIII ZR 343/10, aaO; [X.], Mietrecht, 11. Aufl., § 573 [X.] Rn. 81).
b) Bei der konkreten Würdigung des [X.]s hat das [X.]sgericht indes unter Verstoß gegen § 286 ZPO wesentliche Umstände
außer Betracht gelassen und sich nicht an den eingangs genannten Maßstab gehalten.
aa) Streitgegenstand des Vorprozesses
war das [X.] des Beklagten im [X.] an eine Kündigung, die darauf gestützt war, dass die Wohnung als Hausmeisterwohnung für einen Angestellten des Vermieters benötigt werde (sogenannter
"Betriebsbedarf";
vgl. hierzu Senatsurteile vom 23.
Mai 2007 -
VIII ZR 122/06, NZM 2007,
639 Rn. 12 f.
mwN;
vom 15. Dezem-ber 2012 -
VIII ZR
210/10, NJW 2011, 993 Rn. 13).
Der Wortlaut des Vergleichs bietet zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien über den Streitgegenstand und die ausdrücklich geregelten Punkte hinaus sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche aus dem Mietver-15
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hältnis, also etwa auch einen Schadensersatzanspruch wegen vorgetäuschten Bedarfs, abschließend regeln wollten. Weder ist im Vergleich ein solcher [X.] erwähnt noch findet sich dort eine allgemeine Abgeltungsklausel, wobei dahingestellt bleiben kann, ob von einer solchen
Klausel der vorbezeichnete Schadensersatzanspruch erfasst würde (dies verneinend: [X.], [X.], 168; [X.], aaO; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2014, § 573 Rn. 228).
bb) Das Berufungsgericht hat dem Vergleich somit einen stillschweigen-den Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs entnommen. Dabei hat es rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass an das Vorliegen des Willens einer Partei,
auf Ansprüche zu verzichten, strenge Anfor-derungen zu stellen sind
und der Verzichtswille -
auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände -
unmissverständlich sein muss
(st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 21. November 2006 -
VI [X.], [X.], 368 Rn. 9;
vom 26. Oktober 2009 -
II ZR 222/08, [X.], 64 Rn. 18; vom [X.] 2012 -
II ZR 178/10, [X.], 2231 Rn. 22; vom 22. April 2015 -
IV ZR 504/14, juris Rn. 15; jeweils mwN). Sofern -
wie
hier -
ein stillschweigender Ver-zicht zu prüfen ist, bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen
(vgl. Senatsurteile
vom 11. Oktober 2000 -
VIII ZR 276/99, juris Rn. 18; vom 20. September 2006 -
VIII ZR 100/05, [X.], 177 Rn. 22; [X.], Beschluss vom 19. September 2006 -
X [X.], juris Rn. 27; jeweils mwN). Derartige Umstände können bei einem Räumungs-vergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Ge-genleistung
verpflichtet. So kann im Einzelfall in der
Zahlung einer
namhaften Abstandszahlung oder einem Verzicht auf Schönheitsreparaturen der Wille der Parteien entnommen werden, dass damit auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs abgegolten sein sollen
(vgl. [X.], aaO; [X.], [X.], 4 f.; [X.], [X.], 19
-
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-

14.
Aufl., § 573 Rn. 57; [X.], Mietrecht, 12. Aufl., §
573 [X.] unter 8; aA wohl [X.]/[X.], aaO mwN). Dies mag insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine solche Einigung in einer Situation erheblicher Unsicherheit für beide Parteien erfolgt, also etwa in der ersten Instanz vor Durchführung [X.] sonst erforderlichen umfangreichen Beweisaufnahme.
cc) Derartige Umstände, die den Schluss darauf zuließen, dass auch et-waige Ansprüche des (jetzigen) [X.] wegen vorgetäuschten Bedarfs mit dem [X.] abgegolten sein sollten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Im Gegenteil enthält der auf dem Vorschlag des Berufungsge-richt basierende
[X.] ein allenfalls formales Nachgeben des Beklagten (damaligen [X.]).
Dass die Zubilligung einer rund sechsmonatigen Räumungsfrist in dem Vergleich ein ins Gewicht fallendes Entgegenkommen des damaligen [X.] darstellte, kann schon deshalb
nicht angenommen werden, weil dieser
anderen-falls auf eine streitige Entscheidung des Berufungsgerichts angewiesen gewe-sen wäre, die nicht notwendig sogleich am Verhandlungstag als Stuhlurteil hätte ergehen müssen,
und weil mit einer Entscheidung ohne Zubilligung einer ge-wissen Räumungsfrist nach den Umständen nicht zu rechnen war. Denn
der Mieter, der aufgrund einer Eigenbedarfskündigung oder -
wie hier -
einer Kündi-gung wegen "[X.]"
erstmals in der Berufungsinstanz zur Räumung verurteilt wird, kann regelmäßig -
sogar von Amts wegen -
mit der Zubilligung einer gewissen Räumungsfrist rechnen und hat zudem die Möglichkeit, nach §
721 Abs. 3 ZPO eine Verlängerung der Räumungsfrist oder aus [X.] nach § 765a ZPO zu
beantragen. Nach dem Wortlaut des Vergleichs sind diese Schutzvorschriften indes -
ebenso wie eine Räumungs-fristbewilligung nach § 794a ZPO -
gleichfalls ausgeschlossen worden.
Dass der jetzige Kläger nach dem Vergleich nur bis zu seinem Auszug Miete zu zah-20
21
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-

len hatte, stellt kein oder jedenfalls kein nennenswertes Entgegenkommen des Beklagten dar, denn gemäß
§ 546a [X.] hat der Mieter nach der Beendigung des Mietvertrags nur bis zur Rückgabe der Mietsache Miete zu zahlen und setzt ein weitergehender Schadensersatzspruch wegen unterbliebener Rückgabe voraus, dass sie vom Mieter zu vertreten ist und die Billigkeit eine Schadloshal-tung des Vermieters erfordert
571 Abs. 1 Satz 1, 2 [X.]).
Die übrigen Bestimmungen des [X.]s waren für den jet-zigen
Kläger nur nachteilig, weil er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hatte und überdies durch den Vergleich zusätzliche Anwaltsgebühren entstanden, die er nach dem Vergleich ebenfalls zu tragen hatte.
dd) Schließlich hat das Berufungsgericht dem Umstand, dass es die Rechtsposition des
jetzigen [X.] in der Berufungsinstanz im Vorprozess selbst als aussichtslos angesehen
und dies den Parteien auch mitgeteilt
hat, keine ausreichende Beachtung geschenkt. Denn in einer [X.], in der das Gericht den Mieter auf die Aussichtslosigkeit seiner Rechtsverteidigung hinweist, nachdem vernommene Zeugen den vom Vermieter behaupteten [X.] bestätigt haben, liegt es eher fern, dass die Parteien mit einem sodann ab-geschlossenen [X.] nicht nur die zu erwartende Entscheidung des Gerichts über den streitgegenständlichen Räumungsanspruch vorwegneh-men, sondern darüber hinaus etwaige Ansprüche der Mieters wegen vorge-täuschten Bedarfs abgelten wollen.
ee) Auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, beide Parteien hätten sich im Laufe des Prozesses wechselseitig diverse Vertragsverletzungen vorgeworfen, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass mit dem Vergleich auch Ansprüche wegen vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten. Denn das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die behaupte-22
23
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12
-

ten wechselseitigen Vorwürfe zutrafen; es ist auch nicht ersichtlich, dass beide Vertragsparteien das Mietverhältnis inzwischen als zerrüttet
ansahen und es deshalb -
unabhängig von der vom
damaligen Kläger geltend gemachten [X.]ssituation -
beenden wollten.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus an-deren Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO).
Die Ausführungen des Berufungs-gerichts
zur Würdigung der vom Beklagten vorgelegten eidesstattlichen Versi-cherung des Hausmeisters
D.

vom 22. April 2013 stellen
keine die Entscheidung selbständig tragende Hilfsbegründung dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich bei einer eidesstattlichen Versicherung nicht um ein im Erkenntnisverfahren zulässiges Beweismittel handelt, so dass das Berufungs-gericht, wenn es auf die Würdigung der Angaben des Hausmeisters entschei-dend angekommen wäre, sich nicht mit einer Würdigung der eidesstattlichen Versicherung hätte
begnügen dürfen, sondern den (von beiden Parteien [X.]) Zeugen hätte vernehmen müssen.

III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife
Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei macht der Senat von der Mög-lichkeit der Verweisung an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts Gebrauch (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

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26
27
-
13
-

1. Das Berufungsgericht wird zunächst im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären haben, ob der vom Beklagten mit der Kündigung geltend gemachte Bedarf nur vorgetäuscht war. [X.] stünde dem Kläger dem Grunde nach der von ihm geltend gemachte, durch den [X.] der [X.] vom 14.
Juni 2011 nicht ausgeschlossene Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 [X.] wegen vorgetäuschten Bedarfs zu.
2. Sollte das Berufungsgericht hingegen nicht zu der Feststellung eines vom Beklagten nur vorgetäuschten Bedarfs gelangen, wird es zu bedenken ha-ben, dass vieles dafür spricht, dass die Frage, ob der vom Beklagten als Grund für die Kündigung angegebene "Betriebsbedarf"
den Anforderungen des Senats an eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 [X.] genügt
(vgl. hierzu Senatsurteil vom 23.
Mai 2007
-
VIII ZR 122/06, aaO), durch den [X.] der
Parteien dem Streit entzogen sein dürfte.
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider

Dr. Fetzer
Dr. Bünger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.11.2013 -
161 [X.] 1145/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 26.02.2014 -
6 [X.]/13 -

28
29

Meta

VIII ZR 99/14

10.06.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2015, Az. VIII ZR 99/14 (REWIS RS 2015, 10061)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10061

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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