Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.11.2010, Az. VII R 20/09

7. Senat | REWIS RS 2010, 1746

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Gegenstand

Antragsbefugnis für die Erstattung oder den Erlass der Einfuhrabgaben


Leitsatz

1. Der Antrag auf Erstattung oder Erlass der Einfuhrabgaben kann nur von den in Art. 878 Abs. 1 ZKDVO genannten Personen gestellt werden. Zu diesen gehört derjenige, auf den die entrichteten Abgaben vom Zollschuldner wirtschaftlich abgewälzt worden sind, nicht .

2. Das Recht des Zollschuldners, den Erlass bzw. die Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Einfuhrabgaben zu beantragen, kann nicht einer anderen Person abgetreten werden .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Er hat deren durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenes Klageverfahren aufgenommen.

2

Die [X.] meldete in den Jahren 2000 und 2001 mehrere aus der [X.] stammende Sendungen künstlichen [X.] zur Abfertigung zum freien Verkehr an und entrichtete die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --[X.]--) festgesetzten Einfuhrabgaben (Zoll, Antidumpingzoll und [X.]). Im Oktober 2002 beantragte die Insolvenzschuldnerin die Erstattung des [X.] mit der Begründung, dass die maßgebende Antidumpingverordnung zu den jeweiligen Einfuhrzeitpunkten nicht anwendbar gewesen sei, und legte eine Erklärung der [X.] vor, mit der diese sämtliche sich aus der Entnahme künstlichen [X.] aus ihrem Zolllager ergebenden Rechte und Pflichten an die Insolvenzschuldnerin abtrat. Das [X.] lehnte den Erstattungsantrag ab.

3

Auch das Finanzgericht ([X.]) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage ab. Das [X.] urteilte, dass die Insolvenzschuldnerin nicht antragsbefugt sei, weil die Voraussetzungen des Art. 878 Abs. 1 der Zollkodex-Durchführungsverordnung ([X.]) nicht vorlägen. Weder sei sie Zollschuldner noch habe sie die Abgaben entrichtet, weil es insoweit nicht genüge, dass sie die Abgaben wirtschaftlich getragen habe. Auch habe sie nicht [X.] vorgenannter Vorschrift die Rechte und Pflichten des Zollschuldners, der [X.], übernommen, da es an der hierfür erforderlichen Zustimmung der Zollverwaltung fehle. Ein Erstattungsanspruch könne zwar auch unter den Voraussetzungen des § 46 der Abgabenordnung ([X.]) abgetreten werden; vorliegend gehe es aber um die Feststellung eines Erstattungsanspruchs, welche sich allein nach dem Zollrecht richte.

4

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Insolvenzschuldnerin sei die Person, die [X.] des Art. 878 Abs. 1 [X.] die Abgaben entrichtet habe, denn insoweit genüge es, dass sie die Abgaben wirtschaftlich getragen habe. Darüber hinaus sei ihre Antragsbefugnis auch aus der Abtretung der Rechte und Pflichten der [X.] herzuleiten. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Abtretungserklärung beziehe sich ausdrücklich auf den Anspruch auf Rückzahlung des [X.] sowie auf das Recht, ein finanzgerichtliches Verfahren zur Rückforderung der Abgaben im eigenen Namen durchzuführen; sie genüge außerdem den Formerfordernissen des § 46 [X.]. Der Erstattungsanspruch sei auch begründet, weil die maßgebende Antidumpingverordnung auf Einfuhren der Jahre 1999 und 2000 keine Anwendung finde.

5

Das [X.] schließt sich der Rechtsauffassung des [X.] an.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

7

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Insolvenzschuldnerin fehlt die Antragsbefugnis für den geltend gemachten Erstattungsanspruch.

8

1. Nach Art. 878 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] ist der Antrag auf Erstattung oder Erlass von der Person zu stellen, die die Abgaben entrichtet hat, vom Zollschuldner oder von den Personen, die seine Rechte und Pflichten übernommen haben. Zu diesen antragsberechtigten Personen gehört die Insolvenzschuldnerin nicht.

9

a) Sie ist nicht Schuldnerin des erhobenen [X.]. Wenn die Revision insoweit geltend macht, die Insolvenzschuldnerin habe die [X.] seinerzeit beauftragt, im eigenen Namen, aber auf ihre (der Insolvenzschuldnerin) Rechnung ein Zolllager einzurichten, in welchem auch ausschließlich ihre Waren gelagert worden seien --was sich allerdings dem [X.]-Urteil als Feststellung nicht entnehmen lässt--, so rechtfertigt dies nicht die Folgerung der Revision, die Insolvenzschuldnerin sei gemäß Art. 4 Nr. 21 des Zollkodex ([X.]) Inhaber des Zollverfahrens geworden. Denn es ist weder vom [X.] festgestellt, noch ergibt es sich aus den Sachakten, dass die [X.] seinerzeit die Zollanmeldungen zur Überführung der Waren in den freien Verkehr für die Insolvenzschuldnerin (in direkter oder indirekter Vertretung) abgegeben hat (vgl. Art. 5 Abs. 4 [X.]). Vielmehr hat die [X.] die Zollanmeldungen im eigenen Namen ohne Vertretungshinweis abgegeben und ist dementsprechend vom [X.] als Zollschuldnerin in Anspruch genommen worden.

b) Die Insolvenzschuldnerin ist auch nicht die Person, welche die Abgaben entrichtet hat. Das in der Vorschrift verwendete Wort "entrichten" ist --wie auch der Vergleich mit der [X.] und der [X.] Fassung der Vorschrift zeigt-- ein Synonym für "bezahlen". Die Insolvenzschuldnerin hat aber nicht auf die festgesetzte Einfuhrabgabenschuld an Stelle der Zollschuldnerin ([X.]) gezahlt (Art. 231 [X.]), sondern sie hat lediglich die von der [X.] entrichteten Abgaben wirtschaftlich getragen, indem die [X.] die von ihr bezahlten Einfuhrabgaben --wie die Insolvenzschuldnerin selbst im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen [X.] "an die (Insolvenzschuldnerin) weiter belastet" hat.

c) Schließlich ist die Insolvenzschuldnerin auch nicht als Übernehmer der Rechte und Pflichten der [X.] berechtigt, den Antrag auf Erstattung oder Erlass zu stellen. Die Vorschrift des Art. 878 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] schafft nicht die Möglichkeit, die Rechte und Pflichten des Zollschuldners zu übernehmen, sondern setzt voraus, dass die Rechte und Pflichten des Zollschuldners nach geltendem Recht, d.h. aufgrund unionsrechtlicher oder einzelstaatlicher Vorschriften (Art. 4 Nr. 23 [X.]), von einer anderen Person übernommen worden sind, was --anders als die Revision meint-- nicht zweifelhaft ist und deshalb kein an den [X.] ([X.]) zu richtendes Vorabentscheidungsersuchen erfordert. Weder das Unionsrecht noch das nationale Recht erlauben es jedoch, die sich aus dem Zollschuldverhältnis ergebende Pflicht des Zollschuldners (Art. 4 Nr. 12 [X.]), die festgesetzten Abgaben zu entrichten, bzw. sein Recht auf Rückzahlung gesetzlich nicht geschuldeter Abgaben einer anderen Person aufgrund vertraglicher Abrede zu übertragen, wie es die Insolvenzschuldnerin im Streitfall für die von ihr beanspruchte Antragsbefugnis geltend gemacht hat. Das nationale Recht schreibt den Übergang von Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf eine andere Person für die Gesamtrechtsnachfolge vor (§ 45 Abs. 1 AO); der [X.] kennt die Übertragung zollrechtlicher Rechte und Pflichten auf eine andere Person in den vom [X.] genannten Fällen des Art. 90 und Art. 103 [X.], die im Streitfall jedoch nicht einschlägig sind.

2. Ohne Erfolg beruft sich die Revision auf die Definition des "Beteiligten" in Art. 899 Abs. 3 [X.], die sich schon nach ihrem Wortlaut nicht auf die nach Art. 878 Abs. 1 [X.] antragsberechtigten Personen, sondern allein auf den Beteiligten i.S. des Art. 239 Abs. 1 [X.] bezieht, auf dessen ggf. vorhandene betrügerische Absicht bzw. offensichtliche Fahrlässigkeit es im Rahmen dieser Vorschrift ankommt. Ebenso wenig kann der Ansicht der Revision gefolgt werden, dass ohne Anerkennung ihrer Antragsbefugnis niemand, auch nicht die [X.], berechtigt wäre, die Erstattung des [X.] zu beantragen. Das [X.]-Urteil vom 14. Januar 1997 [X.] bis 218/95 --Société [X.] (Slg. 1997, [X.]; Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1997, 163), auf das sich die Revision insoweit beruft, betraf --wie das [X.] zutreffend erkannt [X.] einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Fall, in dem das nationale ([X.]) Recht die Erstattung einer innerstaatlichen Abgabe ausschloss, wenn diese nachweislich auf den Abnehmer abgewälzt worden war. Das [X.] Recht kennt jedoch einen derartigen Ausschluss des Anspruchs auf Abgabenerstattung nicht.

Schließlich kann sich die Revision auch nicht darauf berufen, dass die Abtretung der Rechte und Pflichten der [X.] den Formerfordernissen des § [X.] genüge. Es geht im Streitfall nicht um die --nach dieser Vorschrift mögliche-- Abtretung eines bestehenden Erstattungsanspruchs, sondern um einen in einem förmlichen Verfahren festzusetzenden Erstattungsanspruch, zu dessen Geltendmachung das Unionsrecht nur bestimmte Personen als Verfahrensbeteiligte berechtigt, zu denen die Insolvenzschuldnerin nicht gehört. Diese nur bestimmten Personen zustehende Antragsbefugnis kann nicht gemäß § [X.] abgetreten werden.

Das [X.] hat nach alledem zu Recht ungeprüft gelassen, ob der seinerzeit von der [X.] entrichtete [X.] gesetzlich geschuldet war (Art. 236 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.]).

Meta

VII R 20/09

03.11.2010

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 12. Mai 2009, Az: 11 K 32/03, Urteil

Art 236 ZK, Art 878 Abs 1 ZKDV, § 46 AO, Art 236 EWGV 2913/92, Art 878 Abs 1 EWGV 2454/93, § 45 Abs 1 AO, Art 90 ZK, Art 103 ZK, Art 90 EWGV 2913/92, Art 103 EWGV 2913/92

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.11.2010, Az. VII R 20/09 (REWIS RS 2010, 1746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1746

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