Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.
PDF anzeigen[X.]/01vom7. Februar 2002in der Strafsachegegenwegen Volksverhetzung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 7. Februar 2002 gemäß § 349Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. Juni 2001 mit den Feststellungen aufge-hoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmi[X.]ls, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung in Tatein-heit mit Verunglimpfung des Staates und Beleidigung unter Einbeziehung meh-rerer Freiheitsstrafen aus früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheits-strafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.Der Angeklagte rügt mit seiner Revision sowohl die Verletzung materiel-len als auch formellen Rechts. Die Revision hat schon mit der Sachrüge Erfolg.Da die Verurteilung wegen Verunglimpfung des Staates (§ 90 a Abs. 1 Nr. 1,Abs. 3 StGB) einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhält, muß die Entschei-dung insgesamt aufgehoben werden, obgleich die Annahme der übrigen, [X.] verwirklichten Straftatbestände keine Rechtsfehler aufweist.1. Nach den Feststellungen des [X.] hat sich der Angeklagte aufdem [X.] der [X.] in [X.] am 11. Januar 1998 in [X.] 3 -Rede zur [X.] u.a. wie folgt ûert: "Wir brauchen einen Um-sturz! Durch einen Wahlkampf schaffen wir das nie. ... Wir mssen auf die Bar-rikaden, wir mssen auf die Straûe gehen, und ich hab ja bewiesen, ich binauch bereit, [X.] zusammenschlagen zu lassen, aber ohne Opfer und [X.] gibt's kein neues [X.]!"... Bei dieser Redesequenz nahm der An-geklagte Bezug auf einen Vorfall wrend einer "[X.]" gegen [X.] in [X.], bei der er von vermummten Gegende-monstranten angegriffen und durch [X.] worden war. [X.], diesen durch "linkes, vermummtes Gesindel" verten "[X.]ag"[X.]n Polizisten, die sich in unmi[X.]lbarer Nfgehalt[X.]n, nicht ver-hindert. Dies msse "dann ja eine Entscheidung von oben" gewesen sein.Das [X.] hat in der letztgenannten [X.] den Vorwurf einesbesonders verwerflichen Verhaltens gesehen, wonach die Bundesrepublik[X.] ihrer Verpflichtung, das Leben ihrer [X.] gegen [X.] zu [X.]n, nicht nachkommt. Dadurch habe sie der Angeklagte [X.] und böswillig verchtlich gemacht. Durch die Aufforderung zu einem"Umsturz", einem "Regierungswechsel ohne Wahlen", habe er zum Ausdruckgebracht, [X.] die staatliche Ordnung der Bundesrepublik [X.] besei-tigt werden msse und folglich der Achtung ihrer [X.] unwrdig sei; auchdadurch habe er diesen Staat böswillig verchtlich gemacht.2. Die Annahme des [X.], der Angeklagte habe die Bundesre-publik [X.] mit den festgestellten [X.]en im Sinne des § 90 aAbs. 1 Nr. 1 StGB beschimpft, lt rechtlicher Nachprfung nicht stand.- 4 -(1) uûerungen zur "[X.]":Insofern lût allerdings die rechtliche Wrdigung des [X.] keinenFehler erkennen, soweit es bei der Auslegung des § 90 a Abs. 1 Satz 1 StGBund der Subsumtion des Geschehens unter diese Vorschrift in der Bezeich-nung der Bundesrepublik [X.] als Unrechtsstaat, der die Ermordungihm unliebsamer Personen hinnimmt, eine tatbestandsmûige [X.]. Das gilt auch unter Bercksichtigung dessen, [X.] Art. 5 Abs. 1 Satz 1GG aus dem besonderen Schutzrfnis der Machtkritik erwachsen ist unddarin unverrt seine Bedeutung findet, mit der Folge, [X.] bei der Anwen-dung von [X.] besonders sorgfltig zu unterscheiden istzwischen zulssiger - wenn auch verfehlter - Polemik und einer Beschimpfungoder swilligen Verchtlichmachung ([X.] 93, 266, 293 ff.; [X.] NJW1999, 204, 205).Bedenken begegnet aber, [X.] die [X.] die dem Angeklagten an-gelastete uûerung, dies msse "dann ja eine Entscheidung von oben" gewe-sen sein, ohne weiteres dahin auslegt, [X.] damit die Bundesrepublik[X.] als Unrechtsstaat hingestellt werde, der die Ermordung ihm [X.] Personen [X.]) Schon nach einfach-rechtlichen, insbesondere aber auch nach verfas-sungsrechtlichen Anforderungen unter Bercksichtigung der wertsetzendenBedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit ist eine den objektiven Sinn-gehalt der umstri[X.]nen uûerung erfassende Deutung unerlûlich. Im Fall ih-rer Mehrdeutigkeit darf der Tatrichter nicht die zur Verurteilung frende Deu-tung zugrunde legen, ehe er andere Deutungsmlichkeiten mit tragfigenGrsgeschlossen hat ([X.] 93, 266, 295 ff.). Kriterien fr die [X.] -legung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der uûerung sowie die frdie [X.] erkennbaren Begleitumst, unter denen die uûerung fllt.Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die[X.] hat nicht dargelegt, [X.] nur die von ihr vorgenommene Ausle-gung der uûerung des Angeklagten in Betracht kommt, und hat sich insbe-sondere nicht mit anderen nach den Feststellungen mlichen Deutungen aus-einandergesetzt.aa) Zu vermissen ist [X.] eine Begrfr, [X.] der [X.] Angeklagten als gegen die Bundesrepublik [X.] gerichtet verstan-den werden (kann und) [X.] und diese als Unrechtsstaat erscheinen soll, derdurch die Schutzlosstellung politisch [X.] geprt wird. Bei unvoreinge-nommener Auslegung der uûerung unter Bercksichtigung des Erklrungszu-sammenhangs liegt mlich auch eine Deutung dahin jedenfalls nicht fern, [X.]sich der Angeklagte lediglich gegen ein Fehlverhalten der Vorgesetzten (in [X.], innerhalb der Verwaltung oder in der politischen Frungs-ebene) wenden wollte, die den Beamten vor Ort (so die Sicht des Angeklagten)den Befehl gegeben ha[X.]n, ihm bei der "[X.]" den Schutz vor Verlet-zungen durch Gegendemonstranten zu versagen. Da Schutzgut der [X.] § 90 a Abs. 1 Satz 1 StGB das Ansehen der Bundesrepublik [X.]selbst, nicht aber das von einzelnen Staatsorganen, der Verwaltung oder ein-zelner Beamter ist (BGHR StGB § 90 a Beschimpfen 1 m.w.[X.]), war hierzu einere Begrrlûlich. Ebensowenig hat die [X.] begrt,weshalb der uûerung des Angeklagten ein generalisierender Vorwurf dahin,unliebsamen Personen werde in der Bundesrepublik [X.] allgemeinpolizeilicher Schutz gegen ttliche Angriffe verweigert, zu entnehmen sei [X.] nur die Kritik, in dem ihn betreffenden Einzelfall bei der "[X.]" in- 6 -[X.] sei so verfahren worden. Angesichts der Schilderung des Angeklag-ten, die sich allein auf einen ihn selbst betreffenden Vorfall ohne weitere Ver-letzte bezog, lag dies nicht auf der [X.]) [X.] hinaus [X.] sich die [X.] damit auseinandersetzenmssen, ob der Begriff "[X.]ag" tatschlich wrtlich [X.] eines versuch-ten Ttungsdelikts zu verstehen war. Der geschilderte Vorfall einerseits und [X.] Rede andererseits lassen andere Deutungen mlich erschei-nen. Da der Angeklagte von Gegendemonstranten durch [X.]"lediglich" verletzt worden ist und konkrete Anhaltspunkte fr einen Ttungs-vorsatz der Angreifer weder ersichtlich noch vom [X.] sind, erscheint es durchaus mlich, wenn nicht sogar naheliegend, [X.] ermit dem Ausdruck "[X.]ag" lediglich in vergrrnder rtreiben-der Weise den [X.] bezeichnenwollte. Zumindest [X.] sich die [X.] mit dieser Mlichkeit auseinan-dersetzen mssen. Dabei ist auch zu bercksichtigen, [X.] die dem Angeklag-ten angelastete uûerung in einer Rede im [X.]kampf fiel. Bei sol-chem [X.] ist die Verwendung plakativer, vereinfachender und polemischerAusdrucksweisen als typisches Mi[X.]l zur Verdeutlichung des eigenen Stand-punkts, zur [X.] dem politischen Gegner und vor allem zurÜberzeugung der potentiellen [X.] durchaus nicht lich, was bei [X.] des [X.] nicht auûer Acht gelassen werden darf.b) Das [X.] hat ferner nicht geprft, ob die uûerungen des [X.] als Meinungen oder Tatsachenbehauptungen unter den Schutz vonArt. 5 Abs. 1 Satz 1 GG fallen. Die Strafvorschrift des § 90 a StGB ist zwar einallgemeines Gesetz [X.] von Art. 5 Abs. 2 GG, das dem Grundrecht der Mei-nungsfreiheit Schranken setzt (vgl. [X.] 47, 198, 232). Das hat aber nicht- 7 -zur Folge, [X.] das Grundrecht im Anwendungsbereich der Strafvorschrift be-deutungslos wre. Bei uûerungen, die vom Schutz der Meinungsfreiheit [X.] werden, ist vielmehr stets dem eingeschrkten Grundrecht Rechnung zutragen, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwen-dungsebene gewahrt bleibt.Fr die Anwendung des Art. 5 GG ist die Einordnung der uûerungen vonmaûgeblicher Bedeutung. Meinungen fallen stets in den Schutzbereich diesesGrundrechts, ohne [X.] es dabei auf Begrtheit oder Richtigkeit ankme(vgl. [X.] NJW 1999, 204, 205); sie verlieren diesen Schutz auch nicht,wenn sie scharf rzogen sind (vgl. [X.] 61, 1, 7/8/9). Dagegen wer-den reine Tatsachenbehauptungen, die [X.] oder erwiesen unwahr sind,nicht gesctzt. Dabei ist allerdings zu bercksichtigen, [X.] der Schutzbereichdes Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG bereits dann erffnet ist, wenn eine tatsachenhalti-ge uûerung durch Elemente der Stellungnahme des [X.] oder Dafrhal-tens geprt ist und die Tatsachenbehauptungen der Bildung einer Meinungoder der Sttzung von Werturteilen dienen. Der Wortlaut der uûerungen [X.] und die Umst, unter denen sie gefallen sind, sprechen [X.],[X.] es sich um eine persliche, als Schluûfolgerung dargestellte [X.]) Das angefochtene Urteil leidet weiter darunter, [X.] unklar bleibt, vonwelchem Sachverhalt das [X.] bezlich des in der uûerung ange-sprochenen Geschehens bei der "[X.]" ausgeht.Die [X.] hat sich darauf [X.] festzustellen, [X.] sich [X.] mit seinen uûerungen auf Vorkommnisse bei seiner Teilnahme aneiner "[X.]" gegen die [X.] in [X.] bezogenha[X.], bei der er von vermummten Gegendemonstranten angegriffen und durch- 8 -[X.] worden war ([X.]). [X.] hat sie nicht dargelegt. Insbesondere hat sie das Verhalten der [X.] nur durch die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten ange-sprochen, nicht aber deutlich gemacht, ob sie ihr folgt oder sie [X.]. Da die Vorwrfe des Angeklagten in [X.] dahin ge-hen, [X.] die anwesenden Beamten einschreiten und die Verletz[X.]nverhindern k, dies aber [X.] unterlass[X.]n, kam den [X.] Geschehens unter Umstrhebliche Bedeutung fr die Fragen zu,was der Angeklagte mit seiner uûerung sagen wollte und ob er sich, wie [X.], ûern durfte. Zu klren wre insbesondere gewesen, wie [X.] massiv der [X.] war, ob und wie sie ihn [X.] verletzt haben, wie sich die Polizeibeamten im einzelnen verhaltenund wie sir dem Angeklagten gegebenenfalls das Nichteinschreitenund die Versagung von Schutz gerechtfertigt haben.Vor diesem Hintergrund [X.]n mlicherweise auch die Beweisantrzu wrdigen sein, deren Zurckweisung als rechtsfehlerhaft der Angeklagte miteiner Verfahrensrstandet. Mit ihnen wurde unter Beweis gestellt, [X.]sich bei der "[X.]" mindestens 400 Polizeibeamte in der Nfge-halt[X.]n, [X.] zwei von ihnen sich unmi[X.]lbar vor dem Angriff mit dem [X.] unterhalten, sich dann aber zurckgez[X.]n, und [X.] ihm [X.] eines zehn Meter entfernt stehenden [X.] danach erklrt[X.]n: "Nicht zustig! Geht uns nichts an! Haben Befehl, nicht einzugrei-fen!"Es spricht viel [X.], [X.] die Ablehnung dieser BeweisantrwegenBedeutungslosigkeit rechtfehlerhaft war. Der [X.] braucht diese Frage jedochnicht abschlieûend zu entscheiden, da bereits die [X.] des Urteils [X.]. Die von der [X.] ange[X.]e Begr,die unter Beweis gestellten Behauptungen [X.]n nicht die Annahme [X.], der Staat [X.] den Angeklagten nicht gegen [X.], weistdarauf hin, [X.] sie bereits bei der Beweisaufnahme von der dem Angeklagtenstigsten Auslegung seiner uûerungen ausgegangen ist. Damit hat sieihren Blickwinkel von vornherein darauf verengt, [X.] der Angeklagte der Bun-desrepublik [X.] die Duldung von [X.]icht etwa nureine Weisung der Polizeifrung zum Nichteinschreiten gegen ttliche [X.] Gegendemonstranten bei diesem Vorkommnis vorwerfen wollte. Dies lûtbesorgen, [X.] das [X.] im Hinblick hierauf die Feststellung der e-ren Ums[X.]rlassen hat, die erst Grundlage fr eine sachgerechte undvollstige Auslegung und Rechtsanw[X.]n sein k.(2) Aufforderung zum "Umsturz":Die Annahme der [X.], der Angeklagte habe durch die Aufforde-rung zum "Umsturz", zu einem "Regierungswechsel ohne Wahlen", die Bun-desrepublik [X.] [X.] des § 90 a Abs. 1 Satz 1 StGB swillig vercht-lich gemacht, begegnet rechtlichen Bedenken. Die Strafvorschrift des § 90 aStGB verbietet es Mitgliedern oder [X.] von politischen Parteien nicht,scharfe Kritik am Staat zie Ziele und Programme ihrer Partei zupropagieren, [X.] auch noch so verfassungsfeindlich sein. Die [X.] Strafbarkeit ist erst rschri[X.]n, wenn die Kritik beschimpft, swillig ver-chtlich macht oder verunglimpft ([X.] 47, 198, 231 f.). In der [X.] zum "Umsturz" durch gewaltfreie Beseitigung der bisherigen staatli-chen Ordnung und Ersetzung durch ein anderes politisches System allein liegtnochkeiswillige Verchtlichmachung. Die strafrechtliche Erfassung einer sol-- 10 -chen uûerung [X.] das nach Art. 5 Abs. 1 GG gesctzte Recht derfreien Gedankûerung unzulssig beschrken ([X.] 47, 198, 233).- 11 -Daû der Angeklagte zu einem Umsturz mit Mi[X.]ln der Gewalt oder der [X.] (vgl. § 81 Abs. 1 StGB) aufgeruf[X.], hat die [X.]nicht festgestellt.[X.] [X.] von [X.]
Meta
07.02.2002
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2002, Az. 3 StR 446/01 (REWIS RS 2002, 4623)
Papierfundstellen: REWIS RS 2002, 4623
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Keine Referenz gefunden.
Keine Referenz gefunden.