Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2010, Az. II ZR 286/07

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 9173

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Gegenstand

Eigentumsübertragung: Voraussetzungen der Übergabe durch Aufgabe des mittelbaren Besitzes des Veräußerers und Begründung des mittelbaren Besitzes des Erwerbers in Fällen mit Auslandsbezug


Leitsatz

Die Übergabe nach § 929 Satz 1 BGB durch Aufgabe des mittelbaren Besitzes des Veräußerers und Begründung des mittelbaren Besitzes des Erwerbers setzt voraus, dass der Veräußerer den mittelbaren Besitz vollständig verliert und der Erwerber in einer Besitzkette seinen mittelbaren Besitz anhand konkreter Besitzmittlungsverhältnisse auf den unmittelbaren Besitzer zurückführen kann. Solche konkreten Besitzmittlungsverhältnisse sind auch dann internationalprivatrechtlich gesondert anzuknüpfen, wenn sich das Sachstatut für die Übereignung nach dem Recht des Lageortes richtet .

Tenor

Auf die Revision der zugleich als Streithelferin der Beklagten zu 2 auftretenden Beklagten zu 1 wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 13. Juni 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin versorgt Teile des Staates [X.]/[X.] mit elektrischer Energie und betreibt zu diesem Zweck ein Kernkraftwerk. Die Beklagte zu 1, ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen [X.] Rechts, hat die Aufgabe, Kernbrennstoffe für Kernreaktoren in [X.] zu beschaffen. Die Klägerin und die Beklagte zu 1 streiten im Rahmen einer Hauptintervention der Klägerin um die Rechte an 11 Zylindern mit angereichertem Uran 235. Das Uran war in den achtziger Jahren im Auftrag der [X.] zu 1 von der [X.]. (künftig: U.) in [X.] angereichert worden. Anschließend lagerte die Beklagte zu 1 die Zylinder in dem von der [X.] zu 2 in [X.] unterhaltenen Lager für Kernbrennstoffe ein.

2

Am 7. März 1994 schloss die Beklagte zu 1 mit der [X.] (künftig: [X.]), einer Aktiengesellschaft [X.] Rechts, u.a. über die bei der [X.] zu 2 gelagerten Zylinder einen [X.], den die Vertragsparteien [X.] Recht unterstellten. Nach Art. 2 des Vertrags waren die Zylinder innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen ab Unterzeichnung vom Darlehensgeber, der [X.] zu 1, in der Verarbeitungsanlage der [X.] zu 2 an den Darlehensnehmer, die [X.], zu liefern; das Eigentum sollte bei Lieferung entsprechend Art. 2 des Vertrages vom Darlehensgeber auf den Darlehensnehmer übergehen.

3

Mit Schreiben vom 18. April 1994 erteilte das Vorstandsmitglied der [X.] zu 1 Si. der [X.] zu 2 folgende die 11 Zylinder betreffende Anweisung:

"bitte übertragen Sie das oben genannte Material zum [X.] auf das Materialkonto der [X.] ([X.]) [einer Tochter der [X.] zu 2] bei … [der [X.] zu 2]. …

Wir bitten Sie, der [X.] zu bestätigen, dass die … Zylinder mit angereichertem [X.] für die [X.] gehalten werden und jederzeit an einen anderen Ort verlagert werden können. Die [X.] ist darüber informiert, dass die … Zylinder Eigentum der … [[X.] zu 1] sind. …"

4

Die Beklagte zu 2 schrieb der [X.] - nachrichtlich der [X.] zu 1 - am 20. April 1994:

"… gemäß Anweisung unseres Geschäftspartners … [der [X.] zu 1] übertragen wir zum 29. April 1994 das folgende angereicherte Kernmaterial auf das Materialkonto der [X.]:

… Die … Zylinder sind Eigentum der … [[X.] zu 1]."

5

[X.]. schrieb der [X.] am 29. April 1994:

"Die … [Beklagte zu 1] hat die … [Beklagte zu 2] angewiesen, zum [X.] … [u.a. das in den 11 Zylindern befindliche Material] auf das Konto der [X.] zu übertragen. Wir bitten Sie, nachdem [X.] die Bestätigung dieser Übertragung durch … [die Beklagte zu 2] erhalten hat, das betreffende Material dem Materialkonto der [X.] bei der [X.] gutzuschreiben."

6

Bei der in diesem Schreiben erwähnten [X.] (künftig: [X.]) handelte es sich um eine Gesellschaft mit Sitz in C. /[X.], die als rechtsgeschäftliche Vertreterin der [X.] auftrat.

7

Die [X.] teilte der [X.] mit Schreiben vom 3. Mai 1994 mit:

"… am [X.] erhielt die [X.] die Bestätigung …, dass … [u.a. das in den 11 Zylindern enthaltene Material] auf das Materialkonto der [X.] übertragen wurde, sowie die Anweisungen der … [[X.] zu 1], [das Kernmaterial] auf dem Materialkonto der [X.] bei der [X.] gutzuschreiben."

8

Am 12. September 1994 sah sich [X.]. zu folgender Mitteilung an die Beklagte zu 2 veranlasst:

"… im April 1994 übertrug die … [Beklagte zu 1] das im Betreff genannte Material auf das Materialkonto der [X.]. Wir sind darüber informiert, dass Unklarheit bezüglich des Status des Materials besteht, das bis heute noch nicht übertragen oder bewegt wurde. Um die Position der … [[X.] zu 1] klarzustellen, ist festzustellen, dass die [X.] Eigentümerin des auf Materialkonto der [X.] geführten angereicherten Urans ist, so dass wir Sie auffordern, voll mit der [X.] und/oder N. oder ihrem Vertreter … zusammenzuarbeiten. …"

9

Die [X.] ihrerseits hatte von der Klägerin im Wege eines [X.] besonderes spaltbares Material erhalten. Zur Erfüllung ihrer Rücklieferungspflicht aus diesem Vertrag wies die [X.] mit Schreiben vom 11. November 1994 die [X.] an, die 11 Zylinder auf das bei der [X.] für die Klägerin geführte Materialkonto zu übertragen. Die [X.] bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 14. November 1994, dass sie die genannten 11 Zylinder im Materialkonto der Klägerin halte.

Die [X.] fiel im Februar 1995 in Konkurs; über das Vermögen der [X.] wurde im April 1996 das Konkursverfahren eröffnet. In beiden Konkursverfahren werden die Zylinder nicht zur Konkursmasse beansprucht. Die Beklagte zu 1 erklärte im März 1995 die Anfechtung der Erklärungen von [X.].

Die Parteien streiten im Rahmen einer von der Klägerin angestrengten Hauptintervention nicht nur um das Eigentumsrecht an den Zylindern; sie sind auch unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die geschilderten Transaktionen dem [X.] [X.] (künftig: [X.]) widersprechen. Ferner streiten die Parteien darüber, ob die Übereignung der Zylinder von der [X.] zu 1 an die [X.] wirksam war, obwohl die Übergabe an die [X.] abweichend vom Darlehensvertrag gestaltet wurde, ob sich die Beklagte zu 1 die entsprechenden Anweisungen von [X.]. nach [X.] [X.] zurechnen lassen muss und ob diese Anweisungen ohne vorherige schriftliche Änderung des Vertrags gültig waren, ob die Beklagte zu 1 ihr zuzurechnende Willenserklärungen wirksam angefochten hat und ob die Übereignung der Zylinder von der [X.] zu 1 an die [X.] wegen einer Fernwirkung [X.] Importregelungen für Kernbrennstoffe nichtig war.

Das [X.] hat dem Antrag der Klägerin entsprechend festgestellt, der [X.] zu 1 stehe gegen die Beklagte zu 2 kein Anspruch auf Herausgabe der Zylinder zu, und hat die Beklagte zu 2 zur Herausgabe der Zylinder an die Klägerin verurteilt. Die Klägerin hat diese Entscheidung Ende 2000 vollstreckt und die Zylinder aus der [X.] ausgeführt. Die Beklagte zu 1 hat für sich und als Streithelferin für die Beklagte zu 2 Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat dem [X.] verschiedene, die Auslegung des [X.]es betreffende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die der Gerichtshof mit Urteil vom 12. September 2006 unter der bis dahin unstreitigen Prämisse, der Austausch von Uran zwischen der [X.] zu 1 und der U. sei für die [X.] versorgungsbilanzneutral gewesen, dahin entschieden hat, die Kapitel 6 und 8 des Titels II des [X.]es seien nicht anwendbar. Die Beklagte zu 1 hat nunmehr die neue Behauptung aufgestellt, Teile des von der U. angereicherten Materials stammten aus [X.] Die Lieferung dieses Materials an sie sei nach dem [X.] nicht versorgungsbilanzneutral gewesen, weil sie der U. vorab nicht in ausreichender Menge Anreicherungsmaterial zur Verfügung gestellt habe. Das Berufungsgericht hat die Richtigkeit dieses Vortrags als für die Anwendung des [X.]es unerheblich dahinstehen lassen und - nach dem Tenor des Berufungsurteils - die "Berufung der [X.] zu 1" zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 1 - zugleich als Streithelferin der [X.] zu 2 - mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] zu 1, auch in ihrer Eigenschaft als Streithelferin der [X.] zu 2, hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Das Berufungsgericht ([X.] 2008, 591 [Leitsatz]) hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Hauptintervention sei zulässig und begründet. Die Klägerin sei nach [X.] Sachrecht, das nach dem Grundsatz der lex rei sitae auf die in der [X.] gelagerten Zylinder An[X.]dung finde, 1994 Eigentümerin geworden. Die [X.] zu 1, der das Eigentum nach dem Anreicherungsvertrag mit der U. zunächst zugestanden habe, habe sich in dem [X.] vom 7. März 1994 mit der [X.] über den Übergang des Eigentums geeinigt. Die Übergabe sei dadurch geschehen, dass die [X.] zu 1 ihren mittelbaren Besitz aufgegeben habe, indem sie die [X.] zu 2 angewiesen habe, künftig nur noch für die [X.] zu besitzen, und die [X.] angewiesen habe, nicht mehr ihr, sondern der [X.] und über diese vermittelt der [X.] Besitz zu mitteln, und indem beide die ihnen erteilten Weisungen befolgt hätten. Die darauf zielenden Erklärungen des [X.]. müsse sich die [X.] zu 1 gegenüber der [X.] nach den Grundsätzen der [X.] Rechtsscheinlehre zurechnen lassen. Eine Anfechtung dieser Erklärung sei ins Leere gegangen, weil die [X.] zu 1 über die wirtschaftliche Lage der [X.] nicht arglistig getäuscht worden sei. Die [X.] habe die Zylinder im November 1994 im eigenen Namen an die Klägerin übereignet. Die Übergabe habe sie durch die von der [X.] ausgeführte Weisung vollzogen, das [X.] zu ihr zu beenden und ein neues [X.] zur Klägerin zu begründen. Ob sie dies mit Zustimmung der [X.] getan habe, könne dahinstehen, da die Klägerin gutgläubig Eigentum der [X.] angenommen habe. Die Übereignung an die Klägerin sei nicht wegen eines Verstoßes gegen - den Import von Uran regelnde - Rechtsvorschriften des [X.] Rechts sittenwidrig und nichtig. Bestimmungen des [X.] spielten für die Beziehungen der Parteien zueinander keine Rolle, weil die Geschäfte auch nach Maßgabe des neuen Vortrags der [X.] zu 1 für die [X.] versorgungsbilanzneutral gewesen seien. Im Übrigen begründe der [X.] kein zivilrechtliches Eigentum der [X.].

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

A. In der Revisionsinstanz sind - auf die Revision der [X.] zu 1 für sie selbst und als Streithelferin für die [X.] zu 2 - sowohl der gegen die [X.] zu 1 gerichtete Feststellungsantrag als auch der gegen die [X.] zu 2 gerichtete Leistungsantrag angefallen. Das Berufungsgericht hat sowohl über die eigene Berufung der [X.] zu 1 als auch über ihre Berufung als Streithelferin der [X.] zu 2 entschieden. Dies ergeben Tatbestand und Entscheidungsgründe des Berufungsurteils, die zur Auslegung des Tenors heranzuziehen sind ([X.], 66, 69; 142, 388, 391), und in denen sich das Berufungsgericht mit beiden Anträgen befasst hat. Die Rechtshängigkeit des Leistungsantrags ist daher nicht, wie dies im Falle eines Übergehens des für die [X.] zu 2 gestellten Berufungsantrags der Fall gewesen wäre, nach Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO entfallen (dazu [X.], [X.]. v. 9. November 2006 - [X.], [X.], 431, 432; Urt. v. 16. Februar 2005 - [X.], [X.]-Report 2005, 872, 873 f.).

B. Das Berufungsurteil kann aber keinen Bestand haben, weil sich mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung weder ein Herausgabeanspruch der [X.] zu 1 gegen die [X.] zu 2 verneinen noch die Annahme rechtfertigen lässt, der Klägerin stehe gegen die [X.] zu 2 ein Anspruch auf Herausgabe der Zylinder zu.

1. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Klägerin sei Eigentümerin der Zylinder geworden und könne deshalb von der [X.] zu 2 nach § 985 BGB Herausgabe der Zylinder verlangen.

a) Noch zutreffend hat das Berufungsgericht die Übereignung der damals in der [X.] gelagerten Zylinder nach [X.] Sachrecht beurteilt. Die Frage, welches Recht auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug an[X.]dbar ist, entscheiden die [X.] Gerichte nach [X.] internationalem Privatrecht. Danach galt auch schon vor Einführung des Artikels 43 EGBGB für alle sachenrechtlichen Tatbestände, insbesondere für die Voraussetzungen einer Übereignung, nach gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen zwingend die lex rei sitae, also das Recht des Lageortes der Sache ([X.]Z 100, 321, 324; 39, 173, 174; [X.], Urt. v. 25. September 1996 - [X.], [X.], 275, 277; v. 9. Mai 1996 - [X.], [X.], 1181, 1182; v. 28. September 1994 - [X.], [X.], 2124, 2126; v. 30. Januar 1980 - [X.], [X.], 410, 411).

Der An[X.]dung [X.] Sachrechts steht nicht entgegen, dass sich die Zylinder zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz aufgrund der von der Klägerin betriebenen Zwangsvollstreckung nicht mehr in der [X.] befanden. Zwar hat die Anknüpfung des [X.]s an den Lageort der Sache grundsätzlich zur Konsequenz, dass durch das bloße Verbringen der Sache in ein anderes Staatsgebiet für das Rechtswirkungsstatut (nicht für das Rechtsbestandsstatut) ein Statutenwechsel eintritt, ohne dass es grundsätzlich darauf ankommt, aufgrund welcher Umstände der Lageort verändert wurde, Artikel 43 Abs. 2 EGBGB (MünchKommBGB/[X.], 4. Aufl. Artikel 43 EGBGB Rdn. 125 f.). Anderes gilt aber, [X.]n trotz des [X.] von einer fortbestehenden wesentlich engeren Verbindung zum Recht des ursprünglichen Lageorts auszugehen ist, Artikel 46 EGBGB. Das ist hier mit der Folge der An[X.]dung [X.] Rechts der Fall, weil der Ortswechsel innerhalb des anhängigen Rechtsstreits gerade aufgrund eines in erster Instanz nach [X.] [X.] bejahten [X.] und eines unter An[X.]dung [X.] Sachrechts erlangten vorläufig vollstreckbaren Titels bewirkt wurde.

b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die [X.] zu 1 habe der [X.] im April 1994 Eigentum an den streitgegenständlichen Zylindern verschafft. Ungeachtet der Frage, ob die [X.] zu 1 zu diesem Zeitpunkt selbst Eigentümerin war und ungeachtet der Einwände der Revision gegen das Zustandekommen und die Rechtsbeständigkeit der dinglichen Einigung mangelt es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls an der erforderlichen Übergabe als zweitem Element einer Eigentumsübertragung an die [X.].

aa) Die [X.] zu 1 war im April 1994 mittelbare Besitzerin der Zylinder. Für sie übte die [X.] zu 2 den unmittelbaren Besitz aus. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Übergabesurrogat in Form der Abtretung des [X.] (§ 931 BGB) ausscheidet, die [X.] zu 2 aber weiterhin unmittelbare Besitzerin der Zylinder blieb, konnte es zu einer Übergabe des Besitzes an die [X.] nach § 929 Satz 1, § 868 BGB nur kommen, [X.]n die [X.] zu 1 jeden mittelbaren Besitz verlor ([X.]Z 92, 280, 288; [X.], Urt. v. 8. Juni 1989 - [X.], [X.], 1393, 1395; v. 17. Mai 1971 - [X.], [X.], 742, 743; v. 14. Juli 1960 - [X.], [X.], 1035, 1038; v. 21. April 1959 - [X.], [X.], 813, 815; [X.], 23, 25; Soergel/[X.], [X.]. § 929 Rdn. 55 und 59;Tiedtke, [X.], 446, 447 ff.).

Einen Verlust des mittelbaren Besitzes durch einverständliche Aufhebung des [X.] hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Seine Annahme, die [X.] zu 1 habe ihren mittelbaren Besitz vollständig dadurch verloren, dass die [X.] zu 2 ihren Besitzmittlungswillen änderte und ab dem 29. April 1994 nicht mehr für die [X.] zu 1, sondern für die [X.] besitzen wollte, hält den Angriffen der Revision nicht stand.

Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, die [X.] zu 2 habe nach April 1994 nicht mehr für die [X.] zu 1 besitzen wollen, auf das Schreiben vom 20. April 1994 gestützt. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Wortlaut dieses Schreibens den Schluss auf eine Änderung des Besitzmittlungswillens der [X.] zu 2 zulässt. Denn die [X.] zu 2 bestätigt in diesem Schreiben zwar die Verbuchung der Zylinder auf dem Materialkonto der [X.], also die Begründung eines [X.]ses zu dieser Tochtergesellschaft. Das [X.] zur [X.] zu 1 war damit aber nicht ohne Weiteres beendet, weil die [X.] zu 2, ohne eine Änderung ihres Vertragsverhältnisses zur [X.] zu 1 zu erwähnen, gleichzeitig darauf hingewiesen hat, die [X.] zu 1 sei Eigentümerin der Zylinder.

Jedenfalls aber hätte das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Besitzverhältnisse ab dem 29. April 1994 den Vortrag der [X.] zu 1 nicht unberücksichtigt lassen dürfen, das Fortbestehen des Besitzmittlungswillens der [X.] zu 2 zugunsten der [X.] zu 1 sei daraus ersichtlich, dass die [X.] zu 2 die Zylinder auch nach April 1994 für die [X.] zu 1 verbucht und ihr die Kosten der Verwahrung in Rechnung gestellt habe. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht ebenso [X.]ig sachgerecht gewürdigt wie das Schreiben von [X.]. vom 12. September 1994 an die [X.] zu 2, in dem die fehlende Übertragung des Materials ausdrücklich beanstandet und deutlich gemacht wird, dass es Unklarheiten über die Eigentumsverhältnisse gebe.

Diese von der [X.] zu 1 gegen eine Änderung des Besitzmittlungswillens der [X.] zu 2 vorgetragenen Indizien konnte das Berufungsgericht nicht deshalb unbeachtet lassen, weil sie sich im Wesentlichen auf Umstände nach Abgabe der Erklärung am 20. April 1994 bezogen. Zwar sind bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar sind ([X.], Urt. v. 24. Juni 1988 - [X.], [X.], 1599, 1600 f.). Das schließt es aber, überträgt man diese Grundsätze auf die nach außen verlautbarte Änderung des Besitzmittlungswillens, nicht aus, aus späteren Vorgängen Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der Beteiligten zu ziehen ([X.].Urt. v. 16. März 2009 - [X.], [X.], 880 [X.]. 16; [X.], Urt. v. 26. November 1997 - [X.], NJW-RR 1998, 801, [X.]. 16. Oktober 1997 - [X.], [X.], 106, 107; v. 24. Juni 1988 aaO).

bb) [X.] der [X.] zu 1 als Streithelferin der [X.] zu 2, das Berufungsgericht habe im Zusammenhang mit der von ihm angenommenen Übereignung an die [X.] unzureichend aufgeklärt, für [X.] die [X.] zu 2 nach April 1994 Besitz gemittelt habe, ist in dem - den Herausgabeanspruch betreffenden - Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zu der [X.] zu 2 trotz des von dem nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt der [X.] zu 2 vor Schluss der mündlichen Verhandlung beim [X.]at eingereichten Schriftsatzes beachtlich. Ein Widerspruch der [X.] zu 2 im Sinne des § 67 letzter Halbs. ZPO liegt nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob der Widerspruch als einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht ([X.], [X.] 1987, 308; [X.]/Schütze/ [X.], ZPO 3. Aufl. § 67 Rdn. 16) im [X.] ohnehin nur von einem postulationsfähigen [X.] geltend gemacht werden kann (dagegen [X.], [X.], 44; 1996, 143, 144; wohl auch [X.], [X.], 88, 89). Jedenfalls ergibt der schriftsätzliche Vortrag der [X.] zu 2 in der Sache keinen Widerspruch. Die Äußerung der [X.] zu 2, sie habe - über eine Abtretung des ursprünglich zugunsten der [X.] zu 1 begründeten [X.] im Ungewissen - für den wahren Berechtigten besitzen wollen, bestätigt im Gegenteil indirekt die Behauptung der [X.] zu 1, die [X.] zu 2 habe 1994 ihren Besitzmittlungswillen nicht geändert. Denn damit gab die [X.] zu 2 zu erkennen, weiterhin aufgrund des ursprünglich mit der [X.] zu 1 bestehenden Besitzmittlungsverhältnisses Besitz gemittelt zu haben.

cc) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Übergabe deshalb als fehlgeschlagen anzusehen. Das Berufungsgericht wird den revisionsrechtlich als richtig zu unterstellenden Vortrag der [X.] zu 1 prüfen und die gebotenen Feststellungen treffen müssen. In diesem Zusammenhang wird es sich außerdem damit befassen müssen, welcher Art die - für die Vollendung einer Übergabe nach § 929 Satz 1 BGB durch Übertragung des mittelbaren Besitzes konstitutiven - [X.]se (§ 868 BGB) in einer Besitzkette von der [X.] zu 2 über die [X.] zur [X.] waren und welcher Rechtsordnung sie unterliegen. Dabei wird es auch zu berücksichtigen haben, dass sich dem Schreiben der [X.] vom 3. Mai 1994 nicht entnehmen lässt, ob die [X.] auf die Weisung des [X.]. vom 29. April 1994 tatsächlich ein - weiteres - [X.] zur [X.]/[X.] begründete.

c) Von Rechtsirrtum beeinflusst ist schließlich die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe - ebenfalls durch Übergabe nach § 929 Satz 1, § 868 BGB - im November 1994 gutgläubig von der [X.] Eigentum an den Zylindern erworben. Ist - wovon revisionsrechtlich auszugehen ist - die Eigentumsübertragung von der [X.] zu 1 auf die [X.] gescheitert, weil die [X.] zu 1 - wie oben ausgeführt - ihren mittelbaren Besitz nicht verloren hat, gilt dies gleichermaßen auch für den nachfolgenden Eigentumserwerb der Klägerin von der [X.]. Auf den guten Glauben der Klägerin kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

2. Das Berufungsgericht hat sich im Zusammenhang mit dem Feststellungsantrag nicht damit befasst, ob die [X.] zu 1 aufgrund ihrer schuldrechtlichen Beziehungen zur [X.] zu 2 Herausgabe der Zylinder verlangen kann. Es hat - stillschweigend - angenommen, wegen des von ihm bejahten Eigentumserwerbs der Klägerin und des damit begründeten [X.] sei ein aus den schuldrechtlichen Beziehungen der [X.] folgender Herausgabeanspruch der [X.] zu 1 ohne weiteres entfallen. Davon hätte das Berufungsgericht aber nur ausgehen dürfen, [X.]n es eine Abtretung des [X.] im Zuge einer Übereignung nach §§ 929, 931 BGB oder eine einverständliche Aufhebung des [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt hätte. Beides ist nicht der Fall.

Sollte das Berufungsgericht bei seiner erneuten Prüfung zu einer Übergabe aufgrund einer Änderung des Besitzmittlungswillens der [X.] zu 2 kommen, müsste es sich mit dem Verhältnis von schuldrechtlichem Herausgabeanspruch und Vindikationsanspruch befassen. Die Annahme, der Vindikationsanspruch gehe dem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch vor, bedürfte schon dann eingehender Begründung, [X.]n die schuldrechtlichen Beziehungen der [X.] zueinander nach [X.] Recht zu beurteilen wären (vgl. hierzu [X.]Z 73, 317, 321 ff., in Abgrenzung zu [X.]Z 5, 337, 339 f.; [X.] 1925, 472, 473; RGRK/Krohn, [X.]. 1978 § 695 Rdn. 3;Staudinger/[X.], [X.]. 2006 § 695 Rdn. 6 mit [X.]. 2005 § 604 Rdn. 5; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 695 Rdn. 8 f. mit [X.]/Häublein 5. Aufl. § 604 Rdn. 8). Erst recht gälte dies bei der An[X.]dung ausländischen ([X.]) Rechts. Das Rangverhältnis eines schuldrechtlichen [X.] zum Vindikationsanspruch kann beim gegenwärtigen Stand des Rechtsstreits allerdings dahinstehen, weil schon die eigentumsrechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig ist.

3. Für eine erneute Vorlage an den [X.] besteht derzeit kein Anlass. Dabei kann der [X.]at offen lassen, ob die Verwertung des nachgeschobenen Vortrags der [X.] zu 1 zur Herkunft des von der U. verarbeiteten Materials im Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zur [X.] zu 2 an einem in zweiter Instanz von der [X.] zu 2 erklärten Widerspruch (§ 67 letzter Halbs. ZPO) scheitert. Selbst [X.]n es an einem Widerspruch fehlt und die Bestimmungen des [X.] für die Eigentumslage von Bedeutung sein können, kommt eine Vorlage an den [X.] vor einer Zurückverweisung nach § 563 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Da die tatsächlichen Voraussetzungen eines Eigentumserwerbs der Klägerin ebenso [X.]ig geklärt sind wie die Herkunft des von der U. verarbeiteten Materials, könnte der [X.] über eine ihm nicht obliegende gutachtliche Beantwortung abstrakter Rechtsfragen hinaus nicht sinnvoll zur Auslegung des [X.] Stellung nehmen (so auch [X.], Urt. v. 21. Februar 2006 - [X.]. [X.]/03, [X.] u.a. gegen Finanzamt [X.], [X.]. 2006, [X.] [X.]. 15; v. 30. September 2003 - [X.]. C-167/01, [X.], [X.]. 2003, [X.] [X.]. 45; vgl. auch [X.], Urt. v. 3. Februar 1994 - I ZR 282/91, [X.], 519, 520 f.). Deshalb sind vor einer Befassung des [X.] zunächst die offenen Vorfragen von dem nationalen Gericht zu klären.

III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung. Mangels [X.] ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO), damit es - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien und Beweiserhebung - die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Dabei wird das Berufungsgericht in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren zu berücksichtigen haben, dass die [X.] zu 1 - soll ihre Rechtsverteidigung gegen den Feststellungsantrag Erfolg haben - den Rechtsgrund (Vertrag, Eigentum) eines [X.] gegen die [X.] zu 2 darzulegen und zu beweisen hat und sich nicht darauf beschränken kann, die Rechtsposition der Klägerin zu bestreiten.

[X.]                                 [X.]

                 [X.]

Meta

II ZR 286/07

22.02.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 13. Juni 2007, Az: 4 U 65/00, Urteil

§ 929 S 1 BGB, Art 46 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2010, Az. II ZR 286/07 (REWIS RS 2010, 9173)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9173

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