Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.01.2022, Az. 25 W (pat) 30/20

25. Senat | REWIS RS 2022, 1676

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Wunderberg (Wortmarke)/Underberg (Unionswortmarke)/Underberg (Unternehmenskennzeichen))" – unzulässiger Widerspruch – keine Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 054 981

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 27. Januar 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Kortbein, des [X.] Dr. [X.] und der Richterin kraft Auftrags Fehlhammer

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 5. August 2014 angemeldete Zeichen

2

[X.]

3

ist am 19. November 2014 unter der Nummer 30 2014 054 981 für nachfolgende Dienstleistungen als Wortmarke in das beim [X.] geführte Markenregister eingetragen worden:

4

Klasse 39:

5

Transportwesen; Veranstaltung von Reisen; Ausflugsfahrten; Beförderung von Passagieren und Personen sowie Reisenden; Bereitstellung von [X.] für Reisezwecke; Taxi-dienste; Transport mit Eisenbahnen, Bergbahnen und Seilbahnen; Vermietung von Fahrzeugen, insbesondere Fahrrädern und E-Bikes; Vermietung von Pferden; geführte Wanderungen; geführte Ausritte; geführte Klettertouren;

6

Klasse 41:

7

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Durchführung von Sportprogrammen, insbesondere Radfahren, Reiten, Bergwandern und Golf; Auskünfte über Freizeitaktivitäten; Betrieb von Feriencamps [Unterhaltung], Fitnessklubs, Golfplätzen, Nachtklubs, Sportanlagen, Sportcamps, Vergnügungseinrichtungen und -parks; Demonstrationsunterricht in praktischen Übungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Durchführung von Fitnesskursen; Live-Veranstaltungen; Tanzveranstaltungen; Durchführung von [X.]; Organisation, Durchführung und Veranstaltung von Konferenzen, Kongressen, Konzerten, Symposien sowie Modenschauen für [X.]; Vermietung von Spielausrüstung, Spielgeräten, Spielzeug und Sportausrüstungen, ausgenommen Fahrzeuge;

8

Klasse 43:

9

Beherbergungen von Gästen; Verpflegung von Gästen in Restaurants, [X.], Cafés, Bars und Theatern; Catering; Dienstleistungen von Pensionen; [X.] [Verpflegung]; Kochkurse.

Gegen die Eintragung der am 19. Dezember 2014 veröffentlichten Marke hat die Beschwerdeführerin Widerspruch aus folgenden Zeichen erhoben:

1. Unionswortmarke 008 664 328

[X.]

eingetragen am 27. Januar 2011 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 2, 3, 4, 5, 8, 9, 12, 13, 14, 15, 16, 18, 20, 21, 24, 25, 26, 28, 29, 30, 31, 34, 35, 36, 38, 39, 41, 42 und 43. Unter anderem beansprucht die Widerspruchsmarke Schutz für die folgenden Dienstleistungen:

Klasse 39:

Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung und Vermittlung von Reisen; Beförderung von Personen und Gütern; Dienstleistungen eines Fahrradkuriers; Vermietung von Fahrzeugen, insbesondere Fahrrädern; Vermietung von Fahrzeugen, insbesondere Car-Sharing; Vermittlung von Personenbeförderung mittels Mitfahrzentrale; Transport von Windeln; Vermittlung von Verkehrsleistungen; Veranstaltung von Stadtbesichtigungen; Veranstaltung von [X.]; Reisebegleitung; Lieferservice für Dritte;

Klasse 41:

Erziehung; Aus- und Weiterbildung; Organisation und Veranstaltung von Seminaren, Schulungen, Vorträgen, Konferenzen und Kongressen; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Vermietung von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Spielen, optischen Datenträgern und [X.], insbesondere [X.] und Magnetbandkassetten; [X.]; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Aufzeichnung von Videobändern; Bereitstellen von elektronischen Publikationen (nicht herunterladbar); Betrieb eines Clubs (Unterhaltung oder Unterricht); Betrieb von Tonstudios; Coaching; Demonstrationsunterricht in praktischen Übungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Dienstleistungen eines Ton- und Fernseh-studios; Dienstleistungen eines Verlages (ausgenommen Druckarbeiten); Durchführung von Live-Veranstaltungen; Durchführung von Spielen im [X.]; Erstellen von Bildreportagen; Erstellen von Untertiteln; Unterricht; Fernsehunterhaltung; Filmproduktion; Filmverleih; Glücksspiele; Herausgabe von [X.] in elektronischer Form, auch im [X.]; Herausgabe von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im [X.]; Information über Veranstaltungen (Unterhaltung); online angebotene Spieldienstleistungen (von einem Computernetzwerk); Organisation und Durchführung von kulturellen und/oder sportlichen Veranstaltungen; [X.] (Unterhaltung); Produktion von Shows; Rundfunk-unterhaltung; Synchronisation; Theateraufführungen; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Veranstaltung von [X.]; Veranstaltung von Unterhaltungsshows; Veranstaltung von Wettbewerben (Erziehung und Unterhaltung); Veröffentlichung von Büchern; Videofilmproduktion; Zusammenstellung von Fernsehprogrammen und Rundfunkprogrammen; Party-Service;

Klasse 43:

Verpflegung; Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Zimmerreservierung.

2. Unternehmenskennzeichen

[X.]

Mit Schreiben vom 27. Januar 2016 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke [X.] 008 664 328 gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] a. F. bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 43 des [X.]s hat mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 24. April 2020 eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.] a. F. (§ 158 Abs. 3 [X.]) i. V. m. § 125b Nr. 1 [X.] sowie im Sinne des § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 [X.] a. F. (§ 158 Abs. 3 [X.]) i. V. m. §§ 5, 12, 15 Abs. 2 und 4 [X.] zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen verneint und die Widersprüche gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Einrede der Nichtbenutzung zulässig sei, weil die Benutzungsschonfrist der Unionsmarke am 27. Januar 2016 geendet habe. Die Einrede sei auch begründet, da die Widersprechende keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung vorgelegt habe. Der Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ sei zurückzuweisen, weil die Widersprechende keine Angaben zum beanspruchten Geschäftsbereich gemacht habe.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Bei der [X.] „[X.]“ handele es sich um eine bekannte Marke im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.]. Dies habe sowohl der [X.] in seinem Urteil vom 30. Oktober 1956 ([X.].: [X.]) als auch das [X.] in seinem Urteil vom 11. Juli 1985 ([X.].: 3 U 133/84) festgestellt. Repräsentative Verkehrsbefragungen hätten ergeben, dass die Marke „[X.]“ stetig wachsende Bekanntheitsgrade in Höhe von 84,8 % im Jahr 2015, von 85,2 % im Jahr 2017, von 87,2 % im Jahr 2019 und von 88,4 % im Jahr 2020 aufweise. Die Marketingausgaben für die besagte Marke hätten in [X.] im Jahr 2015 mehr als 1,1 Millionen Euro, im Jahr 2016 mehr als 1 Million Euro, im Jahr 2017 mehr als 1,15 Millionen Euro, im Jahr 2018 mehr als 1,35 Millionen Euro und im Jahr 2019 mehr als 1,2 Millionen Euro betragen. In den Jahren 2016 bis 2018 habe die „gewichtete Distribution“ im Lebensmitteleinzelhandel und in [X.] bei 90 % und mehr, die „gewichtete Distribution“ ohne Discounter bei konstant 100 % gelegen. Hiervon ausgehend sei festzustellen, dass der weit überwiegende Teil der inländischen Bevölkerung nicht nur die Marke „[X.]“, sondern auch die darunter vertriebenen Produkte sowie die Firmenbezeichnung kenne. Auf die Einrede der Nichtbenutzung sei die rechtserhaltende Benutzung der [X.] nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] a. F. nur für den Zeitraum von fünf Jahren vor der maßgeblichen Entscheidung glaubhaft zu machen. Die Widersprechende vermarke nicht nur das berühmte Produkt „[X.], der [X.] Kräuter“, sondern auch [X.]-Merchandising-Artikel. Dabei würden Kunden im Rahmen eines Prämienprogramms aufgefordert, „Verschlusskappen“ des Produkts „[X.], der [X.] Kräuter“ zu sammeln und bei der Widersprechenden einzureichen. Weiterhin betreibe sie seit Jahren einen Online-Shop, über den sie verschiedene Merchandising-Artikel vertreibe, nämlich Stilgläser, Grillschürzen, Teller, Blechschilder und „das einzigartige [X.] Kräuter-Mobil“. Anlässlich ihres 150-jährigen Firmenjubiläums habe die Widersprechende ein Buch mit dem Titel „Der [X.]“ veröffentlicht, in dem verschiedene Märchen in eine Rahmenhandlung rund um das Produkt „[X.], der [X.] Kräuter“ eingebettet worden seien. Die Widersprechende vertreibe zudem Karten mit Kochrezepten. Auch wenn es sich insoweit um Merchandising-Artikel handele, sei eine rechtserhaltende Benutzung der Marke gleichwohl zu bejahen. Auch der Vertrieb von sogenannter Nebenware bzw. die Erbringung sogenannter Nebendienstleistungen sei als markenmäßige Benutzung anzusehen. Die betreffenden Waren würden zum Zwecke der Umsatzerzielung angeboten. Der Umstand, dass sie die Sichtbarkeit der Marke „[X.]“ erhöhten, sei ein zusätzlicher Nebeneffekt, welcher einer markenmäßigen Benutzung nicht entgegenstehe. Weiterhin veranstalte die Widersprechende unter der Marke und der Unternehmensbezeichnung „[X.]“ Kochkurse und verschiedene kulturelle Veranstaltungen zur Förderung von Talenten. So sei 2014/2015 der Musikwettbewerb „[X.] [X.]“ durchgeführt worden. In den Jahren 2016 und 2017 habe der Wettbewerb „Koch & [X.] [X.]“ stattgefunden. Alle durchgeführten kulturellen Veranstaltungen stellten markenmäßige und damit rechtserhaltende Benutzungen dar, da sie dazu dienten, neue Märkte zu erschließen und künftige Betätigungsfelder zu testen. Es gehe darum, ein „Produkt- und Lifestyleportfolio“ aufzubauen und die Bekanntheit der Spirituosenmarke auf weitere Produkte zu übertragen. Hierzu kooperiere die Widersprechende mit den Firmen [X.] und [X.]. Darüber hinaus betreibe die Widersprechende die U…GmbH, welche Dienstleistungen der Klasse 43 anbiete.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke nutze den guten Ruf der Marke „[X.]“ in unlauterer Weise aus. Sie wolle unter der ähnlichen Bezeichnung „[X.]“ identische bzw. hochgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen anbieten. Sie kopiere die bekannte Marke „[X.]“ und ergänze sie lediglich um einen Buchstaben. Zudem sei es die Widersprechende selbst gewesen, die als Erste die Bezeichnung „[X.]“ durch das oben genannte Buch mit dem Begriff „[X.]“ verknüpft habe. Die Bezeichnung „[X.]“ werde vom angesprochenen Verkehr als Zeichen für Tradition, Verlässlichkeit und hohe Qualität verstanden. An diesen guten Ruf wolle sich die Inhaberin der angegriffenen Marke anhängen.

Darüber hinaus sei, ausgehend von einer hohen Kennzeichnungskraft der älteren Marke, einer überdurchschnittlichen Zeichenähnlichkeit und einer Produktidentität oder zumindest hochgradigen -ähnlichkeit, eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu bejahen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 des [X.]s vom 24. April 2020 aufzuheben und wegen der Widersprüche aus der Unionsmarke 008 664 328 und aus dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2014 054 981 „[X.]“ anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die vorliegend maßgeblichen Dienstleistungen der Klassen 39, 41 und 43 nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe. Die kostenlose Zugabe von Karten mit Kochrezepten beim Verkauf von Kräuterlikör sei keine Dienstleistung der Klassen 41 oder 43, sondern Teil des Vertriebs von Waren der Klasse 33 („Kräuterlikör“). Die vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „[X.]“ zu belegen. Die Verkehrsbefragungen seien auf einen bestimmten Kräuterlikör und nicht auf die Waren und Dienstleistungen bezogen, für die die Widerspruchsmarke eingetragen worden sei. Die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren und Dienstleistungen seien zudem gegenüber der Ware „[X.]“ unähnlich. Im Übrigen halte die angegriffene Marke den erforderlichen [X.] ohne Weiteres ein. Das Wort „[X.]“ weise einen unmittelbar verständlichen Sinngehalt auf, der einer Verwechslungsgefahr entgegenstehe. Dies gelte insbesondere dann, wenn zwischen den sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen keine Ähnlichkeit bestehe. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden seien auch die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 43 (gastronomische Dienstleistungen) gegenüber der Ware „Kräuterlikör“ unähnlich, da die Hersteller von Spirituosen regelmäßig keine eigenen Kneipen oder Trinkstuben betrieben.

Im [X.] vom 3. Februar 2015 finden sich keine Angaben zum Gegenstand des Geschäftsbetriebes und zum Zeitrang des [X.] „[X.]“. Ihm war ein Auszug aus dem Handelsregister vom 13. Januar 2015 beigefügt, in dem der Gegenstand des Unternehmens nicht bezeichnet ist. Entsprechende Angaben hierzu sowie zum Zeitrang des [X.] sind bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist beim [X.] nicht eingegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 43, die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung zum 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Da die angegriffene Marke am 5. August 2014 und damit zwischen dem 1. Oktober 2009 sowie dem 14. Januar 2019 angemeldet wurde, ist gemäß § 158 Abs. 3 [X.] auf die gegen die Eintragung erhobenen Widersprüche § 42 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] in der vor dem 14. Januar 2019 jeweils geltenden Fassung ([X.] a. F.) anzuwenden.

2. Auf die rechtswirksam erhobene Einrede der Nichtbenutzung hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der [X.] 008 664 328 nicht glaubhaft gemacht. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren und Dienstleistungen auf Seiten der älteren Marke ist damit die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ohne Weiteres zu verneinen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Zeichen „[X.]“ für andere Waren möglicherweise intensiv benutzt wird, nämlich für „Kräuterliköre“. Denn diese Waren werden von der hier maßgeblichen Widerspruchsmarke nicht beansprucht.

a) Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Verfahren vor der Markenstelle des [X.]s mit Schriftsatz vom 27. Januar 2016 „den Einwand der rechtserhaltenden Benutzung gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 [X.]“ in Bezug auf die [X.] 008 664 328 erhoben. Da der Widerspruch vor dem 14. Januar 2019 eingelegt wurde, kommt gemäß § 158 Abs. 5 [X.] in vorliegendem Verfahren § 43 Abs. 1 [X.] a. F. zur Anwendung. Die Einrede gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] a. F. ist zulässig, da die ältere Marke am 27. Januar 2011 eingetragen wurde und folglich die fünfjährige Benutzungsschonfrist am 27. Januar 2016 und damit nach der Veröffentlichung der angegriffenen Marke 30 2014 054 981 am 19. Dezember 2014 endete.

Demzufolge oblag es der Widersprechenden, die rechtserhaltende Benutzung der [X.] 008 664 328 im Zeitraum vom 27. Januar 2017 bis 27. Januar 2022 ([X.] im schriftlichen Verfahren) glaubhaft zu machen. Dies ist der Widersprechenden nicht gelungen.

b) Bei der Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, so dass die Widersprechende die volle Verantwortung für eine vollständige Glaubhaftmachung trägt (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 43 Rn. 64 und 65). Glaubhaftmachung gemäß § 43 Abs. 1 [X.] a. F. i. V. m. § 294 ZPO verlangt zwar keine volle Beweisführung, sondern es genügt eine geringere, lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit der (bestrittenen) Benutzung (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 37. Auflage, § 294 Rn. 1; [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 43 Rn. 58 ff.). Die Widersprechende hat dazu die wesentlichen Umstände der Benutzung ihrer Marke, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang in dem maßgeblichen Benutzungszeitraum darzutun und glaubhaft zu machen. [X.] benutzt wird die Marke, wenn sie in üblicher und sinnvoller Weise für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, im Inland verwendet wird, um für diese einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch verwendet wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die [X.]igkeit der Benutzung ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren (vgl. [X.] GRUR 2003, 425 Rn. 38 – [X.]/Ansul; [X.], 582, 584 Rn. 70 – [X.]; [X.], 662 Rn. 12 – Probiotik; GRUR 2013, 925 Rn. 38 – [X.]). Die Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke unterliegt abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Untersuchungsgrundsatz dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 43 Rn. 6).

c) Auf die Einrede der Nichtbenutzung hat die Widersprechende vorgetragen, dass sie die Widerspruchsmarke „[X.]“ zur Kennzeichnung von Stilgläsern, Tellern, Grillschürzen, Blechschildern und des [X.] Kräuter-Mobils benutzt habe. Weiterhin seien ein Märchenbuch und - als Zugabe zu der Ware „Kräuterlikör“ - Karten mit Kochrezepten in den Verkehr gebracht worden. Zudem habe die Widersprechende Koch- und Singwettbewerbe durchgeführt und biete Kochkurse an. Zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung hat die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung ihres Prokuristen vom 6. Oktober 2020 und umfangreiches Bildmaterial vorgelegt, insbesondere Abbildungen des Angebots ihres Online-Shops.

Unabhängig von der Frage, unter welche registerrechtlich geschützte Waren- und Dienstleistungsbegriffe sich die oben genannten Produkte subsumieren lassen, genügen weder der diesbezügliche Vortrag der Widersprechenden noch die vorgelegten Mittel der Glaubhaftmachung, um nach allgemein anerkannten Maßstäben von einer rechtserhaltenden Benutzung ausgehen zu können. Denn die Widersprechende hat zu keiner einzigen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen Umsätze oder Verkaufszahlen vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Dies gilt auch für die von ihr ins Feld geführten Dienstleistungen aus dem Bereich der Hotellerie und Gastronomie bzw. Dienstleistungen der Klasse 43 der U…
… GmbH. Ohne entsprechende Angaben kann jedoch nicht geprüft werden, ob der Umfang der Benutzung geeignet ist, eine ernsthafte Benutzung der Marke glaubhaft zu machen (ständige Rechtsprechung: [X.] 25 W (pat) 560/17; 29 W (pat) 41/17; 29 W (pat) 528/18 und 26 W (pat) 543/20; die Entscheidungen sind über die Homepage des [X.] öffentlich zugänglich).

Ausgehend von dem fehlenden Vortrag der Widersprechenden zu Umsatzzahlen und zum Umfang der Benutzung kommt es auf die weiteren Umstände der Benutzung der Widerspruchsmarke nicht entscheidungserheblich an. So kann dahingestellt bleiben, ob die unentgeltliche Dreingabe von Karten mit Kochrezepten beim Verkauf von Kräuterlikör branchenüblich nur zu Werbezwecken erfolgt, so dass eine solche Art der Verwendung nicht als rechtserhaltende Benutzung zu bewerten wäre (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 26 Rn. 16). Gleichfalls offen bleiben kann die Frage, ob die Verteilung von [X.] wie Trinkgläsern, Tellern, Blechschildern oder Grillschürzen gegen das Einsenden von [X.] als rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für diese Produkte anzuerkennen ist. Ebenso bedarf es vorliegend keiner Klärung, ob der Vertrieb von üblichen [X.] in einem einzigen Online-Shop ausreicht. Weiterhin kommt es nicht darauf an, ob mit den Koch- und Singwettbewerben der Widersprechenden nur für Kräuterlikör geworben werden soll oder - zumindest zukünftig - eigenständig Umsätze erzielt werden sollen. Es ist weiterhin auch nicht die Frage zu beantworten, um welche Ware es sich bei dem [X.] Kräuter-Mobil handelt.

d) Ebenso ist der Vortrag der Widersprechenden zur Bekanntheit des Zeichens „[X.]“ im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden rechtserhaltenden Benutzung der beschwerdegegenständlichen Widerspruchsmarke ohne Relevanz. Denn die vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Verkehrsbefragungen, beziehen sich auf die Bekanntheit der Marke „[X.]“ in Verbindung mit den Waren „Kräuterliköre“. Für diese beansprucht die Widerspruchsmarke 008 664 328 jedoch keinen Schutz. Mangels berücksichtigungsfähiger Waren und Dienstleistungen auf Seiten der Widerspruchsmarke kommt es auch nicht auf die Frage an, ob auf für sie eingetragene Waren oder Dienstleistungen die Bekanntheit einer anderen Marke für bestimmte Produkte ausstrahlen kann.

3. Soweit die Beschwerdeführerin ihren Widerspruch auf § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] stützt, gibt es - unabhängig von der nicht glaubhaft gemachten rechtserhaltenden Benutzung - keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der beschwerdegegenständlichen Widerspruchsmarke 008 664 328 um eine bekannte Marke handeln würde. Die Widersprechende macht zwar geltend, dass „[X.]“ bzw. „[X.], der [X.] Kräuter“ in Verbindung mit den Waren „Kräuterliköre“ eine bekannte Marke sei. Allerdings ist daraus kein Widerspruch gegen die angegriffene Marke eingelegt worden. Die von der Widersprechenden angeführte Marke ist unabhängig davon, ob sie aufgrund Eintragung gemäß § 4 Nr. 1 [X.] oder aufgrund Verkehrsgeltung gemäß § 4 Nr. 2 [X.] Schutz genießt, nicht beschwerdegegenständlich.

4. Der gemäß § 42 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 [X.] a. F. statthafte Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ ist gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 4 [X.] i. V. m. § 57 [X.], § 30 Abs. 1 Satz 2 [X.] in der vor dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung unzulässig. Nach letztgenannter Vorschrift sind bei nicht angemeldeten oder eingetragenen Widerspruchskennzeichen zu ihrer Identifizierung u. a. der Zeitrang und der Gegenstand zu nennen. Diese Angaben fehlen jedoch in dem von der Widersprechenden eingereichten amtlichen Widerspruchsformblatt vom 3. Februar 2015. In dem Feld (2) „Angaben zum Widerspruchskennzeichen (§ 30 Markenverordnung)“ sind lediglich „geschäftliche Bezeichnung (§§ 5, 12 [X.])“ und „Unternehmenskennzeichen“ angekreuzt.

Auch dem Auszug aus dem Handelsregister vom 13. Januar 2015, der dem Widerspruchsformblatt beigefügt war, ist weder der Gegenstand, also der Geschäftsbereich, für den das Unternehmenskennzeichen benutzt wird, noch dessen Zeitrang zu entnehmen. Er weist zwar aus, dass die Widersprechende als Personenhandelsgesellschaft mindestens seit dem [X.] besteht. Es bleibt jedoch offen, wann die für die Entstehung des Rechts an einem Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion und damit für die Bestimmung des Zeitrangs gemäß § 6 Abs. 3 [X.] erforderliche Benutzung aufgenommen worden ist (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 6 Rn. 4). Die Eintragung einer Personenhandelsgesellschaft ins Handelsregister kann nicht ohne Weiteres mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebes im Sinne von § 5 Abs. 2 [X.] gleichgesetzt werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob es alsbald nach der Eintragung im Handelsregister zu einer dauernden wirtschaftlichen Betätigung gekommen ist (zu den Voraussetzungen des Entstehens des Schutzes nach § 5 Abs. 2 [X.] vgl.: [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 5 Rn. 50 und 52).

Sowohl der Zeitrang als auch der Geschäftsbetrieb müssen jedoch bekannt sein, um den Schutzumfang der widersprechenden geschäftlichen Bezeichnung bestimmen zu können. Beide Angaben sind zudem innerhalb der Widerspruchsfrist zu machen. Sie können weder nachgereicht noch berichtigt werden (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 42 Rn. 50 ff).

5. Der [X.] konnte ohne einen vorherigen gerichtlichen Hinweis an die Verfahrensbeteiligten entscheiden. Die Entscheidungserheblichkeit der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke war den Verfahrensbeteiligten bekannt. Die Widersprechende hat nach der Zurückweisung des Widerspruchs wegen des Durchgreifens der Einrede der Nichtbenutzung im Beschwerdeverfahren insoweit umfangreich vorgetragen. Der [X.] hat seine Entscheidung damit nur auf solche Gesichtspunkte gestützt, die von den Verfahrensbeteiligten weder übersehen, noch für unerheblich gehalten worden waren (§ 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Er hat zudem die Frage, ob der Vortrag der Widersprechenden bzw. die vorgelegten Mittel der Glaubhaftmachung als ausreichend zu erachten sind, nicht anders beurteilt als beide Verfahrensbeteiligten (§ 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Schriftsatz vom 16. Februar 2021 unter Ziffer 1. zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Widersprechenden nicht ausreiche, um von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke ausgehen zu können. Soweit die Widersprechende im Zusammenhang mit dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ keine Angaben zum Geschäftsgegenstand gemacht hat, war auch dieser Umstand erkennbar entscheidungserheblich, nachdem sich die Markenstelle in der angegriffenen Entscheidung maßgeblich auf diesen Punkt gestützt hatte.

6. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass, so dass es bei der Regelung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] verbleibt. Zwar spricht vieles dafür, dass eine Beschwerde von Beginn an ohne jede Aussicht auf Erfolg ist und ihre Einlegung nicht mehr mit der prozessualen Sorgfalt vereinbar ist, wenn der Widerspruch wegen fehlender Angaben zum Geschäftsbereich und Zeitrang des geltend gemachten [X.] schon als unzulässig zu verwerfen ist. Im vorliegenden Fall lässt sich dem angegriffenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 jedoch nicht eindeutig entnehmen, dass der Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen „[X.]“ bereits unzulässig war. Vielmehr lässt die Begründung der Markenstelle auch den Schluss zu, dass er als unbegründet zurückgewiesen wurde. Das Argument, dass die Widersprechende keine Angaben zum beanspruchten Geschäftsbereich gemacht habe, kann auch im Sinne einer unzureichenden Substantiierung verstanden werden.

7. Der [X.] konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Verfahrensbeteiligten haben keinen Antrag auf Durchführung einer solchen gestellt (§ 69 Nr. 1 [X.]). Auch der [X.] hat sie nicht für sachdienlich erachtet (§ 69 Nr. 3 [X.]).

Meta

25 W (pat) 30/20

27.01.2022

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG, § 43 Abs 2 Nr 1 MarkenG vom 25.10.1994, § 158 Abs 3 MarkenG, § 158 Abs 5 MarkenG, § 125b Nr 1 MarkenG, § 42 Abs 1 MarkenG vom 04.04.2016, § 42 Abs 2 Nr 4 MarkenG vom 04.04.2016, § 43 Abs 1 MarkenG vom 25.10.1994, § 30 Abs 1 S 2 MarkenV, § 5 Abs 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.01.2022, Az. 25 W (pat) 30/20 (REWIS RS 2022, 1676)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1676

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2 Flow (Wort-Bild-Marke)/flow/flowconsultinggmbh (Unternehmenskennzeichen)" – Einrede mangelnder Benutzung - zur Kennzeichnungskraft – teilweise Dienstleistungsidentität – …


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26 W (pat) 543/20

29 W (pat) 41/17

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