Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.12.2010, Az. 3 B 51/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 645

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Gegenstand

Ausschluss von Leistungen nach dem BerRehaG; Spitzeltätigkeit für die Staatssicherheit


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 16. April 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger ist in der [X.] erstmals 1962 und sodann mehrfach zwischen 1971 und 1976 inhaftiert worden. Für die Verurteilungen ab 1971 wurde er jeweils strafrechtlich rehabilitiert. Seinen Antrag auf berufliche Rehabilitierung lehnte der Beklagte unter anderem deshalb ab, weil der Kläger im Zeitraum von 1963 bis 1967 als inoffizieller Mitarbeiter für das [X.] ([X.]) tätig gewesen war. Das Verwaltungsgericht hat dies bestätigt. Der Kläger habe die Identifizierung und Überwachung von Personen mit Fluchtabsichten erleichtert und über staatskritische Tendenzen in seinem Umfeld berichtet. Durch seine freiwillige Spitzeltätigkeit unter Inkaufnahme einer Drittschädigung habe er im Sinne von § 4 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ([X.]) gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen.

2

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.

3

Der Kläger rügt unter verschiedenen Gesichtspunkten, das Verwaltungsgericht sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Es habe verkannt, dass er schon vor seiner Spitzeltätigkeit Opfer des Unterdrückungssystems der [X.] geworden sei, dass er nicht freiwillig mit dem [X.] zusammengearbeitet habe und dass seine Berichte ungeeignet gewesen seien, Personen zu gefährden.

4

1. Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er schon vor seiner Spitzeltätigkeit für das [X.] Opfer des Unterdrückungssystems der [X.] geworden sei, bezeichnet er einen für die Entscheidung nicht erheblichen Umstand. Das hat schon das Verwaltungsgericht ([X.]) zu Recht hervorgehoben. Nach § 4 [X.] werden Leistungen nicht gewährt, wenn der Verfolgte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Eine Spitzeltätigkeit für die [X.] erfüllt diese Voraussetzungen im Regelfall (Beschluss vom 14. April 2010 - BVerwG 3 PKH 16.09 - [X.] 2010, 151 m.w.N.), und zwar unabhängig vom späteren Schicksal, zumal wenn es - wie im Fall des [X.] - mit der Spitzeltätigkeit in keinem erkennbaren Zusammenhang steht.

5

2. Die Beschwerde bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn der Hinweis des [X.] auf die erste Verurteilung 1962 mit zur Begründung der Behauptung dienen sollte, dass seine Tätigkeit für das [X.] nicht auf freiwilliger Basis erfolgt sei. Eine Spitzeltätigkeit unterfällt nur dann ausnahmsweise nicht dem Ausschließungsgrund des § 4 [X.], wenn die Mitarbeit durch einen nahezu unerträglichen Druck erzwungen worden war. Gemeint ist damit eine außergewöhnliche Notlage, wegen der dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des von ihm mitbewirkten Unrechts nicht zugemutet werden konnte, sich dem Ansinnen zu widersetzen (Beschluss vom 14. April 2010 a.a.O. und Urteil vom 8. März 2002 - BVerwG 3 C 23.01 - [X.] 428.8 § 4 [X.] Nr. 1). Für einen solchen Ausnahmefall legt die Beschwerde nichts dar. Was die Inhaftierung im Jahr 1962 angeht, behauptet der Kläger nicht, dass sie für die spätere Spitzeltätigkeit ursächlich war; dafür ist auch nichts ersichtlich. Die im Übrigen zur Begründung in Bezug genommenen Unterlagen sprechen eindeutig dafür, dass sich der Kläger gegenüber dem [X.] verpflichtet hat, weil er sich hieraus Vorteile versprach. Damit lässt sich ausschließen, dass dem Verwaltungsgericht bei seiner Bewertung, der Kläger habe sich freiwillig zur Mitarbeit verpflichtet, ein Verstoß gegen allgemeingültige Würdigungsgrundsätze unterlaufen ist, der vom Revisionsgericht als Verfahrensmangel geprüft werden kann (dazu Beschluss vom 9. November 2009 - BVerwG 3 [X.] - [X.] 2010, 91 m.w.N.).

6

3. Schließlich ist nicht dargetan, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze der Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorliegt, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Berichte des [X.] seien konkret geeignet gewesen, Dritte einer Verfolgung auszusetzen. Die vom Kläger angeführten Umstände ergeben nicht, dass dieser Schluss schlechthin nicht gezogen werden kann. Ausweislich der vom Kläger angeführten Unterlagen ging das [X.] zwar von einer teilweisen nur schleppenden Mitarbeit des [X.] aus, nicht aber von einer durchgängigen Ungeeignetheit der von ihm gelieferten Informationen. Von einer durchweg fehlenden Eignung gehen auch das [X.] und das [X.] in ihren Rehabilitierungsentscheidungen nicht aus. Wenn dort angenommen wird, dass „nachteilige konkrete Maßnahmen gegen dritte Personen, die auf Grund der Tätigkeit des Antragstellers für das [X.] möglich waren, nicht nachweisbar sind“, trifft das nicht den Maßstab des § 4 [X.]. Denn danach ist kein Nachweis erforderlich, dass die Spitzeltätigkeit tatsächlich bestimmte Verfolgungsmaßnahmen gegenüber [X.] zur Folge hatte (vgl. Beschluss vom 23. November 2009 - BVerwG 3 B 32.09 - [X.] 2010, 35).

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

3 B 51/10

08.12.2010

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Chemnitz, 16. April 2010, Az: 3 K 769/09, Urteil

§ 4 BerRehaG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.12.2010, Az. 3 B 51/10 (REWIS RS 2010, 645)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 645

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