Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2014, Az. 2 StR 297/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 570

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
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StR 297/14

vom
9. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.

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Der 2. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung der Beschwerdeführerin
am 9. Dezember
2014
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. April 2014 mit den zugehörigen [X.] aufgehoben,
a) im Ausspruch über die Maßregel und
b)
soweit der Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung ver-sagt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Angeklagten wird als unbegrün-det verworfen.

Gründe:
Die [X.] hat die Angeklagte wegen versuchter Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit ver-suchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken-haus angeordnet. Die dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat den aus dem [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie un-begründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Nach den Feststellungen des [X.] leidet die 1991 geborene Angeklagte an einer dauerhaften und schwerwiegenden emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ
sowie unter dissoziativen Krampf-anfällen. Seit 2007 befand sie sich deshalb wiederholt -
teilweise auch freiwil-lig
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in stationärer psychiatrischer Behandlung.

Im Rahmen dieser Behandlungen stach die Angeklagte im Februar 2013 einen Rettungssanitäter,
der sie gegen ihren Willen in ein anderes Kranken-haus bringen wollte, mit einer Kanüle ins Bein. Im Januar 2014 schlug und trat sie nach Pflegekräften, die ihr eine Fernbedienung gegen ihren Willen abge-nommen hatten, und im Februar 2014 schlug und trat sie nach einer Pflegerin, die sie unter dem Bett hervorholen und fixieren wollte.
Zu den [X.] hat das [X.] festgestellt, dass die Angeklagte während eines freiwilligen Klinikaufenthalts im Mai 2013 versuchte, auf zwei Pflegekräfte einzustechen, von denen sie annahm, sie würden sie am [X.] der Klinik hindern (Fälle 1 und 2). Nach einem Gerangel floh sie und ge-langte in einen Schleusenbereich, dessen Türen sich wegen des zwischenzeit-lich ausgelösten Alarms verschlossen. Auf einen Pfleger, der die Tür zu diesem Bereich öffnete, stürmte die Angeklagte mit dem Messer in der Hand zu und versuchte ihn zu stechen. Weitere Personen, die versuchten, den [X.] zu betreten, bedrohte sie mit dem Messer (Fall 3).
Aufgrund ihrer [X.] Erkrankung war die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten bei allen Taten erheblich eingeschränkt im Sinne des § 21 StGB.
2. Während der Schuld-
und Strafausspruch revisionsrechtlicher Nach-prüfung standhalten, wird die [X.] gemäß § 63 StGB von den bisherigen Feststellungen und Wertungen nicht getragen.
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Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende [X.], die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und daher nur unter sorgfältiger Beachtung der gesetzlichen Voraus-setzungen angeordnet werden darf. Das gilt nicht nur für die Feststellung des die Anordnung rechtfertigenden Zustands (vgl. dazu Senatsbeschluss
vom
12. November 2004 -
2 [X.], [X.], 347, 351 f. m.w.N.), sondern gleichermaßen für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprog-nose. Eine erschöpfende Abwägung der maßgeblichen Umstände und ihre Er-örterung in den Urteilsgründen ist jedenfalls dann erforderlich, wenn unter Be-rücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) ein Grenzfall gegeben ist.
So verhält es sich hier. Dass bei der Angeklagten eine dauerhafte psy-chische Erkrankung vorliegt, reicht für die Anordnung der Unterbringung [X.] wenig aus wie die Wahrscheinlichkeit, dass sie infolge dieser Erkrankung bei Begehung weiterer rechtswidriger Taten wiederum in einen Zustand erheblich
verminderter Steuerungsfähigkeit kommen kann. Bei der Prognose weiterer erheblicher Taten war zu berücksichtigen, dass es sich bei den [X.] ausnahmslos um solche handelte, die sich während der stationären Unterbrin-gung der Angeklagten ereigneten und die sich gegen einen Rettungssanitäter bzw. gegen Pflegepersonal richteten. Auslöser waren jeweils durch diese [X.] veranlasste Beschränkungen der Angeklagten bzw. von der [X.] als solche interpretierte Handlungen. Rechtswidrige Taten oder [X.] Verhalten der Angeklagten außerhalb stationärer Unterbringung hat die [X.] dagegen nicht festgestellt; auch während unbegleiteter [X.] der Angeklagten, die mit dissoziativen Krampfanfällen einhergingen, kam es nicht zu aggressiven Verhaltensweisen. Diesen Umstand aber hätte 6
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das [X.] in seine Würdigung, ob die Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich ist, einbeziehen müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. November 2006 -
2 [X.], [X.], 73, 74; [X.], Beschluss vom 25. April 2012 -
4 [X.], [X.], 271). Allein die allgemeine Erwägung, Frustrationssituationen, die bei der Angeklagten die Gefahr eines [X.] und die Wiederholung von Körperverletzungsdelikten begründeten, kä-men nicht nur in untergebrachtem Zustand auf, genügt vor diesem Hintergrund nicht zur Begründung der [X.] der Angeklagten.
3. Die Versagung der Aussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ist aufzuheben. Die [X.] hat sich bei der nach §
56 Abs. 1 StGB zu treffenden Prognoseentscheidung allein an der für die Unter-bringung nach § 63 StGB erforderlichen negativen Gefahrenprognose orientiert und dabei auch nicht zwischen den Voraussetzungen von § 56 StGB und § 67b StGB differenziert.
[X.] Appl

Eschelbach

Ott Zeng
8

Meta

2 StR 297/14

09.12.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2014, Az. 2 StR 297/14 (REWIS RS 2014, 570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 570

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 Ws 136/18

Zitiert

4 StR 81/12

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