Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 6 PB 22/11

6. Senat | REWIS RS 2012, 8666

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Gegenstand

Besetzung des Gerichts; Mitwirkung eines ehrenamtlichen Richters trotz abgelaufener Amtsperiode


Gründe

1

Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 [X.] hat Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 [X.] zuzulassen. Der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 1 ZPO wird vom Beteiligten geltend gemacht und liegt vor.

2

1. Der [X.] des [X.] war bei Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 21. Juli 2011 nicht vorschriftsmäßig besetzt.

3

a) Nicht vorschriftsmäßig besetzt im Sinne von § 547 Nr. 1 ZPO ist das beschließende Gericht bei einem Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Garantie des gesetzlichen [X.]s (vgl. [X.], Urteile vom 16. Mai 2002 - 8 [X.] - [X.]E 101, 145 <150>, vom 20. Juni 2007 - 10 [X.] Nr. 6 zu § 547 ZPO Rn. 16 und vom 26. September 2007 - 10 [X.] - [X.] Nr. 7 zu § 547 ZPO Rn. 11 sowie Beschlüsse vom 23. März 2010 - 9 [X.] 1030/09 - [X.] Nr. 63 zu Art. 101 GG Rn. 10 und vom 9. Juni 2011 - 2 ABR 35/10 - juris Rn. 16). Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen [X.] entzogen werden. Dies bedeutet, dass in jedem Einzelfall kein anderer als der [X.] tätig werden und entscheiden soll, der in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte dafür vorgesehen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Mai 1978 - 2 BvR 952/75 - [X.]E 48, 246 <254>).

4

b) Die allgemeinen Normen, durch die der gesetzliche [X.] im vorliegenden Fall bestimmt wird, sind § 84 Abs. 2 Satz 4 BPersVG i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1, § 37 Abs. 2 [X.]. Danach werden die ehrenamtlichen [X.] bei den [X.] der Oberverwaltungsgerichte für Bundespersonalvertretungssachen von der zuständigen obersten Landesbehörde für die Dauer von 5 Jahren berufen. Demgemäß ist ein [X.] nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn an der Entscheidung ein ehrenamtlicher [X.] mitwirkt, dessen Amtsperiode abgelaufen ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2002 a.a.[X.] f.). Der in der Rechtsprechung des [X.] anerkannte Grundsatz, dass ein Verfahrensirrtum Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt, greift hier nicht ein. Wirkt an einer gerichtlichen Entscheidung eine Person mit, die nicht [X.] ist, so kann es nicht darauf ankommen, ob das Gericht willkürlich oder nur irrtümlich seine Besetzung für fehlerfrei gehalten hat. Ein Verfahrensirrtum ist hier begrifflich ausgeschlossen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juni 1971 - 2 BvR 114, 127/71 - [X.]E 31, 181 <184>).

5

c) Ob bei der Entscheidung des [X.] ein ehrenamtlicher [X.] mitgewirkt hat, dessen Amtsperiode abgelaufen war, hat das Rechtsbeschwerdegericht zu prüfen. §§ 65, 93 Abs. 2 [X.] stehen nicht entgegen. Danach prüft das Rechtsbeschwerdegericht nicht, ob bei der Berufung der ehrenamtlichen [X.] Verfahrensmängel unterlaufen sind oder Umstände vorgelegen haben, die die Berufung eines ehrenamtlichen [X.]s zu seinem Amt ausschließen. Von diesem [X.] betroffen ist in der ersten Variante nur das Verfahren bis zur Berufung des ehrenamtlichen [X.]s durch die zuständige oberste Landesbehörde. Von der zweiten Variante erfasst sind die Berufungsvoraussetzungen der §§ 21 bis 23 [X.]. Mit der Rechtsbeschwerde kann daher gerügt werden, dass die Amtsperiode des ehrenamtlichen [X.]s abgelaufen war (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2002 a.a.[X.]; [X.], in: [X.], § 65 Rn. 16 und 18; Germelmann, in: [X.][X.]/Prütting/Müller-Glöge, [X.], 7. Aufl. 2009, § 65 Rn. 10 und 12; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl. 2011, § 65 Rn. 29 f.; [X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2011, § 65 Rn. 8; [X.], in: [X.] Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2012, 60 [X.], § 65 Rn. 4).

6

d) [X.] [X.] ist durch das [X.] - im Einklang mit § 20 Abs. 1 Satz 1, § 37 Abs. 2 [X.] - mit Wirkung vom 1. Januar 2006 für die Dauer von 5 Jahren zum ehrenamtlichen [X.] des [X.] für Bundespersonalvertretungssachen beim [X.] berufen worden. Erneut für 5 Jahre berufen worden ist er mit Wirkung vom 10. Oktober 2011. In der [X.] vom 1. Januar bis 9. Oktober 2011 gehörte er demnach dem [X.] nicht an. Infolge seiner Mitwirkung am Beschluss vom 21. Juli 2011 war der [X.] daher nicht vorschriftsmäßig besetzt. Dass der [X.] irrtümlich von seiner ordnungsgemäßen Besetzung ausgegangen und dabei offenbar durch eine unzutreffende fernmündliche Auskunft des Ministeriums vor Sitzungsbeginn bestärkt worden ist, ist unerheblich.

7

2. Entgegen der Anregung des Beteiligten kann der Senat nicht schon im vorliegenden Verfahrensstadium der Nichtzulassungsbeschwerde den angefochtenen Beschluss aufheben und die Sache an das [X.]. Von dieser Möglichkeit kann nur im Falle der entscheidungserheblichen Verletzung rechtlichen Gehörs Gebrauch gemacht werden (§ 72a Abs. 7, § 92a Satz 2 [X.]). Die analoge Anwendung dieser Bestimmungen in den Fällen der absoluten Revisionsgründe nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO scheidet aus (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Dezember 2006 - 10 [X.] 742/06 - Rn. 8 und vom 18. Mai 2010 - 3 ABN 7/10 - Rn. 17).

8

3. Das Beschwerdeverfahren wird nunmehr als Rechtsbeschwerdeverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 6 P 2.12 fortgesetzt. Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist von zwei Monaten (§ 72a Abs. 6, § 74 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 92a Satz 2 [X.]).

Meta

6 PB 22/11

29.02.2012

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PB

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 21. Juli 2011, Az: PB 8 A 753/10, Beschluss

§ 547 Nr 1 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 84 Abs 2 S 4 BPersVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 6 PB 22/11 (REWIS RS 2012, 8666)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8666

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2 ABR 35/10

9 AZN 1030/09

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