Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.08.2016, Az. 5 B 74/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 6186

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Gegenstand

Verwaltungsrechtsweg bei Streit über Vollstreckung sozialhilferechtlicher Rückzahlungspflicht


Gründe

I

1

Die [X.]eteiligten streiten über die [X.] für eine Klage auf Rücknahme einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 [X.] in Verbindung mit Regelungen des [X.] Verwaltungsvollstreckungsgesetzes ergangen ist.

2

Mit [X.]escheid vom 20. Juni 2014 hatte der [X.]eklagte zur Vollstreckung einer rechtskräftig festgesetzten Forderung gegen den Kläger auf Rückzahlung von Leistungen nach dem früheren [X.] in Höhe von 5 602,02 € dessen Ansprüche gegen die [X.] gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 Zehntes [X.]uch Sozialgesetzbuch - [X.] - i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 18. Januar 2001 ([X.] [X.]), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 21. Juli 2016 ([X.] I S. 1768), i.V.m. dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das [X.] - VwVG[X.]bg - vom 16. Mai 2013 (GV[X.]l. I Nr. 18), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (GV[X.]l. [X.]), gepfändet. Auf dessen Antrag bewilligte der [X.]eklagte dem Kläger [X.] bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Tilgung der öffentlich-rechtlichen Forderung durch monatliche Ratenzahlungen in Höhe von 300 €, indem er die Pfändungs- und Einziehungsverfügung bis auf Weiteres rangwahrend aussetzte und die Treuhandkonten freigab. Die weitergehenden Anträge auf Einstellung der Zwangsvollstreckung und Aufhebung der Pfändung sowie auf Freigabe bestimmter geschäftlicher Überweisungen lehnte er ab. Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben und gleichzeitig beantragt, den Prozess an das Sozialgericht abzugeben. Das Verwaltungsgericht hat den Verwaltungsrechtsweg vorab für zulässig erklärt. Die hiergegen erhobene [X.]eschwerde hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und die weitere [X.]eschwerde zugelassen.

II

3

Die weitere [X.]eschwerde gemäß § 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.] ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).

4

1. Die weitere [X.]eschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die [X.]eschwerdeberechtigung des [X.] ist nicht dadurch entfallen, dass dieser, wie der [X.]eklagte vorträgt, die Rückforderung von Sozialhilfeleistungen, die Gegenstand der streitigen Vollstreckungsmaßnahme ist, am 17. Dezember 2015 mit den vereinbarten Ratenzahlungen vollständig beglichen haben sollte. Der Kläger ist durch den [X.]eschluss, mit dem das Oberverwaltungsgericht seine [X.]eschwerde gemäß § 17a Abs. 4 [X.] gegen den [X.]eschluss des [X.] über die Zulässigkeit des [X.] zurückgewiesen hat, beschwert. Eine zunächst zulässige [X.]eschwerde wird zwar dann gegenstandslos, wenn das Hauptsacheverfahren vor dem zuerst angegangenen Gericht durch prozessbeendende Erklärungen, wie z.[X.]. eine Klagerücknahme oder übereinstimmende Erledigungserklärung, wegfällt oder sich die Rechtswegfrage aus anderen Gründen nicht mehr stellt (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, Anhang zu § 41 VwGO Rn. 24; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]ier, VwGO, Stand Februar 2016, § 41 - § 17a [X.] - Rn. 43 m.w.N.). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

5

2. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass für Streitigkeiten über eine Vollstreckungsmaßnahme, die - wie hier - auf § 66 Abs. 3 Satz 1 [X.] und dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das [X.] beruht, der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

6

Der Rechtsstreit über die Pfändung von Forderungen zur Vollstreckung einer sozialhilferechtlichen Rückforderung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 [X.] i.V.m. Regelungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes eines [X.] ist eine den Verwaltungsgerichten zugewiesene öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. [X.]SG, [X.]eschluss vom 25. September 2013 - [X.] SF 1/13 R - [X.] 4-1500 § 51 Nr. 11 Rn. 7 ff.).

7

§ 51 Abs. 1 Nr. 6a des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 23. September 1975 ([X.] I S. 2535), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 ([X.] I S. 203) begründet keine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO zu den Sozialgerichten. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG entscheiden die Sozialgerichte über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten unter anderem in Angelegenheiten der Sozialhilfe. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ([X.]SG, [X.]eschluss vom 25. September 2013 - [X.] SF 1/13 R - [X.] 4-1500 § 51 Nr. 11 Rn. 9 m.w.N.), der sich der Senat angeschlossen hat ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. November 2014 - 5 A 3.13 - juris Rn. 3), ist insofern maßgeblich, ob die von der [X.]eklagten getroffene Entscheidung ihre rechtliche Grundlage in Vorschriften des Zwölften [X.]uchs Sozialgesetzbuch - [X.]II - findet oder in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem [X.]II steht. Dies ist hier nicht der Fall. Wie das [X.] im [X.]eschluss vom 25. September 2013 - [X.] SF 1/13 R - entschieden hat, haben weder § 66 Abs. 3 Satz 1 [X.] noch die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes eines [X.] einen sozialhilferechtlichen [X.]ezug oder stehen damit in einem rechtlichen Zusammenhang. Sie bestimmen vielmehr allein die Modalitäten der Vollstreckung von Forderungen. Dementsprechend ist auch das [X.] bereits in seinem Urteil vom 23. März 1987 - 9 C 10.86 - ([X.]VerwGE 77, 139 <140>), auf das das [X.] [X.]ezug nimmt, davon ausgegangen, dass in einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer Pfändung des Anspruchs auf Kindergeld gemäß Art. I § 54 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - vom 11. Dezember 1975 ([X.] I S. 3015), die auf den [X.]estimmungen des [X.] über die öffentlich-rechtliche Vollstreckung in Geldforderungen beruhte, der Verwaltungsrechtsweg eröffnet war. Die dahinter stehende Regelungsmaterie des zu vollstreckenden Verwaltungsakts ist hierfür unerheblich ([X.]SG, [X.]eschluss vom 25. September 2013 - [X.] SF 1/13 R - [X.] 4-1500 § 51 Nr. 11 Rn. 9 ff.). Für eine Streitigkeit über eine Pfändung von Ansprüchen des [X.] zur Vollstreckung eines Leistungsbescheids gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 [X.] in Verbindung mit den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das [X.] gilt nichts anderes. Aus der Verweisung in § 22 Abs. 1 VwVG[X.]bg auf Regelungen der Abgabenordnung lassen sich entgegen der Ansicht des [X.] keine Gründe dafür ableiten, dass die Entscheidung über [X.] hier der Sozialgerichtsbarkeit obliegt (zur Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Titel vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 1. März 2007 - 5 AV 1.07 - NVwZ 2007, 845).

8

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Kostenentscheidung ist hier nicht gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 [X.] entbehrlich. Denn die Kosten in dem "Verfahren vor dem angegangenen Gericht" sind nur die Kosten des erstinstanzlichen Gerichts. Das [X.]eschwerdegericht hat daher über die Kosten eines [X.]eschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 [X.] selbst eine Kostenentscheidung zu treffen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 23. September 2014 - 8 [X.] 43.14 - juris Rn. 8 m.w.N.).

9

Die [X.] ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO. Danach werden Gerichtskosten unter anderem in Angelegenheiten der Sozialhilfe nicht erhoben. Das gilt auch für das [X.]eschwerdeverfahren über den Rechtsweg in einem Verfahren, das eine Maßnahme zum Gegenstand hat, mit der eine sozialhilferechtliche Rückforderung vollstreckt werden soll. Denn die [X.] erfasst nicht nur das Hauptsacheverfahren, sondern gilt für alle Nebenverfahren einschließlich der Vollstreckungsverfahren (Stelkens/Clausing, in: [X.]/[X.]/[X.]ier, VwGO, Stand Februar 2016, § 188 Rn. 8 m.w.N.) und damit auch für eine dem Verfahren über eine Vollstreckungsmaßnahme vorgeschaltete Rechtswegbeschwerde.

Meta

5 B 74/15

29.08.2016

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 27. Oktober 2015, Az: OVG 6 L 80.15, Beschluss

§ 40 Abs 1 S 1 VwGO, § 152 Abs 1 VwGO, § 66 Abs 3 S 1 SGB 10, § 51 Abs 1 Nr 6a SGG, § 17a Abs 4 S 4 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.08.2016, Az. 5 B 74/15 (REWIS RS 2016, 6186)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6186

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