Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2011, Az. IV ZR 105/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 711

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 105/11

Verkündet am:

7. Dezember 2011

Bott

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja

[X.]R: ja

[X.] §
206 Abs.
1 Satz
1; BGB §
314; [X.] § 110 Abs. 4

1.
§
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] schließt nicht jede außerordentliche Kündigung eines [X.] durch den Versicherer aus.
2.
In diesem Fall wird weder die [X.] mit dem bisherigen Versicherer im Basistarif (§ 12 Abs. 1a [X.]) fortgesetzt, noch steht dem [X.] gegen diesen ein Anspruch auf Abschluss eines derartigen [X.]es zu.
3.
Im Bereich der Pflegepflichtversicherung ist jede außerordentliche Kündigung des Versicherers ausgeschlossen (§ 110 Abs. 4 [X.])

[X.], Urteil vom 7. Dezember 2011 -
IV ZR 105/11 -
[X.]

LG Frankfurt/Oder

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin Dr. Kessal-Wulf, [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Karczewski
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2011

für Recht erkannt:

Unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel des [X.] werden das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 5.
Mai 2011 teilweise aufgehoben und das Urteil der 12.
Zivilkammer des [X.]
(Oder)
vom 27.
August 2010 teilweise geändert.

Es wird festgestellt, dass die Pflegeversicherung nach Tarif [X.] zu Versicherungsnummer

zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch [X.] Kündigung der [X.] vom 29.
Mai 2009
beendet wurde. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 96% und die Beklagte 4%.

Von Rechts wegen

-
3
-

Tatbestand:

Der Kläger, der als selbständiger Unternehmer einen "[X.]" mit Containerservice, Entrümpelung, Abrissarbeiten etc. betreibt, unterhielt bei der
[X.] seit 2004 eine Krankheitskosten-, Kranken-tagegeld-
und Pflegeversicherung. Nach einer Herzoperation war der
Kläger
arbeitsunfähig und erhielt Krankentagegeld. Anlässlich eines [X.] durch den für die Beklagte tätigen Zeugen B.

am 14.
Mai 2009 kam es zu einem Vorfall, den die Beklagte zum Anlass nahm, mit [X.] vom 29.
Mai 2009 den [X.], Kranken-tagegeld-
und Pflegepflichtversicherung fristlos zu kündigen. Die [X.] stützte die Kündigung darauf, dass der Kläger ihren
Außendienstmit-arbeiter tätlich mit einem Bolzenschneider angegriffen und bedroht habe. Sie lehnte es ausdrücklich ab, den Kläger zumindest im Basistarif weiter zu versichern.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme hat das Landgericht
die Klage
abgewiesen, mit der der Kläger beantragt hatte
festzustellen, dass die Krankheitskosten-, die Krankentagegeld-
und die Pflegeversicherung zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündi-gung zum 29.
Mai 2009 beendet worden ist, hilfsweise der [X.] aufzugeben, mit ihm eine [X.] im Basistarif zu schließen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] ist nach wie-derholter Beweisaufnahme erfolglos
geblieben. Mit seiner Revision bean-tragt der Kläger festzustellen, dass die Krankheitskosten-
und die Pfle-geversicherung zwischen den Parteien fortbestehen und nicht durch die fristlose Kündigung der [X.] vom 29.
Mai 2009
beendet worden
sind, hilfsweise festzustellen, dass die [X.] zum Basistarif und die Pflegeversicherung fortbestehen und nicht durch 1
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-
4
-

die fristlose Kündigung der [X.] vom 29.
Mai 2009
beendet worden
sind, weiter hilfsweise der
[X.] aufzugeben, mit dem Kläger eine [X.] zum Basistarif abzuschließen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat nur zu einem geringen Teil
Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1429 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dem
Recht der [X.], die [X.] wirksam aus wichtigem Grund gemäß §
314 Abs.
1 BGB zu kündigen, stehe auch hinsichtlich der Krankheitskostenversiche-rung nicht das [X.] des §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] entge-gen. Die
Vorschrift sei teleologisch auf die Fälle der Kündigung wegen [X.] zu reduzieren. Soweit vom Wortlaut auch andere schwerwiegende Vertragsverletzungen des Versicherungsnehmers um-fasst seien, liege ein planwidriger [X.] vor. Die Erstre-ckung des §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] auf alle denkbaren Kündigungsgrün-de stehe im Wi[X.]pruch zu dem das Privatrecht dominierenden Gebot von Treu und Glauben sowie dem in §
314 Abs.
1 BGB enthaltenen Grundsatz der Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus
wichtigem Grund. Namentlich bei strafbarem Verhalten des Versicherungsnehmers müsse eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich sein. Ein hinrei-chender Schutz des Versicherungsnehmers werde dadurch erreicht, dass er gegenüber einem anderen Versicherer Anspruch auf Versicherung im Basistarif habe. Hier sei ein wichtiger Grund zur Kündigung vorhanden gewesen, da der Kläger einen Mitarbeiter des Versicherers tätlich ange-griffen habe, als dieser ihn während des Bezuges von Krankentagegeld 3
4
-
5
-

im Gespräch mit Kunden auf dem von ihm betriebenen Recyclinghof an-getroffen habe.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung im Wesentlichen stand.

1. Die Revision ist unbeschränkt zugelassen. Soweit das [X.] ausgeführt hat, die Revision werde zugelassen, da die [X.], ob §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] jede Kündigung einer Krankheitskosten-versicherung ausschließe, von grundsätzlicher Bedeutung sei, folgt [X.] keine Beschränkung der Zulassung auf die Krankheitskostenversi-cherung als abtrennbarer Teil des Streitgegenstandes unter Ausschluss der Zulassung der Revision wegen der Kündigung der [X.]. Das Berufungsgericht hat eine Differenzierung zwischen diesen beiden Versicherungen nicht vorgenommen, weil es die unterschiedli-chen Regelungen des § 206 Abs.
1 Satz
1 [X.] für die [X.] und des §
110 Abs.
4 [X.] für die [X.] nicht erkannt hat. Eine Absicht des Berufungsgerichts zur Be-schränkung der Zulassung der Revision auf die Kündigungsmöglichkeit einer [X.] bestand mithin nicht.

2. Der Hauptantrag des [X.] auf Feststellung, dass die [X.] nach Tarif NK
4 zwischen den Parteien [X.] und nicht durch die fristlose Kündigung der [X.] vom 29.
Mai 2009
beendet wurde, ist nicht begründet. Das Recht der [X.] zur fristlosen Kündigung des [X.] ge-mäß §
314 Abs.
1 BGB ist nicht durch §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] aus[X.].

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6
-

a) Grundsätzlich steht den Parteien eines Versicherungsvertrages ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach §
314 Abs.
1 Satz
1 BGB zu (Senatsurteile vom 20.
Mai 2009
IV ZR 274/06, [X.], 1063 Rn.
15; vom 18.
Juli 2007
IV ZR 129/06, [X.], 1260 unter [X.]). Allerdings bestimmt der zum 1.
Januar 2009 durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts
vom 23.
November 2007 (BGBl.
I S.
2631) neu gefasste §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.], dass jede Kün-digung einer [X.], die
eine Pflicht nach §
193 Abs.
3 Satz
1 [X.] erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen ist. Der Anwendungsbereich der Regelung erstreckt sich auf die überwiegende Mehrzahl der bestehenden privaten [X.]sver-träge, da nach §
193 Abs.
3 Satz
3 [X.] alle vor dem 1.
April 2007
wie hier

abgeschlossenen [X.] unter die Definition der Pflichtversicherung fallen (HK-[X.]/[X.], 2.
Aufl. §
206 Rn.
2; [X.], [X.] 2.
Aufl. Rn.
126). §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] findet über Art.
1 Abs.
1 EG[X.] auf den Versiche-rungsvertrag Anwendung, da die Beklagte die Kündigung erst im [X.] erklärt hat.

b) Ob ein Versicherer trotz des Wortlauts von §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] jedenfalls dann ein Recht zur
außerordentlichen Kündigung des Vertrages nach §
314 Abs.
1 BGB hat, wenn er
sich nicht auf einen Prä-mienverzug
des Versicherungsnehmers, sondern andere schwere [X.]sverletzungen

etwa [X.]

stützt, wird unter-schiedlich beurteilt.

aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] eine abschließende Regelung für den Bereich der [X.] enthalte und jede Art von Kündigung verbiete, 8
9
10
-
7
-

unabhängig davon, ob es sich um eine ordentliche oder
um eine außer-ordentliche handele ([X.], 396; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28.
Aufl. §
206 Rn.
7; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 2.
Aufl. §
206 Rn.
6; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 4. Aufl.
nach § 2 MB/KK Rn. 82
f.; [X.], r+s 2011, 300, 301
f.; [X.]/[X.], [X.], 580, 583
f.; HK-[X.]/[X.], §
206 Rn.
3; [X.].
jurisPR-VersR 10/2010 Anm.
1; [X.], NJW 2007, 3745, 3749). Dies wird mit dem einschränkungslosen Wortlaut des §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] sowie der systematischen Stellung zu Satz
2 ("darüber hin-s-tung eines durchgängigen Krankenversicherungsschutzes
für jeden Bür-ger gegangen, was durch Ausnahmen vom [X.] nicht [X.] werden dürfe. Ein hinreichender Schutz des Versicherers für den Fall des [X.] werde durch das Ruhen des Vertrages nach §
193 Abs.
6 [X.] erreicht. Außerdem sei der Versicherer berech-tigt, unter den Voraussetzungen der §§
19
ff., 22 [X.] vom Vertrag zu-rückzutreten bzw. diesen anzufechten. Soweit es demgegenüber um die spätere Kündigung gehe, sei §
206 [X.] als [X.] zu §§
19 Abs.
4, 194 Abs.
1 Satz
3 [X.] anzusehen. Schließlich seien gemäß §
110 Abs.
4 [X.] in der privaten Pflegepflichtversicherung Rücktritts-
und Kündigungsrechte des Versicherers ausgeschlossen, solange der Kontrahierungszwang bestehe.

[X.]) Demgegenüber geht eine andere Ansicht davon aus, dass §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] nicht schlechthin jede außerordentliche Kündi-gung wegen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung nach §
314 Abs.
1 Satz
1 BGB untersage, soweit es nicht um Fälle des [X.] gehe, für die §
193 Abs.
6 [X.] eine Sonderregelung enthalte. In-soweit sei eine teleologische Reduktion der Vorschrift vorzunehmen 11
-
8
-

(OLG Celle [X.], 738; [X.] ZfS 2011, 396; [X.], Urteil vom 23.
November 2011
5 [X.]/11; [X.], [X.] 2.
Aufl. Rn.
127
ff.; MünchKomm-[X.]/[X.], §
206 Rn.
47
ff.; [X.]. in [X.]/[X.], §
14 MB/KK Rn. 8; [X.]/[X.], [X.] und [X.], 2.
Aufl.
S.
183
f.; Wandt, VersR
5.
Aufl. Rn.
484, 1366; [X.], [X.] §
206 [X.] Rn.
90
ff.; [X.], 431, 436; [X.] der privaten Krankenversicherung ([X.]) durch die Ge-sundheitsreform S.
30-33; [X.] [X.], 1337, 1344
f.; verfas-sungsrechtliche Bedenken äußernd [X.] in Looschel[X.]/[X.], [X.]
2.
Aufl.
§
206 Rn.
3).

cc) Schließlich werden differenzierende Positionen vertreten. So geht [X.] davon aus, §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass eine außerordentliche Kündigung zulässig sei, soweit sie sich auf einen qualitativ oder quantitativ über den Basistarif hinausreichenden Versicherungsschutz beziehe ([X.], 886, 887). Ähnlich nehmen [X.]/[X.] an, eine Kündigung des Versicherers sei zwar generell ausgeschlossen, er könne jedoch in entsprechender An-wendung von §
193 Abs.
6 Satz
9 [X.] die Fortsetzung des [X.] verlangen ([X.], 593, 604).

c) Die zweitgenannte Ansicht trifft zu. §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass er ausnahmslos lediglich eine au-ßerordentliche Kündigung wegen Prämienverzugs verbietet, während ei-ne Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des §
314 BGB möglich ist.

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9
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aa) Ausgangspunkt für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetz-gebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt ([X.], Urteil vom 30.
Juni 1966
[X.], [X.]Z 46, 74, 76). Dem Ziel, den im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, dienen die nebeneinander zulässigen, sich gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wort-laut der Norm, ihrem Sinnzusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmaterialien und der Entstehungsgeschichte.

Hiervon ausgehend ist der Wortlaut der Vorschrift eindeutig (so auch [X.] aaO). Er schließt schlechthin "jede" Kündigung einer [X.], die eine Pflicht nach §
193 Abs.
3 Satz
1 [X.] erfüllt, durch den Versicherer aus. Eine Differenzierung zwischen [X.] und außerordentlicher Kündigung erfolgt nicht. Der Umstand, dass die Regelung auch außerordentliche Kündigungen erfasst, ergibt sich zudem aus einem Vergleich zu §
206 Abs.
1 Satz
2 [X.], in der wei-tere Einschränkungen der ordentlichen Kündigung geregelt sind ("dar-In der Vorgängervorschrift des §
178i Abs.
1 Satz
1 [X.] a.F.
war
lediglich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich ferner, dass durch den [X.] das Ziel erreicht werden soll, den Versicherungsschutz dau-erhaft aufrecht zu
erhalten und einen Versicherungsschutz für alle in [X.] lebenden Personen zu bezahlbaren Konditionen herzustel-len (BT-Drucks.
16/4247, S.
66, 68).

[X.]) Dieser eindeutige Wortlaut verbietet es allerdings nicht, die Norm teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie unmittelbar lediglich die außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzugs ausschließt, wäh-14
15
16
-
10
-

rend in anderen Fällen schwerer Vertragsverletzung im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung nach §
314 Abs.
1 BGB in Betracht kommen kann (für
eine derartige teleologische Reduktion etwa [X.] aaO; MünchKomm-[X.]/[X.] aaO
Rn.
52; [X.]. in [X.]/[X.], §
14 MB/KK Rn. 8; [X.] aaO 1344
f.). Eine teleologische Reduktion setzt eine ver-deckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit
des Gesetzes voraus ([X.], Urteile vom 26.
November 2008
VIII ZR 200/05, [X.]Z 179, 27 Rn.
22; vom 13.
November 2001
[X.]/00, [X.]Z 149, 165, 174; [X.]/[X.], Allgemeine Rechtslehre
3. Aufl. S.
621). Ob eine derartige Lücke
besteht, ist vom Standpunkt
des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden [X.] zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen [X.], unvollständig sein. Diesem methodischen Ansatz steht der Wortlaut der Norm nicht entgegen, da es Sinn und Zweck der teleologischen Reduktion ist, eine zu weit gefasste Norm auf ihren sachgerechten Inhalt zu reduzieren ([X.], [X.], je aaO).

cc) Für eine teleologische Reduktion spricht zunächst die [X.]. So heißt es im Gesetzentwurf zu der Neu-fassung des §
178i [X.] a.F., welche dann endgültig in Gestalt von §
206 [X.] in das Gesetz einging (BT-Drucks. 16/4247 S.
68):

"Durch diese Regelung soll der Versicherungsschutz dauerhaft aufrechterhalten werden. Bisher verlieren [X.] häufig ihre Altersrückstellungen dadurch, dass der Versicherer ihnen kündigt, weil sie mit der Zahlung einer [X.] in Verzug sind. Dieses ist nunmehr ausgeschlossen. Der Versicherer wird durch diese Rege-lung nur gering belastet, da der Leistungsanspruch des
Versicherten nach §
178a Abs.
8 weitgehend ruht und während des [X.] Säumniszuschlä-ge geltend gemacht werden können."
17
-
11
-

Dem Gesetzgeber ging es also in erster Linie darum, den [X.] vor den Folgen des Verlustes des [X.] durch eine Kündigung wegen Verzugs mit der Prämienzahlung zu schützen und ihm seine Altersrückstellungen zu erhalten. Demgegenüber ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte
nicht, dass dem [X.] ein außerordentliches Kündigungsrecht versagt werden sollte, sofern es um andere schwerwiegende Vertragsverletzungen außerhalb des Prämienverzugs geht, insbesondere um Fälle der Leistungserschlei-chung oder sonstiger gegenüber dem Versicherer bzw. seinen [X.] Straftaten. So war schon zum bisherigen Recht anerkannt, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht kommen kann (vgl. Senatsurteile vom 20.
Mai 2009 aaO
Rn.
17; vom 18.
Juli 2007 aaO; [X.] [X.], 58; [X.] r+s 2005, 428).

[X.]) Ein vollständiger Ausschluss des Kündigungsrechts hätte demgegenüber zur Folge, dass der Versicherer selbst in Fällen schwers-ter Vertragsverletzungen an den Versicherungsnehmer gebunden bliebe. Der Versicherer wäre gezwungen, das Vertragsverhältnis mit einem Ver-sicherungsnehmer fortzusetzen, der bereits in der Vergangenheit [X.] hat, durch betrügerische Handlungen Leistungen zu erschleichen, oder

wie hier

einen Mitarbeiter des Versicherers tätlich angreift, nach-dem dieser bei einem Besuch vor Ort festgestellt hat, dass der [X.] trotz des Bezuges von Krankentagegeld seiner gewerbli-chen Tätigkeit nachging. Ein derart vollständiger Ausschluss des Kündi-gungsrechts auch bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen verstieße gegen den in §
314 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grund-satz des Zivilrechts, dass Dauerschuldverhältnisse bei Vorliegen eines 18
19
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-

wichtigen Grundes gekündigt werden können ([X.], Urteil vom 26. Mai 1986
[X.], NJW 1986, 3134 unter [X.] 2 a; [X.] aaO 1343).

ee) Auch der Gesetzgeber selbst will den Versicherer in den von ihm allein berücksichtigten Fällen des Prämienverzugs, für die er eine außerordentliche Kündigung ausdrücklich ausgeschlossen hat, [X.] rechtlos stellen. So bestimmt §
193 Abs.
6 [X.], dass bei einem qualifizierten Prämienrückstand das Ruhen der Versicherung eintritt. Während dieser [X.] haftet der Versicherer ausschließlich für Aufwendungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und von Schmerz-zuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Weitere Leis-tungen hat er nicht zu erbringen. Ferner stehen ihm Säumniszuschläge gegen den Versicherungsnehmer zu. Sind die Rückstände nicht inner-halb eines Jahres ausgeglichen, so wird die Versicherung nur noch im Basistarif fortgesetzt. Wenn aber der Versicherer schon für die Fälle des Prämienverzugs, der häufig auf der schlechten wirtschaftlichen oder per-sönlichen Situation des Versicherungsnehmers beruhen kann, nur noch in eingeschränktem Umfang Leistungen erbringen muss, so muss dem Versicherer erst recht ein Kündigungsrecht zustehen, wenn der [X.] wesentlich schwerwiegendere Vertragsverletzungen wie etwa [X.] oder sonstige Straftaten begeht ([X.] aaO 1345).

ff) Das Gesetz schließt ohnehin nicht jede Möglichkeit des [X.] aus, sich von einem [X.]svertrag auch dann zu lösen, wenn mit diesem eine Pflicht nach §
193 Abs.
3 Satz
1 [X.] erfüllt wird. So finden wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeige-pflichten weiterhin die §§
19
ff., 22 [X.] Anwendung. Sie erfahren ledig-lich gemäß §
194 Abs.
1 Satz
3 [X.] eine Modifikation dahin, dass §
19 20
21
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13
-

Abs.
4 [X.] auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertre-ten hat. Dem Versicherer bleibt daher auch im Bereich der Pflichtversi-cherung nach §
193 Abs.
3 [X.] das Recht zum Rücktritt vom Vertrag bzw. der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Verletzung der Anzeigepflicht anlässlich des Vertragsschlusses erhalten.

Zudem bestimmt §
193 Abs.
5 Satz
4 [X.], dass der Versicherer den Antrag auf Abschluss einer Versicherung im Basistarif ablehnen kann, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arg-listiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag we-gen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Versicherungsneh-mer, der bei Vertragsschluss seine Anzeigepflicht verletzt hat, den Versi-cherungsschutz nachträglich durch Rücktritt oder Anfechtung seitens des Versicherers wieder verlieren kann, im Falle einer sonstigen schweren Vertragsverletzung wie etwa der Leistungserschleichung oder tätlicher Angriff auf einen Mitarbeiter des Versicherers aber einen Anspruch auf unveränderten Fortbestand des Vertrages haben soll (so auch [X.] aaO). Zwar handelt es sich in diesen Fällen erst um eine nachträgliche Störung des zunächst einwandfrei zustande gekommenen Vertragsver-hältnisses, während sich Rücktritt und Anfechtung auf eine Anzeige-pflichtverletzung vor Vertragsschluss beziehen. Inhaltlich vermag dies eine unterschiedliche Behandlung aber nicht zu rechtfertigen. Auch beim Rücktritt oder der Anfechtung ist der Vertrag
zunächst "ins Werk gesetzt" worden und wird erst nachträglich nach Aufdeckung der Anzeigepflicht-verletzung rückwirkend wieder beseitigt. Warum es dem Versicherer dann nicht möglich sein soll, bei häufig noch wesentlich gravierenderen 22
-
14
-

Vertragsverletzungen den Vertrag nicht zumindest mit Wirkung für die Zukunft aus wichtigem Grund kündigen zu können, leuchtet nicht
ein.

gg) Den Interessen des Versicherungsnehmers wird dadurch
Rechnung getragen, dass er seinen Versicherungsschutz nicht [X.] verliert. Vielmehr hat er weiterhin Anspruch darauf, gemäß §
193 Abs.
5 [X.] bei jedem in [X.] zum Geschäftsbetrieb zugelasse-nen Versicherungsunternehmen im Basistarif nach §
12 Abs.
1a [X.] versichert zu werden.

[X.]) Auch die Gefahr eines Verlustes von Altersrückstellungen rechtfertigt nicht den vollständigen Ausschluss eines außerordentlichen Kündigungsrechts. Zwar hat der Gesetzgeber den Ausschluss des [X.] ausdrücklich damit begründet, dass bisher viele [X.] ihre Altersrückstellungen dadurch verlieren, dass der Versicherer ihnen kündigt, weil sie mit der Zahlung einer [X.] in Verzug sind
(BT-Drucks. 16/4247 S. 68). Der Fall eines [X.], der auf Seiten des Versicherungsnehmers die unterschiedlichsten wirtschaftli-chen und persönlichen Gründe haben kann, ist aber mit Fällen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen nicht zu vergleichen. Wer etwa durch [X.] in betrügerischer Weise versucht, Leistungen des Versicherers zu erhalten, auf die er keinen Anspruch hat, oder einen Außendienstmitarbeiter des Versicherers im Rahmen einer Leistungs-überprüfung tätlich angreift, muss die Folgen seines Handelns, die [X.] auch im Verlust des Versicherungsschutzes einschließlich der Altersrückstellungen liegen können, selbst tragen.

[X.]) Schließlich steht der Zulassung einer außerordentlichen Kündi-gung auch nicht die Rechtsprechung des [X.]s 23
24
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15
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entgegen,
das die entsprechenden Regelungen für verfassungsgemäß erachtet hat (so auch [X.], [X.] Rn. 91 ff.; [X.] aaO 1344). Es hat mit Urteil vom 10.
Juni 2009 entschieden, dass die Einführung des Basistarifs durch die [X.] in der privaten Krankenversicherung verfassungsmäßig war ([X.] 123, 186) und
dazu
ausgeführt, dass das absolute [X.] des §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] Grundrechte der Versicherer nicht unverhält-nismäßig beeinträchtige (aaO 249
f.). Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, in dem weitaus häufigsten Fall der Vertragsverletzung, näm-lich dem Prämienverzug, den mit einer Kündigung des [X.] verbundenen Verlust der Altersrückstellung zu verhindern. Da es sich bei der Krankenversicherung um ein nicht personifiziertes Massen-geschäft handele, sei es nicht sachwidrig und
unzumutbar, dass der Ge-setzgeber auf eine Kündigungsregelung wegen anderer Vertragsverlet-zungen, die nur relativ selten vorkämen, verzichtet habe. Ergänzend hat das [X.] mit Beschluss vom 10.
Juni 2009 ent-schieden, dass diese Grundsätze auch auf kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit Anwendung fänden ([X.] 124, 25,
42
f.). Soweit es um andere Fälle von Vertragsverletzungen außerhalb des [X.] gehe, sei eine Verletzung des Grundrechts aus Art.
9 Abs.
1 GG zwar nicht
immer auszuschließen. Insoweit seien die [X.] aber gehalten, zunächst gegebenenfalls Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen.

Diese Entscheidungen befassen sich mithin nur mit der [X.] insgesamt, betreffen aber nicht die Frage der Auslegung einfach gesetzlicher Rechtsvorschriften, stehen also einer einschränkenden Auslegung der Norm für die Fälle sonstiger schwerer Vertragsverletzungen nicht entgegen ([X.] aaO; [X.], aaO).
26
-
16
-

d) Der Kläger stellt mit seiner Revision nicht mehr in Abrede, dass die Beklagte wegen seines Verhaltens in Form des tätlichen Angriffs auf deren Mitarbeiter sachlich berechtigt war, den [X.] aus
wichtigem Grund gemäß §
314 Abs.
1 [X.] zu
kündigen.

3.
Erfolg hat die Revision mit ihrem Antrag festzustellen, dass die Pflegeversicherung zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigung der [X.] vom 29.
Mai 2009
beendet wurde.
Das Berufungsgericht hat übersehen, dass insoweit nicht §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] Anwendung findet, der sich lediglich auf die [X.] bezieht. Einschlägig sind vielmehr die Regelungen für die private Pflegeversicherung in §
110 [X.], dessen Absatz
4
be-stimmt:

"Rücktritts-
und Kündigungsrechte der Versicherungsun-ternehmen sind ausgeschlossen, solange der Kontrahie-rungszwang besteht."

Durch diese Regelung sollen grundsätzlich auch außerordentliche Kündigungsrechte des Versicherers ausgeschlossen werden, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drucks.
12/5952 S.
49):

"Der neu eingeführte Absatz
4 schränkt die Kündigungs-
und Rücktrittsrechte der Versicherungsunternehmen ein. So ist z.B. kein Kündigungsrecht gegeben in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer
mit seiner Versiche-rungsprämie in Verzug ist. Der Versicherungsschutz soll auch bei Vertragsverletzungen aufrecht erhalten bleiben, damit soll die private [X.] auch in dieser Hinsicht einen der [X.] Pflegeversicherung gleichwertigen Schutz gewährleisten. Es soll dem Versi-27
28
29
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17
-

cherungspflichtigen nicht ermöglicht werden, durch ver-tragswidriges Verhalten seine Versicherungspflicht zu unterlaufen. [X.] der Versiche-rungsunternehmen für den Zeitraum, in dem der [X.] keine Prämien entrichtet, bleiben

Hieraus wird im sozialversicherungsrechtlichen Schrifttum [X.], dass durch §
110 Abs. 4 [X.] auch die außerordentliche Kündigung des Versicherers ausgeschlossen ist ([X.] in [X.] Kommentar, Sozialversicherungsrecht §
110 Rn.
24
ff.
(Stand: Juli 2011); [X.], [X.] 3.
Aufl. §
110 Rn.
16; HK-[X.]/[X.], 3.
Aufl. §
110 Rn.
27).

Bei §
110 Abs.
4 [X.] kommt an[X.] als bei §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] keine teleologische Reduktion dahingehend in Betracht, dass
eine außerordentliche Kündigung bei nicht auf Prämienverzug beruhenden schwerwiegenden Vertragsverletzungen des Versicherungsnehmers
möglich ist. So schränkt zunächst das Gesetz selbst die Möglichkeit des Versicherers, sich vom Vertrag zu lösen, in weitergehendem Umfang ein als bei der [X.]. §
110 Abs.
4 [X.] unter-sagt auch Rücktrittsrechte des Versicherers wegen unzutreffender Anga-ben des Versicherungsnehmers
bei Vertragsschluss (vgl. [X.] aaO). Dem entspricht es, dass nach §
110 Abs.
1 Nr.
2 Buchst.
a und Abs.
3 Nr.
2 [X.] Unternehmen nicht berechtigt sind, Personen wegen Vor-erkrankungen vom Pflegepflichtversicherungsvertrag auszuschließen. Im Bereich der Pflegepflichtversicherung besteht also ein noch weiterge-hender Kontrahierungszwang als bei der [X.], bei der jedenfalls ein Rücktritt vom Vertrag wegen Verletzung der vorver-traglichen Anzeigepflicht möglich ist, wie sich dies etwa aus §
193 Abs.
5 Satz
4 und §
194 Abs.
1 Satz
3 [X.] ergibt.
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31
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18
-

Hinzu kommt, dass im Falle der Möglichkeit einer außerordentli-chen Kündigung der Pflegepflichtversicherung ein Versicherungsschutz vollständig entfiele und der Versicherungsnehmer auf Sozialhilfeleistun-gen angewiesen wäre. An[X.] als im Bereich der Krankheitskostenversi-cherung fehlt das "Auffangnetz" eines Basistarifs. Vielmehr ist die Pfle-gepflichtversicherung selbst bereits von ihrer Struktur her mit dem [X.] in der [X.] zu vergleichen. Es handelt sich
bei der Pflegepflichtversicherung und der [X.] im Basistarif um Versicherungsverträge, bei denen Inhalt und Umfang der Leistungen nur noch eingeschränkt
dem Grundsatz der [X.] unterliegen, sondern vielfach durch gesetzgeberische Vorgaben überlagert sind. So muss etwa der Basistarif in der Krankheitskostenver-sicherung in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem dritten Ka-pitel des SGB V entsprechen (§
12 Abs.
1a Satz
1, Abs.
1d [X.]). Ferner darf der Beitrag für den Basistarif den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht überschreiten, wozu sich detaillierte Rege-lungen in §
12 Abs.
1c [X.] finden. Im Bereich der Pflegepflichtver-sicherung kommt dieser Gedanke der Gleichbehandlung
und eines soli-darischen Ausgleichs zusätzlich noch in der Regelung über den Risiko-ausgleich in §
111 [X.] zum Ausdruck. Hiernach müssen Versiche-rungsunternehmen, die eine private Pflegeversicherung betreiben, ein Ausgleichssystem schaffen und erhalten, durch das ein dauerhafter Aus-gleich der unterschiedlichen Belastungen gewährleistet werden soll. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist es den Versicherungsunterneh-men nicht möglich, für die Versicherungsnehmer einen risikogerechten Beitrag zu kalkulieren (BT-Drucks. 12/5952 S.
49). So könnten einzelne Unternehmen mit einer Häufung von so genannten "schlechten Risiken" benachteiligt werden. Daher sei ein Ausgleich zwischen allen Pflegever-32
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19
-

sicherungsunternehmen unerlässlich. So hat der Gesetzgeber sogar eine gemeinsame Kalkulation der Beiträge vorgeschrieben, auch wenn dies nicht mit einer Einheitsprämie verbunden werden soll (aaO S.
50).

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass im Bereich der [X.] die Vertragsfreiheit noch stärkeren Einschränkungen [X.] als im Bereich der [X.] und eine weitge-hende Verteilung
der Risiken auf die [X.] stattfindet. Hiermit wäre es unvereinbar, wenn einem Versicherungsnehmer auch bei schwe-ren Vertragsverletzungen aus wichtigem Grund gekündigt werden könnte und er entgegen der in §
23 Abs.
1 [X.] vorgesehenen Versiche-rungspflicht keine Möglichkeit mehr hätte, bei einem anderen Versicherer einen entsprechenden Vertrag abzuschließen.

4.
a) Für die beantragte Aussetzung des
Verfahrens gemäß Art.
100 Abs.
1 GG und eine Vorlage an das [X.] besteht keine Veranlassung, da es sich lediglich um eine einfachgesetz-liche Normauslegung handelt und Anhaltspunkte für eine Verfassungs-widrigkeit der Regelung nicht ersichtlich sind.

b)
Unbegründet sind demgegenüber die weiteren
Hilfsanträge, mit denen der Kläger die Feststellung begehrt, dass die [X.] (§ 12 Abs. 1a [X.]) fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigung der [X.] vom 29.
Mai 2009
beendet wurde, sowie weiter hilfsweise der [X.] aufzugeben, mit dem Klä-ger einen [X.]svertrag zum Basistarif (§
12 Abs.
1a [X.]) abzuschließen.

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20
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aa) Die Beklagte war berechtigt, gemäß §
314 Abs.
1 BGB den ge-samten [X.]svertrag mit dem Kläger zu kündi-gen. Eine Beschränkung des Kündigungsrechts dahingehend, dass die-ses sich nur auf den Teil der [X.] bezieht, der über den Basistarif hinausgeht, kommt nicht in Betracht.

Nach §
12 Abs.
1a [X.] haben Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche die substitutive Krankenversicherung betreiben, einen branchenweiten einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleis-tung in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem dritten Kapitel des [X.], auf die ein Anspruch [X.], jeweils vergleichbar sind. Gem. §
193 Abs.
5 Satz
1 [X.] sind die privaten Versicherer verpflichtet, dem dort im Einzelnen genannten [X.] eine Versicherung im Basistarif zu gewähren. Hieraus wird im Schrifttum teilweise geschlossen, der Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts nach §
206 Abs.
1 Satz
1 [X.] beschränke sich auf den Basistarif. Die Regelung sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass eine außerordentliche Kündigung zulässig ist, soweit sie sich auf einen qualitativ oder quantitativ über den Basistarif hinausreichenden Versi-cherungsschutz bezieht ([X.], [X.], 886, 887; jedenfalls im Ergebnis ähnlich [X.]/[X.], [X.], 593, 604, die davon ausgehen, eine Kündigung des Versicherers sei zwar generell aus[X.], er könne jedoch in entsprechender Anwendung von §
193 Abs.
6 Satz
9 [X.] die Versicherung des [X.] verlan-gen).

Gegen eine
solche Lösung spricht jedoch, dass eine außerordent-liche Kündigung durch den Versicherer gemäß §
314 Abs.
1 [X.] nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, bei denen das Vertrauens-36
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-
21
-

verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer nac[X.]altig und
auf Dauer gestört ist, wie etwa bei betrügerischer Leistungserschlei-chung oder
wie hier

tätlichen Angriffen des Versicherungsnehmers auf einen Mitarbeiter des Versicherers. In einem solchen Fall ist es dem Versicherer nicht zuzumuten, die Kündigung von vornherein nur auf den Vertragsteil zu erstrecken, der über den Basistarif hinausgeht. Ein aus-reichender Schutz des Versicherungsnehmers wird dadurch erreicht, dass diesem gemäß §
193 Abs.
5 [X.] ein Anspruch auf Versicherung zum Basistarif bei einem anderen Versicherer zusteht (hierzu nachfol-gend unter [X.]).

Gegen eine Beschränkung des Kündigungsrechts sprechen auch praktische Erwägungen.
Zum einen ist fraglich, ob der Versicherer in diesem Fall ausdrücklich seine außerordentliche Kündigung auf den Teil des Versicherungsvertrages beschränken muss, der über den Basistarif hinausgeht. Wäre dies der Fall, müsste dies in der Kündigung im [X.] aufgeführt und jeweils die Tarife genannt werden, auf die sich die Kündigung bezieht,
und diejenigen, die weiter im Basistarif bestehen bleiben. Das trüge
zur Übersichtlichkeit und Verständlichkeit nicht bei, sondern böte die Gefahr, dass eine
im Übrigen berechtigte Kündigung aus formalen Gründen unwirksam wäre. Zum anderen spricht gegen eine automatische Fortsetzung des [X.], dass dies [X.] immer dem Wunsch des gekündigten Versicherungsnehmers entspricht. Das liegt auf Seiten von Versicherungsnehmern, denen [X.] oder sonstige schwerwiegende Vertragsverletzun-gen nachgewiesen werden, nicht fern. Hier wird es Fälle geben, in denen der Versicherungsnehmer eher daran interessiert ist, den [X.] bei einem anderen Versicherer abzuschließen.

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22
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[X.]) Unbegründet ist auch der zweite Hilfsantrag, mit dem der Klä-ger der [X.] aufgeben will, mit ihm einen Krankheitskostenversi-cherungsvertrag zum Basistarif abzuschließen. Grundsätzlich ist gemäß §
193 Abs.
5 Satz
1 [X.] jeder Versicherer verpflichtet, dem dort im [X.] aufgeführten Personenkreis Versicherungen im Basistarif nach §
12 Abs.
1a [X.] zu gewähren. Nach §
193 Abs.
5 Satz 4
[X.]
darf der Antrag nur abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorver-traglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Ein derartiger Fall eines Rücktritts nach §
19
ff. [X.] oder einer Anfechtung nach §
22 [X.] i.V.m. §
123 BGB liegt hier nicht vor.

Unterschiedlich beurteilt wird, ob §
193 Abs.
5 Satz
4 [X.] ent-sprechend auf den Fall anzuwenden ist, bei dem der Versicherer den Vertrag berechtigt aus wichtigem Grund gemäß §
314 Abs.
1 BGB ge-kündigt hat. Eine Ansicht plädiert für eine analoge Anwendung von §
193 Abs.
5 Satz
4 [X.] ([X.] in [X.]/[X.], [X.] 4.
Aufl. §
193 [X.] Rn.
13; [X.] in Looschel[X.]/[X.], §
193 Rn.
19; MünchKomm-[X.]/[X.], §
193 Rn.
26). Andere lehnen eine ent-sprechende Anwendung von §
193 Abs.
5 Satz
4 [X.] auf den Fall der fristlosen Kündigung ab ([X.] in [X.]/[X.], §
193 Rn.
30; [X.], [X.], 886, 887
f.).

Die erstgenannte Ansicht trifft zu. §
193 Abs.
5 Satz
4 [X.] ist ent-sprechend auf den Fall anzuwenden,
in dem der Versicherer ausnahms-weise berechtigt ist, den [X.]svertrag gemäß §
314 Abs.
1 BGB aus wichtigem Grund zu kündigen. In einem solchen 40
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-

Fall hat der Versicherungsnehmer auch keinen Anspruch darauf, dass [X.]elbe Versicherer mit ihm erneut einen Vertrag zum Basistarif ab-schließt. Vielmehr besteht ein solcher Anspruch nur gegenüber einem anderen Versicherer. Hierfür spricht, dass es einem Versicherer, der ausnahmsweise berechtigt ist, einen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, nicht zuzumuten ist, mit dem Versicherungsnehmer ein [X.], und sei es auch nur im Basistarif, fortzusetzen. Von der Schwere der Pflichtverletzung sind
die zur außerordentlichen Kündigung führenden Gründe auch mit den ausdrücklich in §
193
Abs.
5 Satz
4 [X.] genannten Fällen der Anzeigepflichtverletzung bzw. der arglistigen [X.] zu vergleichen. Auch das Argument, es sei nicht einzusehen, wa-rum es einem anderen Versicherer eher zuzumuten sein soll, einen [X.] mit einem betrügerischen oder in sonstiger Weise vertragsbrüchigen Versicherungsnehmer zu schließen als dem bisherigen Versicherer, [X.] nicht zu überzeugen. Die maßgebliche Vertragsverletzung hat sich gerade bei dem bisherigen Versicherer und nicht in der Sphäre des [X.] ereignet. Mit dieser Begründung hat auch das [X.] es als verfassungsgemäß angese-hen, dass der Kontrahierungszwang im Basistarif auch solche [X.] trifft, die Antragsteller aufnehmen müssen, deren Vertrag bei einem anderen Versicherer infolge Anfechtung wegen Drohung oder arglistiger Täuschung bzw. Rücktritts wegen vorsätzlicher Verletzung einer vorver-traglichen Anzeigepflicht erloschen ist ([X.] 123, 186,
245
f.). Es steht auch nicht fest, dass der bei dem bisherigen Versicherer entstan-dene
Vertrauensverlust auch bei einem neuen Versicherer eintreten
-
24
-

muss, wenn der Versicherungsnehmer dort das Versicherungsverhältnis beanstandungsfrei führt. Im Übrigen stünde dann auch einem anderen Versicherer erneut das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu.

Dr. [X.][X.] [X.]

[X.] Dr.
Karczewski
Vorinstanzen:
[X.] (Oder), Entscheidung vom 27.08.2010 -
12 O 209/10 -

[X.], Entscheidung vom 05.05.2011 -
12 [X.] -

Meta

IV ZR 105/11

07.12.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2011, Az. IV ZR 105/11 (REWIS RS 2011, 711)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 711

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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20 U 216/21 (Oberlandesgericht Hamm)


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Referenzen
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20 U 216/21

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IV ZR 105/11

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