Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. B 8 SO 15/11 R

8. Senat | REWIS RS 2012, 3004

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Übernahme der Kosten für den Einbau eines Personenaufzugs - Einkommens- und Vermögenseinsatz - keine Anwendbarkeit des § 92 Abs 2 S 1 Nr 3 und S 2 SGB 12)


Leitsatz

Der Einbau eines Personenaufzugs in das Wohnhaus für ein behindertes und noch nicht eingeschultes Kind ist keine (privilegierte) Eingliederungshilfe, bei der der Sozialhilfeträger die Leistung ohne Berücksichtigung von Vermögen und Einkommen zu erbringen hat.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 20. April 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] ist die Erstattung der Kosten für den Einbau eines Aufzugs im [X.] des [X.] im Jahre 2007.

2

Der 2002 geborene Kläger lebt mit seinen Eltern im 1. und 2. Obergeschoss des elterlichen [X.]auses; er ist erheblich behindert und leidet unter anderem an einer Teilparese beider unterer Extremitäten. [X.]ei ihm sind seit seiner Geburt ein Grad der [X.]ehinderung von 100 sowie die [X.], aG, [X.] und [X.] anerkannt. Im Februar 2005 beantragten die Eltern des [X.] für diesen die Übernahme der Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls zur Verbindung vom Erdgeschoss in das 1. Obergeschoss des [X.]auses. Die Kosten hierfür beliefen sich nach Angaben des [X.] des [X.] im Gerichtsverfahren auf insgesamt 37 959 Euro (einschließlich Eigenleistungen). Von der Abteilung Wohnungswesen des [X.]eklagten hat der Vater des [X.] für den Fahrstuhleinbau 15 000 Euro als Darlehen ("Reduzierung von [X.]arrieren im Wohnungsbestand") erhalten, und die Pflegekasse hat dem Kläger einen Zuschuss in [X.]öhe von 2557 Euro bewilligt.

3

Der [X.]eklagte lehnte die Gewährung von Eingliederungshilfe ab, weil die Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern der Kostenübernahme entgegenstehe ([X.]escheid vom 5.10.2006; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Klage und [X.]erufung hiergegen sind erfolglos geblieben (Urteil des [X.] <[X.]> vom 23.11.2009; Urteil des [X.] <[X.]> vom 20.4.2011). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, die Aufbringung der Mittel für den Einbau des Aufzugs sei den Eltern zumindest aus dem Vermögen zuzumuten, weil das Vermögen des [X.] die Kosten für den Einbau des [X.] überstiegen habe. Der Vater des [X.] sei Eigentümer eines [X.]auernhofs, in dem die Familie wohne, und weiterer Grundstücksflächen; im Verwaltungsverfahren habe er zudem angegeben, über Vermögen von mehr als 37 726 Euro zu verfügen. § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] Sozialgesetzbuch Zwölftes [X.]uch - Sozialhilfe - ([X.][X.] XII), wonach bei der [X.]ilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme in der [X.] ermöglichen solle, Vermögen unberücksichtigt bleibe, finde keine Anwendung; die in § 55 Abs 2 Nr 5 Sozialgesetzbuch Neuntes [X.]uch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - ([X.][X.] IX) aufgeführte [X.]ilfe ua zum Umbau einer Wohnung werde von der Norm nicht erfasst. Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung verlangten eine Förderungsmaßnahme mit unmittelbarer Investition in den behinderten Menschen selbst.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.][X.] XII, der seines Erachtens auch auf allgemeine Maßnahmen der Teilhabe am Leben in der [X.] nach § 55 Abs 2 Nr 5 [X.][X.] IX ([X.]ilfen bei der [X.]eschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung), die den besonderen [X.]edürfnissen des behinderten Menschen entsprechen, anzuwenden sei.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] und des [X.] sowie den [X.]escheid vom 5.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben und den [X.]eklagten zu verurteilen, die Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls zu erstatten.

6

Der [X.]eklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die angefochtene Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Es fehlen [X.] ausreichende tatsächliche Feststellungen des [X.] zu der Einkommens- und Vermögenssit[X.]tion und zu den [X.]osten der Umbaumaßnahme.

9

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere war nicht die Pflegekasse notwendig beizuladen. Nach § 75 Abs 2 Satz 1 1. Alt [X.] (echte notwendige Beiladung) sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine notwendige Beiladung der Pflegekasse unter diesem Gesichtspunkt käme überhaupt nur im Hinblick auf § 14 [X.] in Betracht, wenn sie, nicht der [X.], der eigentlich zuständige Rehabilitationsträger wäre und der [X.] den bei ihm gestellten Antrag nicht rechtzeitig weitergeleitet hätte (siehe dazu nur grundlegend [X.], 283 ff = [X.] 4-3250 § 14 [X.]) oder sie selbst der erstangegangene Leistungsträger wäre (vgl [X.] [X.] 4-3500 § 54 [X.] Rd[X.]0 ff). Allerdings ist die Pflegekasse kein Rehabilitationsträger iS des § 6 Abs 1 [X.]; deshalb wäre sie auch nicht nach § 14 [X.] für die Eingliederungshilfe mangels Weiterleitung eines zuerst bei ihr gestellten Antrags an den Sozialhilfeträger 14 Abs 6, 1 und 2 [X.]) zuständig geworden. Ihrer eigenen Leistungspflicht gemäß § 40 Abs 4 Satz 3 [X.] - ([X.]) ist die Pflegekasse jedenfalls nachgekommen. Eine notwendige Beiladung der zuständigen [X.]rankenkasse als Rehabilitationsträger (iVm § 14 [X.]) scheidet schon deshalb aus, weil der Aufzug als fester Einbau in das Wohngebäude kein Hilfsmittel iS des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche [X.]rankenversicherung - ([X.]) ist (vgl: [X.] [X.] 3-2500 § 33 [X.]; [X.] [X.] 3-3300 § 40 [X.]) und andere Leistungen der [X.]rankenkasse nicht in Betracht kommen. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob es sich bei einem Hilfsmittel überhaupt um eine Leistung der Teilhabe im Rahmen des § 14 [X.] handelt (vgl dazu das Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 9/10 R - Rd[X.]5). Über die Erforderlichkeit einer unechten notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 Satz 1 2. Alt [X.]) wäre ohnedies mangels Rüge (siehe zu dieser Voraussetzung nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 75 Rd[X.]3b mwN) im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des [X.]n vom 5.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]), soweit darin der Antrag auf Übernahme der [X.]osten für den Einbau eines Fahrstuhls abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich der [X.]läger mit einer auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 [X.]) gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 3, § 56 [X.]).

Der [X.] war und ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe für die Leistungserbringung sachlich und örtlich zuständig (§ 97 Abs 1 und 2, § 98 Abs 1, § 3 Abs 2 [X.]I iVm § 1 Landesausführungsgesetz zum [X.]I für das Land [X.] vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt 816 - und § 2 Abs 1 [X.] 2 Ausführungsverordnung zum [X.]I des Landes [X.] - GVBl 816). Zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels dessen Berücksichtigung durch das [X.] befugt.

Der [X.]läger hat einen Anspruch auf [X.]ostenübernahme für den Einbau eines Fahrstuhls in das elterliche Haus als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 19 Abs 3 iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 [X.]I (alle idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.]) iVm § 55 Abs 2 [X.] 5 [X.] allenfalls unter Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens, weil es sich nicht um eine privilegierte Maßnahme nach § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I (ebenfalls idF des [X.]) handelt. Dieser mögliche Anspruch ist gemäß § 10 Abs 3 [X.]I ein originärer Geldleistungsanspruch (vgl zu dieser Problematik das Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 9/10 R - Rd[X.] 20), sodass § 15 Abs 1 Satz 4 [X.] (Erstattung bei selbstbeschaffter Sachleistung) nicht anwendbar ist. Auf eine zusätzliche Eilbedürftigkeit bei Bedarfsdeckung auf eigene Rechnung kommt es nicht an ([X.], aaO, Rd[X.] 21).

Der [X.]läger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 [X.]I. Danach werden Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der [X.] teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor, weil der [X.]läger bereits durch die Teilparese beider unterer Extremitäten in seiner körperlichen Funktion derart beeinträchtigt ist (§ 53 Abs 1 Satz 1 [X.]I iVm § 1 [X.] Verordnung nach § 60 [X.]I <[X.]> idF, die diese durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat), dass er sich nicht ohne fremde Hilfe bewegen kann (s insoweit zum Erfordernis einer wertenden Betrachtung das Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 30/10 R - Rd[X.]9).

Der Einbau eines Fahrstuhls zählt als Hilfe beim Umbau bzw der Ausstattung der Wohnung zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.]I, der mit der [X.] § 53 Abs 1 Satz 1 [X.]I konkretisiert, iVm § 55 Abs 2 [X.] 5 [X.]. Mit dem Einbau eines Fahrstuhls in das elterliche Wohnhaus kann auch ein Ziel der Eingliederungshilfe erreicht werden, nämlich den [X.]läger in die [X.] einzugliedern, ihm insbesondere die Teilhabe am Leben in der [X.] erst zu ermöglichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 2 [X.]I). Ob die Leistungen notwendig iS des § 4 Abs 1 [X.] sind, ist demgegenüber anhand der tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht beurteilbar. Nach dieser Vorschrift ist im Einzelfall jede geeignete Eingliederungsmaßnahme darauf zu untersuchen, ob sie unentbehrlich zum Erreichen der Leistungsziele ist (vgl nur [X.] in juris Praxiskommentar [X.], § 4 Rd[X.]7 mwN). Es kann nicht abschließend entschieden werden, ob nicht bereits verfügbare Möglichkeiten der Selbsthilfe (Umzug der Familie in das Erdgeschoss) oder kostengünstigere Lösungen (etwa Treppenlifter) hätten gewählt werden können. Darauf käme es jedoch nicht an, wenn die Leistungsgewährung bereits an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des [X.] und/oder seiner Eltern scheitern würde.

Zu Recht hat nämlich der [X.] die Übernahme von [X.]osten für den [X.] von der Einkommens- und Vermögenssit[X.]tion abhängig gemacht, ohne dass der Senat jedoch abschließend beurteilen kann, ob diese tatsächlich einem [X.]ostenerstattungsanspruch entgegenstehen; auch die tatsächlich angefallenen [X.]osten sind nicht festgestellt. Nach § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I, der unabhängig von den Voraussetzungen des Abs 1 anzuwenden ist (Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 30/10 R - Rd[X.] 28), ist den in § 19 Abs 3 [X.]I genannten Personen - hier dem [X.]läger selbst und den Eltern - bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der [X.] ermöglichen soll, die Aufbringung der Mittel durch Einkommen nur für die [X.]osten des Lebensunterhalts zuzumuten, und Leistungen sind gänzlich ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen (zu Letzterem § 92 Abs 2 Satz 2 [X.]I).

Für die Auslegung sind Historie und Entstehungsgeschichte der Norm allerdings unergiebig, weil sich der Gesetzgeber in den einzelnen Gesetzesbegründungen nur allgemein mit der notwendigen Gleichstellung behinderter und nicht behinderter [X.]inder befasst hat, ohne den [X.]atalog der Privilegierungstatbestände selbst näher zu erläutern bzw zu begründen (vgl: zur Einführung des § 43 Abs 2 [X.] <[X.]> BT-Drucks V/4429, [X.] zu [X.]5a unter Verweis auf Abschnitt [X.], [X.]; zu Änderungen des § 43 Abs 2 [X.] BT-Drucks 7/308, [X.] zu [X.]7, und 14/5800, [X.]4 zu Art 15 [X.] 9 <§ 43> Buchst b; zur Einführung des [X.]I BT-Drucks 15/1514, [X.] zu § 87 des Entwurfs). Demgegenüber erlaubt der Wortlaut durchaus, wenn auch nicht ausschlaggebende, Rückschlüsse für die Auslegung des § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I. Es fällt immerhin auf, das diese Norm bis auf die Bezeichnung der betroffenen Personengruppe (im [X.]I: behinderte noch nicht eingeschulte Menschen; im [X.]: behinderte Menschen) und die im [X.] enthaltene nähere Umschreibung der Hilfen ("Erwerb praktischer [X.]enntnisse und Fähigkeiten") § 55 Abs 2 [X.] 3 [X.] vergleichbar formuliert ist. Ob damit eine völlige Identität verbunden ist (so [X.] in jurisP[X.]-[X.]I, § 92 [X.]I Rd[X.] 29), kann offen bleiben. Jedenfalls verdeutlicht § 55 Abs 2 [X.] 5 [X.], dass Umbaumaßnahmen, selbst wenn sie - so der Vortrag des [X.] - erst die Teilnahme am Leben in der [X.] an sich ermöglichen, nicht unter die ansonsten aufgeführten Hilfemaßnahmen des § 55 [X.] fallen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie erst den Besuch einer anderen Fördermaßnahme ermöglichen.

Nichts anderes kann für § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I gelten (so auch: [X.] in jurisP[X.]-[X.] § 55 Rd[X.] 42; [X.] in Handkommentar zum [X.], 3. Aufl 2010, § 55 Rd[X.] 43a; [X.] in Grube/[X.], 4. Aufl 2012, § 92 [X.]I Rd[X.] 21; [X.] in [X.]/[X.], [X.]I, [X.] § 92 Rd[X.]4, Stand Dezember 2004). Für dieses Ergebnis ist es ohne Bedeutung, ob der Gesetzgeber mit dem Terminus der "Teilnahme" in § 55 Abs 2 [X.] 3 [X.] und § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I ein unreflektiertes Synonym zu dem der "Teilhabe" gewählt hat oder ob es sich um reflektierte unterschiedliche Termini handelt.

Dass die vorliegende Umbaumaßnahme nicht von § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I erfasst wird, deckt sich mit der Binnensystematik des § 92 Abs 2 Satz 1 [X.]I, der - mit Ausnahme der zu beurteilenden [X.] 3 - ausdrücklich eine spezifische Fördermaßnahme voraussetzt, die über das Ermöglichen der reinen Teilhabe am Leben in der [X.] hinausgeht (in [X.] heilpädagogische Maßnahmen für noch nicht eingeschulte [X.]inder; in [X.] 2 Hilfen zur angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung; in [X.] 4 Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf oder zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit; in [X.] 5 iVm § 26 [X.] Leistungen zur medizinischen Rehabilitation; in [X.] iVm § 33 [X.] Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben; in [X.] 7 Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen bzw nach § 56 [X.]I vergleichbaren Beschäftigungsstätten; in [X.] 8 sonstige Hilfen zum Erwerb praktischer [X.]enntnisse und Fähigkeiten - wie etwa in [X.] nach § 136 Abs 4 [X.]). [X.] ist gemeinsam, dass sie einen spezifischen Förderbedarf und eine entsprechende Förderung voraussetzen, zu dem die [X.] und einkommensprivilegierte Hilfe einen (objektiv) finalen Bezug dergestalt aufweisen muss, dass der Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung nicht allein oder vorrangig bei der allgemeinen Teilhabe am Leben in der [X.], sondern zumindest gleichwertig bei den von ihnen verfolgten beruflichen, schulischen, ausbildungsbezogenen und medizinischen Zielen liegt.

Demgemäß hat das [X.] ([X.]) bereits zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 [X.], auf den § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]I expressis verbis verweist, entschieden, dass der Förderrahmen des § 33 Abs 3 [X.] und 6 iVm Abs 8 [X.] [X.] (Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behindertengerechten Wohnung in angemessenem Umfang) auf die durch die Berufsausübung beschränkte Bedarfslage begrenzt ist, sodass Umbaumaßnahmen, die sich nur mittelbar auf die Berufsausübung auswirken, zur persönlichen Lebensführung zählen und nicht im Rahmen der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderfähig sind (vgl [X.], 283 ff Rd[X.]4 = [X.] 4-3250 § 14 [X.]); Umbaumaßnahmen für die von [X.] betroffene Personengruppe mögen damit zwar generell nach §§ 53, 54 [X.]I im Rahmen der Teilhabe am Leben in der [X.] förderfähig sein, sind jedoch nicht einkommens- und vermögensprivilegiert. Hinzu kommt, dass die [X.]n 4, 7 und 8 des § 92 Abs 2 Satz 1 [X.]I voraussetzen, dass Leistungen in bestimmten Einrichtungen erbracht werden, und in [X.] 5 der Norm für die medizinische Rehabilitation wegen der in § 54 Abs 1 Satz 2 [X.]I angeordneten "[X.]oppelung" an den Leistungskatalog des [X.] Umbaumaßnahmen ausscheiden (siehe dazu oben). Auch für die von diesen gesetzlichen Regelungen betroffenen Personengruppen sind mithin Umbaumaßnahmen nur als nicht einkommens- und vermögensprivilegierte Eingliederungshilfe denkbar.

Vor diesem Hintergrund wäre es aus Gleichheitsgründen (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ) nicht zu rechtfertigen, dies in den Fällen der [X.]n 1 bis 3 anders zu sehen. Insbesondere kann [X.] 3 nicht als allgemeine Auffangnorm für alle denkbaren gesellschaftsbezogenen Bedarfe zugunsten nicht eingeschulter behinderter Menschen verstanden werden; [X.] hätte dann keine eigenständige Bedeutung mehr. Zusammenfassend verlangt mithin § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I aus systematischen und teleologischen Gründen eine einschränkende Auslegung dahin, dass die Regelung spezifische, an der Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen voraussetzt, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssen. Dies macht nicht zuletzt die Formulierung "noch nicht eingeschulte Menschen" deutlich. Es sollen also Personen erfasst werden, die (noch) nicht unter [X.] 2 fallen, denen aber Maßnahmen angeboten werden können, die ihrem Bildungsstand entsprechen (vgl BT-Drucks 14/5800 [X.]4 zu Art 15 [X.] 9 <§ 43> Buchst b). Darüber hinaus muss der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen liegen.

Auch das [X.] ([X.]) hat - diesem Gedanken Rechnung tragend - die Übernahme von [X.] für ein behindertes [X.]ind zur Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung (nur deshalb) als Leistung der Eingliederungshilfe gewertet, die unabhängig vom elterlichen Einkommen und Vermögenseinsatz zu gewähren ist, weil die geförderte Leistung unmittelbar mit einer konkreten (Bildungs-)Maßnahme bzw dem Schulbesuch verknüpft war und allein dieser spezifischen Fördermaßnahme diente ([X.] [X.] 436.0 § 39 [X.] [X.] 8; vgl auch [X.]E 25, 28 ff zum ärztlich angeordneten Transport eines Behinderten in eine Anstalt zur stationären Behandlung). Diese enge Verknüpfung mit einer spezifischen anderen Maßnahme weist der Fahrstuhl im Elternhaus des [X.] gerade nicht auf; er erfüllt Funktionen der Teilhabe an der [X.] auch ohne solche an der Person des [X.] ansetzende Förderung, und zwar - bei der erforderlichen wertenden Betrachtung - überwiegend. Selbst wenn der [X.]läger eine Maßnahme besuchen würde, verbliebe es doch objektiv bei der basalen Funktion des Aufzugs, überhaupt die Wohnung verlassen zu können, um am über das (enge) Familienleben hinausgehenden [X.]sleben durch den [X.]ontakt mit anderen teilnehmen zu können.

Der Rechtsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe läuft bei der gewonnenen Auslegung nicht ins Leere, denn die Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 92 Abs 2 Satz 1 [X.] 3 [X.]I auf spezifische Förderungsmaßnahmen erfolgt ausschließlich auf [X.] des zumutbaren Einkommens- und Vermögenseinsatzes. Die Norm zieht damit eine Trennlinie zwischen dem Verantwortungsbereich des Staates und dem der von § 19 Abs 3 [X.]I erfassten Person. Umbaumaßnahmen der vorliegenden Art werden mithin nicht generell dem Anwendungsbereich der §§ 53, 54 [X.]I entzogen, sondern es wird lediglich normativ definiert, bei welchen spezifischen Fördermaßnahmen ein erhöhtes gesellschaftliches Allgemeininteresse und damit eine Gesamtverantwortung der [X.] anzunehmen ist, die eine finanzielle Entlastung der Familie rechtfertigt.

Ist mithin Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen, so fehlen Feststellungen des [X.] dazu für eine abschließende Entscheidung. Selbst wenn man dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts noch entnehmen könnte, dass der [X.]läger selbst weder Einkommen noch Vermögen hat, enthält das angefochtene Urteil zur Sit[X.]tion der Mutter keine und zu der des [X.] nur unzureichende Angaben. Einkommen des [X.] als abhängig Beschäftigten wird "für das [X.] mit 38 203,08 Euro" und "für das [X.] voraussichtlich mit 42 069,35 Euro" angegeben. Für "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von etwa 20 000 Euro jährlich" wird lediglich auf einen Aktenvermerk verwiesen und dabei nicht einmal mitgeteilt, welches Jahr betroffen ist. Abzustellen ist jedoch auf die Einkommenssit[X.]tion zum Zeitpunkt der Entstehung der einzelnen [X.]osten (Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 9/10 R - Rd[X.]9 mwN). Dazu fehlen indes Feststellungen des [X.]; nach den im Gerichtsverfahren vorgelegten Rechnungen war dies erst nach dem [X.] und nach Ablehnung der Leistung durch den [X.]n der Fall. Es dürfte zwar wahrscheinlich sein, dass die Einkommensgrenze der §§ 85, 86 [X.]I überschritten war und deshalb nicht § 88 [X.]I (Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze), sondern § 87 [X.]I (Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze) zur Anwendung kommt; eine genaue Beurteilung des danach zugrunde zu legenden [X.]riteriums des angemessenen Umfangs der Berücksichtigung ist jedoch nicht möglich.

Nichts anderes gilt im Ergebnis für zu berücksichtigendes Vermögen des [X.], der bislang eine genaue Auskunft darüber verweigert hat. In diesem Punkt hat das [X.] weder eine Beweislastentscheidung - zu Ungunsten des [X.], weil die Bedürftigkeit zu den Anspruchsvoraussetzungen zählt - getroffen, noch sein Urteil auf fehlende prozess[X.]le Mitwirkung gestützt; vielmehr hat es formuliert, der Vater sei Eigentümer eines Bauernhofes, in dem die Familie wohne, nebst Grundstücksflächen. Außerdem habe er im Verwaltungsverfahren - also wohl vor Entstehung der [X.]osten - angegeben, Vermögen in Höhe von mehr als 37 726 Euro zu besitzen. Abgesehen davon, dass es sich damit nicht um eine tatsächliche Feststellung zum wirklichen Wert und den vorhandenen Gegenständen des Vermögens zum Zeitpunkt des [X.] handelt, ist in keiner Weise nachvollziehbar, ob bzw inwieweit es sich um [X.] und verwertbares Vermögen handelt, sodass nicht einmal überschlägig angenommen werden kann, dass das einzusetzende Vermögen mit Sicherheit den Bedarf des [X.] überstieg.

Einem denkbaren - wenn auch wenig wahrscheinlichen - [X.]ostenerstattungsanspruch würde nicht entgegenstehen, dass oder wenn die Eltern (bzw der Vater) des [X.] die angefallenen [X.]osten bereits getragen haben. Sozialhilfeleistungen setzen zwar vom Grundgedanken her einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten muss (vgl nur das Senatsurteil vom [X.] - [X.] [X.] 30/10 R - Rd[X.] 26 mwN). Ob der [X.]läger im Falle des [X.]lageerfolgs seinen Eltern (bzw seinem Vater) die Auslagen erstatten müsste, ist bei vorliegender [X.]onstellation ohne Bedeutung ([X.], aaO, Rd[X.] 27); eine Rückerstattung ist bei realitätsnaher Sichtweise ohnedies unüblich und kann bei Selbsthilfe im Rahmen von Einsatzgemeinschaften des § 19 Abs 1, 2 oder 3 [X.]I auch nicht zur Voraussetzung gemacht werden; ansonsten würde die normative Wertung konterkariert ([X.] aaO). Allenfalls wäre an eine als Einkommen zu berücksichtigende Zuwendung aus unterhaltsrechtlicher Sicht zu denken, was aber im Hinblick auf den Umfang der [X.]osten kaum von der Unterhaltspflicht erfasst sein dürfte. Die Annahme einer Zuwendung aus sittlicher Pflicht verbietet sich aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes; aus dem gleichen Grund ist eine besondere Härte iS des § 84 Abs 2 [X.]I (keine Berücksichtigung von Zuwendungen Dritter ohne rechtliche bzw sittliche Pflicht) zu bejahen.

Entweder als Einkommen oder als Vermögen (zur Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen siehe nur [X.] in jurisP[X.]-[X.]I, § 82 [X.]I Rd[X.] 20 ff mwN) des [X.] (wenn bei [X.] noch vorhanden) ist jedoch der von der Pflegekasse gezahlte Zuschuss zu berücksichtigen. Dies gilt nicht in gleicher Weise für das dem Vater gewährte (Bau-)Darlehen in Höhe von 15 000 Euro; dessen Berücksichtigung als Einkommen würde jedenfalls ausscheiden, weil diese Einnahme nicht zur endgültigen Verwendung verbleibt (vgl nur [X.], Urteil vom 6.10.2011 - B 14 A[X.]/11 R -, [X.] 4-4200 § 11 [X.] 52 Rd[X.]7 mwN). Eine abschließende Entscheidung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt untunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]), weil nicht absehbar ist, ob es auf die Beurteilung dieser Rechtsfragen überhaupt ankommen wird.

Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 15/11 R

20.09.2012

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Münster, 23. November 2009, Az: S 8 (16) SO 20/07, Urteil

§ 53 Abs 1 S 1 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 SGB 12, § 55 Abs 2 Nr 5 SGB 9, § 19 Abs 3 SGB 12, § 92 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 12, § 92 Abs 2 S 2 SGB 12, § 55 Abs 2 Nr 3 SGB 9, § 92 Abs 2 S 1 Nr 6 SGB 12, § 33 Abs 3 Nr 1 SGB 9, § 33 Abs 3 Nr 6 SGB 9, § 33 Abs 8 Nr 6 SGB 9, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. B 8 SO 15/11 R (REWIS RS 2012, 3004)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3004

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