Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2020, Az. VI ZB 92/19

6. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 803

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Gegenstand

Inhaltliche Anforderungen an die Berufungsbegründung


Leitsatz

Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsbegründung (hier: Abweisung einer Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 25. Oktober 2019 wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt bis 30.000 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen eines von ihm im August 2015 erworbenen Kraftfahrzeugs der Marke [X.] geltend, das mit einem Motor der [X.] ausgerüstet war.

2

Das [X.] hat die auf Schadensersatz in Höhe von 28.200 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs und Feststellung des Annahmeverzugs, hilfsweise Schadensersatz in Höhe von mindestens 6.000 €, und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren gerichtete Klage abgewiesen. Nach vorheriger Prüfung quasivertraglicher Ansprüche hat es unter anderem ausgeführt, es bestünden auch keine deliktischen Schadensersatzansprüche nach §§ 826, 31 BGB. Nach den dafür geltenden Maßstäben könne bereits aufgrund des Vortrags des [X.] nicht von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger mit Schädigung seines Vermögens ausgegangen werden. Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 5. September 2019 begründet. Die Berufungsbegründung lautet neben den Anträgen im vollen Wortlaut:

"Das erstinstanzliche Urteil ist rechts- und Tatsachen fehlerhaft und wird in vollem Umfang zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt.

Das Urteil weicht von der Rechtsprechung anderer Kammern am [X.] Kassel, welche Nicht-Rollen der Parteien in ihr Gegenteil verkehren und die hiesige Beklagte in gleich gelagerten Fällen verurteilen, ab.

Neuer Vortrag muss von hier aus nicht in der Berufungsinstanz gehalten werden, alles, was zu einer antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten vorzutragen war, wurde von hier aus vorgetragen, hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen."

3

Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass eine Entscheidung nach § 522 Abs. 1 ZPO beabsichtigt sei, hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 unter anderem mitgeteilt, dass hinsichtlich des zweiten Absatzes der Berufungsbegründung ein Sekretariatsfehler dahingehend klargestellt werde, dass der Satz lauten solle:

"Das Urteil weicht von der Rechtsprechung anderer Kammern am [X.] Kassel, welche nicht die Rollen der Parteien in ihr Gegenteil verkehren und die hiesige Beklagte in gleich gelagerten Fällen verurteilen, ab."

4

Mit Beschluss vom 25. Oktober 2019 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Begründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des [X.] nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. [X.], NJW 2003, 281, juris Rn. 9 mwN).

6

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des [X.] vom 5. September 2019 entspreche inhaltlich nicht den Anforderungen an eine Berufungsbegründung, ist nicht zu beanstanden.

7

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 11. Februar 2020 - [X.], [X.], 626 Rn. 5; vom 21. Juli 2020 - [X.]/19, juris Rn. 4, [X.]/19, juris Rn. 10, [X.], juris Rn. 7; vom 25. August 2020 - [X.]/19, juris Rn. 7, [X.] 5/20, juris Rn. 7 jeweils mwN).

8

2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des [X.] mit der pauschalen Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und dem unspezifischen Hinweis auf eine abweichende Rechtsprechung "anderer Kammern" des erstinstanzlichen Gerichts ersichtlich nicht gerecht.

9

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des einen Sekretariatsfehler klarstellenden Schreibens des Prozessbevollmächtigen des [X.] vom 21. Oktober 2019. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde lässt sich der danach gemeinten Formulierung "welche nicht die Rollen der Parteien in ihr Gegenteil verkehren" nicht aus sich heraus verständlich entnehmen, dass sich der Berufungsangriff des [X.] im Wesentlichen gegen die vom [X.] gewählte Beweislastverteilung gerichtet habe und darauf abgezielt worden sei, dass es eigentlich an der Beklagten sei, darzulegen und zu beweisen, dass der als unstreitig festgestellte Unterschied bei den Abgaswerten im Labor und im tatsächlichen Straßenverkehr unbeachtlich sei bzw. der erhöhte Verbrauch nach erfolgtem Softwareupdate keinen Schaden des [X.] darstelle. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine eigenständige Interpretationsleistung der Rechtsbeschwerde. Diese verfängt im Übrigen auch in der Sache schon deshalb nicht, weil auch sie die fehlende Zuordnung der vermeintlichen Beweislastfrage zu den im erstinstanzlichen Urteil abgehandelten möglichen Anspruchsgrundlagen nicht ersetzen kann, zumal das Erstgericht den maßgeblichen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB ersichtlich nicht aus Beweislasterwägungen, sondern im Gegenteil ausdrücklich "bereits aufgrund des Vortrags des [X.]" verneint hat.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Klein     

      

Meta

VI ZB 92/19

29.09.2020

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 25. Oktober 2019, Az: 25 U 126/19, Beschluss

§ 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2020, Az. VI ZB 92/19 (REWIS RS 2020, 803)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 803

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