Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2018, Az. EnVR 9/17

Kartellsenat | REWIS RS 2018, 15200

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Gegenstand

Energiewirtschaftsrechtliche Verwaltungssache: Vorrang des Erweiterungsfaktors vor der Genehmigung einer Investitionsmaßnahme zum Ausbau von Versorgungsnetzen - Erweiterungsfaktor


Leitsatz

Erweiterungsfaktor

Der Vorrang des Erweiterungsfaktors nach § 10 ARegV vor der Genehmigung einer Investitionsmaßnahme nach § 23 Abs. 6 Satz 1 ARegV tritt zurück, wenn die Kosten der geplanten Investitionsmaßnahme durch den Erweiterungsfaktor nicht einmal ansatzweise abgedeckt werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 21. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Die Bundesnetzagentur trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 8.500.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin betreibt das Elektrizitätsverteilernetz in [X.]. Mit Schreiben vom 27. März 2013 beantragte sie bei der [X.] die Genehmigung einer [X.] gemäß § 23 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 [X.] für das Projekt "Umstrukturierung Netz Mitte". Dieses Projekt umfasste die folgenden [X.]n:

- Optimierung und Umstrukturierung der Mittelspannungs-, Niederspannungs- und Sekundärnetze,

- Ersatz der 10-kV-Schaltanlagen und der [X.] in den [X.] und [X.] und

- Errichtung des 110/10-kV-Umspannwerkes S.-Straße einschließlich 110-kV-Kabellegung und 110-kV-Netz-Optimierung.

2

Mit Beschluss vom 4. Mai 2015 genehmigte die [X.] die [X.] nur teilweise. Die [X.] "Errichtung des 110/10-kV-Umspannwerkes S.-Straße einschließlich 110-kV-Kabellegung und 110-kV-Netz-Optimierung" lehnte sie ab, soweit Anlagegüter unterhalb der Hochspannungsebene betroffen sind. Sie begründete dies damit, dass insoweit mit der [X.] eine Änderung von Parametern einherginge, die bei der Bestimmung des [X.] zu berücksichtigen sei, und deshalb der Vorrang des [X.] nach § 10 [X.] eingreife.

3

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss insoweit aufgehoben, als die [X.] die [X.] abgelehnt hat, und die [X.] verpflichtet, die Antragstellerin unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu bescheiden. Dagegen wendet sich die [X.] mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung ([X.], [X.], 220) im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die Voraussetzungen für die Genehmigung der [X.] nach § 23 Abs. 6 [X.] seien dem Grunde nach erfüllt. Die von der Antragstellerin geplanten Ausbaumaßnahmen würden Netzstrukturen im [X.] von [X.] in ein modernes, effizienteres und leistungsstärkeres Versorgungsnetz überführen. Sie seien zur Gewährleistung der technischen Sicherheit des Netzes erforderlich. Dies habe die zuständige Energieaufsichtsbehörde des Landes [X.] bestätigt und werde von der [X.] nicht in Frage gestellt.

7

Die Genehmigung der [X.] scheitere nicht an dem in § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] normierten und in Ziffer 7 der Festlegung der [X.] zur Verwendung anderer Parameter zur Ermittlung des [X.] nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 [X.] für Elektrizitätsverteilernetzbetreiber vom 8. September 2010 ([X.]-10/004; Amtsblatt der [X.] 2010, S. 2889; im Folgenden: Festlegung [X.]-10/004) näher ausgestalteten Vorrang des [X.].

8

Der Vorrang des [X.] nach § 10 [X.] vor der Genehmigung einer [X.] nach § 23 Abs. 6 [X.] ergebe sich zwar für die Antragstellerin mit bindender Wirkung aus Ziffer 7 der Festlegung [X.]-10/004, weil diese gegenüber der Antragstellerin bestandskräftig geworden sei. Von diesem Anwendungsvorrang seien aber jedenfalls die Fälle nicht mehr erfasst, in denen - wie hier - die geplante [X.] durch den [X.] nicht einmal ansatzweise abgedeckt werde.

9

Das Instrument des [X.] beruhe darauf, dass ein Zuwachs der in § 10 Abs. 2 [X.] genannten Parameter einen "typischen Zuwachs" an Netzkosten bedinge. [X.] indes Parameterzuwachs und damit verbundene Kostensteigerungen in einem auffälligen Missverhältnis zueinander, sei die dem [X.] zugrundeliegende Annahme nicht mehr erfüllt und eine Korrektur mittels einer restriktiven Auslegung geboten. Dies folge auch aus dem Wortlaut der Festlegung, der eine "Abbildbarkeit" der Mehrkosten durch den [X.] fordere.

Ein solches Missverhältnis sei hier gegeben. Von den Kosten der abgelehnten [X.] in Höhe von 15,5 Mio. € würden über den [X.] lediglich 20.000 €, d.h. 0,13% erlöst. Selbst bei einer Errichtung von 60 neuen [X.] ergäben sich über den [X.] zu erzielende Erlöse von 425.000 €, was 2,47% der Investitionskosten entspreche. Soweit die Bundesnetz-agentur dieses offensichtliche Missverhältnis angesichts des zu erwartenden signifikanten [X.] und weiterer zusätzlicher Anschlusspunkte infolge des Erschließungsgebiets [X.] in Frage stelle, sei dieses Vorbringen mangels näherer Darlegung unsubstantiiert.

Diese einschränkende Auslegung entspreche auch dem Wortlaut des § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.]. Da § 10 [X.] die kostenmäßigen Auswirkungen nachhaltiger Änderungen der Versorgungsaufgabe durch Rückgriff auf die Änderung bestimmter als Kostentreiber ermittelter Strukturparameter erfassen solle, sei eine genaue Ermittlung der Kosten einer [X.] gerade nicht vorgesehen. Gleichzeitig ordne der Verordnungsgeber in § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] den Vorrang der Erfassung einer [X.] über den [X.] für Sachverhalte unterhalb der Hochspannungsebene nur an, soweit die Investition durch den [X.] berücksichtigt werde. Darin komme der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, den Vorrang des [X.] nicht von einer vollständigen Kostendeckung im Einzelfall abhängig zu machen. Soweit sich die Parameter nach § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] allerdings als offensichtlich ungeeignet zur Abbildung der Auswirkungen einer bestimmten Investition auf die Kosten darstellten, könne nicht mehr von einer "Berücksichtigung" der Investition durch den [X.] gesprochen werden, da dieser grundsätzlich die Erfassung der gesteigerten Netzkosten in der Erlösobergrenze ermöglichen solle.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

a) Entgegen der Auffassung des [X.] enthält die Festlegung [X.]-10/004 allerdings keine Regelung über einen Vorrang des [X.] nach § 10 [X.] vor der Genehmigung einer [X.] nach § 23 Abs. 6 [X.].

aa) Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts und damit der Umfang seiner Bindungswirkung ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung eines Verwaltungsaktes richtet sich dabei nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörde. Maßgebend ist entsprechend der Auslegungsregel des § 133 BGB der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2016 - [X.] 34/15, [X.], 187 Rn. 50 - Festlegung individueller Netzentgelte; BVerwGE 148, 146 Rn. 14; jeweils mwN). Auszugehen ist dabei vom verfügenden Teil des Verwaltungsakts (vgl. § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Dieser ist von der Begründung nach § 39 VwVfG zu unterscheiden, die nicht in Bestandskraft erwächst. Sie ist allerdings bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswertes eines Verwaltungsakts heranzuziehen, weil sie erläutert, warum die Behörde den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (vgl. BVerwG, aaO mwN).

bb) Nach diesen Maßgaben trifft die Festlegung [X.]-10/004 keine Regelung über einen Vorrang des [X.] nach § 10 [X.] vor der Genehmigung einer [X.] nach § 23 Abs. 6 [X.]. Der [X.] enthält keine solche Feststellung, sondern beschränkt sich auf die Festlegung des Parameters "Anzahl der Einspeisepunkte dezentraler Erzeugungsanlagen" als Parameter nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 [X.] und der auf dieser Grundlage neugefassten Formel zur Berechnung des [X.]. Der Vorrang des [X.] nach § 10 [X.] wurde von der [X.] dagegen nicht - auch nicht im Wege einer Bezugnahme (siehe dazu etwa Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2016 - [X.] 34/15, [X.], 187 Rn. 4 und 55 - Festlegung individueller Netzentgelte) - eigenständig festgestellt, sondern im Rahmen der Begründung des Beschlusses als bloße Rechtsansicht der Behörde mitgeteilt. Die [X.] hat die Festlegung auch lediglich auf § 32 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gestützt, so dass - was auch die Bezeichnung der Festlegung zeigt - bei objektiver Würdigung keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ihr die Behörde einen über die Festlegung eines weiteren Parameters hinausgehenden Regelungsgehalt beimessen wollte. Hierfür spricht auch, dass sich eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Festlegung über einen Vorrang des [X.] der Vorschrift des § 32 Abs. 1 [X.], insbesondere seiner Nummern 3, 8 und 8a, nicht entnehmen lässt.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des [X.], dass der in § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] (in der seit dem 14. März 2012 unverändert gebliebenen Fassung) normierte Vorrang des [X.] nach § 10 [X.] vorliegend nicht eingreift.

aa) Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] liegen die Voraussetzungen für die Genehmigung einer [X.] nach § 23 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 bis 8 [X.] dem Grunde nach vor, weil die von der Antragstellerin geplanten Ausbaumaßnahmen die Netzstrukturen im [X.] von [X.] in ein modernes, effizienteres und leistungsstärkeres Versorgungsnetz überführen sollen und zur Gewährleistung der technischen Sicherheit des Netzes erforderlich sind. Dagegen ist nichts zu erinnern. Bei der noch im Streit befindlichen [X.] handelt es sich - was die [X.] ebenfalls nicht in Frage stellt - um eine Erweiterungsinvestition, weil mit der Errichtung des [X.] die Umspannkapazität zwischen der [X.] und der Mittelspannungsebene vergrößert wird (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2013 - [X.] 18/12, [X.], 291 Rn. 13 - 50Hertz Transmission GmbH). Die Erheblichkeitsgrenze des § 23 Abs. 6 Satz 2 und 3 [X.] ist überschritten.

bb) Aufgrund dessen können Netzbetreibern nach § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] [X.]n durch die Regulierungsbehörde genehmigt werden, soweit diese nicht durch den [X.] nach § 10 [X.] berücksichtigt werden. Diesen Vorrang des [X.] hat das Beschwerdegericht aber vorliegend rechts- und verfahrensfehlerfrei zu Recht nicht eingreifen lassen.

(1) Im Ausgangspunkt ist allerdings davon auszugehen, dass der Vorrang des [X.] vor [X.]n entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht nur dann gilt, wenn der betreffende Netzbetreiber - wie hier nicht - einen Antrag nach § 10 [X.] tatsächlich gestellt hat, sondern auch dann, wenn er einen solchen Antrag stellen kann.

Dies legt bereits der Wortlaut des § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] nahe, der die weitere Voraussetzung aufstellt, dass die [X.]n nicht durch den [X.] nach § 10 [X.] berücksichtigt werden. Diese Wendung stellt eher auf die objektiv mögliche Berücksichtigung der Investitionskosten über den [X.] ab und räumt dem betroffenen Netzbetreiber kein Wahlrecht ein.

Entscheidend für den Vorrang des [X.] spricht die historische Auslegung des § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.]. Zu der Vorgängerfassung dieser Norm, die insoweit einen unveränderten Wortlaut hatte, heißt es in der Begründung des Verordnungsgebers, dass [X.] nur in den Fällen Anwendung finden, in denen der [X.] nicht greift, weil in Verteilernetzen Erweiterungsinvestitionen grundsätzlich durch den [X.] nach § 10 [X.] berücksichtigt werden ([X.]. 417/07, [X.]). Im Rahmen der Änderung des § 23 [X.] durch die Verordnung vom 14. März 2012 ([X.] I S. 489) hat der Verordnungsgeber durch die Streichung der Worte "Im Einzelfall" lediglich klargestellt, dass die Genehmigung von [X.]n nicht auf extreme Ausnahmefälle beschränkt bleiben soll, im Übrigen aber an dem Vorrang des [X.] vor [X.]n ausdrücklich festgehalten (vgl. [X.] 860/11, [X.]).

Aus dem Sinn und Zweck der beiden Normen folgt nichts anderes. Bei [X.]n und bei dem [X.] handelt es sich um unterschiedliche Instrumente, mit denen Veränderungen der Versorgungsaufgabe berücksichtigt werden. Die [X.] erkennt die mit der konkreten Investition verbundenen Kosten schon in der Planungsphase als dauerhaft nicht beeinflussbar an, während sich der [X.] von den mit der Veränderung der Versorgungsaufgabe konkret verbundenen Kosten löst und stattdessen an die Veränderung von (exogenen) Strukturdaten anknüpft. Der Vorrang des einen Instruments vor dem anderen folgt damit nicht aus der Natur der Sache, sondern steht - wie in § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] erfolgt - im Regelungsermessen des Gesetz- oder Verordnungsgebers.

(2) Der Vorrang des [X.] vor [X.]n hat jedoch im Wege einer am Normzweck orientierten Auslegung des § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] zurückzutreten, wenn seine Beachtung zu einem mit seinem Zweck nicht mehr vereinbaren Ergebnis führt.

(a) Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei [X.]n und bei dem [X.] um unterschiedliche Instrumente. Während die [X.] an die mit der konkreten Investition verbundenen Kosten anknüpft, führt der [X.] zu einer pauschalierenden Betrachtung.

Die Vorschrift des § 10 [X.] soll sicherstellen, dass die Kosten für Erweiterungsinvestitionen, die sich bei einer nachhaltigen Änderung der Versorgungsaufgabe des Netzbetreibers im Laufe der [X.] ergeben, bei der Bestimmung der [X.] berücksichtigt werden (vgl. [X.]. 417/07, [X.]). Dies erfolgt durch einen [X.] in der Regulierungsformel. Dadurch wird einerseits dem berechtigten Interesse des Netzbetreibers Rechnung getragen, die Erlösobergrenze an die veränderten Umstände anzupassen, und andererseits eine vollständig neue Kostenprüfung vermieden, indem die Anpassung nach der in Anlage 2 zu § 10 [X.] definierten Formel erfolgt, in die lediglich bestimmte Parameter der Versorgungsaufgabe einfließen. Die Änderung der Netzkosten erfolgt danach unter vereinfachenden Annahmen proportional zu den als dominant festgelegten Einflussfaktoren. Dadurch kann es allerdings dazu kommen, dass die tatsächlichen Kosten, die durch die Veränderung der Versorgungsaufgabe auf den Netzbetreiber zukommen, nicht vollständig abgebildet werden. Im Hinblick auf die pauschalierende Betrachtung ist dies aber unumgänglich und in der Vorschrift angelegt.

§ 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] will dagegen für die in dieser Vorschrift genannten privilegierten Maßnahmen Investitionsanreize auch für [X.] schaffen, wenn solche Maßnahmen im Hinblick auf Investitionsvolumen und Komplexität mit Erweiterungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen in die Übertragungsnetze vergleichbar sind (vgl. [X.]. 417/07, [X.] und [X.]. 860/11, [X.]). Anders als bei § 10 [X.] können vom Netzbetreiber nach § 23 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 [X.] die mit der konkreten Investition verbundenen Betriebs- und Kapitalkosten geltend gemacht werden. Diese Privilegierung hat der Verordnungsgeber damit begründet, dass solche Investitionen oft nicht mit einem Zuwachs der Parameter in § 10 [X.] verbunden werden können (vgl. [X.]. 860/11, [X.]).

Fällt die Erhöhung der [X.] durch den [X.] so niedrig aus, dass diese Erhöhung dem Charakter der in Rede stehenden Maßnahme nicht einmal ansatzweise Rechnung trägt, ist dies mit dem Sinn und Zweck des § 10 [X.] nicht mehr vereinbar (vgl. Senatsbeschluss vom 8. April 2014 - [X.] 61/12, Rn. 10). Diese Vorschrift führt zwar aufgrund der pauschalierenden Betrachtung zu Vergröberungen, die der Verordnungsgeber bewusst in Kauf genommen hat, um eine vollständig neue Kostenprüfung zu vermeiden. Dies darf aber im berechtigten Interesse des Netzbetreibers nicht dazu führen, dass die Kosten einer [X.] über den [X.] nur unzureichend oder sogar praktisch gar nicht abgebildet werden. Die Investitionskosten sind dann nicht mehr mit einem Zuwachs der Parameter nach § 10 [X.] verbunden und werden damit im [X.] nicht durch den [X.] "berücksichtigt". Insoweit ist auch zu bedenken, dass für eine [X.] bei - wie hier - Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] gerade auch im Hinblick auf Investitionsvolumen und Komplexität an sich die konkreten Betriebs- und Kapitalkosten geltend gemacht werden können. In einem solchen Fall muss daher der Vorrang des § 10 [X.] zurücktreten, so dass die betreffende [X.] nach § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] genehmigungsfähig ist.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt dies auch nicht zu einer doppelten Berücksichtigung der [X.]. Soweit der Vorrang des [X.] nach § 10 [X.] hinter die [X.] zurückzutreten hat, kann der Netzbetreiber - wie hier auch nicht geschehen - diese nicht zusätzlich über den [X.] geltend machen. Die einschränkende Auslegung der Vorrangregelung in § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] bedingt insoweit ebenfalls eine einschränkende Auslegung des § 10 [X.].

(b) Nach diesen Maßgaben ist die streitgegenständliche [X.] nach § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] genehmigungsfähig.

Nach den Feststellungen des [X.] würde der [X.] nach § 10 [X.] die hier in Rede stehenden Investitionskosten der nicht genehmigten [X.] in Höhe von ca. 15,5 Mio. € lediglich zu 0,13% abdecken. Dieses sowohl in relativer als auch in absoluter Hinsicht offensichtliche Missverhältnis trägt dem Charakter der in Rede stehenden Maßnahme nicht einmal ansatzweise Rechnung. Soweit das Beschwerdegericht hilfsweise die Errichtung von ca. 60 neuen [X.] berücksichtigt und daraus über den [X.] zu erzielende Mehrerlöse von 425.000 €, d.h. 2,74% der Investitionskosten, errechnet hat, gilt nichts anderes.

Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat mit seiner Berechnung auf der Grundlage der Investitionskosten nicht die falsche Bezugsgröße gewählt. Sowohl § 10 [X.] als auch § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] wollen sicherstellen, dass die Kosten der [X.] bei der Bestimmung der [X.] berücksichtigt werden. Sie nehmen damit in beiden Fällen die Investitionskosten der konkreten Maßnahme in den Blick. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf verweist, dass auch bei Genehmigung der [X.] nach § 23 Abs. 6 Satz 1 [X.] die Investitionskosten nicht hundertprozentig erlöst werden, ist dies unerheblich. Der im Falle einer solchen Genehmigung der Antragstellerin zufließende Vorteil ist - was aus der übereinstimmenden Angabe der Beteiligten zum Streitwert der Beschwerdeinstanz in Höhe von 8,5 Mio. € folgt - ungleich größer als der sich aus der Anwendung des [X.] ergebende Mehrerlös von 20.000 € pro Jahr der [X.]. [X.] hat die [X.] auch mit der Rechtsbeschwerde nicht substantiiert vorgetragen.

Soweit die Rechtsbeschwerde vorbringt, dass ab der dritten [X.] § 10 [X.] nicht mehr anzuwenden (§ 34 Abs. 7 Satz 1 [X.]) und aufgrund des neu eingeführten [X.] gemäß § 10a [X.] eine Schlechterstellung der Antragstellerin nicht mehr gegeben sei, ist dies vorliegend unmaßgeblich. Die Antragstellerin hat die Genehmigung der [X.] und die Anpassung der Erlösobergrenze beginnend ab dem [X.] und damit bereits für die zweite [X.] gestellt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 [X.].

[X.]     

      

Grüneberg     

      

Bacher

      

Sunder     

      

Deichfuß     

      

Meta

EnVR 9/17

23.01.2018

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 21. Dezember 2016, Az: VI-3 Kart 102/15 (V), Beschluss

§ 10 ARegV, § 23 Abs 6 S 1 ARegV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2018, Az. EnVR 9/17 (REWIS RS 2018, 15200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15200

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