Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2006, Az. 1 StR 147/06

1. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2380

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[X.] vom 27. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 27. Juli 2006 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. September 2005 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen. Gründe: Bei einer polizeilichen Kontrolle des vom Angeklagten geführten Pkw am 19. September 2004 wurden in der Stoßstange versteckt mehrere Kilogramm Kokain sichergestellt. Im Pkw waren mehrere "Duftbäumchen" aufgehängt, um den Geruch des Kokains zu überdecken. Der Angeklagte hat geltend gemacht, er sei auf dem Rückweg von den [X.] nach [X.], wo er den Pkw [X.] habe. Dass darin Kokain versteckt gewesen sei, sei ihm unbekannt gewe-sen. Einen Vertrag oder irgendwelche anderen Dokumente, die auf einen Kauf des Pkw durch den Angeklagten hingewiesen hätten, hatte er nicht in seinem Besitz. Die [X.] hat die Einlassung des Angeklagten nicht geglaubt, sondern hat ihn wegen eines Verbrechens gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und einen Geldbetrag für verfallen erklärt. 1 Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]). 2 - 3 - [X.] Hinsichtlich der Verfahrensrügen bedarf der näheren Ausführung nur [X.]: 3 1. Die Revision beruft sich auf § 338 Nr. 5 [X.] und rügt "die Verletzung von § 140 Abs. 1, Abs. 2 und §§ 141 ff. [X.]." Der Sache nach macht sie gel-tend, der Angeklagte sei am 7. Verhandlungstag (24. August 2005) nicht [X.] verteidigt gewesen. 4 Folgendes liegt zu Grunde: 5 Der Angeklagte hatte im Laufe des Verfahrens schon einer ganzen Reihe von Rechtsanwälten schriftliche Verteidigervollmacht erteilt, zum Teil nach zwi-schenzeitlicher Mandatsbeendigung mehrfach. Seit dem 4. Verhandlungstag war Rechtsanwältin [X.]alleinige Verteidigerin, inzwischen vertritt sie den Angeklagten nicht mehr. Nach dem 5. Verhandlungstag (29. Juli 2005) erkrank-te sie. Am 6. Verhandlungstag (22. August 2005) - Dauer: zehn Minuten - er-schien ausweislich des Protokolls eine derselben Kanzlei angehörige Rechts-anwältin "in [X.] für [X.]

, die erkrankt ist. Der Angeklagte er-klärte hiermit Einverständnis". Im Übrigen beschränkte sich die Verhandlung auf eine Erklärung des Angeklagten, wonach er bestätigte, in Anwesenheit von Rechtsanwältin [X.]eine Erklärung abgeben zu wollen, und die Erörterung des weiteren Verfahrensgangs. Am 7. Verhandlungstag erschien Rechtsanwalt [X.], "der erklärte, dass er in [X.] für RAin [X.] auftrete und ei-ne schriftliche [X.] nachreichen werde". Es wurden drei Telefonkar-ten in Augenschein genommen und ein Notizzettel mit einer Adresse in [X.] genommen und verlesen. Erklärungen wurden zu alledem nicht abgege-ben, die Verhandlung dauerte sieben Minuten. Am nächsten Verhandlungstag (15. September 2005) erschien dann wieder Rechtsanwältin [X.]und führte 6 - 4 - die Verteidigung. Die am 24. August 2005 angekündigte [X.]surkun-de war schon am 23. August 2005 ausgestellt. Sie gelangte allerdings erst im Rahmen des Revisionsverfahrens am 7. Februar 2006 zu den Verfahrensakten. Der Verfahrensverlauf vom 7. Verhandlungstag lässt keinen Rechtsfehler erkennen. 7 a) Ohne dass es auf Weiteres ankäme, wäre der Angeklagte nicht [X.] verteidigt gewesen, wenn nicht die Voraussetzungen von § 138 Abs. 1 [X.] erfüllt gewesen wären. Die Revision (Schriftsatz vom 8. Mai 2006) hat angeregt, der [X.] möge "klären, ob die – [X.] tatsächlich einem zugelassenen Rechtsanwalt erteilt worden ist". Gestützt ist dies auf [X.], die an den Inhalt des Anrufbeantworters des Anschlusses [X.] anknüpfen. 8 Verfahrensrügen sind in der Frist des § 345 [X.] zu erheben. Diese ist hier nicht eingehalten. Freilich liegen hier Besonderheiten vor. Die Staatsan-waltschaft hat im Rahmen ihrer Revisionsgegenerklärung auf die genannte Un-tervollmachtsurkunde Bezug genommen, sie dem (jetzigen) Verteidiger aber nicht bekannt gemacht. Er hat von dieser Urkunde erst im Rahmen ihm vom [X.] gewährter Akteneinsicht Kenntnis genommen. 9 Der [X.] braucht nicht darüber zu befinden, ob und wie sich das ge-schilderte [X.] auf die Frist des § 345 [X.] auswirkt. Auch wenn man das genannte Vorbringen als rechtzeitig ansieht, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] erforderlichen schlüssigen tatsächli-chen Behauptung einer Rechtsverletzung, da nicht eindeutig und klar behauptet ist, der als Rechtsanwalt [X.]aufgetretene Verteidiger sei in Wahrheit kein Rechtsanwalt. Eine entsprechende Vermutung in den Raum zu stellen, genügt nicht. Es wäre Sache der Revision gewesen, die tatsächliche Tragfähigkeit ihrer 10 - 5 - Erwägungen zu überprüfen, etwa durch ohne weiteres mögliche Anfragen bei der früheren Verteidigerin (vgl. [X.], 283 f.; hierzu [X.] StraFo 2005, 512 f.) oder bei zuständigen Stellen wie der Rechtsanwaltskammer oder dem Präsidenten des [X.]; gegebenenfalls hätte sie das Ergebnis ihrer Überprüfungen dem [X.] darzulegen gehabt. [X.] Vortrag kann nicht durch die Anregung ersetzt werden, der [X.] möge prüfen, ob die [X.] Möglichkeit eines Rechtsfehlers in tatsächlicher Hinsicht eine tragfähige Grundlage hat oder nicht. b) Die Revision macht im Zusammenhang mit der Vollmachtsurkunde weiter geltend, an einer ordnungsgemäßen Verteidigung habe es (auch) [X.] gefehlt, weil im Termin vom 24. August 2005, (noch) keine schriftliche Un-tervollmacht für Rechtsanwalt [X.]

vorgelegen habe. Eine solche Unter-vollmacht muss aber nicht notwendig schriftlich nachgewiesen werden (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 1998, 227 f.; [X.]. NW 1980, 83; [X.] VRS 60, 441 f.; [X.], [X.] 49. Aufl. vor § 137 Rdn. 11). [X.] gehen zugleich die Ausführungen der Revision ins Leere, wonach es [X.] sei, die später zu den Akten gelangte schriftliche [X.] vom 23. August 2005 zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen. 11 c) Über die genannten einzelfallbezogenen Fragen (beruflicher Status des [X.]n; Art des Nachweises seiner Unterbevollmächtigung) hinaus erhebt die Revision auch generelle Bedenken gegen die Berechtigung von Rechtsanwältin [X.] zur Erteilung einer [X.] und dement-sprechend gegen die Wirksamkeit dieser [X.]. 12 - 6 - (1) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel in der Vollmacht für Rechtsanwältin [X.] , die ihr die Erteilung von [X.] gestattete, bestehen nicht. 13 Für die in einer Verteidigervollmacht vorformulierte Befugnis zur Erteilung von [X.] gelten, soweit hier von Interesse, die Regeln über Allge-meine Geschäftsbedingungen in Verträgen. Ob die genannte Befugnis wirksa-mer Bestandteil der Vollmacht ist, richtet sich insbesondere nach § 305c Abs. 1 BGB (vgl. zu alledem näher [X.]/[X.] StV 2005, 601, 602 m. w. N. ). Sie ist allgemein ge-bräuchlich - auch sämtliche der (zahlreich) vom Angeklagten ausgestellten [X.] enthalten diese Klausel, zuletzt die für seinen jetzigen [X.] im Revisionsverfahren - und daher nicht überraschend im Sinne des § 305c BGB ([X.]/[X.] aaO). 14 Die Revision meint, in diesem Zusammenhang habe es auch Bedeutung, dass der Angeklagte die [X.] nicht beherrsche. Der [X.] braucht diesem Hinweis aber unter keinem Gesichtspunkt näher nachzugehen. Es [X.] fern liegend und ist auch nicht konkret behauptet, dass die Verteidiger nicht mit dem Angeklagten kommunizieren konnten (zur [X.] bei [X.] vgl. [X.] in [X.]/[X.] [X.] 25. Aufl. § 185 [X.] Rdn. 10). 15 (2) Der unterschiedlich beurteilten Frage, ob eine nur formularmäßig er-teilte Zustimmung eine gemäß § 139 [X.] genügende Grundlage zur Unterbe-vollmächtigung eines Referendars durch einen Verteidiger ist (verneinend [X.] 1972, 206; Bedenken hiergegen etwa bei [X.]/[X.] aaO m. w. N. in [X.]. 19) braucht der [X.] hier ebenfalls nicht näher nachzugehen. Selbst wenn in diesem Fall keine ausreichende Grundlage für die Unterbevollmächti-16 - 7 - gung vorläge, könnte dies wegen des Unterschieds zwischen einem Rechtsan-walt und einem Referendar nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden (vgl. [X.]/[X.] aaO). All dies gilt noch mehr für die von der [X.] genannte Entscheidung [X.], 51, die sich von der [X.] Fallgestaltung zusätzlich noch dadurch unterscheidet, dass die [X.] durch einen Pflichtverteidiger erfolgte (vgl. auch [X.]/[X.] aaO [X.]. 19 a. E.). (3) Die hier in Rede stehende Bevollmächtigung ist auch nicht dahin ein-geschränkt, dass jedenfalls ein Verteidiger, "der aufgrund seiner Prozesserfah-rung und seines Bekanntheitsgrades – besonderes Vertrauen für sich in [X.] nimmt", von einem ihm eingeräumten Recht, [X.] zu erteilen, keinen Gebrauch machen dürfe (so [X.], 600; auf diese Ent-scheidung weist die Revision hin). Ob diese Voraussetzungen bei Rechtsanwäl-tin [X.]gegeben sind oder nicht, hatte die [X.] nicht zu prüfen. Das Gesetz behandelt nämlich alle zugelassenen Verteidiger, die ihre Stellung nicht einer Einzelfallprüfung des Gerichts verdanken (vgl. § 138 Abs. 2 [X.]), gleich. Es räumt, wie sich aus § 138 Abs. 1 [X.] ergibt, dem Gericht nicht die Mög-lichkeit ein, etwa im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit einer [X.], auf der Grundlage seiner eigenen Auffassung z.B. über die fachliche Qualität eines Verteidigers ("Prozesserfahrung") und das Maß des Vertrauens zu befin-den, das er deshalb von seinen Mandanten erwarten darf ([X.]/[X.] aaO). 17 (4) Auch im Übrigen gibt es keinen Rechtsanspruch des Angeklagten, auch dann ausschließlich vom ([X.] verteidigt zu werden, wenn er uneingeschränkt die Befugnis zur Erteilung von [X.]en erteilt hat. Weder ist eine solche Regelung ausdrücklich dem Gesetz zu entnehmen, noch gibt es übergeordnete Gesichtspunkte, die es gebieten würden, die bewährte 18 - 8 - und sinnvolle Möglichkeit der Unterbevollmächtigung in Strafsachen letztlich in Frage zu stellen. Missbräuche oder sonstige Fehlentwicklungen in der Praxis der Strafrechtspflege, die eine generell andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht bekannt. (5) All dies gilt entsprechend auch hinsichtlich des von der Revision her-vorgehobenen Umstands, dass Rechtsanwalt [X.]nicht derselben Sozietät wie Rechtsanwältin [X.]angehört. Auch hieraus ergeben sich keine rechtlichen Einschränkungen der Rechtsanwältin [X.]vom Angeklagten uneingeschränkt eingeräumten Befugnis zur Erteilung von [X.]. Es ist nicht ersichtlich, warum sich daran deshalb etwas ändern könnte, weil die [X.] vom 6. Verhandlungstag in derselben Kanzlei tätig war wie Rechtsanwältin [X.]. 19 (6) Dass es schließlich auch keinen Rechtssatz gibt, wonach eine Unter-bevollmächtigung unwirksam sei, wenn sie für einen Verhandlungsteil erteilt ist, in dem Beweis erhoben wird, bedarf keiner Darlegung. 20 d) Das sonstige Vorbringen der Revision, etwa 21 - das Gericht habe den Angeklagten nicht nach seinem Einverständnis mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt [X.]befragt, wie dies am [X.] geschehen sei; - das Gericht hätte den Angeklagten darüber belehren müssen, dass er eine Verteidigervollmacht jederzeit kündigen kann; - Rechtsanwalt [X.]habe nicht sachgerecht agiert, kann der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. - 9 - Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die behaupteten Fehler, selbst wenn man ihr Vorliegen unterstellt, nicht dazu führen könnten, dass ein ordnungsgemäß (unter)bevollmächtigter, anwesender Verteidiger als im Sinne des § 338 Nr. 5 [X.] nicht anwesend anzusehen wäre; Erwägungen der Revi-sion, weshalb das Urteil aus den genannten Gründen in besonderem Maße auf dem behaupteten Verstoß gegen § 338 Nr. 5 [X.] beruhe, gehen daher schon im Ansatz ins Leere. Ebenso wenig stellt sich im Fall der Anwesenheit eines Wahlverteidigers oder eines von ihm ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers die Frage nach der Bestellung eines Pflichtverteidigers (§§ 141 ff. [X.]). Das genannte Vorbringen ist daher schon im Ansatz keine schlüssige Behauptung der von der Revision geltend gemachten Verletzungen von § 338 Nr. 5, §§ 141 ff. [X.]. 22 Aber auch wenn man auf all dies den Rechtsgedanken des § 300 [X.] anwenden würde (vgl. auch § 352 Abs. 2 [X.]), könnte es der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. 23 (1) Das Gericht ist regelmäßig nicht verpflichtet, die Tätigkeit eines [X.]s daraufhin zu überwachen, ob er seine Verteidigertätigkeit ordnungs-gemäß erfüllt (vgl. [X.], [X.] 1996, 120). Dies gilt nicht nur für die [X.], sondern auch für die formale Gestaltung der Verteidigung. Macht der Verteidiger von einer ihm - wie dem Gericht bekannt ist - vom Angeklagten er-teilten Befugnis Gebrauch, so braucht das Gericht dies im Grundsatz nicht zu hinterfragen. Besondere über die Erteilung der [X.] hinausgehende Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich. 24 Daran ändert sich auch durch den Verlauf des vorangegangenen [X.] nichts, wenn es auch regelmäßig untunlich ist, wenn das [X.] - 10 - richt in identischen Verfahrenssituationen, dem Auftreten eines unterbevoll-mächtigten Verteidigers, unterschiedlich agiert, indem es einmal den Angeklag-ten nach seinem Einverständnis fragt und einmal nicht, zumindest das Protokoll unterschiedlich gestaltet. Es bedarf jedoch keiner näheren Darlegung, dass eine nicht gebotene, aber auch unschädliche Frage nicht die objektive Rechtslage verändert hat. 26 (2) Eine Verletzung eines wie auch immer gearteten [X.] ist ebenfalls nicht ersichtlich. 27 Worauf sich ein Vertrauen überhaupt gerichtet haben soll, erschließt sich aus dem Vortrag, 28 - wegen des [X.] habe der Angeklagte darauf vertraut, das Auftreten eines [X.]n sei nur mit seiner nochmaligen Einwilli-gung zulässig, wenn er vom Gericht danach gefragt wird; - deshalb habe er am 7. Verhandlungstag geglaubt, es käme nicht auf sein nochmaliges Einverständnis an, da er nicht danach gefragt wurde; nicht leicht. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Wie der [X.] in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, kann die Verletzung eines Vertrauenstatbestandes nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Angeklagte durch das in Rede stehende Verhalten in eine Lage versetzt wurde, die sein Verteidigungsverhalten beeinflusst hat und bei verständiger [X.] auch beeinflussen konnte. Es lassen sich insoweit keine starren Regeln aufstellen, maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Verfahrens ([X.], 277, 278 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch 29 - 11 - hier. Allein das Erscheinen eines ordnungsgemäß unterbevollmächtigten [X.]s war bei verständiger Würdigung nicht geeignet, den Angeklagten dazu zu veranlassen, sich hiergegen zu wehren. Darauf, dass es angesichts der Vielzahl der von ihm erteilten und widerrufenen Verteidigervollmachten auch fern liegt, er könne geglaubt haben, seine Möglichkeiten und Rechte hingen von einer Frage des Gerichts ab, kommt es daher nicht mehr an. (3) Sprach aber nichts gegen die Wahrnehmung der Verteidigung durch den [X.]n, braucht das Gericht den Angeklagten offensichtlich auch nicht, wie die Revision meint, "darauf hinzuweisen, dass es Probleme mit der Verteidigung durch den [X.]n geben könnte und er das Recht hat, – von einem 'Sonderkündigungsrecht' – Gebrauch zu machenfi. Auf nichts gestützte Spekulationen des [X.] über zu erwartende Schwierigkeiten können eine Fürsorgepflicht für einen Hinweis auf ein Kündigungsrecht (vgl. §§ 627, 671 BGB) nicht begründen. Der [X.] kann daher auch offen lassen, wann und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein Hinweis des Gerichts an den Angeklagten, er könne seinem Wahlverteidiger kündigen, überhaupt geboten sein könnte. 30 (4) Die Behauptung unzulänglichen Agierens durch Rechtsanwalt [X.]begründet die Revision damit, er habe nach den genannten Beweiserhebungen keine Erklärungen abgegeben. Er hätte sagen müssen, dass in den [X.] sämtliche Verkäufe von Telefonkarten schriftlich festgehalten würden, wes-halb sich aus den Nummern der verlesenen Telefonkarten zahlreiche für den Angeklagten günstige Erkenntnisse ergeben hätten; zu dem Notizzettel mit der Adresse hätte er sagen müssen, dass es sich dabei um die Adresse eines bei dem Kauf des Pkw nicht zum Zuge gekommenen Mitinteressenten gehandelt hätte; dies hätte die Richtigkeit des Vorbringens des Angeklagten unterstrichen, 31 - 12 - dass er den Pkw gekauft und nichts von Rauschgift gewusst hätte (vgl. oben vor [X.]). Wie dargelegt, hat das Gericht die Gestaltung der Verteidigung grund-sätzlich nicht zu überprüfen oder zu kontrollieren (vgl. oben [X.] 1 d (1) ). Gründe, aus denen ausnahmsweise im Hinblick auf eine Fürsorgepflicht des Gerichts für den Angeklagten etwas anderes gelten könnte - etwa, weil die Unfähigkeit eines Verteidigers zu ordnungsgemäßer Verteidigung klar auf der Hand liegt (vgl. [X.] [X.] 1996, 120) - sind nicht erkennbar. Mit dem Vortrag, ein [X.] habe nach einer Beweiserhebung nicht von der Möglichkeit des § 257 Abs. 2 [X.] Gebrauch gemacht, wird im Übrigen auch nicht behauptet, dass Vortrag zu dem Beweisergebnis nicht im Rahmen der Schlussausführungen erfolgte. 32 Abgesehen davon ist das, was nach Ansicht der Revision - die im Übri-gen eine Aufklärungsrüge im Zusammenhang mit Telefonkarten und Notizzettel nicht erhebt - hätte vorgetragen werden sollen, inhaltlich (sehr) fern liegend. Allein die Behauptung, der Verteidiger habe fern liegende Gesichtspunkte dem Gericht nicht unterbreitet, kann jedoch die Möglichkeit eines Rechtsfehlers unter keinem Gesichtspunkt verdeutlichen. 33 e) Ein wie auch immer gearteter Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Verteidigung des Angeklagten durch den ordnungsgemäß unterbevollmächtig-ten Rechtsanwalt [X.]ist nach alledem nicht zu erkennen. Die [X.] hat vielmehr, wie die nur geringe Förderung der Hauptverhandlung am 6. und. 7. Verhandlungstag (vgl. oben [X.] 1 vor a)) zeigt, der an diesen Tagen verhinderten Rechtsanwältin [X.] die Führung der Verteidigung des Angeklagten bis unmittelbar an die von § 229 [X.] gezogenen Grenzen (vgl. hierzu [X.] aaO § 229 Rdn. 11) ermöglicht. 34 - 13 - 2. Wie dargelegt ([X.] 1 d (4)) führt die Revision im Einzelnen aus, was der Verteidiger anlässlich der Beweisaufnahme über Notizzettel und Telefonkarten hätte erklären sollen. Angesichts dieses Vorbringens erhellt sich die tatsächli-che und vor allem rechtliche Bedeutung der zusätzlichen Rüge, Notizzettel und Telefonkarten seien nicht Teil der Akten, zumindest nicht ohne weiteres. Der [X.] braucht dem aber nicht näher nachzugehen, da dies nur "vorsorglich" gerügt sein soll. Vorsorglich, also hilfsweise erhobene Verfahrensrügen sind jedoch nicht zulässig ([X.] NStZ-RR 2006, 181, 182 m. w. N.), das entspre-chende Vorbringen also einer inhaltlichen Überprüfung nicht zugänglich. 35 3. Die auf § 244 Abs. 5 Satz 2 [X.] gestützte Ablehnung der Verneh-mung des [X.]hält aus den vom [X.] zutreffend dargelegten, von der Erwiderung der Revision nicht entkräfteten Gründen [X.] Überprüfung stand. Daher kann das Vorbringen der Revision, das sich gegen die zunächst mit der Unmöglichkeit der Ermittlung dieses Zeugen an-derweitig begründeten Ablehnung seiner Vernehmung richtet, ebenso auf sich beruhen, wie die auf § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] gestützten Bedenken des [X.] gegen die Zulässigkeit dieses Vorbringens. Gleiches gilt für die von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob die [X.] im Laufe der Hauptverhandlung die Gründe zur Ablehnung der [X.] dieses Zeugen ausgewechselt oder ergänzt hat. Beides ist zulässig (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Der Beweisantrag im Strafprozess 5. Aufl. S. 772 f. m. w. N.). 36 4. Auch die übrigen Verfahrensrügen sind unbegründet. Insoweit ver-weist der [X.] auf die zutreffenden Ausführungen des [X.]s, die durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden. 37 - 14 - I[X.] Auch die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat aus den vom [X.] zutreffend dargelegten, ebenfalls von der Revisionserwiderung nicht entkräfteten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Wieso das Verfahren (und damit die Unter-suchungshaft) übermäßig lang gedauert haben könnte, ist weder nachvollzieh-bar vorgetragen noch sonst ersichtlich. 38 Nack

Wahl Boetticher

Kolz Hebenstreit

Meta

1 StR 147/06

27.07.2006

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.07.2006, Az. 1 StR 147/06 (REWIS RS 2006, 2380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2380

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