Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2000, Az. IX ZR 285/99

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2950

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:2. März 2000PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:[X.] § 2; ZPO § 767, § 322 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1 Satz 2Nimmt der Anfechtungskläger, der ein rechtskräftiges, vorbehaltloses Anfechtungs-urteil erwirkt hat, nach Empfang des ausgeurteilten Betrages die Zahlungsklage ge-gen den ursprünglichen [X.]uldner zurück, ist eine Klage auf Rückzahlung des [X.] wegen ungerechtfertigter Bereicherung zulässig.[X.], Urteil vom 2. März 2000 - [X.] - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] Paulusch und die Rich-ter Stodolkowitz, Kirchhof, [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 2. Juli 1999wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Beklagte erwirkte gegen den Architekten [X.]. am 15. [X.] einen [X.] über eine [X.]adensersatzforderung in [X.] von 33.108,08 DM nebst Zinsen. Gestützt auf diesen Titel, erlangte sie ge-gen die jetzigen Kläger ein Urteil des [X.]-Holsteinischen Oberlandesge-richts vom 20. Mai 1994 auf Zahlung des gleichen Betrages. Nach dem Inhaltdieses Urteils schuldeten die Kläger den Betrag gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2,§ 7 [X.] a.[X.], weil sie Grundvermögen von [X.]. erworben und weiterveräußerthatten. Die Kläger zahlten daraufhin 37.750 DM an die Beklagte.[X.] legte [X.]. gegen den [X.] vom15. September 1991 Einspruch ein. Nachdem das [X.] auf eineBeschwerde hin den Einspruch für rechtzeitig befunden hatte, weil der [X.] -streckungsbescheid nicht wirksam zugestellt worden sei, nahm die Beklagteihre Klage gegen [X.]. - unter Hinweis auf die von den jetzigen Klägern gelei-stete Zahlung - im Jahre 1996 zurück.Nunmehr verlangen die Kläger von der Beklagten die Rückzahlung [X.] von 37.750 DM nebst Zinsen. Das [X.] hat durch Zwischen-urteil die Klage für zulässig erklärt, das [X.] die dagegen einge-legte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich derenvom Berufungsgericht zugelassene Revision.Entscheidungsgründe:Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.[X.] Berufungsgericht hat ausgeführt: Im angefochtenen [X.] das [X.] die Einrede der rechtskräftigen Entscheidung im Sinnedes § 322 ZPO und allenfalls seine Zuständigkeit - zutreffend - beschieden.Insbesondere stehe die Rechtskraft des Urteils des [X.]-Holsteinischen[X.]s vom 20. Mai 1994, das einen Vorbehalt im Sinne von§ 10 [X.] a.[X.] nicht enthalten habe, der jetzigen Rückforderungsklage nichtentgegen. Zwar sei § 826 BGB nicht verwirklicht. Jedoch könne das nach- 4 -rechtskräftiger Verurteilung zur Abwehr der Zwangsvollstreckung Geleistetegemäß Bereicherungsgrundsätzen zurückgefordert werden. Wenn die den [X.] begründenden Tatsachen nach dem für die Rechtskraftmaßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ent-standen seien, werde die Rechtskraft des [X.] nicht berührt. [X.] seien 1994 zur Zahlung nur verurteilt worden, weil die Beklagte damalsüber einen [X.] gegen den [X.]uldner [X.]. verfügt habe.Das [X.] sei irrig von der Rechtskraft des [X.] ausgegangen. Das [X.] eines erst vorläufig vollstreckbaren[X.]uldtitels hätte zur Aufnahme des Vorbehalts gemäß § 10 [X.] a.[X.] in [X.] geführt. Dann hätten die Kläger nach der späteren Rücknahme der Klageder Beklagten gegen [X.]. eine geleistete Zahlung gemäß § 812 BGB zurück-fordern können. Dieser Anspruch werde durch das Unterbleiben des [X.] nicht ausgeschlossen. Denn eine wesentliche Voraussetzung für [X.] des [X.] sei weggefallen. Dafür sei es uner-heblich, ob dies durch gerichtliche Wiederaufnahmeentscheidung oder durchKlagerücknahme seitens des Gläubigers geschehe.[X.] rügt die Revision: Die Klage, mit der das kontradiktori-sche Gegenteil der rechtskräftigen früheren Anfechtungsentscheidung begehrtwerde, sei gemäß § 322 ZPO unzulässig. Sogar wenn man unterstelle, daß dervon der Beklagten erwirkte [X.] dem [X.]uldner [X.]. nichtordnungsgemäß zugestellt worden sei, handele es sich um eine Einwendung- 5 -gegen den rechtskräftig festgestellten [X.] gemäß § 7 [X.]a.[X.], die schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im [X.] geltend gemacht werden können. Die Parteien hätten auch bereits [X.] über die ordnungsgemäße Zustellung des Vollstreckungs-bescheids und die damit verbundene Problematik der Rechtskraft dieses Titelsgestritten. Zudem könne die Rechtskraft eines Urteils, bei dem sich der titu-lierte Anspruch auf ein anderes rechtskräftiges Urteil stütze, nur gemäß § 580Nr. 6 ZPO durchbrochen werden, weil sonst die strengen Voraussetzungendieser Sondervorschrift unterlaufen würden. Die §§ 579 f ZPO ließen Gründefür eine Nichtigkeits- oder Restitutionsklage abschließend zu. Solche Gründeseien hier nicht vorhanden. Eine Gleichsetzung mit anderen Gründen sei aus-geschlossen. Ferner seien weder der vermeintlich zulässige Einspruch des[X.]uldners noch das Prozeßverhalten der Beklagten Gründe für die von [X.] geltend gemachte Unrichtigkeit des Anfechtungsurteils. Endlich hättendie Kläger den "Anfechtungsgrund", nämlich das Fehlen eines Vorbehalts nach§ 10 [X.] a.[X.], im Wege eines im Vorprozeß gestellten Antrags auf Urteilser-gänzung (§ 321 ZPO) vergeblich - weil verspätet - geltend gemacht. [X.] könne nicht durch eine neue Klage ausgeglichen werden.[X.] Rechtsmittel sind zulässig. Über die Zulässigkeit einer Klage kanndurch [X.] gemäß § 303 ZPO entschieden werden. Dann ist es nach§ 280 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinsichtlich der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen.- 6 -Berufung und Revision dagegen finden also statt, wenn sie gegen das auf [X.] zu erwartende Endurteil statthaft wären. Das ist hier der Fall.[X.] Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage [X.] für zulässig erachtet.1. Die [X.] nach § 322 Abs. 1 ZPO verhindert, das durchein rechtskräftiges Urteil [X.] mit der Begründung zurückzufordern,der Rechtsstreit sei unrichtig entschieden worden, in Wahrheit werde nichtsgeschuldet ([X.]Z 83, 278, 280; 131, 82, 87 f; [X.], Urt. v. 28. Mai 1986 - [X.] 197/84, NJW 1986, 2645, 2646). Die Rechtskraft hindert aber nicht daran,sich auf Tatsachen zu berufen, die erst nach dem [X.]luß derjenigen mündli-chen Verhandlung entstanden sind, in der diese Tatsachen spätestens hättengeltend gemacht werden müssen (vgl. [X.]Z 37, 375, 377; Urt. v. 24. [X.], [X.] § 133 [A] BGB Nr. 2 unter II 4; v. 11. März 1983 - [X.], NJW 1984, 126, 127; [X.] aaO § 322 [X.]. [X.] verdeutlichen § 767 Abs. 2 ZPO für einen besonders häufigen Anwen-dungsfall nachträglicher Veränderungen und § 323 ZPO für Gestaltungen, indenen schon das erste Urteil auf der [X.] einer künftigen Entwicklungberuhte (vgl. dazu auch [X.], Urt. v. 6. März 1987 - [X.], WM 1987,1048, 1049).- 7 -Eine Klage, mit der vorgetragen wird, die für die frühere [X.] Tatsachen hätten sich nachträglich geändert, ist deshalb [X.] dann nicht unzulässig, wenn auf der Grundlage der für die neuerlicheSachprüfung vorgebrachten neuen Tatsachen eine Änderung der materiellenVoraussetzungen für das seinerzeit zugesprochene Recht eingetreten seinkann, d.h. wenn die neu vorgebrachten Tatsachen möglicherweise eine abwei-chende Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen, Einwendungen oder [X.] (Habscheid in [X.]. [X.] 1960, 430, 431).2. Eine solche Änderung der maßgebenden Tatsachen ist hier dargetan.a) Die sachlichen Voraussetzungen für den ausgeurteilten [X.] der Beklagten werden in § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.], diejenigen für dieUmwandlung in einen Wertersatzanspruch in § 7 Abs. 1 [X.] a.[X.] genannt.Insoweit hat sich allerdings nach dem Vorbringen der Kläger nichts geändert.b) Indem die Kläger sich in erster Linie auf einen späteren Wegfall des[X.]es gegen [X.]. berufen, aus dem die Beklagte ihre An-fechtungsberechtigung gemäß § 2 [X.] herleitet, bringen sie einerseits vor,die frühere Anfechtungsklage gegen sie sei aus heutiger Sicht unzulässig ge-wesen. Denn § 2 [X.] bestimmt, wann ein Einzelanfechtungsanspruch gericht-lich verfolgbar ist ([X.], 341, 342; [X.], Gläubigeranfechtung [X.] 2 [X.]. 1; [X.]/[X.], [X.] 8. Aufl. § 2 [X.]. I 1; vgl. [X.], 42, 45 ff).Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den Anfechtungsprozeß verfah-rensrechtlicher Natur ([X.] 1898, 480 Nr. 17, vgl. auch [X.]Z 90, 207, 209;offengelassen von Gaul, Festschrift [X.] 1990, [X.], 137 f), indem siedem Rechtsschutzbedürfnis des Anfechtungsgegners dienen ([X.] aaO § 2- 8 -[X.]. 2). Fehlt eine der in § 2 [X.] genannten Rechtsschutzvoraussetzungen,so ist eine Anfechtungsklage unzulässig ([X.] ZIP 1983, 1316, 1317;OLG [X.] NJW 1987, 71 f; [X.] aaO § 2 [X.]. 5; [X.]/[X.] aaO[X.]. II 1; vgl. [X.], 204, 209 [X.] ist der [X.]uldtitel des Gläubigers zugleich für die [X.] Vorliegens der Anfechtungsvoraussetzungen nicht ohne Bedeutung (vgl.[X.], 341, 342 f). Denn zum Rechtsgrund des [X.] ge-hört auch die - durch die anfechtbare Handlung beeinträchtigte - sachlich-rechtliche Gläubigerstellung der Beklagten gegenüber [X.]. Der [X.] ist ein Hilfs- und Nebenrecht der [X.] gegen den [X.]uldner. Sein Bestand hängt vom Bestehen die-ser Forderung mit ab ([X.] 1939, 27, 28). Das [X.] steht dem Gläubiger nur zu, wenn und soweit er eine Forderung gegenden [X.]uldner besitzt ([X.], 84, 87; [X.]/[X.], aaO Einf. II 3; vgl.[X.], 12, 13). Insoweit ist diese zugleich eine materielle Voraussetzung fürden Bestand des [X.].§ 2 [X.] soll den Anfechtungsprozeß vom Streit über das Bestehen ei-nes Anspruchs des [X.] gegen den [X.]uldner möglichst freihalten(vgl. Gaul, aaO S. 123 f, 137). Einerseits soll nicht das Gericht im [X.] selbständig prüfen müssen, ob ein solcher Hauptanspruch - hier:gemäß § 635 BGB - besteht; diese Vorfrage soll vielmehr zwischen den [X.] Berechtigten und Verpflichteten des [X.] geklärt werden.Andererseits sollen auch Einwendungen und Einreden des [X.] dagegen grundsätzlich nicht den Anfechtungsprozeß belasten ([X.]Z 55,20, 28; 90, 207, 210; [X.], Urt. v. 5. Februar 1953 - [X.], [X.] § 2 [X.]- 9 -Nr. 1; v. 26. April 1961 - [X.], NJW 1961, 1463; v. 11. [X.] - VIII ZR 168/62, NJW 1964, 1277; v. 19. November 1998 - [X.]/97,WM 1999, 33, 34; [X.], 188, 189; 68, 138, 139 m.w.N.; 96, 335, 337 f; 155,42, 45 f; [X.]/[X.] aaO § 2 [X.]. VI 2; [X.], [X.]. [X.]. 265; Gaul, aaO S. 130; [X.], [X.]., § 31 IV 3, [X.]; a.A. [X.] aaO § 2 [X.]. 34 ff; [X.] PaulusAcP 155, 277, 354 ff; [X.], [X.], 397, 398). Wäre das anders, ließensich Anfechtungsprozesse, zumal mit zunehmendem Zeitablauf und entspre-chendem Verlust von Beweismitteln, nur unter erheblich vermehrten Erschwer-nissen sowie mit immer geringer werdenden Erfolgsaussichten führen. [X.] aus Gründen einer geordneten Rechtspflege eine Vervielfältigung [X.] über denselben Anspruch vermieden werden.Daraus folgt umgekehrt, daß der gemäß § 2 [X.] vorzulegende Titel [X.] der materiellen Begründetheit für den Anfechtungsrechtsstreit im [X.] zu beiden Parteien formalisiert vorwegnimmt. Fällt er weg, hat das [X.] des [X.] - mangels eigener Prüfungskompetenz - [X.] des [X.] gegen den [X.]uldner selbst auszugehen.Der Anfechtungsanspruch gilt dann auch materiell-rechtlich als unbegründet.Im vorliegenden Fall ist der [X.] vom 15. [X.], der Grundlage für das Anfechtungsurteil war, mit der Rücknahme [X.] gegen den [X.]uldner gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos ge-worden. Damit ist zugleich der Rechtsgrund im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz [X.] für die auf das Anfechtungsurteil geleistete Zahlung der Beklagten nach-träglich weggefallen. Die Rechtskraft des Anfechtungsurteils vom 20. Mai 1994- 10 -schließt folglich die vorliegende Klage auf Rückforderung des Geleisteten nichtaus.3. Andere Gründe, die der Zulässigkeit der vorliegenden Klage entge-genstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Das angefochtene Urteil ist somitrichtig.[X.] das weitere Verfahren folgt aus den vorangegangenen Ausführun-gen, daß die Berechtigung des Rückforderungsanspruchs der Kläger nicht vonder Streitfrage der Parteien abhängt, ob der Beklagten der geltend gemachte[X.]adensersatzanspruch gegen den Architekten [X.]. nach materiellem Recht- 11 -zusteht. Vielmehr gilt als Rechtsgrund für die Zahlung der Kläger insoweit - wieausgeführt (oben [X.]) - der Bestand des Vollstreckungstitels der Beklagtengegen [X.]. Solange die Beklagte nicht einen solchen Titel beibringt, ist auchfür den Rückforderungsprozeß ohne weiteres vom Wegfall des [X.].[X.]Stodolkowitz Kirchhof Fischer Zugehör

Meta

IX ZR 285/99

02.03.2000

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2000, Az. IX ZR 285/99 (REWIS RS 2000, 2950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2950

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 91/10 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Abtretbarkeit des Rückgewähranspruchs


IX ZR 91/10 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 32/16 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzeröffnungsantrag des Gläubigers: Rechtsschutzinteresse des in einem vorangegangenen Einzelgläubigeranfechtungsprozess gegen einen Grundstückserwerber unterlegenen Gläubiger


IX ZR 252/01 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 173/09 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters trotz bereits erfolgter erfolgreicher Inanspruchnahme des Anfechtungsschuldners vor der Insolvenzverfahrenseröffnung; Geltung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.