Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2010, Az. I ZR 189/07

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6775

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[X.] durch [X.]üsse vom 11. Mai 2010 und 30. Juni 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle [X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 10. Dezember 2009 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] UWG § 4 Nr. 11, § 9 Satz 1; [X.] § 2 Abs. 5 Nr. 1, § 3 Nr. 1 lit. a; [X.] § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 7 a) Ein Darmreinigungsmittel, das seine Wirkung auf osmotischem und physika-lischem Weg erreicht, ist kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt. b) Bestimmungen, die produktbezogene Absatzverbote oder Absatzbeschrän-kungen regeln oder Informationspflichten hinsichtlich des Umgangs mit den von den Kunden erworbenen Produkten begründen, stellen regelmäßig [X.] i.S. des § 4 Nr. 11 UWG dar. c) Der Schutzzweck des § 9 UWG steht nicht dem Anspruch eines [X.] entgegen, der von demjenigen, der sich durch die Verletzung einer aus-schließlich dem Schutz der Verbraucher dienenden Marktverhaltensregelung einen Vorsprung im Wettbewerb verschafft hat, den ihm dadurch entstande-nen Schaden ersetzt verlangt. [X.], Urteil vom 10. Dezember 2009 - [X.] - [X.] - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 10. Dezember 2009 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des [X.], 3. Zivilsenat, vom 11. Oktober 2007 aufgehoben. Auf die Berufung des [X.]n wird das Urteil des [X.], Zivilkammer 15, vom 2. Februar 2006 unter Zurückwei-sung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und insge-samt wie folgt neu gefasst: 1. Der [X.] wird verurteilt, es zu unterlassen, im ge-schäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] "[X.]" ohne [X.] nach dem Medi-zinproduktegesetz in den Verkehr zu bringen. 2. Dem [X.]n wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung zu 1 Ordnungs-geld von bis zu 250.000 •, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten [X.]. 3. Es wird festgestellt, dass der [X.] verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der aus Handlungen gemäß der vorstehenden Nummer 1 entstanden ist und noch entstehen wird. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. - 3 - Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand: Der [X.], ein Apotheker, vertreibt und bewirbt eine von ihm herge-stellte Pulvermischung unter der Bezeichnung "[X.]". Das Präparat, für das keine arzneimittelrechtliche Zulassung oder Genehmigung i.S. des § 21 Abs. 1 [X.] besteht, ergibt durch Zugabe von Wasser eine trinkfähige Lösung und dient der Darmreinigung, etwa vor einer diagnostischen Untersuchung (Ko-loskopie) oder einem operativen Eingriff im Darmbereich oder zu Beginn einer Fastenwoche. 1 Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, erzeugt und vertreibt das arzneimittelrechtlich zugelassene Präparat "Klean-Prep", das ebenfalls der Darmreinigung vor diagnostischen Untersuchungen dient. Sie ist der [X.], der [X.] überschreite mit seinem Verhalten die Grenzen, die gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für den Vertrieb von in Apotheken hergestellten nicht zugelassenen [X.] bestünden. Wenn das Präparat des [X.] nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukt anzusehen wäre, [X.] es ebenfalls nicht verkehrsfähig, da es nicht mit der dann erforderlichen [X.] versehen sei. 2 - 4 - Das [X.] hat der auf Unterlassung und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des [X.]n gerichteten Klage stattgegeben. 3 Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin zuletzt beantragt, 4 [X.] dem [X.]n unter Androhung von [X.] zu verbieten, im ge-schäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] a) das Arzneimittel "[X.]", mit der Zusammensetzung wie in der Gebrauchsinformation ([X.]. [X.]) beschrieben, ohne dass der [X.] vom [X.]n in seiner Apotheke selbst synthetisiert wird, zur Verbreitung außerhalb des Versorgungsbe-reichs der Stadt Kiel ohne Zulassung gemäß § 21 Abs. 1 [X.] in den Verkehr zu bringen;
hilfsweise "[X.]" ohne [X.] nach dem Medizinproduktege-setz in den Verkehr zu bringen; b) für den Bezug von "[X.]" mit dem als [X.]age beigefügten Bestell-schreiben zu werben; I[X.] festzustellen, dass der [X.] verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der aus Handlungen gemäß der vorstehenden Ziffer [X.] ist und noch entstehen wird. Das Berufungsgericht hat die [X.] als begründet angesehen ([X.] 2008, 650 = [X.] 2008, 448). 5 Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-weisung die Klägerin beantragt, verfolgt der [X.] seinen Klageabweisungs-antrag weiter. 6 - 5 - Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsansprüche für aus §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V. mit § 21 Abs. 1 [X.] (Klage-hauptantrag zu I a) und § 3a [X.] (Klageantrag zu I b) begründet erachtet und den Schadenersatzfeststellungsantrag für gerechtfertigt angesehen (§ 9 UWG). Hierzu hat es ausgeführt: 7 Das streitgegenständliche Präparat sei, da es unter anderem zur Vorbe-reitung der Koloskopie und damit zur Erkennung beispielsweise von Darmkrebs diene, dazu bestimmt, die Beschaffenheit und den Zustand des Körpers erken-nen zu lassen. Seine damit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gegebene Arzneimit-teleigenschaft sei auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 7 [X.] ausgeschlossen; denn "[X.]" sei kein Medizinprodukt i.S. des § 3 [X.]. Als [X.] des § 4 Abs. 1 [X.] sei für sein Inverkehrbringen grundsätzlich eine Zulassung oder Genehmigung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderlich. Da beides unstreitig nicht vorliege und auch keine [X.] gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bestehe, habe der [X.] den Vertrieb des Produkts und gemäß § 3a [X.] auch die Werbung für dieses zu unterlassen. Der [X.] folge, wie das [X.] zutreffend ausgeführt habe, aus § 9 UWG. 8 I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision führt zur Abweisung der Klage, soweit sie sich gegen die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verurteilung zur Unterlassung gemäß dem Klagehauptantrag I a und dem [X.] sowie gegen die Feststellung der darauf bezogenen Schadenser-satzpflicht gemäß dem [X.] richtet (dazu unter [X.]). Dagegen erweist 9 - 6 - sich die Klage mit dem [X.] und dem hierauf bezoge-nen [X.] als begründet (dazu unter [X.] und 3). 1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass das [X.] der [X.]n kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt i.S. des § 3 Nr. 1 lit. a [X.] ist und damit gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 7 [X.] nicht den für [X.] geltenden Vorschriften wie insbesondere den § 21 Abs. 1 [X.], § 3a [X.] unterliegt, auf die die Klägerin ihre Klagehauptanträge gestützt hat. 10 a) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass es die vom [X.] vorgenommene Einordnung des streitgegenständlichen [X.] als Arzneimittel ungeachtet dessen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen hatte, dass der [X.] diese Beurteilung mit der Berufung nicht angegriffen und das Präparat im zweiten Rechtszug sogar selbst stets als Arzneimittel [X.] hat. Soweit die Revisionserwiderung gegenteiliger Ansicht ist, vernach-lässigt sie, dass es in dieser Hinsicht nicht um eine Tatsache ging, sondern um die Frage der zutreffenden Anwendung der richtigen Norm auf den zu beurtei-lenden Gegenstand. Das Berufungsgericht hatte diese Anwendung in den durch die [X.] gemäß § 528 ZPO gezogenen Grenzen nach § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO ohne Bindung an das Vorbringen des Berufungsklägers zu überprüfen (vgl. [X.], Urt. v. 25.1.2005 - XI ZR 78/04, NJW-RR 2005, 1071, 1072 f.; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 529 Rdn. 10). 11 b) Die Frage, ob das Berufungsgericht bei der Einordnung des streitge-genständlichen Präparats zu Recht von dessen pharmakologischer bzw. meta-bolischer Wirkung ausgegangen ist, kann grundsätzlich auch noch in der [X.] überprüft werden. Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber auf die Senatsentscheidung "[X.]" (Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 61/05, 12 - 7 - [X.], 830 [X.]. 26 = [X.], 1213) verweist, berücksichtigt sie nicht genügend, dass der Senat dort lediglich ausgesprochen hat, dass die Frage, ob ein Stoff eine pharmakologische Wirkung besitzt, einem empirischen Beweis zugänglich ist und deshalb keineswegs allein auf einer rechtlichen Wertung be-ruht. Der Senat hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die Beantwortung die-ser Frage - jedenfalls auch - eine rechtliche und damit gegebenenfalls in der Revision zu überprüfende Beurteilung des Sachverhalts erfordert. c) Das Präparat des [X.]n stellt ein Medizinprodukt i.S. des § 3 Nr. 1 lit. a [X.] dar. 13 [X.]) Nach dieser Bestimmung sind Medizinprodukte unter anderem Zube-reitungen aus Stoffen, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktion zum Zwecke der Erkennung oder Behandlung von Krankheiten zu dienen bestimmt sind und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologisch oder immunolo-gisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird, deren Wirkungs-weise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann. 14 bb) Das Präparat des [X.]n dient nach den getroffenen Feststellun-gen unter anderem der Darmreinigung vor diagnostischer Untersuchung (Ko-loskopie) und operativem Eingriff im Darmbereich. Es ist danach vom Hersteller insoweit zur Anwendung für Menschen mittels seiner Funktion zum Zwecke der Erkennung und Behandlung von Krankheiten zu dienen bestimmt. 15 cc) Die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Präparats des Beklag-ten besteht in der Reinigung, d.h. Entleerung des Darms. Diese Wirkung wird nach den getroffenen Feststellungen dadurch erreicht, dass der in dem [X.] - 8 - rat enthaltene Wirkstoff Macrogol aufgrund des osmotischen Drucks und über Wasserstoffbrückenbildung den Wasseranteil im Darm erhöht, dadurch der dort vorhandene Stuhl hydratisiert wird und an Volumen zunimmt, die Volumenzu-nahme einen Druck auf die Darmwand bewirkt und diese hierauf mit dem [X.] reagiert. Die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Präparats wird danach weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus, sondern auf zunächst osmotischem und sodann physikalischem Weg erreicht (vgl. Gall/Schweim, [X.] 2007, 518, 519 f. und 523 f.). Der Umstand, dass die in dem Präparat des Weiteren enthaltenen Salze in Verbindung mit Wasser eine Lösung ergeben, die dieselbe Ionenkon-zentration aufweist wie Blutplasma, hierdurch einer durch die Abführwirkung bedingten Mangelversorgung des Patienten entgegengewirkt und damit Herz-rhythmusstörungen, Muskelkrämpfen und Blutdruckproblemen vorgebeugt wird, führt - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - ebenfalls nicht aus dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 1 [X.] heraus; denn diese pharmakologische bzw. metabolische Wirkung der Salze unterstützt lediglich die auf osmotischem und physikalischem Weg erreichte bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Präparats (§ 3 Nr. 1 [X.] a.E.). [X.]) Das Präparat des [X.]n stellt ferner kein auch beim Vorliegen der Voraussetzungen eines Medizinprodukts i.S. von § 3 Nr. 1 bis 3 [X.] ge-mäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 [X.], § 2 Abs. 3 Nr. 7 [X.] als Arzneimittel zu [X.] des § 2 Abs. 1 Nr. 2 [X.] dar. Soweit es auch der Darmreinigung unmittelbar vor einer diagnostischen Untersuchung (Koloskopie) bestimmt ist, dient es noch nicht der Befunderhebung, sondern schafft erst die Voraussetzung für die Erhebung eines Befundes. 17 - 9 - 2. Bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht erweist sich der Hilfsantrag I a unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der [X.] sein Präparat erst seit dem 16. Januar 2007 mit einer [X.] vertreibt, und im Hinblick darauf, dass es sich nicht um Sonderanfertigungen i.S. des § 3 Nr. 8 [X.] handelt, als begründet (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG; vgl. [X.], [X.]. v. 17.7.2008 - I ZR 133/07, [X.], 922 [X.]. 6 = [X.], 1333 - In-vitro-Diagnostika; Urt. [X.] - I ZR 193/06, [X.], 169 = [X.], 247 [X.]. 16 und 21 - [X.]). 18 a) Die Anbringung einer [X.] an einem Medizinprodukt ist nicht deshalb entbehrlich, weil ein entsprechendes Produkt als Fertigarzneimit-tel im Wege der verlängerten Rezeptur (Defektur) gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auch ohne die bei solchen Arzneimitteln gemäß § 21 Abs. 1 [X.] grund-sätzlich erforderliche Zulassung bzw. Genehmigung im Rahmen einer beste-henden Apothekenbetriebserlaubnis abgegeben werden dürfte ([X.] [X.], 169 [X.]. 21 - [X.]). Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG steht im Streitfall ferner nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken, die gemäß ihrem Art. 4 die vollständige Harmo-nisierung der Vorschriften der Mitgliedst[X.]ten über unlautere Geschäftsprakti-ken bezweckt, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchti-gen, und mit dem [X.] zur Änderung des Gesetzes gegen den unlau-teren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 ([X.] I, [X.]) in das [X.] Recht umgesetzt worden ist, keinen dieser Vorschrift vergleichbaren [X.] kennt (vgl. [X.], Urt. v. 15.1.2009 - I ZR 141/06, [X.], 881 [X.]. 16 = [X.], 1089 - Überregionaler Krankentransport; [X.] [X.], 169 [X.]. 13 - [X.]). 19 - 10 - b) Im Schrifttum wird allerdings die Auffassung vertreten, dass die Be-schränkung auf [X.] eine zwar notwendige, nicht aber hinreichende Eingrenzung des § 4 Nr. 11 UWG darstellt. Unter Berücksichti-gung der durch diese Bestimmung geschützten, funktionsbezogen zu verste-henden Interessen könnten über sie nur solche Normen in das Lauterkeitsrecht transformiert werden, die eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion aufwiesen ([X.] in Piper/[X.]/[X.], UWG, 5. Aufl., § 4 Rdn. 11.25 m.w.[X.]). Dementsprechend stellten Zuwiderhandlungen gegen produktbezogene Ab-satzverbote und -beschränkungen ebenso wenig Verstöße gegen § 4 Nr. 11 UWG dar wie Verstöße gegen Informationspflichten, die den Umgang mit er-worbenen Produkten beträfen ([X.] [X.]O Rdn. 11/59 f. und 11/65). 20 Diese Auffassung berücksichtigt jedoch nicht genügend, dass auch bei solchen Verstößen die vor oder bei der Marktentscheidung des Kunden von seiner Seite her bestehende berechtigte und damit schutzwürdige Erwartung enttäuscht wird, ein Produkt (angeboten) zu bekommen, das den im Interesse des Kunden bestehenden gesetzlichen Bestimmungen entspricht (Münch-Komm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 58 und 187). Es kommt hinzu, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung, in der es seit dem 30. Dezember 2008 gilt, gemäß seinem § 2 Abs. 1 Nr. 1 generell alle mit der Leistungserbringung unmittelbar zusammenhängenden Verhaltensweisen vor, bei sowie auch nach einem Geschäftsabschluss erfasst (vgl. [X.] in Piper/[X.]/[X.] [X.]O § 2 Rdn. 22). Damit stünde es nicht in Einklang, wenn der Kunde als Marktteilnehmer allein im Rahmen seiner Konsumentscheidung ge-schützt würde. 21 Die im Schrifttum vertretene Ansicht meint demgegenüber, dass die vor-stehend angesprochene Form der Täuschung bei Verstößen gegen [X.] - 11 - mungen, die den Interessen der auf der [X.] stehenden Personen zu dienen bestimmt sind und keine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutz-funktion aufweisen, nach dem insoweit genaueren Maßstab der §§ 5, 5a UWG beurteilt werden sollte ([X.] in Piper/[X.]/[X.] [X.]O § 4 Rdn. 11.25). [X.] die mit dem Vertrieb nicht zugelassener Produkte im Einzelfall einher-gehende Irreführungsgefahr lasse sich präziser nach den Kriterien der §§ 5, 5a UWG beurteilen ([X.] [X.]O Rdn. 11.59). Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass insbesondere die Einordnung von Produkten in den Grenzbereichen zwischen Arzneimitteln, Medizinproduk-ten, kosmetischen Mitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, diätetischen Lebens-mitteln, neuartigen Lebensmitteln (sog. Novel Food) und sonstigen [X.] vielfach in hohem Maße umstritten und auch zweifelhaft ist. Dieser [X.], der sich auch in zahlreichen gerade in den letzten Jahren ergangenen einschlägigen Senatsentscheidungen niedergeschlagen hat, wird es häufig ver-hindern, dass sich der Verkehr von dem Status eines Produkts und den danach auf dieses anzuwendenden Bestimmungen auch nur - nach Laienart - einiger-maßen konkrete Vorstellungen machen wird oder auch nur machen kann. Dementsprechend wird es mangels konkreter Vorstellungen vielfach bereits an einer Grundlage für i.S. des § 5 UWG relevante Fehlvorstellungen mangeln. Ebenso wird, sofern keine Verpflichtung besteht, bei der Abgabe des Produkts über dessen Einordnung und die damit auf das Produkt anwendbaren Bestim-mungen zu informieren, häufig kein Raum für die Annahme sein, dass eine Irre-führung durch Unterlassen i.S. des § 5a UWG vorliegt. Dies gilt umso mehr deshalb, weil die Frage, ob im Rahmen geschäftlicher Handlungen gemachte Angaben zur Täuschung geeignet sind, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats aus der Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen sowie situationsbedingt aufmerksamen Angehörigen der angesprochenen [X.] - 12 - kehrskreise zu beurteilen ist (vgl. [X.] 156, 250, 252 f. - Marktführerschaft; [X.], Urt. v. 11.12.2003 - [X.], [X.], 605, 606 = [X.], 735 - Dauertiefpreise; Urt. v. 10.4.2007 - I ZR 57/05, [X.], 981 [X.]. 20 und 23 = [X.], 1337 - 150% Zinsbonus, jeweils m.w.[X.]). Denn dieser [X.] hat zur Folge, dass unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete An-gaben nur dann als irreführend anzusehen sind, wenn sie geeignet sind, we-sentliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise irrezuführen (vgl. [X.], Urt. v. 2.10.2003 - I ZR 252/01, [X.], 162, 163 = [X.], 225 - Mindestverzinsung; Urt. v. [X.] - I ZR 117/02, [X.], 599, 600 = [X.], 876 - [X.]; Urt. v. [X.] - [X.], [X.], 605 [X.]. 18 = [X.], 772 - Umsatzzuwachs; Urt. v. [X.], [X.], 1079 [X.]. 38 = [X.], 1346 - Bundesdruckerei). c) Die durch den vormaligen Vertrieb des mit keiner [X.] versehenen Produkts "[X.]" begründete tatsächliche Vermutung, dass der [X.] entsprechende Rechtsverstöße auch in Zukunft begehen wird, ist nicht dadurch in Fortfall geraten, dass der [X.] solche Verstöße nach den getroffenen Feststellungen seit Januar 2007 nicht mehr begangen hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 28. Aufl., § 8 Rdn. 1.39). 24 3. Der von der Klägerin mit dem [X.] verfolgte [X.] folgt aus § 9 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Der Umstand, dass die zuletzt genannte Bestimmung dem Schutz der mit Medizinprodukten in Kontakt kommenden Personen zu dienen bestimmt ist und die erwünschte freie Verkehrsfähigkeit von Medizinprodukten im [X.] Wirtschaftsraum fördern ([X.] [X.], 169 [X.]. 16 und 21 - [X.]) sowie die Tätigkeit der Überwachungsbehörden erleich-tern soll (vgl. [X.] in [X.]/Dieners, Handbuch des Medizinprodukterechts, § 8 25 - 13 - Rdn. 7), nicht dagegen den Schutz der Mitbewerber bezweckt, steht dem nicht entgegen (a.A. [X.] in [X.]/[X.] [X.]O § 9 Rdn. 1.15; [X.] in Pi-per/[X.]/[X.] [X.]O § 9 Rdn. 5; Schaffert, Festschrift für [X.], 2006, S. 845, 856 f.). Entscheidend ist insoweit, dass der Schaden, den die Klägerin hier ersetzt bekommen will, nicht außerhalb des Schutzzwecks der Anspruchs-norm des § 9 UWG liegt. Diese Vorschrift unterscheidet - ebenso wie die Be-stimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG bei der Klagebefugnis und Anspruchsbe-rechtigung der Mitbewerber in Bezug auf [X.] - nicht danach, ob der vom Wettbewerber begangene [X.]verstoß allein die Interessen der Mitbewerber, deren Interessen und zugleich die Interessen der Verbraucher oder aber allein die Interessen der Verbraucher beeinträchtigt. [X.] kann auch ein Mitbewerber von demjenigen, der sich durch die Verlet-zung einer ausschließlich dem Schutz der Verbraucher dienenden Marktverhal-tensregelung einen Vorsprung im Wettbewerb verschafft hat, gemäß § 9 UWG den ihm dadurch entstandenen Schaden ersetzt verlangen (a.[X.] [X.]O S. 856 ff.). - 14 - II[X.] [X.] beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. 26 [X.] Pokrant Schaffert
Bergmann Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 315 O 347/05 - [X.] Entscheidung vom 11.10.2007 - 3 U 127/06 - [X.]BESCHLUSS [X.] vom 11. Mai 2010 in dem Rechtsstreit Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 11. Mai 2010 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Das Senatsurteil vom 10. Dezember 2009 wird gemäß § 319 ZPO dahingehend berichtigt, dass in der zweiten Zeile der [X.]. 10 die Wörter "kein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt" durch die Wörter "ein Arzneimittel und kein Medizinprodukt" ersetzt werden. [X.] Pokrant Schaffert
Bergmann Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 315 O 347/05 - [X.] Entscheidung vom 11.10.2007 - 3 U 127/06 - [X.]BESCHLUSS [X.] vom 30. Juni 2010 in dem Rechtsstreit Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 30. Juni 2010 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Das Senatsurteil vom 10. Dezember 2009 in der Fassung des [X.] vom 11. Mai 2010 wird gemäß § 319 ZPO dahingehend berichtigt, dass die [X.] wie folgt neu gefasst wird: "1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass das Präparat des [X.]n kein Medizinprodukt i.S. des § 3 Nr. 1 lit. a [X.], sondern ein Arzneimittel ist und [X.] den für Arzneimittel geltenden Vorschriften wie [X.] den § 21 Abs. 1 [X.], § 3a [X.] unterliegt, auf die die Klägerin ihre Klagehauptanträge gestützt hat." [X.] Pokrant Schaffert
Bergmann Koch Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 315 O 347/05 - [X.], Entscheidung vom 11.10.2007 - 3 U 127/06 -

Meta

I ZR 189/07

11.05.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2010, Az. I ZR 189/07 (REWIS RS 2010, 6775)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6775

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