Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2017, Az. XII ZB 516/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14452

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:080317BXII[X.]516.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 516/16
vom

8. März 2017

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 317, 319, 321, 325 Abs. 1
In einem Betreuungs-
oder Unterbringungsverfahren ersetzt die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger nicht die notwendige Bekanntgabe an den Betroffenen persönlich.

[X.], Beschluss vom 8. März 2017 -
XII [X.] 516/16 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 8. März 2017
durch
den
Vorsitzenden Richter Dose und [X.] Klinkhammer, Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen
wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] [X.]
vom 21. Oktober 2016
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfah-rens, an das [X.]
zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Gründe:
I.
Die 44jährige Betroffene leidet an Alkoholismus, wegen dessen sie be-reits durch einstweilige Anordnung gemäß §§
10 ff. [X.] NW geschlossen untergebracht war. Nach ihrer Entlassung wurde sie mehrfach hilfebedürftig aufgefunden. Auf Antrag ihres Betreuers, des Beteiligten zu 1, hat das Amtsge-richt nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die geschlossene Un-terbringung der Betroffenen für die Dauer eines Jahres genehmigt. Das [X.] hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen; hiergegen richtet sich ihre Rechtsbeschwerde.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, bei der Betroffenen liege eine psychische Erkrankung in Form einer schweren Alkoholabhängigkeit mit einer organischen Persönlichkeitsstörung bei
gestör-tem Realitätsbezug vor. Es bestehe die Gefahr, dass sich die Betroffene ohne die Unterbringungsmaßnahme erhebliche gesundheitliche Schäden zufüge. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung vermöge die Betroffene die Notwendig-keit einer stationären Behandlung nicht zu erkennen. Sie sei nicht mehr in der Lage, ihre eigene Lebenssituation realistisch einzuschätzen, und habe auch schon suizidale Gedanken geäußert.
2. Die Entscheidungen des Amtsgerichts und des [X.] sind verfahrensfehlerhaft ergangen.
a) Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage ei-ner Entscheidung in der Hauptsache setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die [X.] des Betroffenen (§ 316 FamFG) grundsätzlich auch ihm persönlich zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzun-gen des § 325
Abs. 1 FamFG abgesehen werden (vgl. [X.]sbeschluss vom 16. September 2015 -
XII [X.] 250/15 -
FamRZ 2015, 2156 Rn. 15
mwN).
Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, wird das vorliegende Verfah-ren diesen Anforderungen nicht gerecht. Aus der Gerichtsakte lässt sich nicht ersehen, dass der Inhalt
des Gutachtens der Betroffenen in vollem Umfang [X.] gegeben worden ist, so dass diese zu den festgestellten
Indikationen und 2
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möglichen Behandlungsalternativen keine Nachfragen stellen konnte und keine ausreichende Möglichkeit hatte, durch die Erhebung
von Einwendungen und Vorhalte an die Sachverständige eine andere Einschätzung zu erreichen. Ebenso wenig enthält das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass die Betroffene durch dessen Bekanntgabe [X.] entspre-chend § 325
Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte.
Die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger ersetzt eine Bekanntgabe an die Betroffene nicht, denn der Verfahrenspfleger ist nicht [X.] Vertreter des Betroffenen ([X.]sbeschluss vom 11. Februar 2015
-
XII [X.] 48/14 -
FamRZ 2015, 918 Rn. 6 mwN). Durch eine Bekanntgabe an den Verfahrenspfleger kann allenfalls dann ein notwendiges Mindestmaß recht-lichen
Gehörs
sichergestellt werden, wenn das Betreuungsgericht von der [X.] schriftlichen Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen ent-sprechend
§
325 Abs.
1 FamFG (vgl. auch § 288 Abs. 1 FamFG)
absieht, weil zu besorgen ist, dass die Bekanntgabe die Gesundheit des Betroffenen schädi-gen oder zumindest ernsthaft gefährden werde, und die Erwartung gerechtfer-tigt ist, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht (vgl. [X.]sbeschluss vom 8. Juni 2011 -
XII [X.] 43/11 -
FamRZ 2011, 1289 Rn.
8 mwN).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
b) Weiterhin
rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass auch das [X.] es dem Verfahrenspfleger nicht ermöglicht hat, an einer

erneut durch-zuführenden

persönlichen
Anhörung der Betroffenen teilzunehmen.
aa) Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auch in einem Unterbrin-gungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Im Beschwerdeverfahren kann [X.] nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen 7
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werden, bei denen das Gericht des ersten [X.] zwingende [X.] verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den be-treffenden Teil des Verfahrens nachholen ([X.]sbeschluss vom [X.] 2016 -
XII [X.] 57/16 -
FamRZ 2016, 2092 Rn. 13 mwN).
bb) Die -
im Wege der Rechtshilfe erfolgte -
Anhörung durch das Amts-gericht ist verfahrensfehlerhaft erfolgt, weil sie stattgefunden hat,
ohne dass der erst nach dem Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung bestellte [X.] Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen.
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einer [X.] gemäß § 317 Abs. 1 Satz 1 FamFG soll die Wahrung der Belange des [X.] in dem Verfahren gewährleisten. Er soll bei den besonders schwerwiegen-den Eingriffen in das Grundrecht der Freiheit der Person nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden. Der Verfahrenspfleger ist daher vom Gericht im selben Umfang wie der Betroffene an den Verfahrens-handlungen zu beteiligen. Dies gebietet es zumindest dann, wenn das Betreu-ungsgericht bereits vor der Anhörung des Betroffenen die Erforderlichkeit einer Verfahrenspflegerbestellung erkennen kann, in [X.]n regel-mäßig, den Verfahrenspfleger schon
vor der abschließenden Anhörung des Betroffenen zu bestellen. Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Bestellung eines Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhö-rungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen [X.] kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungs-recht
zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den [X.] in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG ([X.] vom 21. September 2016 -
XII [X.] 57/16 -
FamRZ 2016, 2092 Rn.
10 mwN).
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3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die fehlerhaften Verfahrenshandlungen nicht selbst nachholen und die noch erforderlichen Fest-stellungen nicht selbst treffen kann.
Dose
Klinkhammer
Schilling

Nedden-Boeger
Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.09.2016 -
2 XVII 76/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 21.10.2016 -
I-5 T 66/16 -

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Meta

XII ZB 516/16

08.03.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2017, Az. XII ZB 516/16 (REWIS RS 2017, 14452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14452

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XII ZB 516/16

XII ZB 250/15

XII ZB 48/14

XII ZB 43/11

XII ZB 57/16

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