Bundesgerichtshof, Zwischenurteil vom 23.04.2013, Az. X ZR 169/12

10. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6428

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Aufnahme des durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Patentinhabers unterbrochenen Patentnichtigkeitsverfahrens - Aufnahme des Patentnichtigkeitsverfahrens


Leitsatz

Aufnahme des Patentnichtigkeitsverfahrens

Das durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Patentinhabers unterbrochene Patentnichtigkeitsverfahren betrifft im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse und kann daher sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Kläger aufgenommen werden.

Tenor

Der Rechtsstreit ist aufgenommen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die [X.].[X.] mit Sitz in [X.]    war Inhaberin des [X.] 066 ([X.]). Das Patentgericht hat auf die Nichtigkeitsklage der [X.] das Streitpatent mit Urteil vom 16. Oktober 2008 teilweise für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Am 9. Dezember 2008 ist über das Vermögen der Patentinhaberin in [X.] das Konkursverfahren als Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden.

2

Gegen die teilweise Klageabweisung richtet sich die am 23. Dezember 2008 eingelegte und am 16. April 2009 begründete Berufung der [X.]. Der (nunmehr beklagte) Konkursverwalter hat das Streitpatent übertragen; die Erwerberin ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten.

3

Die [X.] haben die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt, nachdem der Verwalter das parallel geführte Verletzungsverfahren aufgenommen, aber die Aufnahme des [X.] abgelehnt hat.

Entscheidungsgründe

4

Der Rechtsstreit ist von den Klägerinnen nach Art. 15 EuInsVO [X.]. § 99 Abs. 1 [X.], §§ 250, 240 Satz 1 ZPO, § 86 Abs. 1 Nr. 1 [X.] wirksam aufgenommen worden.

5

1. Das Patentnichtigkeitsverfahren ist durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der [X.]n in [X.] gem. Art. 15 EuInsVO [X.]. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden.

6

2. Ob die Klägerinnen den Rechtsstreit wirksam aufgenommen haben, richtet sich nach [X.] Recht. Ebenso wie für die Auswirkung des [X.] Konkursverfahrens auf den vor [X.] Gerichten anhängigen Rechtsstreit ist auch für die Frage, wer zur Aufnahme des Rechtsstreits befugt ist, nach Art. 15 EuInsVO die lex fori und nicht die lex loci concursus maßgeblich ([X.]/Mäsch, [X.], 2010, Art. 15 EuInsVO Rn. 1 ff.; [X.], [X.], 2010, Art. 15 EuInsVO Rn. 6; Pannen/[X.], [X.], 2007, Art. 15 EuInsVO Rn. 11 f.; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl. 2012, § 352 Rn. 9). Die Aufnahme des Verfahrens richtet sich damit nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften.

7

3. Gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist die Aufnahme des Rechtsstreits wirksam. Denn das Patentnichtigkeitsverfahren ist eine Rechtsstreitigkeit, die die Aussonderung eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse betrifft und damit als Passivprozess außer durch den Insolvenzverwalter auch vom Gegner aufgenommen werden kann.

8

a) Ob dem aus einem Patent in Anspruch genommenen Verletzer in der Insolvenz des [X.] hinsichtlich des die Klagegrundlage bildenden Patents entsprechend § 47 [X.] ein Aussonderungsrecht zuzubilligen ist und er demzufolge zur Aufnahme eines unterbrochenen Patentnichtigkeitsverfahrens befugt ist, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden (offengelassen in [X.], Urteil vom 13. Oktober 2009 - [X.], [X.], 861 Rn. 29 - Schnellverschlusskappe).

9

Hierzu wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass dem Kläger für den Fall der Insolvenz des [X.] die Möglichkeit der Aufnahme des Patentnichtigkeitsverfahrens gegeben werden müsse, wenn er vom Insolvenzverwalter aus dem Streitpatent in Anspruch genommen werde. Das Patent könne Gegenstand der Aussonderung sein, wenn mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht werde, dass dem Streitpatent die [X.] fehlten und das Schutzrecht deshalb nicht zur Masse gehöre (Keukenschrijver/[X.], Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Aufl. 2011, Rn. 495). Mit entsprechenden Erwägungen hat das [X.] für das Einspruchsverfahren die Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bejaht (B[X.], Beschluss vom 2. Februar 2012 - 23 W (pat) 339/05 Rn. 45, Z[X.] 2012, 1090).

b) Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Gegenstand des in § 86 [X.] geregelten [X.] sind Streitigkeiten über Ansprüche gegen den Schuldner, die unmittelbar auf eine Minderung der Teilungsmasse abzielen ([X.], [X.], 13. Aufl. 2010, § 86 Rn. 3). Damit ist bei einem Passivprozess entscheidend, ob den [X.] eine Minderung der Teilungsmasse droht. Aus diesem Grund kann eine negative Feststellungsklage, mit der der Kläger die Feststellung des Nichtbestehens eines vom Schuldner in Anspruch genommenen Rechts begehrt, ein Teilungsmassestreit sein ([X.]/[X.], [X.], 5. Aufl. 2012, § 86 Rn. 4; Jaeger/[X.], [X.], 2007, § 86 Rn. 6; HK/[X.], [X.], 6. Aufl. 2011, § 86 Rn. 6; Nerlich/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 24. ErgLf. 2012, § 86 Rn. 4; [X.] aaO Rn. 1 mwN). Ebenso betrifft eine gegen den Insolvenzschuldner gerichtete, auf ein gewerbliches Schutzrecht gestützte Unterlassungsklage nach verbreiteter Auffassung nach ihrem sachlichen Gehalt einen Aussonderungsanspruch und unterfällt damit § 86 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ([X.], [X.] 1977, 38, 51; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2011, § 86 Rn. 3; [X.]/[X.] aaO § 86 Rn. 4; Jaeger/[X.] aaO Rn. 13, 16; Nerlich/[X.]/[X.]/[X.] aaO Rn. 4; [X.] aaO Rn. 8; s. auch HK/[X.] aaO Rn. 8; differenzierend [X.].[X.]/[X.], 2. Aufl. 2007, § 86 Rn. 15). Der [X.] hat demgegenüber zwar eine den Gläubiger nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zur Aufnahme berechtigende Masseverbindlichkeit angenommen ([X.], Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, [X.], 536 - Modulgerüst II). Er hat dies aber damit begründet, dass die Verwirklichung des Verletzungstatbestands nicht dazu führe, dass die Produkte nicht zur Insolvenzmasse gehörten. Gerade hierum geht es aber, nicht anders als bei der negativen Feststellungsklage, bei der [X.]. Die Klage, mit der der vom Insolvenzverwalter als Verletzer in Anspruch Genommene die mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstands des Patents geltend macht, entzieht im Falle ihres Erfolges das Patent und die auf das Patent gestützten Ansprüche gegen den Verletzer als Vermögensrechte der Teilungsmasse. Sie tritt damit auch an die Stelle einer negativen Feststellungsklage, mit der eine vom Schuldner als Verletzer in Anspruch genommene [X.] das Nichtbestehen solcher Ansprüche wegen Patentverletzung geltend macht. Denn da das Bestehen solcher Ansprüche im [X.] nicht mit der Begründung geleugnet werden kann, dem Gegenstand des Patents fehle die Patentfähigkeit, wird das Ziel eines solchen Feststellungsbegehrens mit der erfolgreichen [X.] erreicht, die sämtlichen aus dem Patent abgeleiteten Ansprüchen des Schuldners die Grundlage entzieht und damit die Teilungsmasse mindert.

4. Der Entscheidung über die Wirksamkeit der Aufnahme durch Zwischenurteil steht nicht entgegen, dass die Berufung, wie der [X.] und seine Streithelferin meinen, ohnedies als unzulässig zu verwerfen wäre. Einlegung und Begründung der Berufung durch die Klägerinnen sind nicht nach § 249 Abs. 2 ZPO unwirksam, weil sie während der [X.] der Unterbrechung vorgenommen worden sind. Denn die Vorschrift ist allein auf Prozesshandlungen anzuwenden, die dem Gegner gegenüber vorzunehmen sind, nicht aber auf die Einlegung eines Rechtsmittels bei Gericht ([X.], Urteil vom 30. September 1968 - [X.], [X.]Z 50, 397, 400; Urteil vom 21. Juni 1995 - [X.], NJW 1995, 2563; Urteil vom 16. Januar 1997 - [X.], NJW 1997, 1445). Ob es an einer wirksamen Zustellung der Berufungs- sowie der [X.] gefehlt hat, kann offenbleiben, da der [X.] jedenfalls gemäß § 295 ZPO auf die Rüge des Mangels verzichtet hat, indem er in der mündlichen Verhandlung die Zurückweisung der Berufung beantragt und damit zur Sache verhandelt hat.

[X.]                         Grabinski

                   Hoffmann                       Deichfuß

Meta

X ZR 169/12

23.04.2013

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Zwischenurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 16. Oktober 2008, Az: 3 Ni 30/06 (EU), Urteil

§ 250 ZPO, § 240 S 1 ZPO, § 86 Abs 1 Nr 1 InsO, § 99 Abs 1 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Zwischenurteil vom 23.04.2013, Az. X ZR 169/12 (REWIS RS 2013, 6428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6428

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 169/12 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 2/12 (Bundesgerichtshof)

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften: Internationale Zuständigkeit für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner …


IX ZR 2/12 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 103/07 (Bundesgerichtshof)


X ZR 79/06 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.