Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2010, Az. 5 StR 410/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1537

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5 [X.] [X.]BESCHLUSS vom 10. November 2010 in der [X.] gegen - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 10. November 2010 beschlossen: Das Verfahren ruht bis zur Erledigung des mit Anfragebe-schluss des Senats vom 9. November 2010 [X.] 5 StR 394, 440 und 474/10 [X.] eingeleiteten Verfahrens nach § 132 [X.]. Bis dahin werden die Akten an das [X.] zur Fortführung der nach § 67e Abs. 1 Satz 1, § 67d Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 StGB gebotenen Überprüfungen zurückgege-ben. G r ü n d e
1 Gegen den Verurteilten wird die Maßregel der Unterbringung in der [X.] aus dem Urteil des [X.] vom 25. Februar 1985 vollstreckt, in dem gegen ihn u. a. wegen tateinheitlicher se-xueller Nötigung und räuberischer Erpressung eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren verhängt worden war. Seit dem 7. Dezember 1992 wird die Sicherungs-verwahrung vollzogen. Nach Rechtskraft des Urteils des [X.] für [X.] vom 17. Dezember 2009 ([X.], 25), das die rückwirkende Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des [X.] von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 ohne Beachtung der nach § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. bei Tatzeit geltenden Höchstfrist von zehn Jahren für die Dauer der ersten Unter-bringung in der Sicherungsverwahrung als Verstoß gegen die [X.] wertet, hat 2 - 3 - der Verurteilte die Anordnung der Erledigung der Maßregel beantragt. Das [X.], das die Fortdauer der Maßregelvollstreckung zuletzt im Juli 2009 unter Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens überprüft hatte, hat diesen Antrag am 23. Juli 2010 abgelehnt. Das Oberlan-desgericht Köln möchte die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten verwerfen. Im Blick auf entgegenstehende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, die im [X.] an das Urteil des [X.] der Unterbringung in der Siche-rungsverwahrung eine abweichende Regelung von der grundsätzlich geltenden Rückwirkung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB angenommen haben, hat es die Sache dem [X.] gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 [X.] vorgelegt. 3 Beim Senat sind bislang 15 gleichartige Vorlegungsverfahren anhängig. Mit zur [X.] in BGHSt bestimmtem [X.] vom 9. November 2010 [X.] 5 StR 394, 440 und 474/10 [X.] hat der Senat, der eine rückwirkende Anwendbarkeit des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB n.F. grundsätzlich bejaht, wegen von seiner Auffassung zur Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB diver-gierender Rechtsprechung des 4. Strafsenats des [X.] zur iden-tischen Rechtsfrage bei Auslegung des § 66b StGB und wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Rechtsfrage das Verfahren nach § 132 [X.] eingeleitet. [X.] hat der Senat § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB n.F. allerdings weiter einschrän-kend dahin ausgelegt, dass in [X.] die erstmalige Unterbringung in der [X.] nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären ist, sofern nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbre-chen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des [X.] abzuleiten ist (Leitsatz 2 des genannten Beschlusses). Bei diesem Maßstab kommt nur in Ausnahmefällen auch eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung in Betracht (§ 67d Abs. 2 StGB). - 4 - Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 [X.] hat der Senat in den drei Verfahren, die Gegenstand der Anfrage sind, die Akten den vorlegenden Oberlandesgerichten zurückgegeben. Die Parallelverfahren, die wegen mögli-cher identischer Entscheidungserheblichkeit des [X.] bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 [X.] zu ruhen haben, sind in gleicher Weise zu behandeln. 4 1. Das Verfahren nach § 132 [X.] [X.] und damit das anzuordnende Ru-hen der [X.] wird voraussichtlich mehrere Monate andauern. [X.] dieser Zeit wird die Unterbringung gegen die Verurteilten weiterhin voll-streckt, der Eingriff in das [X.], dessen Zulässigkeit in den [X.] in Zweifel steht, mithin stetig weiter vertieft. Dies erfordert, dass die Oberlandesgerichte bereits vor Klärung der [X.] aktuell unabhängig von ihr zu überprüfen haben, ob die Freiheitsentziehung gegen den Verurteilten zu beenden oder die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist. Die Prüfung hat den vorstehend bezeichneten, für die Oberlandesgerichte we-gen der ausschließlichen Zuständigkeit des Senats nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 [X.] verbindlichen Maßstäben zu folgen. 5 Geboten ist eine neue Sachentscheidung nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB aus Anlass des Urteils des [X.] für Menschenrechte. Ihr ist ein aktuelles Sachverständigengutachten zugrunde zu legen (§ 463 Abs. 3 Satz 4 StPO), das sich an den engeren Kriterien zu Verhältnismäßigkeit und Gefahrenbegriff zu orientieren hat. 6 2. Im vorliegenden Fall ist zunächst insbesondere das Gebot einer aktu-ellen Begutachtung und Sachentscheidung zu beachten: Der Vorlagebeschluss stützt sich auf die vom [X.] im Fortdauerbeschluss vom 9. [X.] 2009 gestellte Gefährlichkeitsprognose. Vor dem Hintergrund einer nunmehr seit rund 18 Jahren vollstreckten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bestehen Bedenken, ob die erhöhten Anforderungen an eine weitere Fortdauer 7 - 5 - der Maßregelvollstreckung noch zu bejahen sein werden, zumal sich in dem [X.] im [X.] insoweit wörtlich wiedergegebenen [X.] letzten Fort-dauerbeschluss des [X.] bereits die Möglichkeit gefährlich-keitsverringernder Entwicklungen beim Untergebrachten andeutet. 3. Für den Fall, dass die aktuelle Sachprüfung auch unter Zugrundele-gung der Grundsätze konkreter höchster Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit eine weitere Vollstreckung der Maßregel unerlässlich erscheinen lässt, weist der Senat auf Folgendes hin: 8 a) Auf etwa während des [X.] einschließlich des [X.] nach § 132 [X.] auftretende neue Entwicklungen, die für die Beurtei-lung der Gefährlichkeit des Verurteilten bedeutsam sein können, muss unver-züglich mit einer neuen Sachprüfung der Unerlässlichkeit weiterer Freiheitsent-ziehung reagiert werden. 9 10 b) Es ist denkbar, dass die Prüfung im Verfahren nach § 132 [X.] ent-gegen dem Votum des erkennenden Senats zum Ergebnis genereller Unzuläs-sigkeit weiterer Maßregelvollstreckung gelangt. Dies zöge die sofortige Entlas-sung aller betroffenen Untergebrachten nach sich. Im Hinblick darauf ist eine vorsorgliche Vorbereitung sofort umsetzbarer, im [X.] angezeigter [X.] insbesondere fürsorglicher [X.] Maßnahmen zwingend geboten, die einer sozia-len Gefährdung entlassener Verurteilter und einer damit einhergehenden Ge- - 6 - fährdung der Allgemeinheit entgegenzuwirken vermögen. Durch eine unvorbe-reitete Eilentlassung würde diesen Gefahren Vorschub geleistet. Auf geeignete Maßnahmen hinzuwirken, ist auch Aufgabe der im Erledigungsverfahren tätigen Vollstreckungsgerichte sowie der vorlegenden Oberlandesgerichte.
[X.]Brause

Schaal Schneider [X.]

Meta

5 StR 410/10

10.11.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.11.2010, Az. 5 StR 410/10 (REWIS RS 2010, 1537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1537

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