Bundessozialgericht, Urteil vom 28.05.2019, Az. B 1 A 1/18 R

1. Senat | REWIS RS 2019, 6806

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Gegenstand

Krankenversicherung - Gewährung von zusätzlichen Satzungsleistungen - Koppelung an ungekündigte Mitgliedschaft ist rechtswidrig


Leitsatz

Krankenkassen dürfen die Gewährung von zusätzlichen Satzungsleistungen nicht an eine ungekündigte Mitgliedschaft knüpfen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. März 2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 50 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Genehmigung einer Satzungsänderung.

2

Die klagende, bundesweit zuständige Krankenkasse ([X.]) regelt in ihrer Satzung als [X.] konzipierte Gestaltungsleistungen. [X.] § 12 Abs VIII S 1 und 2 der Satzung lautet: "Die B[X.] Wirtschaft und Finanzen gewährt ihren Versicherten Leistungen gemäß § 11 Abs 6 [X.]. Die Kostenerstattung muss dabei jeweils bis zum 31. März des Folgejahres beantragt werden. (…)". Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss als 29. Nachtrag zur Satzung ua Ziff 4 Buchst a zu [X.] § 12 Abs VIII [X.] (21.6.2016). Danach sollten in [X.] nach den Worten "beantragt werden" die Worte "und ist an eine ungekündigte Mitgliedschaft geknüpft" eingefügt werden. Die Änderung sollte am Tag nach der Bekanntmachung in [X.] treten (Ziff 10 zu [X.]I). Die beklagte [X.], vertreten durch das [X.] ([X.]), genehmigte den beschlossenen übrigen 29. Nachtrag zur Satzung, lehnte es aber ab, die Ergänzung in Ziff 4 Buchst a zu [X.] § 12 Abs VIII [X.] zu genehmigen: Die geplante Satzungsänderung sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 11 Abs 6 [X.] nicht gedeckt. Die Klägerin müsse zusätzliche Leistungen allen Versicherten unabhängig von ihrem mitgliedschaftsrechtlichen Status gewähren (Bescheid vom [X.]). Während des Klageverfahrens hat der Verwaltungsrat der Klägerin den 30. Nachtrag zur Satzung beschlossen. Danach sollte ua in [X.] § 12 Abs VIII [X.] nach den Worten "beantragt werden" die Worte "und ist zum Zeitpunkt der Antragstellung an eine ungekündigte Mitgliedschaft geknüpft" eingefügt werden (Ziff 4). Die Änderung sollte am 1.1.2017 in [X.] treten (Ziff 16 zu [X.]I; 8.12.2016). Die Beklagte lehnte es ebenfalls ab, diesen Teil des 30. Nachtrags zur Satzung zu genehmigen (Bescheid vom 16.1.2017). Das [X.] hat die Klage abgewiesen, gerichtet auf Genehmigung von Ziff 4 Buchst a zu [X.] § 12 Abs VIII [X.] in der beschlossenen Fassung des 29., hilfsweise des 30. Nachtrags zur Satzung: Die beabsichtigte Koppelung von zusätzlichen Leistungen gemäß § 11 Abs 6 [X.] an eine ungekündigte Mitgliedschaft sei mit zwingendem Recht nicht vereinbar. § 19 [X.] regele die Auswirkungen der Beendigung der Mitgliedschaft auf die Leistungsansprüche Versicherter abschließend (Urteil vom 20.3.2018).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 11 Abs 6 und § 19 [X.]. Die geplante Satzungsergänzung sei zu genehmigen. Sie regele nicht das Erlöschen von Leistungsansprüchen, sondern als weitere Voraussetzung für die Gewährung von Zusatzleistungen die ungekündigte Mitgliedschaft im Zeitpunkt der Antragstellung.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 20. März 2018 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 29. Juli 2016 und 16. Januar 2017 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, Ziff 4 Buchst a zu [X.] § 12 Abs VIII [X.] in der beschlossenen Fassung des 29. Nachtrags der Satzung zu genehmigen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 20. März 2018 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 29. Juli 2016 und 16. Januar 2017 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, Ziff 4 Buchst a zu [X.] § 12 Abs VIII [X.] in der beschlossenen Fassung des 30. Nachtrags der Satzung zu genehmigen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der klagenden [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Recht hat das [X.] die zulässige Klage (dazu 1.) abgewiesen. Die [X.] ist nicht verpflichtet, die beantragten Satzungsänderungen der Klägerin zu genehmigen. Die [X.] lehnte deren Genehmigung rechtmäßig ab. Sie stehen nicht mit höherrangigem Recht in Einklang (dazu 2.).

8

1. Der Senat kann offenlassen, ob es sich bei der Klage um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG) oder um eine Aufsichtsklage (§ 54 Abs 3 SGG) handelt. Im Verhältnis zum Versicherungsträger ist die begehrte Genehmigung ein Verwaltungsakt (stRspr, vgl zB [X.]-2200 § 700 [X.]; [X.], 95 = [X.]-2500 § 44 [X.], Rd[X.]2; [X.], 230 = [X.]-2500 § 53 [X.], Rd[X.]0; [X.], 236 = [X.]-2500 § 11 [X.], Rd[X.] 9 mwN). Auch mit der Aufsichtsklage kann die Vornahme einer begünstigenden Aufsichtsanordnung begehrt werden, nämlich die Erteilung einer beantragten Satzungsgenehmigung, wenn die Aufsichtsbehörde dies abgelehnt hat und der Versicherungsträger geltend macht, dass er auf die Vornahme dieses Akts einen Rechtsanspruch habe (stRspr, vgl zB [X.], 72, 73 = [X.]-2500 § 241 [X.]; [X.], 95 = [X.]-2500 § 44 [X.], Rd[X.]1; [X.], 230 = [X.]-2500 § 53 [X.], Rd[X.] 9; [X.], 236 = [X.]-2500 § 11 [X.], Rd[X.] 8; [X.], 207 = [X.]-2400 § 35a [X.], Rd[X.] 9). So liegt es hier.

9

Das [X.] hat auch rechtmäßig die Ablehnung der [X.]n, einen Teil des 30. Nachtrags der beschlossenen Satzungsänderung zu genehmigen, in das Klageverfahren einbezogen (vgl § 96 Abs 1 SGG idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom [X.], [X.], mWv 1.4.2008).

2. Die [X.] ist nicht verpflichtet, die beantragten Satzungsänderungen zu genehmigen. Nach § 195 Abs 1 [X.] bedarf die Satzung einer [X.] der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Dies gilt auch für Satzungsänderungen. Ist eine verfahrensmäßig ordnungsgemäß zustande gekommene Satzungsänderung mit höherrangigem Recht vereinbar, besteht nach § 195 Abs 1 [X.] ein Anspruch auf die Genehmigung (stRspr, vgl zB [X.], 95 = [X.]-2500 § 44 [X.], Rd[X.]2; [X.], 199 = [X.]-2500 § 53 [X.], Rd[X.]1; [X.], 230 = [X.]-2500 § 53 [X.], Rd[X.]0; [X.], 236 = [X.]-2500 § 11 [X.], Rd[X.] 9). Die Satzung darf Leistungen nur vorsehen, soweit das [X.] sie zulässt (§ 194 Abs 2 [X.] [X.]). Daran fehlt es. Die nach dem Gesamtzusammenhang der [X.]-Feststellungen (§ 163 SGG) dem Verfahren nach ordnungsgemäß beschlossenen Ergänzungen des Art I § 12 Abs VIII [X.] genügen indes nicht den Anforderungen des § 11 Abs 6 S 1 und [X.] [X.] (idF durch Art 3 [X.] Buchst b Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vom 23.10.2012, [X.] 2246 mWv 30.10.2012). Danach kann die [X.] in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen [X.] nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Abs 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Abs 1 S 1), mit Heilmitteln (§ 32) und Hilfsmitteln (§ 33), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln.

Die beschlossenen Satzungsbestimmungen sind nach Wortlaut (dazu a), Entstehungsgeschichte (dazu b), Regelungssystem (dazu c) und -zweck (dazu d) nicht von der Ermächtigung des § 11 Abs 6 S 1 und 2 [X.] zum Erlass von Satzungsbestimmungen (zu diesem Erfordernis vgl [X.], 227, 231 = [X.]-2500 § 194 [X.] S 5; [X.], 179 = [X.]-2500 § 194 [X.], Rd[X.]8 f) gedeckt. Die Satzungsergänzungen fordern unzulässig für eine Kostenübernahme für zusätzliche Leistungen, dass eine ungekündigte Mitgliedschaft besteht oder hilfsweise zum Zeitpunkt der Antragstellung besteht.

a) Schon der Wortlaut des § 11 Abs 6 S 1 und 2 [X.] lässt es nicht zu, [X.] von einer ungekündigten Mitgliedschaft abhängig zu machen. Die Regelung gestattet es lediglich, in der Satzung "zusätzliche Leistungen … vorzusehen". Das Gesetz beschränkt die Regelungskompetenz des [X.] auf "zusätzliche" Leistungen (vgl [X.], 236 = [X.]-2500 § 11 [X.], Rd[X.]2). Es ermächtigt nicht dazu, zusätzliche Leistungen statusabhängig nur für den Teil der Versicherten vorzusehen, der seine Mitgliedschaft nicht gekündigt hat. Die Ausgestaltung der Leistungen hat vielmehr sachbezogen zu erfolgen. In diesem Sinne sieht § 11 Abs 6 [X.] [X.] in Einklang mit § 194 Abs 1 [X.] 3 [X.] vor, dass die Satzung "insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang" der zusätzlichen Leistung bestimmen muss. Die "Dauer (…) der Leistung" betrifft hierbei ihren zeitlichen Umfang. Die Formulierung "insbesondere" eröffnet nicht die Möglichkeit, statusabhängige Regelungen zu treffen.

b) Die Entstehungsgeschichte unterstreicht ebenfalls, dass die Ermächtigung zu Gestaltungsleistungen kraft Satzung nicht die Möglichkeit statusabhängiger Regelungen umfasst. Die Gesetzesmaterialien heben hervor, dass eine Differenzierung zwischen Versicherten nicht gewollt war. Es sollte vielmehr um Leistungen gehen, die eine [X.] zusätzlich zum allgemeinen Leistungsangebot der [X.] "[X.] ihren Versicherten" gewähren könne (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines [X.]-Versorgungsstrukturgesetzes - [X.]-VStG, BT-Drucks 17/6906 [X.], Zu [X.] <§ 11>, [X.]; vgl auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl 2018, § 11 Rd[X.] 37).

c) Das Regelungssystem unterstreicht dieses Ergebnis. Grundsätzlich legt das Gesetz selbst die Leistungen der [X.] fest (§§ 11 ff [X.]), mag sich der konkrete [X.] des Versicherten (vgl dazu [X.], 10 = [X.]-2500 § 13 [X.] 32, [X.]) auch erst in seiner Reichweite und Gestalt aus dem Zusammenspiel mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen ergeben (vgl dazu [X.], 10 = [X.]-2500 § 13 [X.] 32, Rd[X.] 8 mwN; [X.], 236 = [X.]-2500 § 11 [X.], Rd[X.]; [X.], 1 = [X.]-2500 § 27 [X.]9, Rd[X.]1; BSG [X.]-2500 § 137c [X.]0 Rd[X.]2 und BSG [X.]-2500 § 137e [X.] Rd[X.]0, beide auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Soweit die einzelne [X.] selbst ausnahmsweise Leistungen ausgestalten darf, will der Gesetzgeber damit keinen Freibrief ausstellen, um ein gesetzesunabhängiges Leistungsrecht kraft Satzung zu schaffen. Der Satzungsgeber hat aufgrund gesetzlicher Öffnungen für Gestaltungsleistungen vielmehr jeweils nur ein begrenztes, vom Gesetz eröffnetes Gestaltungsfeld. Grundlegende Umgestaltungen bleiben dem Gesetzgeber vorbehalten (vgl zum Ganzen [X.], 236 = [X.]-2500 § 11 [X.], Rd[X.] mwN; [X.], 179 = [X.]-2500 § 194 [X.], Rd[X.]9). Um eine solche grundlegende Umgestaltung handelt es sich jedoch, wenn die Klägerin den Anspruch auf eine Satzungsleistung generell von einer ungekündigten Mitgliedschaft oder speziell von einer solchen im Zeitpunkt der Antragstellung auf Kostenerstattung abhängig machen will.

Das Regelungsziel der Satzungsänderungen, "Mitnahmeeffekte" zu verhindern, die entstehen, wenn Versicherte einmalig gewährte Zusatzleitungen in Anspruch nehmen und anschließend kündigen, verstößt gegen die abschließend gesetzlich geregelten Vorgaben des Kassenwahlrechts Versicherter (vgl § 175 [X.]). Weder die bisherige noch die gewählte [X.] darf die Wahl gesetzeswidrig erschweren oder unterlaufen (vgl zur Einfügung eines Abs 2a in § 175 [X.] durch Art 1 [X.] 64 Buchst b [X.]-VStG, um der Beeinflussung der Wahl einer [X.] durch die abgebende oder die aufnehmende [X.] oder durch Dritte stärker entgegenzutreten, Gesetzentwurf der Bundesregierung eines [X.]-VStG, BT-Drucks 17/6906 [X.], Zu [X.] 64 <§ 175>). Die Voraussetzungen für eine Kündigung regelt das Gesetz zwingend und vollständig (vgl § 175 Abs 4 [X.]). Die Pflichten der betroffenen [X.]n beschränken sich nicht etwa nur auf zutreffende vollständige Informationen über die Kündigungsmöglichkeiten und die Beiträge und Leistungen wählbarer [X.]n (vgl zu diesen [X.], vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit einklagbaren Rechten zB §§ 14 und 15 [X.] und hierzu [X.] 113, 114 = [X.]-1500 § 54 [X.] 33, Rd[X.]3 mwN) sowie die erforderlichen Mitwirkungshandlungen (vgl zB Ausstellen einer Kündigungsbestätigung, § 175 Abs 4 S 3 [X.]). Die [X.]n dürfen vielmehr die Wahlrechte auch nicht dadurch beschränken, dass sie Gestaltungsleistungen von der Nichtausübung von [X.] abhängig machen. § 11 Abs 6 [X.] sieht nicht vor, durch die Satzung gleichsam Wahltarife für Mitglieder einzuführen, die ihre Kündigungsrechte nicht ausüben (vgl auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl 2018, § 11 Rd[X.] 37; Grötschel in [X.]/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 11 [X.] Rd[X.]; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl 2018, § 11 [X.] Rd[X.]8; Peick in [X.], Handbuch des [X.], 3. Aufl 2018, § 10 Rd[X.]b).

Die Ausübung von [X.] lässt nach dem gesetzlichen Regelungssystem Leistungsrechte des [X.] unberührt. Das [X.] kennt keine Regelungen, die die Entstehung oder den Fortbestand von Leistungsansprüchen an eine ungekündigte Mitgliedschaft knüpfen. Erst der [X.] des Versicherten lässt Ansprüche erlöschen. Grundsätzlich erlischt der Anspruch auf Leistungen mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit keine abweichenden Bestimmungen entgegenstehen (vgl § 19 Abs 1 [X.] idF durch Art 1 [X.] 3 [X.]-VStG vom 22.12.2011, [X.] 2011, 2983 mWv 1.5.2011). Die Norm findet auch bei einem [X.] Anwendung (vgl [X.], 102 = [X.]-2500 § 19 [X.] 4, Rd[X.]2 mwN; [X.] 111, 168 = [X.]-2500 § 31 [X.]2, Rd[X.] 9). Die Regelung der nachgehenden Leistungsansprüche 19 Abs 2 und 3 [X.]) schiebt diese Rechtsfolge um längstens einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft hinaus. § 19 Abs 1a [X.] trifft Sonderregelungen zur Fortgeltung von Leistungsentscheidungen der früheren [X.] für den Fall des [X.]-Wechsels aufgrund einer Schließung oder Insolvenz der [X.]. Die Leistungspflicht der [X.] für eine konkrete Behandlungsmaßnahme hängt allein von der Mitgliedschaft im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung ab ([X.], vgl zB [X.], 102 = [X.]-2500 § 19 [X.] 4, Rd[X.]2; [X.] 108, 206 = [X.]-2500 § 33 [X.] 34, [X.] und Rd[X.]0; BSG [X.]-2500 § 19 [X.] 9 Rd[X.]5). Dementsprechend führt § 19 Abs 1 [X.] nach seinem Sinn und Zweck bei einem [X.]-Wechsel nur zum Erlöschen der Naturalleistungspflicht der früheren [X.] (vgl [X.] 108, 206 = [X.]-2500 § 33 [X.] 34, Rd[X.] 9 ff), nicht jedoch zum Erlöschen bereits entstandener Geldleistungsansprüche wie etwa einem Anspruch auf Kostenerstattung für eine durch die bisherige [X.] zu Unrecht abgelehnte und vom Versicherten selbst beschaffte Leistung (vgl [X.] 111, 168 = [X.]-2500 § 31 [X.]2, Rd[X.] 9 mwN; vgl auch [X.], 32 = [X.]-3250 § 17 [X.] 4, Rd[X.]6 für die Kostenerstattung bei Bewilligung eines persönlichen Budgets; vgl allgemein auch [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung, [X.], [X.], Stand Januar 2019, § 13 [X.] Rd[X.] 82 ff mwN). [X.] gilt für entstandene Ansprüche aufgrund gewillkürter oder als Zusatzleistung konzipierter Kostenerstattung für Leistungen, bei denen im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung Versicherungsschutz bestand. Solche Ansprüche entstehen im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung.

Ansprüche auf gebundene Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (vgl § 40 Abs 1 [X.]). Inwieweit die für das Verfahren notwendige Antragstellung zu den materiellen Anspruchsvoraussetzungen gehört, ist jeweils im Wege der Auslegung der Leistungsnorm zu ermitteln. Allerdings entscheidet die [X.] über den Anspruch eines Versicherten grundsätzlich auf Antrag (§ 19 S 1 [X.]V) durch Verwaltungsakt (vgl zum Grundsatz zB [X.], 122 = [X.]-2500 § 42 [X.], Rd[X.]1; [X.] 113, 231 = [X.]-2500 § 40 [X.] 7, Rd[X.]0; BSG [X.]-2500 § 140 [X.] Rd[X.]1 mwN). Dabei hat der Antrag teilweise eine Doppelfunktion als Verfahrenshandlung und als materiell-rechtliche Voraussetzung (stRspr, vgl zB [X.] 96, 161 = [X.]-2500 § 13 [X.] 8, Rd[X.]4; [X.], 122 = [X.]-2500 § 42 [X.], Rd[X.]1; [X.], 251 = [X.]-2500 § 13 [X.] 39, Rd[X.]0; [X.] vom 11.9.2018 - [X.] KR 1/18 R - Juris Rd[X.]7, zur Veröffentlichung in [X.] und [X.]-2500 § 13 [X.] 42 vorgesehen; aA, aber nicht die aktuelle Rechtslage einbeziehend [X.] in [X.], Handbuch der Krankenversicherung, [X.], [X.], Stand Januar 2019, Vor § 11 [X.], Rd[X.] 35). Soweit nicht ohnehin Ermessensleistungen betroffen sind, dient der Antrag als materiell-rechtliche Voraussetzung etwa der Absicherung einer Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen (vgl zB [X.], 180 = [X.]-2500 § 13 [X.]5, Rd[X.] 32 ff; [X.], 1 = [X.]-2500 § 28 [X.] 8, Rd[X.]; [X.], 1 = [X.]-2500 § 27 [X.]9, Rd[X.]0 mwN) oder als Grundlage einer Genehmigungsfiktion (vgl § 13 Abs 3a [X.]).

Dagegen gehört der Antrag auf Kostenerstattung bei den Ansprüchen aufgrund gewillkürter (vgl § 13 Abs 2 [X.]) oder als Zusatzleistung konzipierter Kostenerstattung nicht zu den materiellen Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen. Sie müssen bereits im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung entstehen, um den gebotenen Gleichlauf mit den alternativ gegebenen Naturalleistungsansprüchen zu erreichen. Würde man bei den Ansprüchen aufgrund gewillkürter oder als Zusatzleistung konzipierter Kostenerstattung auf den Kostenerstattungsantrag abstellen, wäre eine in Abhängigkeit von Naturalleistung oder Kostenerstattung sachverhaltsbezogene Ungleichbehandlung der Versicherten willkürlich und verstieße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl Art 3 Abs 1 GG). Bei den von den streitigen Satzungsänderungen betroffenen Anträgen geht es gerade um solche auf als Zusatzleistung konzipierte Kostenerstattung.

Die revisiblen (vgl § 162 SGG) maßgeblichen Satzungsbestimmungen der Klägerin, welche durch die Satzungsänderungen ergänzt werden sollen, betreffen in Einklang mit diesen Grundsätzen nach Wortlaut, Regelungssystem und Zweck Anträge auf Kostenerstattung für zusätzliche Leistungen nach § 11 Abs 6 [X.] (vgl Art I § 12 Abs VIII [X.]). Die Satzung enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei diesen Kostenerstattungsanträgen um materielle Leistungsvoraussetzungen und nicht bloß um reine Abrechnungsvorschriften handelt. Der [X.] unterscheidet klar zwischen Leistungsvoraussetzungen (vgl etwa Art I § 12 Abs VIII [X.] Buchst b Abs 1 [X.]: "Weitere Bedingung hierfür ist …"; Art I § 12 Abs VIII [X.] Buchst d [X.]: "Voraussetzung für die Kostenübernahme ist …"; Art I § 12 Abs VIII [X.] 3 Buchst d [X.]: "Eine Kostenerstattung der professionellen Zahnreinigung kann nicht erfolgen, wenn …") und der Regelung des bloßen Verfahrens der Kostenerstattung (vgl etwa Art I § 12 Abs VIII [X.] Buchst b Abs 2: "Zur Erstattung sind … vorzulegen"; Art I § 12 Abs VIII [X.] Buchst c Abs 2: "Die Erstattung erfolgt nach Vorlage der …"; Art I § 12 Abs VIII [X.] 8 Medizinische Vorsorge <§ 23 [X.]> Abs 3 [X.] "Zur Erstattung sind Originalrechnungen vorzulegen"; ähnlich auch Art I § 12 Abs VI [X.] 4 für die gewillkürte Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 [X.]). Der Antrag auf Kostenerstattung gehört auch nach dem Regelungssystem der Satzung lediglich zum Erstattungsverfahren, und zwar zusammen mit punktuell geregelten Anforderungen an den Nachweis der entstandenen Kosten (vgl etwa Art I § 12 Abs VIII [X.] Buchst c Abs 2: Vorlage der Teilnahmebescheinigung und der spezifizierten Originalrechnung der Hebamme). Dies entspricht zudem dem Zweck der Satzungsbestimmungen, das Erstattungsverfahren einfach und effektiv zu gestalten.

d) Auch der Regelungszweck von § 11 Abs 6 [X.] spricht für eine Gesetzesauslegung, die dem Satzungsgeber keine Verknüpfung der Leistungsgewährung mit einer zum Zeitpunkt der Antragstellung ungekündigten Mitgliedschaft gestattet. Die Ausweitung der Angebotsmöglichkeiten der [X.] für [X.] soll den Leistungswettbewerb zwischen den [X.]n stärken (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung eines [X.]-VStG, BT-Drucks 17/6906 [X.], Zu [X.] <§ 11>, [X.]; kritisch hierzu die Stellungnahme des [X.]-Spitzenverbandes vom 13.10.2011 im [X.] für Gesundheit, [X.] ff; vgl auch [X.], [X.] 2015, 580, 584). Die [X.]n sollen die Versicherten allein durch ihr Leistungsangebot überzeugen, nicht aber Druck durch [X.] oder Bleibeprämien erzeugen (vgl oben, [X.]).

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt unter Berücksichtigung der bundesweiten Bedeutung der Sache aus § 197a Abs 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, [X.] [X.] und [X.], § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 S 1 GKG (vgl auch [X.] vom 19.9.2007 - [X.] A 4/06 R - Juris Rd[X.] 33; [X.] vom 18.11.2014 - [X.] A 1/14 R - Juris Rd[X.]8).

Meta

B 1 A 1/18 R

28.05.2019

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 20. März 2018, Az: L 5 KR 394/16 KL, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, § 40 Abs 1 SGB 1, § 19 S 1 SGB 4, § 11 Abs 6 S 1 SGB 5 vom 23.10.2012, § 11 Abs 6 S 2 SGB 5 vom 22.12.2011, § 13 Abs 2 SGB 5, § 19 Abs 1 SGB 5 vom 20.12.1988, § 175 SGB 5, § 194 Abs 1 Nr 3 SGB 5, § 194 Abs 2 Nr 2 SGB 5, § 195 Abs 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.05.2019, Az. B 1 A 1/18 R (REWIS RS 2019, 6806)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6806

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