Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. 4 AZR 461/14

4. Senat | REWIS RS 2016, 14430

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Gegenstand

(Ausgleichsanspruch nach dem Übergang eines Arbeitsverhältnisses gem. § 6c SGB 2 auf einen zugelassenen kommunalen Träger - arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel)


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Mai 2014 - 2 Sa 693/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des [X.].

2

Der Kläger - Mitglied der [X.] ([X.]) - war langjährig bis zum 31. Dezember 2011 bei der [X.] ([X.]), zuletzt in der Funktion eines stellvertretenden Geschäftsführers, im „Jobcenter G Nord“ beschäftigt und erhielt ein Arbeitsentgelt nach der [X.] 5 des Tarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] (TV-[X.]). Nach der [X.] vom 6. Oktober 2006 zum Arbeitsvertrag bestimmt sich „das Arbeitsverhältnis … nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] (TV-[X.]) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung sowie dem Tarifvertrag zur Überleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der [X.] in den TV-[X.] und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-[X.])“.

3

Zum 1. November 2011 wurde das „Jobcenter [X.]“ als Gemeinsame Einrichtung der [X.] und des [X.]n gegründet. Zum 1. Januar 2012 wurde das Jobcenter „Fachdienst Arbeit und Beschäftigung“ mit dem „Jobcenter [X.]“ vereint. Seither werden sie als Regiebetrieb unter dem Namen „Jobcenter [X.]“ beim [X.]n geführt.

4

Im Zuge dieser Umstrukturierung ging das Arbeitsverhältnis des [X.] zum 1. Januar 2012 auf der Grundlage von § [X.] ([X.]) [X.] (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (im Folgenden [X.] II) auf den [X.]n über. Der [X.] ist Mitglied des [X.] ([X.]). Da dem Kläger keine tarifrechtlich gleichwertige Tätigkeit übertragen werden konnte, wurde er mit einer Tätigkeit nach der [X.] 11 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst im Bereich der kommunalen Arbeitgeber ([X.]/[X.]) beschäftigt. Im Dezember 2011 hatte er eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 4.759,00 Euro zuzüglich einer Zulage von [X.] ([X.] 2) erzielt. Bei dem [X.]n erhielt er deshalb zusätzlich zu der ihm nach der [X.] 11 [X.]/[X.] zustehenden Vergütung einen Ausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zu 5.045,48 Euro.

5

Mit Schreiben vom 11. Februar 2012 hat der Kläger für die [X.] ab Januar 2012 einen Anspruch auf eine weitere Ausgleichszahlung nach § 6c Abs. 5 [X.] II geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er wäre, wenn er bei der [X.] verblieben wäre, für die [X.] ab 1. Januar 2012 der [X.] 6 TV-[X.] zuzuordnen gewesen. Dadurch hätte sich sein Vergütungsanspruch nach der [X.] auf 5.036,00 Euro brutto erhöht. Dieser - bereits angelegte - Anspruch auf weitere 277,00 Euro brutto monatlich habe ihm nicht aufgrund des Übergangs auf den [X.]n entzogen werden dürfen. Dieser Anspruch ergebe sich zudem aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, nach der weiterhin der TV-[X.] auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar sei.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

den [X.]n zu verurteilen, an ihn 5.540,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf je 277,00 Euro brutto monatlich beginnend mit dem 1. Februar 2012 zu zahlen.

7

Der [X.] hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, das Gesetz gewähre den kraft Gesetzes auf den kommunalen Träger übergegangenen Arbeitnehmern lediglich Bestandsschutz für die bis zum [X.]punkt des Übertritts tatsächlich erreichte Vergütung. Deren weitere Entwicklung sei hingegen nicht gesichert. Auch die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel führe nicht zu einer dynamischen Fortschreibung der bisherigen Vergütung. Nach § 6c Abs. 3 [X.] II sei ausschließlich der [X.] auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Ausgleichszahlung oder eine höhere Vergütung.

I. Der Senat war nicht verpflichtet, den Rechtsstreit im Hinblick auf das beim [X.] zur Frage der Verfassungskonformität des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II anhängige Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG - 1 [X.] - (Vorlage [X.] 26. September 2013 - 8 [X.] (A) -) in analoger Anwendung von § 148 ZPO auszusetzen (vgl. dazu [X.] 16. April 2015 - 6 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.]E 151, 263).

1. Die Entscheidung über die Aussetzung hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen ([X.] 22. Januar 2013 - 6 [X.] - Rn. 15).

2. Im Streitfall wäre eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer Entscheidung des [X.]s nicht sachgerecht. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Achten Senats des [X.] beruhen darauf, dass dem Arbeitnehmer ein neuer Arbeitgeber aufgezwungen wird, ohne dass er einen Fortbestand des alten Arbeitsverhältnisses - sei es durch ein Rückkehrrecht, sei es durch ein Widerspruchsrecht - erreichen kann. Auf ein solches Recht beruft sich der Kläger nicht. Er akzeptiert den [X.] als Arbeitgeber und beansprucht lediglich im Rahmen seiner Beschäftigung einen höheren Ausgleichsbetrag. Damit hat er sein durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Recht, seinen Vertragspartner selbst zu wählen und privatautonom zu beurteilen, welcher von mehreren zur Auswahl stehenden Arbeitgebern mehr Vorteile bietet (vgl. [X.] 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - Rn. 69, 98, [X.]E 128, 157), ausgeübt und sich für den [X.] als Arbeitgeber entschieden (vgl. auch [X.] 16. April 2015 - 6 [X.] - Rn. 15, [X.]E 151, 263).

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Ausgleichszulage nach § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II.

1. Nach § 6c Abs. 5 Satz 1 SGB II soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die nach Absatz 1 oder 2 kraft Gesetzes in den Dienst eines anderen Trägers übertreten, grundsätzlich eine tarifrechtlich gleichwertige Tätigkeit übertragen werden. Wenn eine derartige Verwendung im Ausnahmefall nicht möglich ist, kann ihnen eine niedriger bewertete Tätigkeit übertragen werden. [X.] sich das Arbeitsentgelt nach den Sätzen 1 und 2, ist eine Ausgleichszahlung in Höhe des [X.] zwischen dem Arbeitsentgelt bei dem abgebenden Träger zum [X.]punkt des Übertritts und dem jeweiligen Arbeitsentgelt bei dem aufnehmenden Träger zu zahlen.

2. Danach steht dem Kläger kein über den von dem [X.] geleisteten Betrag von 5.045,48 [X.] hinausgehender Ausgleichsanspruch zu.

a) Der Kläger, für dessen Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der [X.]/[X.] gilt, war vor dem Übertritt in den Dienst des [X.] länger als 24 Monate bei der [X.] im Gebiet des [X.] tätig. Er verrichtet seit dem 1. Januar 2012 unstreitig eine Tätigkeit, die nach der [X.] 11 [X.]/[X.] zu vergüten ist.

b) Entgegen der Auffassung des [X.] ist der Berechnung der ihm deshalb nach § 6c Abs. 5 SGB II zustehenden Ausgleichszulage nur das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, das er bei dem abgebenden Träger erhalten hat.

aa) Gem. § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II bemisst sich die Ausgleichszahlung nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Arbeitsentgelt bei dem abgebenden Träger „zum [X.]punkt des Übertritts“ und dem Arbeitsentgelt bei dem aufnehmenden Träger. Danach sichert die Ausgleichszulage das vor dem gesetzlichen Übergang gezahlte Arbeitsentgelt nur statisch ([X.] 16. April 2015 - 6 [X.] - Rn. 46, [X.]E 151, 263; 10. Juli 2013 - 10 [X.] - Rn. 19).

bb) Aus der Rechtsprechung des [X.] ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist der Arbeitnehmer bei einem Übertritt von der [X.] auf einen zugelassenen kommunalen Träger gem. § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II im [X.] der Stufe zuzuordnen, die seiner Berufserfahrung entspricht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der übernommene Beschäftigte weiterhin Tätigkeiten im Bereich der Grundsicherung verrichtet. Dabei sind die Stufen und -laufzeiten zugrunde zu legen, die sich aus der analogen Anwendung von § 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 sowie § 17 Abs. 3 [X.] ergeben ([X.] 16. April 2015 - 6 [X.] - Rn. 47, [X.]E 151, 263).

(2) Entgegen der Auffassung des [X.], führt diese analoge Anwendung nicht zur rückwirkenden Berücksichtigung eines nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses fiktiv erfolgten [X.] nach der dem Arbeitnehmer beim abgebenden Träger zustehenden [X.]. Vielmehr ist der Arbeitnehmer lediglich umgekehrt bei der [X.] innerhalb der für ihn nach dem gesetzlichen Übergang des Arbeitsverhältnisses einschlägigen [X.] so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis von seinem Beginn an mit dem kommunalen Träger bestanden ([X.] 16. April 2015 - 6 [X.] - Rn. 47, [X.]E 151, 263).

c) Im Übrigen würde sich auch bei einer anderen [X.] kein höherer Ausgleichsbetrag ergeben. Wäre der Kläger - wie er meint - der Stufe 6 der [X.] 11 [X.]/[X.] zuzuordnen, hätte er einen tariflichen Entgeltanspruch von 4.212,96 [X.] für den [X.]raum vom 1. Januar 2012 bis zum 29. Februar 2012, von 4.360,41 [X.] für den [X.]raum vom 1. März 2012 bis 31. Dezember 2012, von 4.421,46 [X.] für den [X.]raum vom 1. Januar 2013 bis 31. Juli 2013 und von 4.483,36 [X.] für den Monat August 2013. Da er jedoch vor dem gesetzlichen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den [X.] unstreitig ein [X.] von 5.045,48 [X.] erhalten hat, stände ihm auch im Falle einer Vergütung nach Stufe 6 gem. § 6c Abs. 5 Satz 3 SGB II ein - wenngleich geringerer - Ausgleichsbetrag in Höhe der Differenz zu. Das [X.] würde sich dadurch nicht erhöhen.

III. Ein weiterer Anspruch ergibt sich auch nicht aus den Regelungen des TV-[X.] aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Dabei kann dahinstehen, ob der darin dynamisch in Bezug genommene TV-[X.] aufgrund des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 [X.] neben dem jedenfalls kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit normativ geltenden [X.]/[X.] Anwendung findet oder ob dem - wie der [X.] meint - § 6c Abs. 3 Satz 3 SGB II entgegensteht. Auch bei einer unterstellten Anwendung des TV-[X.] auf das Arbeitsverhältnis stände dem Kläger die geltend gemachte [X.] nicht zu.

1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 TV-[X.] ist der Beschäftigte in der [X.] eingruppiert, der die ihm nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit gem. Satz 1 und 2 zugeordnet ist. Ebenso wie im [X.]T und im [X.] (§ 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-[X.] iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 [X.]T) richtet sich die Eingruppierung nach den Grundsätzen der Tarifautomatik.

2. Danach hätte der Kläger für die [X.] ab dem 1. Januar 2012 keinen Anspruch auf eine - seinem Zahlungsbegehren zugrunde liegende - Vergütung nach der [X.] I Stufe 6 TV-[X.].

a) Die Vergütung richtet sich nach der dem Kläger übertragenen Tätigkeit. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Kläger ab dem 1. Januar 2012 eine andere, geringerwertige Tätigkeit übertragen worden war. Er kann folglich die von ihm geltend gemachte Vergütung nach der bisherigen [X.] nicht beanspruchen.

b) Soweit der Kläger meint, er sei für den Fall, dass sein Arbeitsverhältnis nicht auf den [X.] übergegangen wäre, der Stufe 6 der [X.] I TV-[X.] zuzuordnen gewesen, kann dies nur auf der - unausgesprochenen - Prämisse beruhen, ihm sei die bisherige Tätigkeit in rechtswidriger Weise entzogen worden. Auf diese Frage kommt es jedoch im vorliegenden Rechtsstreit nicht an. Für den Fall der rechtswidrigen Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit ergäbe sich ein Anspruch des [X.] nicht aus dem - unterstellt - aufgrund vertraglicher Bezugnahmeklausel anwendbaren TV-[X.], sondern allenfalls unter Annahmeverzugs- oder Schadensersatzgesichtspunkten. Dabei handelt es sich um andere Streitgegenstände, die der Kläger im hiesigen Rechtsstreit nicht geltend gemacht hat.

3. Einen Anspruch auf eine tarifliche Vergütung nach einer anderen [X.] als I Stufe 6 des TV-[X.] hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit ebenfalls nicht geltend gemacht. Er hat seine Klage nicht auf die Erfüllung von Tätigkeitsmerkmalen des TV-[X.], sondern ausschließlich auf die ihm in der Vergangenheit zustehende Vergütung als solche gestützt. Entsprechend fehlt es an jeglichem Vortrag zu der ihm ab dem 1. Januar 2012 übertragenen Tätigkeit. Das Begehren, nach einer niedrigeren [X.] vergütet zu werden, ist nicht als Minus in dem gestellten Antrag enthalten, zumal nicht erkennbar ist, ob dann überhaupt eine [X.] bestehen würde.

IV. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Pust    

        

    J. Ratayczak    

                 

Meta

4 AZR 461/14

16.03.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Bautzen, 29. Oktober 2013, Az: 6 Ca 6116/13, Urteil

§ 6c Abs 5 S 3 SGB 2, § 6c Abs 1 S 1 SGB 2, § 16 Abs 1 S 1 TVöD, § 16 Abs 3 TVöD, § 16 Abs 4 TVöD, § 17 Abs 3 TVöD, § 14 Abs 1 S 3 TV-BA

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.03.2016, Az. 4 AZR 461/14 (REWIS RS 2016, 14430)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14430

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