Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.02.2012, Az. 2 BvE 3/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 9186

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Gegenstand

Verwerfung des Antrags einer politischen Partei, im Rahmen eines Organstreitverfahrens festzustellen, dass das gesetzgeberische Unterlassen einer fristgemäßen Neuregelung zur Beseitigung des negativen Stimmrechts sie in ihrem aus Art 21 Abs 1 S 1 GG herzuleitenden organschaftlichen Recht auf Chancengleichheit bei der Teilnahme an einer Bundestagswahl verletzt


Gründe

1

Das Organstreitverfahren betrifft das Unterlassen des Gesetzgebers, entsprechend dem Urteil des [X.]vom 3. Juli 2008 ([X.] 121, 266) bis zum 30. Juni 2011 das [X.] dahingehend zu ändern, dass der Effekt des sogenannten negativen Stimmgewichts nicht mehr auftreten kann.

2

1. Mit Urteil vom 3. Juli 2008 erklärte der [X.] des [X.] § 7 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 4 und 5 des [X.]es in der bis zum 2. Dezember 2011 gültigen Fassung für unvereinbar mit den in [[X.]-0fe5-4ae4-9b02-079cb8122703]Art. 38 Abs. 1 Satz 1 [X.]] niedergelegten Grundsätzen der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl, soweit die Vorschriften ermöglichten, dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen konnte. Zugleich verpflichtete das [X.] den Gesetzgeber, spätestens bis zum 30. Juni 2011 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Die Frist ist verstrichen, ohne dass eine entsprechende Neuregelung verabschiedet worden war. Erst am 29. September 2011 hat der [X.] das [X.] Gesetz zur Änderung des [X.]es ([X.]) beschlossen, welches den für verfassungswidrig erklärten [X.] durch eine Neuregelung ersetzt hat. Das Gesetz ist am 3. Dezember 2011 in [X.] getreten.

3

2. Die Antragstellerin ist eine auf Bundesebene organisierte politische Partei. Mit ihrem Antrag begehrt sie die Feststellung, dass das gesetzgeberische Unterlassen einer fristgemäßen Neuregelung sie in ihrem aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG herzuleitenden organschaftlichen Recht auf Chancengleichheit bei der Teilnahme an einer [X.] verletzt habe. Angesichts der vom [X.] festgestellten Verfassungswidrigkeit des bei Antragstellung geltenden Wahlrechts sei nach Ablauf der gesetzten Übergangsfrist kein verfassungsgemäßes Wahlgesetz mehr in [X.] gewesen. Der Antragstellerin sei daher ab diesem Zeitpunkt eine Teilnahme an einer verfassungsgemäßen Wahl verwehrt gewesen. Die Rechtsverletzung sei mit der Fristversäumnis des Gesetzgebers unwiderruflich eingetreten und durch die zwischenzeitlich verabschiedete Neuregelung nur für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit abgestellt worden. Diese verbleibende Rechtsverletzung sei weiterhin feststellungsfähig.

4

Der Antrag ist unzulässig. Der Antragstellerin fehlt es an einem im Organstreitverfahren auf Seiten des Antragstellers erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. [X.] 62, 1 <33>; 87, 207 <209>; 104, 310 <331>; stRspr).

5

Das am 3. Dezember 2011 in [X.] getretene [X.] Gesetz zur Änderung des [X.]es ([X.]) hat die für verfassungswidrig erklärten wahlrechtlichen Vorschriften durch neue Bestimmungen ersetzt. Eine etwaige Rechtsverletzung, welche in der unterbliebenen Neuregelung von Teilen des [X.]rechts liegen könnte, ist damit entfallen.

6

Ein gleichwohl fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis ist nicht erkennbar. Die begehrte Feststellung dient insbesondere nicht der Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. [X.] 103, 44 <58>). Das [X.] hat die Verfassungswidrigkeit der früheren wahlrechtlichen Regelung mit Urteil vom 3. Juli 2008 bereits festgestellt. Dass die zugleich gesetzte Frist für eine Neuregelung verstrichen ist, ohne dass bis zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden war, ist evident und bedarf keiner gesonderten Feststellung im Organstreitverfahren. Das vorübergehende Unterbleiben einer Neuregelung beeinträchtigt die Antragstellerin jedenfalls gegenwärtig auch nicht mehr in ihrem organschaftlichen Recht, an Wahlen teilnehmen zu können. Die Gefahr einer Wiederholung (vgl. [X.] 104, 310 <331>) besteht nach der in [X.] getretenen Änderung des [X.]es offenkundig nicht.

Meta

2 BvE 3/11

14.02.2012

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

Art 21 Abs 1 S 1 GG, § 64 Abs 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.02.2012, Az. 2 BvE 3/11 (REWIS RS 2012, 9186)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9186

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvE 6/15

2 BvC 36/14

2 BvC 26/14

2 BvC 19/19

1 BvQ 54/20

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