Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2015, Az. VI ZR 326/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8270

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

14. Juli
2015

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
ZPO § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2
Ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO kann nur durch Annahme des schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts mit Schriftsatz der [X.]en wirksam geschlossen werden.

[X.], Urteil vom 14. Juli 2015 -
VI [X.] -
OLG [X.]

LG Itzehoe

-

2

-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli
2015
durch den Vorsitzenden [X.],
die
Richterinnen
Diederichsen
und von [X.], den Richter Offenloch
und die Richterin Dr. Roloff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 11.
Juli 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die
Klägerin
nimmt den Beklagten wegen einer angeblich fehlerhaften privatärztlichen Behandlung in Anspruch.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat in der
mündlichen Verhandlung am 26. März 2014 den [X.]en vorgeschlagen, sich wie folgt zu vergleichen:
"1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin ohne Anerkennung einer darüber hinausgehenden Rechtspflicht zur Abgeltung sämtlicher in diesem Rechtsstreit geltend gemachter eventueller Anseventuellen Ansprüche -
seien sie vorhersehbar oder nicht
-
der Klägerin gegen den Beklagten oder weiteres Personal des [X.] sowie gegen das Klinikum Itzehoe erledigt.
1
2
-

3

-

2. Die Kosten des Rechtsstreits in
beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 78 % und der Beklagte zu 22 %. Diese Regelung gilt auch für die Kosten des

Den
Vergleichstext hat der Vorsitzende des Senats zu Protokoll der mündlichen Verhandlung auf einen Tonträger diktiert. Die Aufzeichnung ist den [X.] und den [X.]en vorgespielt worden.
Der [X.] der Klägerin hat sodann erklärt:
"Der Vergleichstext ist uns soeben vorgespielt worden. Er wird geneh-migt und es wird hiermit die Zustimmung nach § 278 Abs. 6 ZPO erklärt."
Diese Erklärung ist ebenfalls zu Protokoll der mündlichen Verhandlung auf einen Tonträger diktiert
und, nachdem sie den [X.] und den [X.] vorgespielt worden ist, vom Klägervertreter genehmigt
worden. Das Beru-fungsgericht
hat anschließend einen Beschluss verkündet, der unter anderem beinhaltete, dass der Beklagte Gelegenheit zur Zustimmung zum [X.] nach § 278 Abs. 6 ZPO binnen drei Wochen erhalte.

Das die Aufzeichnung wiedergebende schriftliche Protokoll der mündli-chen Verhandlung ist den [X.] jeweils am 2. April 2014 zugestellt worden.
Mit am 14. April 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte dem Vergleichsvorschlag des Berufungsgerichts zugestimmt. [X.] hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 16. April 2014 gemäß § 278 Abs.
6 ZPO das Zustandekommen des Vergleichs festgestellt. Der Beschluss ist dem Klägervertreter am 22. April 2014 zugestellt worden.
Mit am 14. Mai 2014
eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag
hat die Klägerin den [X.] wegen Irrtums und arglistiger Täuschung angefochten und die Stö-rung der Geschäftsgrundlage eingewandt. Sie hat außerdem geltend gemacht, der Vergleich sei prozessual nicht wirksam zustande gekommen.
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4

-

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit durch [X.] erledigt ist. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt
die Klägerin
ihre
Anträge
auf Fortsetzung des Prozesses und Feststellung der prozessualen Unwirksamkeit des Vergleichs weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der Prozess durch den Vergleich beendet worden ist. Die Formvorschriften des § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO seien eingehalten worden. Der zunächst auf Tonträger aufgezeich-nete
Vergleichsvorschlag des Gerichts sei mit der Erstellung der Niederschrift und den Unterschriften des Vorsitzenden sowie
der Urkundsbeamtin verschrift-licht worden. Mit der Zustellung des Protokolls hätten die [X.]en den [X.]svorschlag in
schriftlicher Form erhalten.
Die zu Protokoll erklärte [X.] der Klägerin stehe der Annahme durch anwaltlichen Schriftsatz gleich. Im Prozess könnten in einem
Schriftsatz oder zu Protokoll des Gerichts die Anträge gestellt
und Erklärungen abgegeben werden. In entsprechender Anwendung der Vorschriften in § 160 Abs. 3 Nr.
1, § 162 Abs. 1 Satz 2 ZPO habe das Berufungsgericht der Klägerin ihre Annahmeerklärung vorgespielt und diese von ihr genehmigen lassen. Mit der Erstellung der Niederschrift und den Unterschriften des Vorsitzenden sowie
der Urkundsbeamtin sei auch die [X.] verschriftlicht worden.
Der Vergleich sei mit der im
Schriftsatz
des Beklagten vom 11. April 2014, eingegangen bei Gericht
am 14. April 2014, erklärten Zustimmung wirksam geworden. In dem
gerichtlichen
Beschluss vom 16. April 2014 sei der abgeschlossene Vergleich festgestellt worden.
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Die Regelung in
§ 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO schreibe nicht vor, dass der Vergleichsvorschlag des Gerichts den [X.]en vor Erklärung der Zustim-mung in schriftlicher Form zugehe. Die Formvorschriften
seien auch gewahrt, wenn die [X.] dem ins Protokoll diktierten Vergleichsvorschlag des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zustimme und der Vergleichsvorschlag mit der Zustimmungserklärung der [X.] zeitgleich in der Niederschrift des Protokolls niedergelegt werde. Durch die Verschriftlichung mit
der
Erstellung der Nieder-schrift des Protokolls seien sowohl der Inhalt des gerichtlichen [X.] als auch die hierzu abgegebene Erklärung der [X.] dokumentiert. Dadurch, dass
das Berufungsgericht wie bei der formstrengeren Protokollierung eines Vergleichs nach
§§ 159, 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1
ZPO den [X.]en sowohl den
Vergleichsvorschlag
als auch die Annahmeerklärung der Klägerin vorgespielt habe, die
von der
Klägerin anschließend genehmigt worden seien, sei ein ausreichender Schutz vor Übereilung gewährleistet gewesen.
Der Vergleich sei auch materiell-rechtlich wirksam zustande gekommen. Die Klägerin habe die
am 26. März 2014 durch ihren Prozessbevollmächtigten abgegebene Erklärung nicht wirksam angefochten. Der
Prozessbevollmächtig-te, auf dessen Person es nach §
166 [X.] ankomme, habe sich weder über Bedeutung und Tragweite der Zustimmungserklärung geirrt noch habe eine sol-che Zustimmungserklärung nicht seinem Willen entsprochen (§ 119 Abs. 1 [X.]). Die Voraussetzungen eines Eigenschaftsirrtums im Sinne des §
119 Abs. 2 [X.] seien nicht gegeben, da weder Eigenschaften der am Vergleich beteilig-ten Personen Geschäftsgegenstand noch eine Sache Objekt des geschlosse-nen Vergleichs gewesen seien.
Für den
Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 [X.]
fehle es sowohl an einer für einen Irrtum ursächlichen arglistigen [X.] als auch an einer
Bedrohung des -
nach §
166 Abs. 1 [X.] auch hier maßgeblichen
-
Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Ein Fall der Unwirksam-keit des Vergleichs nach
§
779 Abs.
1 [X.]
sei nicht vorgetragen. Das Fehlen 8
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oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vergleichs könne zwar nach §
313 Abs.
1 [X.] grundsätzlich zu dessen Anpassung führen, berühre aber seinen rechtlichen Bestand und seine prozessbeendende Wirkung nicht.

II.
Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Der erkennende Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des [X.], wonach der Abschluss des Vergleichs
den Formvorschriften des § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO entsprochen habe. Der [X.] ist zwar nicht [X.]
(unter c).
Die Klägerin kann sich jedoch nach den ge-gebenen Umständen darauf nicht berufen
(unter d). Der Rechtsstreit zwischen den [X.]en ist durch den [X.], der mit Beschluss vom 16. April 2014 festgestellt worden ist, beendet worden.
a) Der [X.] hat eine
rechtliche
Doppelnatur. Er ist
zum ei-nen
[X.], durch die
der
Rechtsstreit beendet
wird und deren Wirk-samkeit sich nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen bestimmt. Dazu ist er ein privates
Rechtsgeschäft, für das die Vorschriften
des materiellen Rechts gelten und mit dem die [X.]en Ansprüche und Verbindlichkeiten regeln
([X.], Urteil vom 30. September 2005 -
V
ZR 275/04, [X.]Z 164, 190, 193 f.
mwN; vgl. auch [X.], Urteile vom 18. Juni 1999 -
V
ZR 40/98, [X.]Z 142, 84, 88; vom 3. De-zember 1980 -
VIII
ZR 274/79, [X.]Z 79, 71, 74; vom 15. April 1964 -
Ib
ZR 201/62, [X.]Z 41, 310, 311; vom 29. September 1958 -
VII
ZR 198/57, [X.]Z 28, 171, 172; vom 10. März 1955 -
II
ZR 201/53, [X.]Z 16, 388, 390; [X.], NJW-RR 2012, 882). [X.] und privates Rechtsgeschäft stehen nicht getrennt nebeneinander. Vielmehr sind die prozessualen
Wirkun-10
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gen und die materiell-rechtlichen Vereinbarungen voneinander
abhängig
([X.], Urteile
vom 30. September 2005 -
V
ZR 275/04, aaO, 194;
vom 3. Dezember 1980 -
VIII
ZR 274/79, aaO). Der [X.] ist nur wirksam, wenn so-wohl die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Vergleich als auch die prozessualen Anforderungen erfüllt sind, die an eine wirksame Prozesshand-lung zu stellen sind. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, liegt ein wirk-samer [X.] nicht vor; die prozessbeendigende Wirkung tritt nicht ein ([X.], Urteil vom 30. September 2005 -
V
ZR 275/04, aaO; vgl. auch [X.], Urteil vom 10. März 1955 -
II
ZR 201/53, aaO).
Das gilt auch für den [X.] im Sinne des
§
278 Abs.
6 ZPO (vgl. BT-Drucks. 14/4722, [X.]; [X.], 251 Rn.
15; [X.], NJW-RR 2012, 882; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 278 Rn. 79; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 36.
Aufl., § 794 Rn.
2 f.).
b) Die Revision wendet sich nicht gegen
die Beurteilung des Berufungs-gerichts, dass der Vergleich nicht schon aufgrund der Anfechtung wegen [X.] oder arglistiger Täuschung
oder wegen
fehlender Geschäfts-
oder [X.]sgrundlage (§
779
Abs. 1 [X.]) materiell-rechtlich
unwirksam
sei. Dage-gen bestehen auch keine rechtlichen Bedenken.

c) Sie wendet sich aber zu Recht gegen die Auffassung des Berufungs-gerichts, dass die
Formvorschriften des
§
278 Abs.
6 Satz 1 Fall 2 ZPO gewahrt worden seien.
Nach der Regelung des § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO kann ein gerichtlicher Vergleich dadurch geschlossen werden, dass die [X.]en einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Diese Erfordernisse
sind
im Streitfall nicht erfüllt.
aa) Dem Berufungsgericht kann noch darin gefolgt werden, dass
der
Vergleichsvorschlag
des Gerichts der
Schriftform genügt. Zwar wurde der Vor-13
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schlag zunächst vorläufig auf Tonträger gemäß § 160a Abs. 1 ZPO aufgezeich-net.
Doch ist dadurch, dass die Aufzeichnung in das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
unterzeichnete Protokoll

160a Abs.
2;
§ 163 Abs. 1 ZPO) übertragen worden ist, das Schriftformerfordernis gewahrt (ebenso [X.],
AR-Blattei [X.], Rn. 467 (Stand: November 2005); dies.,
[X.], 1027, 1030 f.).
Dies zieht auch die Revision nicht
in Zweifel.
[X.]) Der erkennende Senat teilt allerdings in Übereinstimmung mit der Auffassung des [X.]
(vgl. [X.], NJW-RR 2012, 882) und Stimmen in der Literatur ([X.] in [X.]/Schütze, aaO Rn. 89; [X.] in [X.]/[X.], aaO, § 278 Rn. 15; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 12. Aufl., § 278 Rn. 17a; [X.][X.], ZPO, 7. Aufl., § 278 Rn.
19; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 73. Aufl., § 278 Rn. 63; [X.], NJ 2012, 474; ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.], FamFG, 2. Aufl., § 36 Rn. 27) nicht die
Meinung des Berufungsgerichts, wonach die zu Protokoll des Gerichts erklärte Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags durch die Klägerin ebenfalls dem Formerfordernis nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO genügte.
(1) Ausgehend vom
Wortlaut
verlangt
die Vorschrift eine Erklärung der [X.] durch Schriftsatz. Die Niederschrift einer mündlichen Erklärung der [X.] zu Protokoll
genügt dafür
nicht. Diese bietet zwar Beweis dafür, dass die Erklä-rung
von der
betreffenden
[X.] mit dem protokollierten Inhalt abgegeben [X.] ist
(vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 2014 -
VI
ZR 394/13, [X.], 1018 Rn. 15; vom 9. November 1993 -
VI
ZR 248/92, NJW 1994, 799, 800). Das Pro-tokoll stellt aber eine schriftliche
Erklärung des Gerichts über Förmlichkeiten und Inhalt einer mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme dar. Es
ist nicht
die
schriftliche Erklärung der [X.].
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-

(2) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit der Einfügung des §
278 Abs. 6 ZPO zwar ein Vergleichsschluss außerhalb der mündlichen [X.] in einem schriftlichen Verfahren ohne Wahrnehmung eines Termins erleichtert werden
(BT-Drucks. 14/4722, [X.], 82). Eine
rechtliche Möglichkeit
für die einzelne [X.], zu Protokoll eine Zustimmungserklärung zu
einem
[X.]svorschlag
abzugeben, dem die Gegenpartei innerhalb gesetzter Frist mit Schriftsatz
zustimmen kann, sollte
allerdings mit der Neuregelung nicht eröffnet werden.
Gegen eine solche Absicht des Gesetzgebers, die im Gesetzestext auch keinen Niederschlag gefunden hat,
spricht der Umkehrschluss aus der Rege-lung in § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO über die Prozessbeendigung durch Klagerück-nahme. Für die Zurücknahme der Klage lässt das Gesetz ausdrücklich die [X.] eines Schriftsatzes oder die Erklärung in der
mündlichen Verhandlung genügen. Dementsprechend ist gemäß
§ 160 Abs.
3 Nr. 8 ZPO im Protokoll eine in mündlicher Verhandlung erklärte
Zurücknahme der Klage
festzustellen. Eine derartige Regelung fehlt aber für die Erklärung der [X.],
einen
gerichtli-chen Vergleichsvorschlag
anzunehmen.
Beim Abschluss eines
[X.]s ist
außerdem im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der [X.]en
grundsätzlich
Formstrenge ge-boten. Sie verlangt klare Abgrenzungen. Ein gerichtlicher Vergleich ist als ver-fahrensbeendigende [X.] und als Vollstreckungstitel deshalb nur wirksam, wenn er nach den maßgeblichen gesetzlichen Formvorschriften [X.] worden ist.
Die Schaffung einer von Gesetzes wegen prozessrecht-lich nicht vorgesehenen Möglichkeit eines gerichtlichen Vergleichsabschlusses würde zu Rechtsunsicherheit führen.
18
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[X.]) Fehlt bereits -
wie im Streitfall
-
die gesetzlich geforderte Schriftsatz-form für die Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlags, muss nicht ent-schieden werden, ob
eine [X.] schon vor dem Vorliegen des schriftlichen [X.] dessen Annahme erklären könnte
(verneinend [X.], NJW-RR 2012, 882; [X.], [X.], 1027, 1031; dies., AR-Blattei [X.], Rn. 480 (Stand: November 2005)).

d) Nach diesen Grundsätzen ist
der [X.] zwar nicht form-wirksam geschlossen worden. Dennoch
ist der Prozess beendet.
aa) Zwar macht die
Revisionserwiderung
erfolglos geltend, dass
die Klä-gerin wegen eines [X.] gemäß § 295 ZPO mit der Rüge der Nichtein-haltung des Schriftsatzerfordernisses für ihre Annahmeerklärung ausgeschlos-sen
sei. Weder liegt ein nach dem [X.] erklärter Verzicht der Klä-gerin auf das Schriftsatzerfordernis des § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO vor, noch hat sich die Klägerin in der auf den [X.] folgenden mündli-chen Verhandlung rügelos eingelassen. Sie hat vielmehr unter Übergabe des Urteils des [X.] vom 13. Januar 2012 (NJW-RR 2012, 882) die
Formunwirksamkeit des Vergleichs geltend gemacht.
[X.]) Die Klägerin kann sich jedoch
nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 [X.]) nicht darauf berufen, dass der vom Berufungsgericht nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO festgestellte Vergleich prozessual nicht wirksam zustande gekommen
ist.

(1) Der Grundsatz von Treu und Glauben findet auch im Prozessrecht Anwendung (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 23. Oktober 1990 -
VI
ZR 105/90, [X.]Z 112, 345, 349
mwN; vom 3. Februar 1987 -
VI
ZR 56/86, [X.]Z 99, 391, 398; vom 17. Mai 1977 -
VI
ZR 174/74, [X.]Z 69, 37, 43; Beschlüsse vom 20.
Mai 2014 -
VI
ZB 9/13, [X.], 1272 Rn. 6; vom 20. November 21
22
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-

2012 -
VI
ZB 3/12, [X.], 1283 Rn. 9 mwN; vom 11. September 2012
-
VI
ZB
59/11, [X.], 207 Rn. 9
mwN; [X.], Beschlüsse
vom 28.
Februar 2013 -
V
ZB 18/12, [X.]Z 196, 243 Rn. 23
mwN; vom 24. März 2011 -
I
ZR 108/09, [X.]Z 189, 56 Rn. 13 mwN).
Widersprüchliches Verhalten einer [X.]
(venire contra factum proprium)
im Prozess kann rechtsmissbräuchlich und [X.] unzulässig sein (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juni 1997 -
X
ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3379; Beschluss vom 30. April 2009 -
III
ZB 91/07, NJW-RR 2009, 1582 Rn. 8 f.).
Rechtsmissbräuchlich
ist widersprüchliches Verhalten dann, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist
oder besondere Um-stände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (Senatsurteil vom 1. Juli 2014 -
VI
ZR 391/13, [X.], 1226 Rn. 42 mwN; [X.], Urteile vom 16. Juli 2014 -
IV
ZR 73/13, [X.]Z 202, 102 Rn. 33 mwN, und [X.], [X.]Z 202, 122 Rn. 25 mwN; vom 7. Mai 2014 -
IV
ZR 76/11, [X.]Z 201, 101 Rn. 40 mwN; [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2010 -
III
ZB 100/09, [X.]Z 188, 1 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann eine Rechtsausübung etwa
dann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Ge-samtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen ([X.], Urteile vom 16.
Juli 2014 -
IV
ZR 73/13, aaO; vom 7. Mai 2014 -
IV
ZR 76/11, aaO; vom 4.
Februar 2015 -
VIII
ZR 154/14, WuM
2015, 296
Rn. 25; vom 15. November 2012 -
IX
ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12; jeweils
mwN).
(2) So liegt der Fall hier.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Zustimmung zum [X.] Vergleichsvorschlag ausdrücklich
"nach §
278 Abs. 6 ZPO"
erklärt. 26
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28
-

12

-

Er gab
mithin seine Zustimmungserklärung, obschon er diese nur mündlich er-klärte, ausdrücklich als Annahmeerklärung im Sinne des
§ 278 Abs. 6
Satz 1 Fall 2 ZPO ab. Obwohl dem Prozessbevollmächtigten das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 2. April 2014 zugestellt worden ist und die Zustim-mung des Beklagten erst am 14. April 2014 zu den Akten gelangt ist, machte der Prozessbevollmächtigte den die Wirksamkeit des Vergleichs in Frage stel-lenden Mangel auch in der Folgezeit nicht geltend. Er ließ vielmehr den gericht-lichen Vergleich durch Beschluss vom 16. April 2014 feststellen und blieb nach Zustellung des Beschlusses am 22. April 2014 länger als drei Wochen untätig. Auch in den Schriftsätzen vom 14. Mai und 19. Juni 2014 berief sich die Kläge-rin nicht auf die wegen des Formverstoßes gegen § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO gegebene Unwirksamkeit des Vergleichs. Hierzu steht es objektiv in [X.], wenn sich die Klägerin, die sich das Verhalten ihres Prozessbevoll-mächtigten nach § 85 ZPO zurechnen lassen muss,
nunmehr
auf den Stand-punkt stellt, mangels ihrer nach Vorliegen des schriftlichen gerichtlichen [X.]svorschlags schriftsätzlich erklärten Zustimmung sei ein [X.]er [X.] nach §
278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO nicht zustande gekom-men
(vgl. [X.], NJ 2012, 474, 475).
Auch ist das Vertrauen des Beklagten auf
die ausdrücklich auf Abschluss eines [X.]s nach § 278 Abs. 6 ZPO abzielende Erklärung der Klä-gerin in der mündlichen Verhandlung schutzwürdig. Angesichts einer fehlenden entgegenstehenden Rechtsprechung durfte der Beklagte darauf vertrauen, dass die Klägerin nicht aufgrund eines Formmangels ihrer
Zustimmungserklärung das wirksame prozessuale Zustandekommen des Vergleichs in Frage stellen würde.
[X.]) Der Vorrang öffentlicher Interessen oder das Gebot der Rechtssi-cherheit führen im Streitfall nicht zu einem Zurücktreten des Grundsatzes von 29
30
-

13

-

Treu und Glauben (so aber -
in ähnlichem Zusammenhang
-
[X.], NJW-RR 2012, 882, 883). Allerdings kann die Anwendbarkeit des Grundsatzes von Treu und Glauben durch das öffentliche Interesse am
sicheren
Ablauf des [X.] ausgeschlossen sein (vgl. Senatsurteil vom 18. September 1973 -
VI
ZR 200/72, NJW 1973, 2110, 2111
mwN; [X.]/[X.], [X.], 74. Aufl., §
242 Rn. 4; [X.] [X.]/Sutschet, § 242 Rn. 9 (Stand: 01.02.2015) [X.]/Olzen/Looschelders, [X.], Neubearb. 2015, § 242 Rn. 1104). Im Streitfall stehen aber die schutzwürdigen Interessen des Beklagten im [X.], während öffentliche Interessen nur nachrangig berührt sind. Zwar hält die Erklärung der Klägerin das [X.] des § 278 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 ZPO nicht ein. Das öffentliche Interesse an der durch die Schriftform gewähr-leisteten Sicherheit im Hinblick auf die Abgabe und den Inhalt der Annahmeer-klärung ist
jedenfalls dann nicht
beeinträchtigt, wenn -
wie hier
-
sowohl der Vergleichsvorschlag des Gerichts als auch die Annahmeerklärung protokolliert, vorgespielt und von der [X.] genehmigt wurden.
Immerhin entspricht diese Verfahrensweise den Formvorschriften, die im Falle eines in mündlicher [X.] geschlossenen Vergleichs
gelten
(§ 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

-

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-

dd)
Ist
der Klägerin die
Berufung auf die Formunwirksamkeit des [X.] verwehrt, kann sie mit ihrem Antrag auf Fortsetzung des [X.] keinen Erfolg haben. Gleiches gilt für den Antrag, die prozessuale Un-wirksamkeit des Vergleichs festzustellen.
2. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke
Diederichsen
von [X.]

Offenloch
Roloff

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.09.2012 -
4 [X.]/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 11.07.2014 -
4 [X.]/12 -

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Meta

VI ZR 326/14

14.07.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2015, Az. VI ZR 326/14 (REWIS RS 2015, 8270)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8270

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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