Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 19.08.2016, Az. 2 Wx 209/16

2. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 6545

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Tenor

Der am 21.07.2016 erlassene Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Aachen vom 20.07.2016, 700H VI 1754/15, wird aufgehoben. Das Verfahren wird zur ordnungsgemäßen Entscheidung über die Frage, ob der Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 03.06.2016 gegen den am 04.05.2016 erlassenen Beschluss vom 03.05.2016 abgeholfen wird, an das Amtsgericht – Nachlassgericht – Aachen zurückgegeben.

Kosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht werden nicht erhoben.

Gründe

Gründe:

I.

Am 05.07.2015 ist Frau „L“ L I (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Sie war niederländische Staatsangehörige und hatte (zumindest) in ihren letzten 5 Lebensjahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Erblasserin war ledig und hatte keine Kinder. Der Beteiligte zu 1) ist ein Neffe der Erblasserin, die Beteiligte zu 2) eine Nichte.

Die Erblasserin hinterließ 2 notariell beurkundete Einzeltestamente vom 11.09.2008 und 25.03.2014, in denen sie jeweils die Beteiligte zu 2) als ihre Alleinerbin einsetzte (Bl. 25 ff. d. Beiakte 700 H IV 1328/15). Am 25.04.2015 errichtete sie ein handschriftliches Testament, in dem sie den Beteiligten zu 1) zu ihrem Alleinerben einsetzte (Bl. 35 d. Beiakte 700 H IV 1328/15).

Die Erblasserin lebte bis zum 16.02.2015 in einer Eigentumswohnung in B. Ab dem 16.02.2015 kam es zu einer stationären Behandlung der Erblasserin im Mhospital in B. Am 26.02.2015 wurde sie in das N-Heim in B aufgenommen, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.

Beide Beteiligte haben die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt, der Beteiligte zu 1) am 04.08.2015 zur Niederschrift des Nachlassgerichts, die Beteiligte zu 2) durch notarielle Urkunde vom 10.08.2015 (UR.Nr. 808/15 des Notars Dr. C in B). Die Beteiligte zu 2) hat behauptet, die Erblasserin sei am 25.04.2015 nicht mehr testierfähig gewesen; der Beteiligte zu 1) hat dies bestritten.

Das Nachlassgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 12.10.2015 durch die schriftliche Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin am 25.04.2015 (Bl. 37 d. A.). Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen A (Bl. 41 d. A.), B (Bl. 44 d. A.), I2 (Bl. 53 d. A.), T (Bl. 56 d. A.) und Q (Bl. 65 ff. d. A.) verwiesen. Aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 24.11.2015 und 30.12.2015 (Bl. 62, 71 d. A.) hat das Nachlassgericht zu der Beweisfrage noch ein Sachverständigengutachten eingeholt. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. O vom 24.02.2016 Bezug genommen (Bl. 83 ff. d. A.).

Durch Beschluss vom 04.05.2016 hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 2) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen (Bl. 122 ff. d. A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Erblasserin am 25.04.2016 nicht mehr testierfähig gewesen sei. Bezüglich der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses vom 04.05.2016 Bezug genommen.

Gegen diesen dem Beteiligten zu 1) am 06.05.2016 zugestellten Beschluss hat dieser mit am 03.06.2016 beim Amtsgericht Aachen eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Beschwerde eingelegt und beantragt,

den Beschluss des Nachlassgerichts vom 04.05.2016 aufzuheben und das Nachlassgericht anzuweisen, dem Beschwerdeführer einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist.

Er hat die Auffassung vertreten, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes vom 25.04.2015 testierfähig gewesen und sich eine weitere Begründung der Beschwerde vorbehalten.

Durch Beschluss vom 21.07.2016 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 148 f. d. A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, die pauschale Behauptung, die Erblasserin sei testierfähig gewesen, sei durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.

Mit Schriftsatz vom 01.08.2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der Beteiligte zu 1) die Beschwerde weiter begründet (Bl. 156 ff. d. A.).

II.

Die Sache wird in entsprechender Anwendung von § 69 Abs. 3 S. 2 FamFG zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe an das Nachlassgericht zurückzugeben, weil das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Zwar führt die Fehlerhaftigkeit des Nichtabhilfeverfahrens in aller Regel nicht dazu, die Sache zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe an das Amtsgericht zurückzugeben, da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens allein der angefochtene Beschluss ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn das Nichtabhilfeverfahren mit groben Verstößen belastet ist, die dazu führen, dass von der Durchführung eines Abhilfeverfahrens nicht die Rede sein kann. Solche groben, zu einer Zurückverweisung berechtigenden Verfahrensverstöße liegen insbesondere dann vor, wenn das Amtsgericht seiner Amtspflicht zur Überprüfung der angefochtenen Entscheidung und des Beschwerdevorbringens nicht nachgekommen ist (OLG Brandenburg FGPrax 2010, 45; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 653; Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 68 Rn. 34 m.w.N.).

Hier hat das Nachlassgericht in der Nichtabhilfeentscheidung auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen und lediglich ergänzt, dass die mit der Beschwerde vorgebrachte pauschale Behauptung, die Erblasserin sei testierfähig gewesen, durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden sei. Diese Ausführungen lassen nur den Schluss zu, dass das Nachlassgericht zum einen die Feststellungslast verkannt und zum anderen die angefochtene Entscheidung nicht erneut überprüft hat.

Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit als rechtsvernichtende Tatsache hat im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit eines Testamentes beruft (Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2229 Rn. 11 und § 2358 Rn. 12 jeweils m.w.N.; Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 29 Rn. 58 m.w.N.). Die Formulierung in der Nichtabhilfeentscheidung „die Beweisaufnahme habe nicht bestätigt, dass die Erblasserin testierfähig gewesen sei“ lässt indes den Schluss zu, dass das Nachlassgericht von der Feststellungslast des Beschwerdeführers ausgegangen ist.

Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung im Abhilfeverfahren offenbar nicht erneut auf ihre Richtigkeit hin überprüft worden ist, worauf schon die standardisierte Formulierung „aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung“ schließen lässt. Tatsächlich weist das Verfahren erhebliche Fehler auf, was sich im Übrigen auch schon aus der persönlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 08.04.2016 ergibt. So hat das Nachlassgericht ausweislich des angefochtenen Beschlusses schriftliche Aussagen von Zeugen als Grundlage für die Feststellung, die Erblasserin sei am 25.04.2015 nicht testierfähig gewesen, verwertet, die eine solche Feststellung ohne weitere Erkenntnisse aber gar nicht zulassen. So hat beispielsweise die Zeugin A nur ausgeführt, die Erblasserin sei dement und am 25.04.2015 nicht testierfähig gewesen. Dabei ist gar nicht ersichtlich – und das Nachlassgericht hat insoweit auch nicht nachgefragt -, ob die Zeugin überhaupt beurteilen kann, wann eine Demenz und wann Testierfähigkeit vorliegt, und auf welche Umstände sie diese Einschätzung im konkreten Fall gestützt hat. Die entsprechenden Fragen – auch in Bezug auf die anderen vom Nachlassgericht nur schriftlich vernommenen Zeugen und weitere vom Gericht nicht vernommene Personen - sind dann zwar offenbar von dem Sachverständigen im Rahmen der Erstellung seines Gutachtens gestellt worden. Diese Feststellungen des Sachverständigen, zu denen die Beteiligten nicht hinzugezogen und die vom Gericht auch nicht angeordnet worden sind, sind im Rahmen einer - hier angeordneten förmlichen - Beweisaufnahme indes nicht verwertbar, da insoweit gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen worden ist. Denn nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme hat grundsätzlich das Gericht die Zeugen zu vernehmen und nicht der Sachverständige (Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 30 Rn. 19 m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 355 Rn. 2; OLG München NJW-RR 2009, 83). Das Gericht hat dem Sachverständigen vorzugeben, von welchem Sachverhalt er auszugehen hat (§§ 30 Abs. 1 FamFG, 404a Abs. 3 ZPO). Die Aussagen von vom Sachverständigen vernommenen Zeugen können allenfalls dann verwertbar sein, wenn die Beteiligten damit einverstanden sind (BGH NJW 1957, 906).

Das Nachlassgericht wird daher erneut über die Beschwerde des Beteiligten zu 1) zu entscheiden haben. Hierbei wird zu prüfen sein, ob es Zeugen nicht nur schriftlich, sondern in einem Beweistermin vor Gericht vernimmt und hierbei den Sachverständigen hinzuzieht, damit dieser die für die Begutachtung erforderlichen Feststellungen in Gegenwart der Beteiligten treffen kann.

III.

Die Entscheidung über die Nichterhebung von Kosten für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht beruht auf § 21 Abs. 1 S. 1 GNotKG.  Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist derzeit nicht veranlasst.

Meta

2 Wx 209/16

19.08.2016

Oberlandesgericht Köln 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: Wx

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 19.08.2016, Az. 2 Wx 209/16 (REWIS RS 2016, 6545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6545

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