Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2008, Az. 2 StR 626/07

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 5163

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 [X.] vom 5. März 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja StPO § 395 Abs. 2 Nr. 1 Die [X.] gemäß § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO und damit auch die Rechtsmittelbefugnis eines nahen Angehörigen des Verletzten erfasst auch durch einen [X.] qualifizierte Delikte. StGB § 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Die Tathandlungen des Versetzens in eine hilflose Lage und auch des im Stich Las-sens in einer solchen Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB i.d.F. durch das [X.]) setzen für die Tatbestandserfüllung keine Ortsveränderung des Opfers oder des [X.] voraus. [X.], Urteil vom 5. März 2008 - 2 [X.] - [X.] - 2 - in der Strafsache gegen 1. [X.]wegen versuchten Mordes u. a.
- 3 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 5. März 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] [X.] und [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], [X.]in am [X.] Roggenbuck, [X.] am [X.] Prof. Dr. Schmitt, [X.] als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten zu 1., Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten zu 2., Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 4 - Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des [X.] vom 29. Juni 2007, soweit es die beiden Angeklag-ten [X.]betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.]. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten W. [X.] wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten und die Angeklagte M. [X.] we-gen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. [X.] den Mitangeklagten [X.]hat es wegen Beihilfe zum versuchten Mord eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen die Verurteilung der Angeklagten [X.]und M. [X.]

wendet sich die Revision der Nebenklägerin mit der Sachrüge. Sie erstrebt bei beiden Angeklagten eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1 I. Das [X.] hat festgestellt: 2 - 5 - Der am 8. Juli 1973 geborene, geistig leicht behinderte [X.]lebte seit Ende 2002 bei den Angeklagten, die seine Sozialleistungen [X.]. Er wurde vor allem vom Angeklagten W. [X.] , aber auch von der Angeklagten M. [X.] , deren Kindern und Bekannten der Familie angeschrien, gedemütigt und geschlagen. Spätestens Anfang Juli 2003 verschlechterte sich sein körperlicher Zustand, er magerte zusehends ab und hatte zahlreiche offene Wunden an Armen und Beinen sowie am rechten Ohr, außerdem eine äußerlich dunkel gefärbte, ballonartig nach vorn gewölbte Beule von der [X.] bis zur Mitte des Hauptes. Am Abend des 6. Juli 2003 kam es zu einem Streit zwischen dem Angeklagten W. [X.] und der Angeklag-ten M. [X.] und deren Kindern. Der Angeklagte fragte [X.], der sich wie meist im Hausflur aufhielt, —warum er so blöd glotzefi, riss ihn von dem Holzsche[X.], auf dem er saß und stieß ihn [X.] mit voller Wucht gegen die Wand. Als sich [X.] wieder auf den Sche[X.] setzte, trat der Angeklagte so heftig gegen den Sche[X.], dass [X.] zu [X.] fiel. Nun trat und schlug der Angeklagte zunächst mit Fäusten und [X.] mit dem Sche[X.] auf den Oberkörper, die Gliedmaßen und den Kopf des Geschädigten [X.] ein, um diesen zu verletzen, bis ein Bein des Sche[X.]s abbrach. [X.]erlitt zahlreiche Hämatome am Oberkörper, eine ovale Impressionsfraktur im Bereich des linken Oberkiefers mit Bruchausläufer zum [X.] der linken Augenhöhle und eine Fraktur am Bo-den der rechten Augenhöhle. Außerdem platzte die Beule an der [X.], und Blut und Eiter liefen heraus. Die beiden Angeklagten und der anwesende B. brachten [X.] , der sich vor Schmerzen krümmte, stöhnte und nicht mehr selbständig aufstehen konnte, ins Obergeschoss auf eine Schlafcouch. Obwohl [X.]in der Folgezeit zu schwach war, um aufzustehen und kaum reden konnte und die beiden Angeklagten dies erkannten, ließen sie ihn dort liegen, ohne einen Arzt zu verständigen ([X.]). 3 - 6 - Am Abend des 7. Juli 2003 wies [X.] am gesamten Oberkörper in mehreren Farben schillernde Hämatome auf. Aus der Beule an der [X.] trat eine gelbliche, übelriechende Flüssigkeit aus. Das rechte Ohr war fast [X.] abgetrennt. Er konnte nicht schlucken und kaum artikulieren. [X.] 22.00 Uhr beschlossen die Angeklagten, die zwischenzeitlich erkannt hat-ten, dass [X.] ohne ärztliche Hilfe innerhalb der nächsten Stunden versterben würde, dass dieser aus dem Haus müsse, damit sie wegen der sichtbaren und offensichtlich auf Schlägen beruhenden Verletzungen keine Schwierigkeiten bekämen. Mit Hilfe des Mitangeklagten [X.]und der ge-sondert Verfolgten K. brachten die beiden Angeklagten [X.] in ihren VW-Bus, um ihn irgendwo in [X.] abzusetzen. Alle vier fuhren zu-sammen mit [X.] bis in den Bereich von [X.]. Am 8. Juli 2003 gegen 0.45 Uhr stellte K. fest, dass [X.] verstorben war. Die Ange-klagten legten seine Leiche in einem Waldstück etwa 20 Meter von der [X.] entfernt in einem Gebüsch ab, wo sie am 18. Juli 2003 in stark verwestem und teilskelettiertem Zustand aufgefunden wurde. 4 Das [X.] hat die Schläge des Angeklagten W. [X.] am 6. Juli 2003 als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ge-würdigt; an einer Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts oder wegen Körperverletzung mit Todesfolge hat es sich aus tatsächlichen Gründen gehindert gesehen. Für einen Tötungsvorsatz des Angeklagten W. [X.] hätten sich keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben. Angesichts der fortge-schrittenen Verwesung habe eine Todesursache pathologisch-anatomisch nicht mehr festgestellt werden können. Als wahrscheinliche Todesursachen kämen nach den Ausführungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M. in Betracht eine Hirnblutung mit progredienter Eintrübung, eine Darmver-letzung mit nachfolgender Entzündung oder innere Verletzungen der [X.] mit entweder verzögertem Verbluten oder zweizeitger Blutung, die durch 5 - 7 - die Schläge des Angeklagten am 7. Juli 2003 verursacht worden wären, aber auch eine allgemeine Infektion im Sinne einer Sepsis angesichts der flukturie-renden Beule und der blutig-eitrigen Verletzung am Ohr sowie weiterer offener Wunden, die auf frühere, nicht angeklagte Verletzungshandlungen zurückzufüh-ren seien. Die Vorgänge vom 7. Juli 2003 hat das [X.] hinsichtlich beider Angeklagter als versuchten [X.] durch Unterlassen gewürdigt, weil [X.]am Abend des 7. Juli 2003 auch bei sofortiger ärztlicher Hilfe nicht mehr hätte gerettet werden können. [X.] Die Verurteilung des Angeklagten W. [X.] lässt mehrere Rechtsfehler zu seinem Vorteil erkennen. 7 1. Die Beweiswürdigung, mit der das [X.] die Ursächlichkeit der Schläge vom 6. Juli 2003 für den Tod des [X.] und einen Tötungsvor-satz verneint hat, enthält Lücken und ist deshalb rechtsfehlerhaft. 8 a) Soweit das [X.] gemeint hat, nicht ausschließen zu können, dass früher zugefügte Verletzungen und der zunehmend schlechte Allgemein-zustand aufgrund mangelnder Ernährung und einer Sepsis letztendlich todesur-sächlich waren ([X.]), ist diese Beweiswürdigung schon deshalb rechtsfeh-lerhaft, weil die Annahme einer Sepsis als Todesursache sich als bloße fern liegende hypothetische Möglichkeit darstellt, für die nach den Feststellungen und dem mitgeteilten Inhalt der rechtsmedizinischen Gutachten nichts spricht (vgl. [X.]R StGB vor § 1/Kausalität Beweiswürdigung 3). Es hätte im Urteil [X.] näherer Feststellungen dazu bedurft, ob es Anzeichen für eine Sepsis gab oder geben musste. Als der Mitangeklagte E. am Nachmittag des 9 - 8 - 5. oder 6. Juli 2003 mit [X.] sprach, klagte dieser zwar über seine Schwäche ([X.]), wies aber offenbar keine äußeren Anzeichen einer Infektion wie beispielsweise hohes Fieber auf. Das [X.] hätte sich [X.] dazu äußern müssen, ob eine Sepsis zu dem Zeitpunkt ohne äußere An-zeichen hätte vorhanden sein können oder nach dem Gespräch mit [X.] eintreten und binnen zwei Tagen zum Tode führen können und mit welcher Wahrscheinlichkeit ein solcher Krankheitsverlauf eintritt. Darüber hinaus hat das [X.] nicht geprüft, ob die Schläge und Tritte vom 6. Juli 2003 nicht mög-licherweise zum Tod des [X.] beigetragen haben. Es hätte aufklären [X.], ob nicht die Schläge vom 6. Juli 2007, die zum fast vollständigen Abreißen des Ohres und zum Platzen der Beule sowie zur weiteren Schwächung des [X.] geführt hatten, gegebenenfalls den Ausbruch einer Infektion [X.] haben. Es lag hier nach den festgestellten äußeren Umständen nahe, dass die [X.] am 6. Juli 2003 zugefügten Verletzungen auch zu dem keine zwei Tage später eingetretenen Tod beigetragen und den Todeseintritt zumindest durch weitere Schwächung des Körpers und fehlende Flüssigkeits-aufnahme begünstigt, möglicherweise sogar beschleunigt (vgl. [X.] NStZ 2001, 29, 30 f; [X.], 200) haben können. Eine Mitursächlichkeit in diesem Sinne genügt für die haftungsbegründende Kausalität des Täterhandelns (vgl. [X.]St 39, 195, 197 f; [X.] NStZ 2001, 29, 30). b) Auch die Begründung, mit welcher der Tötungsvorsatz im angefochte-nen Urteil verneint worden ist, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat einen Tötungsvorsatz trotz der Massivität und Vielzahl der Schläge und Tritte allein aufgrund des Umstands verneint, dass es bereits [X.] zu massiven körperlichen Übergriffen gekommen sei ([X.] f.). Es hat dabei ersichtlich nicht bedacht, dass F.

zum Tatzeitpunkt gerade aufgrund der früheren körperlichen Übergriffe und unzureichender Nahrungs-aufnahme bereits körperlich geschwächt war ([X.]), er mithin erneute 10 - 9 - Verletzungen nicht so ohne weiteres verkraften würde wie bei früheren [X.]. Angesichts der —nicht unerhebliche Gewalteinwirkungfi ([X.]) erfordernden Schläge mit dem Sche[X.] in das Gesicht des Geschädigten, die zu einer Impressionsfraktur mit Eindringen eines Knochenstücks in die Kiefer-höhle und der Faustschläge, die zu Frakturen beider Augenböden geführt ha-ben, hätte das [X.] näher darlegen müssen, weshalb der Angeklagte hierbei den Tod des [X.] nicht zumindest billigend in Kauf genommen hat. Dass diese schweren Verletzungen, die dazu führten, dass [X.] sich nicht mehr selbständig bewegen und nicht einmal Flüssigkeit schlucken konnte, lebensgefährdend waren, versteht sich entgegen der Ansicht des Land-gerichts ([X.]) von selbst. c) Sollte das neue Tatgericht zur Annahme eines Tötungsvorsatzes ge-langen, so wird es Gelegenheit haben, das Vorliegen von [X.], na-mentlich niedriger Beweggründe (vgl. hierzu [X.]St 47, 128, 130 f.; [X.] NStZ-RR 2004, 332), zu prüfen. Abhängig von den neuen Feststellungen zum [X.] und zur Kausalität wird es auch die Konkurrenzen neu zu beurtei-len haben. Je nach Fallgestaltung könnte etwa ein einheitlicher Mord, ein [X.] in Tateinheit mit versuchtem Mord oder eine Körperverletzung mit To-desfolge in Tateinheit mit versuchtem Mord und Aussetzung mit Todesfolge (siehe dazu unten) vorliegen. 11 2. Das [X.] hätte angesichts der Verneinung einer vorsätzlichen Tötung zudem die Tatbestände der §§ 221 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB prüfen müssen. Dieser Rechtsfehler führt hier auch auf die Revision der Nebenklägerin zur Aufhebung, weil die Verwirklichung der Qualifikationstatbe-stände des § 221 Abs. 3 StGB bzw. des § 227 StGB, der die Körperverlet-zungstatbestände der §§ 223 bis 226 StGB und damit auch die hier in Betracht kommende Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 StGB) in Bezug nimmt, im 12 - 10 - Raum steht. Für die [X.] eines nahen Angehörigen [X.] hier der Mutter des [X.] [X.] aus § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO und damit die [X.] gemäß § 395 Abs. 4 Satz 2, § 401 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt auch ein durch den [X.] qualifiziertes Delikt (vgl. [X.] NStZ 1998, 476; [X.] Urteil vom 10. Januar 2008 [X.] 3 StR 463/07; [X.] in [X.] 25. Aufl. § 395 Rdn. 6). a) Nach den bisherigen Feststellungen könnte sich der Angeklagte der Misshandlung Schutzbefohlener (§ 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB) schuldig gemacht haben. [X.] gehörte dem Hausstand des Angeklagten an und war durch Nahrungsmangel und vorangegangene Verletzungen so geschwächt, dass er selbst am 5. oder 6. Juli 2003 glaubte, seinen Geburtstag am 8. Juli 2003 nicht mehr zu erleben. Es liegt nahe, dass er aufgrund dieses Zustands wehrlos war, so dass insoweit die Voraussetzungen des § 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt wären. Die Tätlichkeiten des Angeklagten am Abend des 6. Juli 2003 stellten eine rohe Misshandlung dar; in der sich anschließenden Untätig-keit des Angeklagten könnten ein Quälen durch Unterlassen (vgl. [X.] NStZ-RR 1996, 197; NStZ 1991, 234; Urteil vom 1. April 1969 [X.] 1 StR 561/68; [X.] StGB 55. Aufl. § 225 Rdn. 8 a am Ende) und eine böswillige Vernachläs-sigung der Fürsorgepflicht liegen. 13 b) Es kommt aber auch eine Strafbarkeit wegen Aussetzung gemäß § 221 StGB in Betracht. In der Fassung des [X.] kann das Versetzen in eine hilflose Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB) auch in anderer Form geschehen als durch eine Ortsveränderung des Opfers ([X.] in [X.]. § 221 Rdn. 12 f.; [X.] a.a.O. § 221 Rdn. 6; [X.]/[X.] StGB 26. Aufl. § 221 Rdn. 3; [X.] in [X.]. 11; [X.] [1999] 30, 41 ff.). Der Angeklagte hat nach den Feststellungen [X.] durch die Stöße, Tritte, Faustschläge und Schläge mit dem Holzsche-14 - 11 - [X.] am 6. Juli 2003 sowie die anschließende Verbringung in das [X.], wo er sich selbst überlassen blieb, in eine hilflose Lage versetzt; [X.]konnte danach nicht mehr selbständig aufstehen, keine Flüssigkeit zu sich nehmen und kaum reden, war mithin nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen oder selbst ärztliche Hilfe zu rufen. Da ihm weder zur Rettung geeignete Hilfs-mittel noch hilfsfähige und [X.]willige Personen zur Verfügung standen, befand er sich in einer hilflosen Lage (vgl. [X.], Urteil vom 10. Januar 2008 [X.] 3 StR 463/07). Hierdurch kann er nahe liegend in Todesgefahr oder in die Gefahr [X.] schweren Gesundheitsschädigung versetzt worden sein, weil er selbst [X.] Schritte zur Behandlung der ihm am 6. Juli 2003 zugefügten schweren [X.] mehr unternehmen konnte. Zwar sollen nach einer Ansicht in der Li-teratur die Fälle vom Tatbestand nicht erfasst werden, in denen der Täter allein durch eine gefahrerzeugende Einwirkung auf Leib oder Leben des Opfers des-sen Hilfsbedürftigkeit steigert oder dessen Hilfsmöglichkeiten reduziert, etwa durch heftiges Einschlagen auf das Opfer die Gefahr eines Verblutens herbei-führt ([X.] a.a.[X.]. 12 m. w. N.). Dem würde der Senat nicht folgen wollen. Dem Wortlaut der geltenden Gesetzesfassung lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen, auch die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 34 f.) sind zu dieser Frage unergiebig. Darauf kommt es hier letztlich aber nicht an, da die Hilflosigkeit des [X.] dadurch noch ge-steigert wurde, dass es im Obergeschoss des Hauses sich selbst überlassen blieb, während bei seinem gewöhnlichen Aufenthalt im Flur des Erdgeschosses immerhin die Möglichkeit bestanden hätte, dass sich Besucher der Familie des Angeklagten seiner erbarmt und für Hilfe gesorgt hätten. Die Entscheidung des 1. Strafsenats vom 24. Oktober 1995 - 1 [X.] (NStZ-RR 1996, [X.] 1999, 294 mit [X.]) steht der Ausle-gung des Senats nicht entgegen, denn in jenem Fall war ein Tötungsvorsatz 15 - 12 - gerade nicht zweifelsfrei ausgeschlossen worden, im Übrigen ist diese Ent-scheidung zu § 221 Abs. 1 StGB in der alten Gesetzesfassung ergangen. Durch das Versetzen in diese hilflose Lage kann sich im vorliegenden Fall aber auch eine bereits zuvor gegebene Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung verstärkt haben, indem [X.]außer Standes gesetzt wurde, der Gefährdung durch die schon vor dem 6. Juli 2003 bestehende Schwächung und den infizierten Verletzungen wirksam zu begeg-nen, etwa durch Aufsuchen eines Arztes oder des Sozialamts. 16 c) Zu prüfen gewesen wäre aber auch die Tatmodalität des § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB. [X.] war nach den Feststellungen aufgrund der [X.] vom 6. Juli 2007 hilflos. Eine Obhutspflicht ihm gegenüber ergab sich für den Angeklagten bereits daraus, dass er [X.] in seinen Hausstand aufgenommen hatte. Als Tatbestandshandlung reicht es aus, dass der Angeklagte nicht für die notwendige Hilfeleistung sorgte. Auch § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der Fassung des [X.] setzt keine Ortsveränderung [X.] hier des Täters [X.] mehr voraus ([X.] aaO Rdn. 23; [X.] a.a.[X.]. 8; [X.] a.a.[X.]. 17). 17 d) Sowohl nach § 221 Abs. 1 StGB als auch nach § 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB hätte es dem Angeklagten mithin oblegen, sofort einen Arzt zu rufen. Hät-te [X.] bei sofortiger ärztlicher Hilfe am 6. Juli 2003 noch gerettet werden können, wozu das Urteil keine Feststellungen enthält, käme es für die Erfüllung der Qualifikationstatbestände der §§ 221 Abs. 3, 227 StGB nicht dar-auf an, ob er an den Folgen der Schläge vom 6. Juli 2003 oder aufgrund einer allgemeinen Sepsis als Folge früherer Misshandlungen verstorben ist. 18 - 13 - I[X.] Auch die Verurteilung der Angeklagten M. [X.] allein wegen versuchten Mordes hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, das Verhalten auch dieser Angeklag-ten unmittelbar nach den Schlägen am 6. Juli 2003 bis zum Abend des 7. Juli 2003, welches die Tatbestände des § 221 Abs. 1 Nr. 2 und des § 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllen könnte, in seine Betrachtung einzubeziehen. Zur [X.] hinsichtlich dieser Tatbestände gelten die Ausführungen oben unter [X.] 2. 19 a) Die Angeklagte könnte sich dadurch, dass sie [X.] gemein-sam mit dem Angeklagten W. [X.] auf die Schlafcouch im [X.] brachte und dort ohne ärztliche Versorgung liegen ließ, ebenfalls der Aussetzung gemäß § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht haben (siehe dazu oben unter [X.] 2. c und unten unter b). 20 b) Es liegt nach dem festgestellten Sachverhalt außerdem nahe, dass die Angeklagte M. [X.] den Tatbestand der Misshandlung von [X.] gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt hat. Sie war ebenso wie der Angeklagte W. [X.] Haushaltsvorstand (Hirsch in [X.], 11. Aufl. § 225 Rdn. 8). Bei einem Ehepaar obliegt beiden Ehegatten gemeinsam die [X.], die Haushaltsführung haben sie einvernehmlich zu regeln (§ 1356 Abs. 1 Satz 1 BGB). Da

[X.]in den Hausstand beider Angeklagter aufgenommen worden war, hätte der Angeklagten M. [X.] bereits unmittelbar nach den Schlägen vom 6. Juli 2003 eine Hilfeleistung oble-gen. Dass die Angeklagte keinen Arzt [X.], hätte deshalb unter den recht-lichen Gesichtspunkten des Quälens durch Unterlassen (vgl. [X.] NStZ-RR 1996, 197; NStZ 1991, 234; Urteil vom 1. April 1969 [X.] 1 StR 561/68; [X.] 21 - 14 - a.a.O. § 225 Rdn. 8 a am Ende) und der böswilligen Vernachlässigung geprüft werden müssen. c) Auch hinsichtlich der Angeklagten M. [X.] erweist sich das Urteil somit als lückenhaft. Hätte [X.] bei sofortiger ärztlicher Hilfe am 6. Juli 2003 noch hätte gerettet werden können, wären die Qualifikationstat-bestände der §§ 221 Abs. 3, 227 StGB erfüllt, ohne dass es auf eine Ursäch-lichkeit der Schläge vom 6. Juli 2003 für den Todeseintritt ankäme. 22 Rissing-van Saan [X.] [X.] Roggenbuck Schmitt

Meta

2 StR 626/07

05.03.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.03.2008, Az. 2 StR 626/07 (REWIS RS 2008, 5163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5163

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