Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.02.2010, Az. 3 B 4/10

3. Senat | REWIS RS 2010, 8888

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Gegenstand

EU-Agrarförderung; Aufrechnungsmöglichkeiten mit ausstehenden Forderungen; Geltung nationaler Vollzugsvorschriften


Gründe

1

Der Kläger begehrt die Auszahlung einer ihm mit [X.]escheid vom 16. November 1998 bewilligten Preisausgleichszahlung für Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen an seinen Vater, der sämtliche derartigen künftigen Forderungen des [X.] gegen den [X.]eklagten am 12. Januar 1994 hatte pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Der [X.]eklagte erklärte demgegenüber die Aufrechnung mit einer offenen Rückforderung einer zu Unrecht gewährten [X.] für Ölsaatenerzeuger aus dem [X.]; der der [X.] zugrunde liegende [X.]ewilligungsbescheid war mit [X.]escheid vom 24. Mai 1994 aufgehoben und der Kläger zur Rückzahlung verpflichtet worden. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Klage stattgegeben.

2

Die [X.]eschwerde des [X.]eklagten gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt die vom [X.]eklagten behauptete grundsätzliche [X.]edeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3

Der [X.]eklagte hält sinngemäß die Frage für klärungsbedürftig, ob Art. 5b der Verordnung ([X.]) Nr. 885/2006 der [X.] vom 21. Juni 2006 ([X.] Nr. L 171 [X.]) in der Fassung der Änderungsverordnung ([X.]) Nr. 1034/2008 vom 21. Oktober 2008 ([X.] Nr. L 279 S. 13) auch auf das Wirtschaftsjahr 1998 Anwendung findet. Er entnimmt dieser Vorschrift seine [X.]erechtigung, ausstehende Forderungen gegen einen [X.]egünstigten mit künftigen Zahlungen an diesen [X.]egünstigten ohne Rücksicht auf [X.] des nationalen Rechts - wie § 392 [X.]G[X.] - zu verrechnen.

4

Die Frage rechtfertigt die Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens nicht. Sie ist - im Einklang mit dem [X.]erufungsurteil - offensichtlich zu verneinen. Art. 5b der Verordnung ([X.]) Nr. 885/2006 ist durch die Änderungsverordnung ([X.]) Nr. 1034/2008 vom 21. Oktober 2008 eingefügt worden. Die Änderungsverordnung trat am 29. Oktober 2008 in [X.]. Ob sie auch zurückliegende Zeiträume erfasst, lässt sie offen. Sie ist jedoch frühestens ab dem 16. Oktober 2006 anwendbar. Dies ergibt sich aus Art. 19 der Verordnung ([X.]) Nr. 885/ 2006; hiernach gilt diese Verordnung ab dem 16. Oktober 2006, einzelne ihrer [X.]estimmungen hingegen erst für das Haushaltsjahr 2007 und folgende. Zu einer weiter zurückreichenden Rechtsänderung wäre die [X.] auch gar nicht ermächtigt gewesen. Die Verordnung ([X.]) Nr. 885/2006 der [X.] beruht auf der Ermächtigung in Art. 42 der Verordnung ([X.]) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik ([X.] Nr. L 209 S. 1). Diese Verordnung trat am 18. August 2005 in [X.]; sie galt nach ihrem Art. 49 grundsätzlich ab dem 1. Januar 2007, in bestimmten Fällen ab dem 16. Oktober 2006 und nur hinsichtlich des - hier nicht einschlägigen - Art. 31 auch für frühere Fälle. Auf die Wiedereinziehung bereits 1993 gezahlter und 1994 zurückgeforderter [X.]eihilfen im Wege der Verrechnung mit 1998 bewilligten Zahlungen findet dieses Regelwerk hiernach keine Anwendung.

5

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Nachfolgeregelung der vom [X.]erufungsgericht angewandten gemeinschaftsrechtlichen [X.]estimmung in Art. 73 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 796/2004 der [X.] vom 21. April 2004 ([X.] Nr. L 141 S. 18, berichtigt [X.] Nr. L 291 S. 18) durch die Änderungsverordnung ([X.]) Nr. 380/2009 vom 8. Mai 2009 ([X.] Nr. L 116 S. 9) unter Hinweis auf die Verordnung ([X.]) Nr. 885/2006 ersatzlos gestrichen wurde. Denn diese Verordnung ([X.]) Nr. 380/2009 gilt ausweislich ihres Art. 2 erst für [X.]eihilfeanträge für die Jahre bzw. Prämienzeiträume, die am 1. Januar 2009 oder später beginnen. Für frühere Prämienzeiträume blieb Art. 73 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 796/2004 damit in Geltung. Die Vorschrift erfasste die ab dem 1. Januar 2005 beginnenden Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume; sie löste Art. 49 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 2419/2001 der [X.] vom 11. Dezember 2001 (A[X.]l [X.] Nr. L 327 S. 11) ab, der für Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume ab dem 1. Januar 2002 galt. Dieser wiederum war an die Stelle des Art. 14 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 3887/92 der [X.] vom 23. Dezember 1992 (A[X.]l [X.] Nr. L 391 [X.]) in der Fassung der Änderungsverordnung ([X.]) Nr. 1678/98 vom 29. Juli 1998 (A[X.]l [X.] Nr. L 212 S. 23) getreten, der seit dem 6. August 1998 galt und den das [X.]erufungsgericht im vorliegenden Fall daher mit Recht angewendet hat.

6

Im Übrigen ergibt sich aus Art. 5b der Verordnung ([X.]) Nr. 885/2006 nicht die [X.]erechtigung des [X.]eklagten, ausstehende Forderungen gegen einen [X.]egünstigten mit künftigen Zahlungen an diesen [X.]egünstigten ohne Rücksicht auf [X.] des nationalen Rechts zu verrechnen. Nach Art. 5b der Verordnung ([X.]) Nr. 885/2006 rechnen die Mitgliedstaaten unbeschadet anderer in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehener Vollstreckungsmaßnahmen eine noch ausstehende Forderung an einen [X.]egünstigten, die im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften festgestellt worden ist, gegen eine etwaige künftige Zahlung auf, die von der für die Eintreibung des geschuldeten [X.]etrags zuständigen Zahlstelle an denselben [X.]egünstigten zu leisten ist. Die Vorschrift führt nicht dazu, dass künftige [X.]eihilfeansprüche des [X.]egünstigten von vornherein nur in Höhe der Differenz zu dessen offenen Schulden entstünden; sie betrifft nicht das materielle [X.]eihilferecht, sondern nur dessen Vollzug, nämlich die Modalitäten der Einziehung offener Forderungen. Ihre [X.]edeutung liegt ausweislich des [X.] darin, die mit der Durchführung des [X.]srechts befassten nationalen [X.]ehörden zu verpflichten, von nach dem nationalen Recht gegebenen Möglichkeiten, sich durch Aufrechnung zu befriedigen, auch Gebrauch zu machen. Dagegen sollen diese Möglichkeiten des nationalen Rechts nicht verändert oder gar das nationale durch ein gemeinschaftsrechtliches Aufrechnungsrecht ersetzt werden. Vielmehr bleibt es auch insofern bei dem Grundsatz, dass das materielle [X.]srecht nach den Regeln des nationalen Rechts vollzogen wird (stRspr, vgl. [X.], Urteil vom 21. September 1983 - [X.]/82 - Slg. 1983, S. 2633 - [X.]; [X.]VerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - [X.]VerwG 3 C 22.02 - [X.] 316 § 49 VwVfG Nr. 44). Anhaltspunkte dafür, dass dieser Grundsatz hier hätte durchbrochen werden sollen (vgl. [X.]eschluss vom 29. März 2005 - [X.]VerwG 3 [X.] 117.04 - [X.] 316 § 48 VwVfG Nr. 112 zu Art. 14 Abs. 4 und 5 der Verordnung <[X.]> Nr. 3887/92), lassen sich der Verordnung ([X.]) Nr. 1034/2008 nicht entnehmen. Dies gilt umso mehr, als die Verordnung ([X.]) Nr. 885/2006 der [X.] - ebenso wie die ihr zugrunde liegende Verordnung ([X.]) Nr. 1290/2005 des Rates - allein den Zahlungs- und Abrechnungsverkehr zwischen der [X.] (bzw. den [X.] Fonds [X.]FL und ELER) und den Mitgliedstaaten und nicht deren Außenverhältnis zu den [X.]eihilfeempfängern betrifft; die Verordnung kann daher nur die mitgliedstaatlichen [X.]ehörden zu einer bestimmten Wahrnehmung ihrer gegebenen Rechte gegenüber den [X.]eihilfeempfängern veranlassen, diese Rechte aber nicht erweitern.

Meta

3 B 4/10

26.02.2010

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 4. November 2009, Az: 19 BV 06.2146, Urteil

Art 5b EGV 885/2006, EGV 1034/2008, EGV 1290/2005

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.02.2010, Az. 3 B 4/10 (REWIS RS 2010, 8888)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8888

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Prämien, Klägers


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