Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. V ZB 41/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1144

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[X.]:[X.]:BGH:2016:081216BVZB41.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]
vom

8. Dezember 2016

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
EuInsVO Art. 5 Abs. 1; [X.] § 10 Abs. 1 Nr. 3; [X.] § 12
Öffentliche Lasten des Grundstücks (hier: [X.]) sind als dingliche Rechte im Sinne von Art.
5 Abs. 1 der [X.] anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2016, [X.], [X.]/15, [X.]:[X.]).
BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2016 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 8. Dezember 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland und die Richter Dr.
Kazele und Dr. Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 7. Februar 2014 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin, eine [X.] nach [X.] Recht, ist Eigentümerin des im Rubrum genannten Grundstücks in [X.]

, [X.]. Mit Urteil vom 6. Mai 2013 ordnete der Tribunal de Grande In-
inen ge-
.

wegen rückständiger Grundsteuern für die [X.] vom 1.
Oktober 2012 bis zum 30. Juni 2013 in
Höhe von 7.471,19

d-stücks und bescheinigte die Vollstreckbarkeit der Forderungen.

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Mit Beschluss vom 21. Mai 2013 hat das Amtsgericht die Zwangsverstei-gerung angeordnet. Der dagegen gerichteten Erinnerung der Schuldnerin hat es nicht abgeholfen. Das [X.] hat ihre sofortige Beschwerde zurückge-wiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin errei-chen, dass die Anordnung der Zwangsversteigerung aufgehoben und der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch gelöscht wird. Mit Beschluss vom 12. März 2015 (veröffentlicht u.a. in [X.], 1768 ff.) hat der Senat dem Ge-richtshof der [X.] die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Begriff des dinglichen Rechts gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr.
1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ([X.]. [X.] 2000 Nr. [X.] S.
1; [X.], nachfolgend EuInsVO) eine nationale Regelung erfasst, wonach [X.] kraft Geset-zes als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen und der Eigentümer insoweit die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz dulden muss. Der Gerichtshof der [X.] hat über die Vorlagefrage mit Urteil vom 26. Oktober 2016 ([X.]/15, [X.]:[X.],
veröffentlicht u.a. in
ZIP 2016, 2175 ff.) entschie-den.

II.

Nach Ansicht des [X.] ist die Zwangsversteigerung zu Recht angeordnet worden. Die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfah-rens wirke sich insoweit nicht aus. Da die rückständigen Grundsteuern
gemäß §
12 [X.] als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhten, stehe der Gläubige-rin gemäß §
49 [X.] i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr.
3 [X.] ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zu. Dieses Recht werde gemäß § 351 [X.] durch die Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens nicht berührt.

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Eine Umschreibung des Titels auf den Insolvenzverwalter und eine Zu-stellung an diesen sei nicht erforderlich, da die Zwangsversteigerung aufgrund eines auf § 58 NVwVG gestützten behördlichen Ersuchens erfolgt sei.

III.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Ob sich das ausländische Insolvenzverfahren auf die Anordnung der Zwangsversteigerung auswirkt, bestimmt sich allerdings nicht nach §
351 [X.]. Maßgeblich ist vielmehr die [X.], die in ihrem Anwendungsbereich den Vorschriften des in §§
335 ff. [X.] geregelten deut-schen Internationalen Insolvenzrechts vorgeht (vgl. Senat, Beschluss vom 3.
Februar 2011 -
V ZB 54/10, [X.], 177 Rn.
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mwN). Der Anwen-dungsbereich der [X.] ist eröffnet, da es sich bei dem Verfahren des "redressement [X.]" um eines der in Art. 2 Buchsta-be
a EuInsVO i.V.m. [X.] der Verordnung genannten Insolvenzverfahren handelt und der für die Schuldnerin auftretende "administrateur [X.]" zu den in Art. 2 Buchstabe [X.]. Anhang C der Verordnung bezeich-neten Verwaltern gehört.

2. Nach der [X.] unterliegt das Insolvenz-verfahren zwar dem [X.] Recht
(Art. 4 Abs. 1 EuInsVO). Gemäß Art.
5 Abs. 1 EuInsVO bleiben aber dingliche Rechte eines Gläubigers an un-beweglichen Gegenständen, die sich im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats befinden, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt. Die [X.], die zu der Anordnung der Zwangsversteigerung geführt ha-4
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ben, sind als dingliches Recht im Sinne dieser Norm anzusehen, da sie als öf-fentliche Last auf dem Grundstück ruhen

12 [X.]). Das infolgedessen maßgebliche [X.] Insolvenzrecht gewährt gemäß §
49
[X.] ein Recht auf abgesonderte Befriedigung.

a) Maßgeblich für die Einstufung als dingliches Recht ist zunächst das [X.] Recht als Recht des Belegenheitsorts (vgl. [X.], Urteil vom 26.
Oktober 2016, [X.], [X.]/15, [X.]:[X.] Rn. 20). Danach sind öffentliche Lasten als dingliche Verwertungsrechte anzusehen, weil der Eigentümer gemäß §
77 Abs. 2 Satz 1 AO die Zwangsvollstreckung in das Grundstück dulden muss; funktionell entsprechen öffentliche Lasten einem Grundpfandrecht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 12. März 2015 in dieser Sache Bezug genommen ([X.], 1768 Rn. 6 ff.).

b) Wie der Gerichtshof der [X.] auf die Vorlage des Se-nats entschieden hat, ist Art. 5 Nr. 1 EuInsVO dahingehend auszulegen, dass auch solche dinglich ausgestalteten öffentlichen Lasten unter den Begriff des dinglichen Rechts fallen (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2016, [X.], [X.]/15, [X.]:[X.]). Weder die steuerrechtliche Natur der Forde-rungen noch deren Entstehung ipso iure (vgl. hierzu auch [X.], Urteil vom 16.
April 2015, [X.], [X.]/13, [X.]:C:2015:227
Rn. 27
f.) stehen dieser Einord-nung entgegen.

c) Die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 EuInsVO sind auch im Übrigen gegeben. Insbesondere entstand die öffentliche Last jedenfalls überwiegend vor [X.]/[X.], [X.] Bericht zu dem [X.]-Übereinkommen über Insol-8
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venzverfahren, 1996, [X.], abgedruckt u.a.
in [X.], Vorschläge und Gutach-ten zur Umsetzung des [X.]-Übereinkommens über Insolvenzverfahren). Denn die Steuer entsteht gemäß §
9 Abs. 2 [X.] zu Beginn des Jahres; selbst wenn die auf die [X.] nach der Verfahrenseröffnung entfallenden Steuern kein dingli-ches Recht mehr begründen sollten, wären die Forderungen aus der [X.] vom 1. Oktober 2012 bis zum 5. Mai 2013 vor Verfahrenseröffnung entstanden.

3. Ohne Erfolg rügt die Schuldnerin, der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung sei dem [X.] Insolvenzverwalter nicht bekannt-gegeben worden. Ob eine solche Bekanntgabe erforderlich ist, richtet sich nach [X.]m Verfahrensrecht als der lex fori. Hiernach ist die Bekanntgabe des Antrags der Finanzbehörde an den Schuldner bzw. an den Insolvenzverwalter kein Vollstreckungserfordernis und daher ohne Bedeutung für eine wirksame Anordnung der Zwangsversteigerung (vgl. [X.], [X.], 21.
Aufl., § 15 Rn. 34.4 a.E.; [X.], 310, hierzu [X.], [X.] 1991, 90).

4. Ob im Übrigen die Voraussetzungen für den Beginn der [X.] vorliegen, hat das Vollstreckungsgericht bei der Beitreibung von Steuerschulden (anders als bei der Vollstreckung von Urteilen) nicht zu prüfen. Dies ist vielmehr Aufgabe der Finanzbehörde (vgl. Senat, Beschluss vom 14.
Juli 1951 -
V [X.], [X.], 140, 144 f.). Zuständige Behörde ist nach dem [X.] (NVwVG) die [X.] (§
6 Abs.
1 NVwVG). Bestätigt diese -
wie hier -
in ihrem Antrag, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen, sind die Gerichte daran gebunden (§
58 Abs. 3 Satz 2 und 3 NVwVG). Insbesondere darf das [X.] nicht prüfen, ob ein Duldungsbescheid gegen den ausländischen Insolvenzverwalter erforderlich und ob dieser ergangen ist (dazu

MüKo-[X.]/Ganter, 3. Aufl., § 49 Rn. 53). Die Schuldnerin (bzw. der Insolvenz-11
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verwalter) kann insoweit Rechtsbehelfe vor den Finanzgerichten ergreifen (vgl. [X.], 53; 158, 310).

5. Schließlich ist es unerheblich, dass die Anordnung nach Eröffnung
des zugestellt worden ist. Selbst wenn die Zustellung an den Insolvenzverwalter erforderlich sein sollte, stellt dies jedenfalls keinen Grund für eine Aufhebung der Anordnung dar.

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IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschrift ist hier anwendbar, weil sich die Parteien bei dem Streit um die Anordnung der Zwangsversteigerung wie in einem kontradiktorischen Verfahren gegenüberste-hen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 -
V [X.], [X.], 378 Rn. 8).

Stresemann Brückner Weinland

Kazele Hamdorf

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.10.2013 -
6 K 16/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 07.02.2014 -
4 [X.] -

14

Meta

V ZB 41/14

08.12.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2016, Az. V ZB 41/14 (REWIS RS 2016, 1144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1144

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 41/14

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