Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.09.2013, Az. II R 62/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 2938

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Gegenstand

(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 11.9.2013 II R 61/11 - Bewertung bebauter Grundstücke im Ertragswertverfahren für Zwecke der Erbschaftsteuer (Rechtslage bis 2006))


Leitsatz

1. NV: Der Bewertung eines bebauten Grundstücks für Zwecke der Erbschaftsteuer ist nach der bis 2006 geltenden Rechtslage regelmäßig auch dann die im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielte Miete zugrunde zu legen, wenn diese niedriger als die übliche Miete war und die Vermietung zwischen verbundenen Unternehmen erfolgte.

2. NV: Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gemäß § 146 Abs. 7 BewG a.F. kann nur durch ein Gutachten erbracht werden, das der örtlich zuständige Gutachterausschuss oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Familienstiftung, deren Vermögen zum 30. September 2003 nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des [X.] (ErbStG) der Erbschaftsteuer (Erbersatzsteuer) unterlag. Zu dem Vermögen gehörten insbesondere Beteiligungen an der Unternehmensgruppe X.

2

Der im Inland steuerpflichtige Teil der Unternehmensgruppe bestand am Bewertungsstichtag im Wesentlichen aus operativen Regionalgesellschaften sowie aus Grundstücksgesellschaften. Die Klägerin war jeweils in Höhe von 74,25 % an diesen Gesellschaften beteiligt. Eine solche Beteiligung bestand auch an der Grundstücksgesellschaft, die Eigentümerin des im Streitfall zu bewertenden Grundstücks ist. Dieses Grundstück wurde 1998 mit einem Einkaufsmarkt bebaut. Die für das bebaute Grundstück aufgewandten Gesamtinvestitionen beliefen sich zum 30. September 2003 auf 2.544.907 €. Davon entfielen auf den Grund und Boden 625.766 €, auf das Gebäude 739.849 € und auf die Außenanlagen 1.179.290 €.

3

Das Grundstück wurde nach der Fertigstellung des [X.] an eine der Regionalgesellschaften der Unternehmensgruppe vermietet. Es wurde eine jährliche, an den Lebenshaltungskostenindex anzupassende Miete von 6 % der Gesamtinvestition vereinbart. Aufgrund eines Nachtrags zum Mietvertrag wurde die Jahresmiete mit Wirkung zum 1. Januar 1999 auf ca. 4,5 % der Investitionskosten herabgesetzt. Die Monatsmiete wurde aufgrund nachträglich angefallener Investitionskosten und der gestiegenen Lebenshaltungskosten ab Oktober 2000 auf 18.700 DM und ab Dezember 2000 auf 19.300 DM erhöht.

4

Seit Anfang der 1980er Jahre bis zum 31. Dezember 1998 war in der Unternehmensgruppe einheitlich eine Jahresmiete in Höhe von 6 % der jeweiligen Investitionskosten vereinbart worden. Ab dem 1. Januar 1999 wurde einheitlich eine solche in Höhe von 4,5 % vereinbart.

5

In der Erklärung über die Feststellung des [X.] auf den 30. September 2003 gab die Klägerin für die [X.] (10/2000 bis 9/2003) eine durchschnittliche jährliche Nettokaltmiete in Höhe von 118.212 € an. Unter Hinweis auf ein Verkehrswertgutachten beantragte die Klägerin den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Wertes in Höhe von 880.000 €. Dieses Gutachten hatte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt.

6

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) folgte bei der Bewertung des Grundstücks weder dem Gutachten noch berücksichtigte er die gezahlten Mieten. Das [X.] stellte vielmehr mit Bescheid vom 5. März 2008 den Grundbesitzwert auf den Besteuerungsstichtag 30. September 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer in Höhe von 2.326.000 € fest. Der Berechnung legte es eine seiner Ansicht nach übliche Jahresmiete in Höhe von 7,5 % der Investitionskosten, einen Vervielfältiger von 12,5 und eine Alterswertminderung von 2,5 % zugrunde. Der Einspruch blieb erfolglos.

7

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) setzte den Grundbesitzwert auf 1.860.500 € herab. Dabei vertrat es die Ansicht, dass das vorgelegte Verkehrswertgutachten auch in der im Klageverfahren vorgelegten Fassung nicht geeignet sei, den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes des Grundstücks zu erbringen. Bei der Ermittlung des [X.] sei wegen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 der Abgabenordnung in der im Streitjahr gültigen Fassung ([X.]) nicht der vereinbarte, sondern gemäß § 146 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([X.]) der übliche Mietzins anzusetzen. Dieser betrage 6 % der Investitionssumme.

8

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Klägerin ist der Ansicht, das [X.] habe zu Unrecht die Feststellungen des Verkehrswertgutachtens einschließlich der ergänzenden Ausführungen im Klageverfahren nicht bei der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt. Dies verstoße gegen § 146 Abs. 7 [X.], der dem Steuerpflichtigen die Wahl der Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswertes freistelle. Das Gutachten sei zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes geeignet. Die Einwendungen des [X.] seien durch substantiiertes Parteivorbringen und Erläuterungen im finanzgerichtlichen Verfahren widerlegt worden.

9

Folge man den Feststellungen des Gutachtens nicht, müsse der Wertfeststellung die vertraglich vereinbarte Jahresmiete für das Grundstück zugrunde gelegt werden. Der Ansatz einer üblichen Miete komme nicht in Betracht. Die Grundstückswerte seien in typisierender Weise zu ermitteln. Außerhalb der in § 146 Abs. 3 Satz 1 [X.] ausdrücklich genannten Fälle sei nicht zu prüfen, ob die tatsächliche Jahresmiete der üblichen Miete entspreche. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 [X.] liege nicht vor. Die in der Unternehmensgruppe zum 1. Januar 1999 generell vorgenommene Herabsetzung der Investitionsmiete von 6 % auf 4,5 % habe auf zahlreichen Mietwertgutachten beruht und zudem der Vermeidung der Anwendung des § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gedient.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.] auf den 30. September 2003 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 5. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2009 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert in Höhe von 880.000 € festgestellt wird.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es hat seine zunächst eingelegte Revision mit Schriftsatz vom 25. Juni 2012 zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen der Auffassung des [X.] ist der Bedarfsbewertung nicht eine übliche, sondern die erzielte Miete zugrunde zu legen. Einen niedrigeren gemeinen Wert hat die Klägerin nicht nachgewiesen.

1. Bei der Ermittlung des [X.] ist im Streitfall gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG in der im Streitjahr geltenden Fassung [X.]. § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 5 sowie § 146 [X.] die erzielte und nicht die übliche Miete zu berücksichtigen.

a) Nach § 146 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist der Wert eines bebauten Grundstücks das [X.] der für dieses im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete, vermindert um die Wertminderung wegen des Alters des Gebäudes. Jahresmiete ist das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Nutzung der bebauten Grundstücke aufgrund vertraglicher Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen haben (§ 146 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

b) Nach § 146 Abs. 3 Satz 1 [X.] tritt an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete, wenn ein bebautes Grundstück oder Teile hiervon nicht oder vom Eigentümer oder dessen Familie selbst genutzt, anderen unentgeltlich zur Nutzung überlassen oder an Angehörige oder Arbeitnehmer des Eigentümers vermietet wurden. Die übliche Miete ist dann die Miete, die für nach Art, Lage, Größe, Ausstattung und Alter vergleichbare, nicht preisgebundene Grundstücke von fremden Mietern bezahlt wird (§ 146 Abs. 3 Satz 2 [X.]).

Die Vermietung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung führt nicht dazu, dass das an die [X.] entgeltlich überlassene Grundstück [X.] als durch die Besitzgesellschaft "selbst genutzt" anzusehen ist. Das folgt aus der rechtlichen Eigenständigkeit der Besitzgesellschaft einerseits und der [X.] andererseits, die auch steuerrechtlich wie zwei selbständige Unternehmen behandelt werden und nicht wirtschaftlich zu einem einheitlichen Unternehmen zusammenzufassen sind (Beschluss des Großen Senats des [X.] --BFH-- vom 8. November 1971 GrS 2/71, [X.], 440, [X.] 1972, 63; BFH-Urteil vom 2. Februar 2005 II R 4/03, [X.], 421, [X.] 2005, 426). Dabei ist unerheblich, in welchem Betriebsvermögen das zu bewertende Grundstück ertragsteuerrechtlich zu erfassen ist. Selbst wenn das zu bewertende Grundstück nach § 4 Abs. 1 EStG Sonderbetriebsvermögen im Gewerbebetrieb des Mieters darstellt, ergibt sich auch daraus kein der Anwendung des § 146 Abs. 2 [X.] vorgelagertes [X.]es Hindernis, die erzielten Mieten zur Bestimmung der Jahresmiete i.S. des § 146 Abs. 2 [X.] heranzuziehen ([X.] vom 17. März 2008 II B 3/08, [X.], 929).

c) Im Streitfall wurde das Grundstück von der Vermieterin weder selbst genutzt noch anderen unentgeltlich zur Nutzung überlassen. Die personelle Verflechtung zwischen der Vermieterin und der Mieterin führt nicht zur Anwendung des § 146 Abs. 3 [X.] (vgl. BFH-Urteil in [X.], 421, [X.] 2005, 426).

2. Die Bewertung ist auch nicht wegen Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO so vorzunehmen, dass die bis zum 31. Dezember 1998 unternehmensintern gezahlte Miete von 6 % der Investitionskosten bei der Bewertung nach § 146 Abs. 2 [X.] anzusetzen ist.

a) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden (§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO). Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten [X.] unangemessen ist, der [X.] dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteile vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, [X.], 231, [X.] 2008, 789, und vom 25. August 2009 IX R 60/07, [X.], 252, [X.] 2009, 999, jeweils m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteile in [X.], 231, [X.] 2008, 789, und in [X.], 252, [X.] 2009, 999). Kein Missbrauch ist die Nutzung von Gestaltungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber ausdrücklich eröffnet hat (vgl. [X.] vom 27. September 2012 II R 9/11, [X.], 241, [X.] 2012, 899, Rz 116 f.). Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch nach § 42 Abs. 1 Satz 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Wirtschaftliche Vorgänge unterliegen nicht einer Angemessenheitsprüfung nach § 42 Abs. 1 AO.

b) § 146 Abs. 2 [X.] knüpft für die Bewertung an die für das bebaute Grundstück im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitraum erzielte Jahresmiete an. Dabei handelt es sich um einen wirtschaftlichen Sachverhalt, der keiner Überprüfung nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO unterliegt. Eine missbräuchliche rechtliche Gestaltung im Sinne dieser Vorschrift kann demgemäß nicht allein deshalb vorliegen, weil die erzielten Mieten niedriger als die üblichen sind. Eine Überprüfung der angemessenen rechtlichen Gestaltung i.S. des § 42 AO scheitert zudem daran, dass das Bewertungsverfahren nach § 146 Abs. 2 [X.] nur eine grobe, typisierende Bewertungsmethode darstellt, die zur Ermittlung des gemeinen Wertes strukturell ungeeignet ist, zu weit auseinanderliegenden Bewertungsergebnissen führt und daher den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht entspricht (Beschluss des [X.] vom 7. November 2006  1 BvL 10/02, [X.] 117, 1, [X.] 2007, 192, unter [X.]. 2.b bb). Der Vorschrift kann aus diesen Gründen kein Angemessenheitsmaßstab entnommen werden, der der Prüfung nach § 42 AO zugrunde gelegt werden könnte.

c) Dass bei der Bewertung eines bebauten Grundstücks gemäß § 146 Abs. 2 [X.] auch dann von der im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmiete auszugehen ist, wenn diese deutlich niedriger als die übliche Miete war, widerspricht auch nicht den Wertungen des Gesetzgebers. Der durch Art. 1 Nr. 36 des Jahressteuergesetzes ([X.]) 1997 ([X.] 1996, 2049) eingefügte § 146 Abs. 3 [X.] enthält keine vergleichbare Regelung, wie sie § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] für die Einheitsbewertung vorsieht. Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist statt des vertraglich vereinbarten [X.] die übliche Miete als [X.] für solche Grundstücke oder Grundstücksteile anzusetzen, die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. Diese Regelung hatte der Gesetzgeber zum Bewertungsstichtag nicht in die neu eingeführten Vorschriften zur Bedarfsbewertung (§§ 138 bis 150 [X.]) übernommen. Eine vergleichbare Bestimmung ist erst durch Art. 18 Nr. 3 Buchst. b [X.] 2007 ([X.] 2006, 2878) mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in § 146 Abs. 3 Satz 1 [X.] eingefügt worden. Erst ab diesem Zeitpunkt tritt an die Stelle der Jahresmiete die übliche Miete für solche Grundstücke, die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat (§ 146 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] n.F.).

Das Gesetzgebungsverfahren spricht nicht dafür, dass der Gesetzgeber entgegen dem Wortlaut des § 146 Abs. 3 [X.] etwas anderes hätte regeln wollen und die Änderung durch das [X.] 2007 lediglich klarstellend wirken sollte. Zwar lässt sich den Gesetzesmaterialien zum [X.] 1997 die Aussage entnehmen, dass in Fällen, in denen aufgrund der tatsächlichen Umstände darauf geschlossen werden müsse, dass die Miete nicht unter marktgerechten Bedingungen vereinbart worden sei, die übliche Miete als Berechnungsgrundlage heranzuziehen sei (Zweiter Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines [X.] 1997 vom 5. November 1996, BTDrucks 13/5952, 41). Diese Auffassung hat im Gesetzeswortlaut jedoch keinen Niederschlag gefunden. Maßgebend für die Auslegung sind aber nicht die subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen; entscheidend ist vielmehr der im Gesetz zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (BVerfG-Beschluss vom 9. November 1988  1 BvR 243/86, [X.] 79, 106, [X.] 1989, 938, Rz 66; [X.] vom 10. November 1999 [X.], [X.], 479, [X.] 2000, 131; BFH-Urteile vom 31. März 2004 [X.], [X.], 68, [X.] 2004, 1047, und in [X.], 421, [X.] 2005, 426).

Auch das Gesetzgebungsverfahren zum Steuerbereinigungsgesetz ([X.]) 1999 lässt nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass --außerhalb der in § 146 Abs. 3 Satz 1 [X.] ausdrücklich genannten [X.] zwischen erzielter und üblicher Miete allein zu einem Ansatz der üblichen Miete führen können. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, § 146 Abs. 3 [X.] um eine Regelung zu ergänzen, wonach die übliche Miete auch dann anzusetzen sei, wenn die vereinbarte Miete um mehr als 20 % unter der üblichen Miete liege (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines [X.] 1999 vom 27. September 1999, BTDrucks 14/1655, 15). Dieser Vorschlag ist jedoch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht übernommen worden. Der Gesetzgeber hat die unterschiedlichen Wirkungen des zum Bewertungszeitpunkt geltenden § 146 Abs. 3 [X.] einerseits und des § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] andererseits also gekannt und hingenommen.

d) Vor diesem Hintergrund kann im Streitfall in der Vereinbarung einer nicht dem üblichen Mietzins entsprechenden Miete allein keine missbräuchliche Gestaltung i.S. des § 42 AO gesehen werden. Ungeachtet der von der Klägerin vorgetragenen ertragsteuerrechtlichen und außersteuerlichen Gründe, die zur Vereinbarung einer einheitlichen Investitionsmiete in Höhe von 4,5 % in der Unternehmensgruppe geführt haben, und unabhängig von der tatsächlichen Ermittlung dieses Mietzinses durch unabhängige Sachverständige handelt es sich bei der Vereinbarung einer niedrigen statt der üblichen Miete lediglich um die Nutzung von Gestaltungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber dadurch eröffnet hat, dass er im Rahmen des § 146 Abs. 2 [X.] allein auf die erzielte Miete abstellt und nur in den in § 146 Abs. 3 [X.] ausdrücklich benannten Ausnahmefällen davon abweicht.

Es kann offen bleiben, ob § 146 Abs. 3 [X.] als spezielle [X.] ausgestaltet ist, die die Anwendung des § 42 AO generell ausschließt, oder ob § 42 AO zur Anwendung kommen kann, wenn die Vereinbarung über die Höhe der Miete so stark von außerhalb der Marktgegebenheiten liegenden Überlegungen beeinflusst wäre, dass sie bereits der Besteuerung nach dem Einkommen und Ertrag nicht zugrunde gelegt werden könnte (vgl. BFH-Urteil in [X.], 421, [X.] 2005, 426). Dass im Streitfall ein solcher Sachverhalt gegeben wäre, hat weder das [X.] festgestellt noch wird dies vom [X.] geltend gemacht. Im Übrigen weicht die vereinbarte Miete lediglich um 25 % von der vom [X.] und nach Rücknahme der Revision auch vom [X.] als üblich angesehenen Miete ab. Zudem erfolgte die Festlegung des Mietzinses in Höhe von 4,5 % statt der bis dahin geltenden 6 % der Gesamtinvestitionskosten für alle Mietverträge bereits zum 1. Januar 1999, d.h. mehr als viereinhalb Jahre vor dem Bewertungsstichtag und fast zwei Jahre vor dem Ermittlungszeitraum des § 146 Abs. 2 [X.]. Sie hat --mit der entsprechenden Anpassung durch die Anknüpfung an den [X.] bis heute Bestand.

3. Da das [X.] von einer anderen Auffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

a) Anhand der unstreitig erzielten Miete errechnet sich der Grundbesitzwert im Ertragswertverfahren gemäß § 146 Abs. 2 [X.] wie folgt:

        

Durchschnittliche Miete im ersten bis dritten Jahr vor dem Besteuerungszeitraum (10/2000 bis 9/2003)
jährliche Nettokaltmiete

118.212,00 €

118.212,00 € x 12,5 =

1.477.650,00 €

Alterswertminderung 0,5 % pro Jahr für fünf Jahre = 2,5 % =

36.941,25 €

Grundbesitzwert

1.440.708,75 €

gerundet auf volle 500 €

1.440.500,00 €

b) Die Klägerin hat den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes nicht erbracht.

aa) Nach § 146 Abs. 7 [X.] ist ein niedrigerer Wert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert nachweist. Der Steuerpflichtige trägt insoweit die [X.]. Er kann den Nachweis durch Sachverständigengutachten regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken führen (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, [X.], 352, [X.] 2005, 259). Bei dem Sachverständigen muss es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handeln. Aufgrund der [X.] obliegt es dem Steuerpflichtigen nämlich, den Nachweis durch Sachverständigengutachten so zu führen, dass ihm das [X.] regelmäßig ohne Bestellung weiterer Sachverständiger folgen kann. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn Gutachten anderer Personen für den Nachweis durch den Steuerpflichtigen zugelassen würden, weil das [X.] zunächst Feststellungen zur fachlichen Eignung dieser Personen treffen und zur Überprüfung der Feststellungen ggf. sich eines weiteren Sachverständigen bedienen müsste. Damit träfe den Steuerpflichtigen im Ergebnis entgegen der gesetzlichen Wertung nicht mehr die [X.], sondern allenfalls noch eine Darlegungs- und Feststellungslast (BFH-Urteil in [X.], 352, [X.] 2005, 259; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 4. Aufl., § 198 [X.] Rz 7).

bb) Ob das Gutachten inhaltlich den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Finanzamts und ggf. der Gerichte (BFH-Urteile vom 3. Dezember 2008 II R 19/08, [X.], 268, [X.] 2009, 403, und vom 5. Mai 2010 II R 25/09, [X.], 72, [X.] 2011, 203). Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann. Einem Gutachten, das bei Fehlen [X.]er Sonderregelungen den Vorgaben der [X.] (bzw. für [X.] ab 1. Juli 2010 den Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19. Mai 2010, [X.] 2010, 639) entspricht und plausibel ist, wird regelmäßig zu folgen sein (BFH-Urteile in [X.], 268, [X.] 2009, 403, und in [X.], 72, [X.] 2011, 203). Nimmt der Sachverständige Abschläge vom Bodenwert vor, müssen sie objektivierbar und grundstücksbezogen begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe (BFH-Urteile in [X.], 268, [X.] 2009, 403, und in [X.], 72, [X.] 2011, 203).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das von der Klägerin vorgelegte und im Klageverfahren ergänzte Gutachten nicht geeignet, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.

Dabei kann dahinstehen, ob das Gutachten inhaltlich den Anforderungen an den Nachweis eines niedrigeren [X.] im Hinblick auf den angesetzten Bodenwert, die nachhaltig erzielbare Miete, die nicht umlegbaren Bewirtschaftungskosten und den Liegenschaftszinssatz genügt und ob das Gutachten --wie vom [X.] angenommen-- auch deshalb nicht zum Nachweis eines niedrigeren Grundstückswertes geeignet ist, weil es sich mit der großen Differenz zwischen dem gutachterlich festgestellten Verkehrswert von 880.000 € zum Bewertungsstichtag und der wenige Jahre zuvor aufgewendeten Gesamtinvestitionskosten in Höhe von 2.544.907 €, wovon allein 625.766 € auf den Grund und Boden entfallen, nicht substantiiert auseinandersetzt.

Dem Gutachten ist jedenfalls schon deshalb nicht zu folgen, weil es nicht vom örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken, sondern von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt wurde. Das im Klageverfahren vorgelegte --erweiterte-- Gutachten ist zwar von zwei vertretungsbefugten Personen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterschrieben worden, von denen einer nach einem internationalen Zertifikat ein Fachmann auf dem Gebiet der Immobilienbewertung ist. Dies ändert aber nichts an dem entscheidenden Umstand, dass es sich um das Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft handelt, die selbst keine Sachverständige für die Bewertung von Grundstücken ist.

Meta

II R 62/11

11.09.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 6. Oktober 2011, Az: 4 K 765/2009, Urteil

§ 146 Abs 2 BewG 1991 vom 20.12.1996, § 146 Abs 3 BewG 1991 vom 20.12.1996, § 146 Abs 7 BewG 1991 vom 20.12.1996, § 42 AO, § 12 Abs 3 ErbStG 1997, § 138 Abs 1 S 2 BewG 1991, § 138 Abs 3 BewG 1991, § 138 Abs 5 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.09.2013, Az. II R 62/11 (REWIS RS 2013, 2938)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2938

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