Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2017, Az. IX ZB 1/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14358

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:090317BIXZB1.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

[X.]CHLUSS
IX ZB
1/16
vom

9. März
2017

in dem Rechtsstreit

-
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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die Richterin [X.], [X.] [X.], Dr.
Schoppmeyer und [X.]

am 9. März 2017
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des [X.] vom 8. Dezember 2015 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen außergerichtlichen Kosten verurteilt. Die gegen dieses Urteil fristgerecht einge-legte Berufung hat der Beklagte nicht innerhalb der bis zum 10. September 2015 verlängerten Frist begründet, die [X.] ist erst am Folgetag bei Gericht eingegangen. Auf den ihm am 17. September 2015 zuge-stellten gerichtlichen Hinweis hat der Beklagte mit Schriftsatz vom [X.] 2015, der beim Berufungsgericht am selben Tag per Telefax eingegangen 1
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ist, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist beantragt.

Zur Begründung seines Antrages hat er ausgeführt, dass die von seinem Prozessbevollmächtigten angewiesene Übermittlung der Berufungsbegrün-dungsschrift per Telefax am 10. September 2015 aufgrund eines Kanzleiverse-hens unterblieben sei. Gemäß einer allgemeinen Anweisung würden dem zu-ständigen Rechtsanwalt die ausgearbeiteten Schriftsätze spätestens am Tag des Fristablaufs persönlich zur Unterschrift vorgelegt. Nach deren Unterzeich-nung erteile dieser einer ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten jeweils die mündliche Weisung, den Schriftsatz fristwahrend vorab per Telefax zu übermitteln und dabei auch zu überprüfen und zu kontrollieren, dass die Über-mittlung ordnungsgemäß und vollständig an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Dieser Auftrag sei unverzüglich und persönlich auszuführen. Nach ord-nungsgemäßer Erledigung habe die Mitarbeiterin dem anweisenden Rechtsan-walt eine mündliche Rückmeldung zu erteilen. Erst danach werde von dem ver-antwortlichen Rechtsanwalt die Weisung erteilt, dass die [X.] im [X.] gestrichen werde. Die Angestellten würden sorgfältig überwacht und regelmäßig kontrolliert. Hierbei seien bislang keinerlei Unregelmäßigkeiten bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax festgestellt worden.

Im konkreten Fall habe
sein Prozessbevollmächtigter die Rechtsanwalts-fachangestellte W.

, eine in der Kanzlei seit mehreren Jahren beschäftigte, zuverlässige Mitarbeiterin, am Nachmittag des 10. September 2015 unter [X.] auf den bevorstehenden Fristablauf mündlich angewiesen, den Schriftsatz vorab per Telefax an das Berufungsgericht zu übersenden. Die Mitarbeiterin habe den Auftrag angenommen und dem Anwalt auf dessen Nachfrage eine 2
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Stunde später dessen Ausführung mitgeteilt. Daraufhin habe er die Weisung zur Löschung der
Frist im [X.] erteilt.

Die Rechtsanwaltsfachangestellte W.

hat in der vom Beklagten in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherung erklärt, sie sei allgemein angewiesen, die ordnungsgemäße Übermittlung von [X.] anhand des jeweiligen [X.] auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Vorliegend habe sie das Datum und das Ende des [X.] die vollständige Anzahl der Seiten und die richtige Telefaxnummer des [X.] überprüft und dies durch Abhaken auf dem Sendebericht vermerkt. Aufgrund einer aktuellen Stresssituation habe sie dabei übersehen, dass der Sendebericht an Stelle eines "ok-Vermerks" den Text "[X.]" enthalten habe. Der vom Beklagten in Kopie vorgelegte Sendebericht enthielt neben dem Vermerk "[X.]. [X.]" die weiteren Angaben "START=10-SEP 15:25"; "EN[X.]=10-SEP 15:36", "[X.] 000/008", "DAUER 00:00:00".

Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der [X.] mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat es für nicht
ausgeschlossen erachtet, dass die Fristversäumung auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzu-4
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rechnenden anwaltlichen Organisationsmangel in der [X.] der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Es sei nicht vorgetragen, dass im Büro seines Prozessbevollmächtigten eine [X.] eingerichtet gewesen sei, die einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bei der Versendung von Schreiben per Telefax biete. Die vom Beklagten geschilderte Handhabung, die eine Löschung einer Frist nach Vorgabe des verantwortlichen Rechtsanwalts allein auf der Grundlage einer Versicherung der die fristwahren-den Handlung ausführenden Bürokraft vorsehe, stelle keinen ausreichenden Ersatz für eine nochmalige, selbständige, der Ausführung der fristwahrenden Handlung nachgelagerte und abschließende allabendliche Kontrolle der Erledi-gung fristgebundener Sachen durch eine hierzu beauftragte Bürokraft dar. Bei der gebotenen Durchsicht des [X.] am Ende des [X.] wäre aufgefallen, dass eine Übermittlung der Berufungsbegründung an das [X.] tatsächlich nicht erfolgt war.

2. Diese Begründung überspannt die Anforderungen an die allabendliche [X.], allerdings ohne dass sich der Fehler auf das Ergebnis der Entscheidung auswirkt.

a) Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen dafür Sor-ge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss er nicht nur sicherstellen, dass ihm die Akten von Verfahren, in denen Rechtsmitteleinlegungs-
und Rechtsmittelbegründungsfristen laufen, rechtzeitig vorgelegt werden, sondern er hat auch eine [X.] [X.], durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schrift-sätze auch tatsächlich hinausgehen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 26.
Februar 2015 -
III ZB 55/14, NJW 2015, 2041 Rn. 8; vom 6. April 2016
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VII ZB 7/15, NJW-RR 2016, 1262 Rn. 9 mwN). Bei einer Übermittlung frist-wahrender Schriftsätze per Telefax genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zu einer [X.] dann, wenn er seine Angestellten anweist, anhand des [X.] und gegebenenfalls des Inhalts der Akte zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig
und an den richtigen Empfänger erfolgt ist; erst danach darf die Frist im [X.] gestrichen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
Mai 2008 -
XII
ZB
34/07, [X.], 2508 Rn.
11; vom 16.
Februar 2012
-
IX ZB 110/11, n.v., Rn.
4; vom 3. Dezember 2015
V
ZB 72/15, NJW 2016, 874 Rn. 12). Außerdem gehört zu einer [X.] eine Anordnung des Rechtsanwalts, durch die gewährleistet wird, dass die Erledigung der fristge-bundenen Sachen am Ende eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalen-ders von
einer damit beauftragten Bürokraft nochmals selbständig überprüft wird (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Dezember 2014
VI
ZB
42/13, NJW-RR 2015, 442 Rn. 8; vom 15. Dezember 2015
VI
ZB
15/15, NJW 2016, 873 Rn. 8; vom 25. Februar 2016
III
ZB
42/15, NJW 2016, 1742 Rn. 10; jeweils mwN).

Wenn eine allgemeine Kanzleianweisung zur Überprüfung eines per Te-lefax übermittelten Schriftstücks anhand des [X.] fehlt, muss die Prüfung der Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend auch eine in-haltliche Prüfung des [X.] umfassen ([X.], Beschluss vom 23.
Februar 2016 -
II ZB 9/15, NJW 2016, 1664 Rn. 18). Besteht indes eine sol-che allgemeine Kanzleianweisung, muss sich die von einem Rechtsanwalt an-zuordnende [X.] am Ende eines jeden Arbeitstags im Falle der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax nicht auf die erneute inhaltliche Überprüfung des [X.] erstrecken (vgl. [X.], Beschluss vom 23. [X.] 2016 aaO; vom 10. August 2016 -
VII ZB 17/16, NJW-RR 2016, 1403 Rn.
18).
Zu der von einem Rechtsanwalt anzuordnenden [X.] am Ende eines jeden Arbeitstags gehört es dann, dass die damit beauftragte [X.]
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kraft überprüft, ob bei [X.] überhaupt ein Sendebericht vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 26. April
2012V ZB 45/11 Rn. 12).

b) Gemessen hieran lässt sich das schuldhafte Unterlassen einer [X.] am Ende eines jeden Arbeitstags als Ursache für die Fristver-säumung des Beklagten nicht ausschließen. Zwar konnte der [X.] glaubhaft machen, dass ein Sendebericht vorlag, dieser genügt unter den Umständen des [X.] jedoch nicht, die unterlassene [X.] als Ursache auszuschließen. Das vorgelegte Übermittlungsprotokoll (Anlage [X.]) ist übersichtlich. Als Sendestatus ist nicht "OK" (für eine erfolgreiche Sen-dungsübermittlung), sondern "[X.]" (für besetzt), als übertragene Seitenzahl "000/008" und als Dauer der Sendung "00:00:00" eingetragen. Der Sendestatus ist im Gegensatz zu anderen Angaben auf dem [X.] nicht mit einem Kennzeichen versehen, dass dieser bereits überprüft worden war. Danach ist nicht auszuschließen, dass bei der am Ende des Arbeitstags am 10. September 2015 gebotenen Prüfung, ob bei [X.] überhaupt ein Sendebe-richt vorliegt, durch
einen Blick auf den konkreten Übermittlungsbericht aufge-fallen wäre, dass das Telefax noch nicht versandt worden war. Dann wäre nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten der eingesetzten Bürokraft die Berufungsfrist nicht versäumt worden.

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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kayser
[X.]
Pape

Schoppmeyer
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.05.2015 -
6 O 8801/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.12.2015 -
14 U 1090/15 -

12

Meta

IX ZB 1/16

09.03.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2017, Az. IX ZB 1/16 (REWIS RS 2017, 14358)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14358

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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Anforderungen an eine Einzelanweisung zur fristwahrenden Übersendung einer Berufungsschrift


V ZB 124/16 (Bundesgerichtshof)


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III ZB 55/14

VII ZB 7/15

II ZB 9/15

VII ZB 17/16

V ZB 45/11

14 U 1090/15

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