Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2005, Az. IX ZB 154/01

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5391

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[X.][X.]/01
vom 20. Januar 2005 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.]
am 20. Januar 2005 beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Schuldnerin werden die Beschlüsse des 16. Zivilsenats des [X.] vom 12. November
2001 und des Vorsitzenden der 8. Zivilkammer des [X.] vom 24. Januar 2001 aufgehoben.

Der Antrag des Gläubigers, das Urteil des [X.]s des [X.] vom 6. September 2000 (AL.NR.: 225/00 - [X.].Nr.: 587) für vollstreckbar zu erklären, wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens fallen dem Gläubiger zur Last.

Gründe:
[X.]

Die Schuldnerin und ihr Ehemann (fortan Antragsgegner) mieteten von dem in [X.] wohnenden Gläubiger und Antragsteller eine Wohnung in [X.] in [X.]/[X.]. Auf dessen Mietzins- und Räumungsklage ver-anlaßte das [X.] des [X.] eine Ladung der Antragsgeg-- 3 - ner für den 6. September 2000. Die Ladung war an die Wohnanschrift in [X.] gerichtet; sie erfolgte am 24. Juli 2000 in einer in [X.] in Mietsachen möglichen vereinfachten Form der Zustellung per Einschreiben gegen Rück-schein. Auf dem Rückschein füllte der Postbeamte bei beiden [X.] die Formularalternativen zu der Frage, wem der Gerichtsbrief übergeben [X.], nicht aus. Die Rubrik für das Empfangsbekenntnis weist eine Unterschrift mit dem Namen "S. ", dem Nachnamen der Antragsgegner, aus; nach der jeweils eingekreisten Formularalternative soll es sich um die Unterschrift "des Bevollmächtigten" handeln. Der Vorname sowie die Nummer der Vollmacht, die nach dem Vordruck anzugeben sind, fehlen.

Die Antragsgegner ließen sich auf das Verfahren vor dem Friedensge-richt des [X.] nicht ein. Deshalb verurteilte das [X.] sie am 6. September 2000 im Versäumniswege "solidarisch und unteilbar" zur [X.] von [X.], einer Wiedervermietungs- und Nutzungsentschädi-gung sowie der Kosten des Verfahrens. Dieses Urteil wurde der Schuldnerin persönlich an ihrem neuen Wohnort in [X.] zugestellt. Die Schuldnerin legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein.

Auf Antrag des Gläubigers ordnete der Vorsitzende einer Zivilkammer des für den Wohnsitz der Schuldnerin örtlich zuständigen [X.] an, das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Die Schuldnerin rügt, das [X.] sei ihr nicht zugestellt worden, weil sie nach der Trennung von ihrem Ehemann bereits im Februar 2000 nach [X.] verzogen sei. Das [X.] hat ihre Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde beantragt sie in erster Linie, unter Aufhebung der Be-- 4 - schlüsse des [X.]s und des [X.] den Antrag des Gläu-bigers, den Schuldtitel für vollstreckbar zu erklären, zurückzuweisen.

I[X.]
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Es ist zulässig. Die am 20. Dezember 2001 eingelegte Rechtsbe-schwerde ist gemäß § 15 Abs. 1 des Anerkennungs- und Vollstreckungsaus-führungsgesetzes ([X.]) vom 19. Februar 2001 ([X.] I S. 288) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (§ 26 Nr. 10 [X.]ZPO) statthaft. Denn das Beschwerdegericht ist von Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.]en abgewichen; hierauf beruht der angefochtene Beschluß. Das [X.] hat entgegen den Entscheidungen des [X.] vom 12. November 1992 ([X.] 1993, 39 f) und vom 10. Oktober 1996 (NJW 1997, 1061 f) sowie des [X.] vom 18. Februar 1993 ([X.] ZB 87/90, NJW 1993, 2688, 2689) und vom 24. Februar 1999 ([X.] ZB 2/98, [X.], 483, 486, insoweit in [X.], 395 nicht abge-druckt) die Auffassung vertreten, ein Zustellungsmangel stelle kein Anerken-nungshindernis im Sinne der Art. 34 Abs. 2, Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ dar, wenn der Schuldner von der Möglichkeit, gegen die Entscheidung im Erstst[X.]t [X.] einzulegen, keinen Gebrauch gemacht habe. Die Rechtsbeschwerde ist in der gesetzlichen Form eingelegt (§ 15 Abs. 2, 3, § 16 Abs. 1 [X.]) sowie form- und fristgerecht begründet (§ 16 Abs. 2 [X.] a.F., § 554 ZPO a.F.) wor-den.
- 5 - 2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet (§ 17 Abs. 1, 2 [X.] a.F.).

Auf das Verfahren findet noch das Übereinkommen der [X.] über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gericht-licher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) Anwendung, weil die Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent-scheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 ([X.]. [X.] 2001 Nr. L 12, [X.]; im folgenden EuGVVO) erst am 1. März 2002 in [X.] ge-treten ist (vgl. Art. 66 Abs. 1, Art. 76 EuGVVO). Da die angefochtene Entschei-dung vor diesem Zeitpunkt erlassen worden ist, greift die Übergangsvorschrift in Art. 66 Abs. 2 Buchst. a EuGVVO nicht ein.

Nach Art. 34 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird eine Entscheidung nicht anerkannt und damit auch nicht mit der [X.] versehen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelas-sen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, daß er sich verteidigen konnte. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ gilt auch für [X.] ([X.] OLGR 1997, 32, 33; Kropholler, [X.]. Art. 27 Rn. 19).

a) Das [X.] meint, das verfahrenseinleitende Schriftstück sei der Schuldnerin zwar nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Der Zustel-lungsmangel sei aber geheilt worden, weil der Schuldnerin das Urteil des Frie-densgerichts des [X.] verfahrensfehlerfrei zugestellt worden sei und - 6 - sie es unterlassen habe, eines der hiergegen nach [X.] Recht statthaf-ten Rechtsmittel einzulegen.

b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[X.]) Allerdings hat das [X.] rechtsfehlerfrei angenommen, der Gläubiger habe entgegen Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ nicht nachgewiesen, daß der Schuldnerin das verfahrenseinleitende Schriftstück ordnungsgemäß zuge-stellt worden sei. Nach den von ihm vorgelegten Urkunden bleibt es ungewiß, wer tatsächlich den für die Schuldnerin bestimmten Gerichtsbrief entgegenge-nommen hat und ob diese Person eine entsprechende Vertretungsmacht hatte. Die Annahme des [X.]s, der Zustellungsmangel sei geheilt, [X.] jedoch der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Euro-päischen Gemeinschaften und des [X.]. Auf [X.] des Senats hat der [X.] mit Urteil vom 12. November 1992 ([X.]; [X.] 1993, 39) erkannt:
Art. 27 Nr. 2 des [X.] vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, daß er der Anerkennung eines in einem Vertragsst[X.]t ergangenen Versäum-nisurteils in einem anderen Vertragsst[X.]t entgegensteht, wenn das [X.] dem Beklagten, der sich auf das [X.] nicht eingelassen hat, nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, selbst wenn er später von der ergangenen Entscheidung Kenntnis erhal-ten und dagegen keinen nach der Verfahrensordnung des Urteilsst[X.]ts zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat.

Diese Rechtsauffassung hat der Gerichtshof in der Entscheidung vom 10. Oktober 1996 bekräftigt, und der [X.] ist ihr gefolgt (vgl. die - 7 - Zitate unter I[X.] 1.). Auf die Einspruchs- und Berufungsmöglichkeit nach dem [X.] Zivilprozeßrecht kommt es danach nicht entscheidend an.

[X.]) An dieser Auslegung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ hat sich durch den Erlaß der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche [X.] und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen nichts geändert. Denn eine Vorwirkung von Art. 34 Nr. 2 EuGVVO kommt, wie der Senat mit Beschluß vom 22. Juli 2004 ([X.] ZB 2/03, NJW 2004, 3189) entschieden hat, zweifelsfrei nicht in Betracht.

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 17 Abs. 3 [X.] a.F. i.V.m. § 575 ZPO a.F.; vgl. [X.]/[X.], ZPO 23. Aufl. § 575 Rn. 1). Der Antrag des Gläubigers, das Urteil des Friedensge-richts des [X.] vom 6. September 2000 für vollstreckbar zu erklären, war unter Aufhebung auch der erstinstanzlichen Entscheidung abzulehnen.
[X.] Ganter

[X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZB 154/01

20.01.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2005, Az. IX ZB 154/01 (REWIS RS 2005, 5391)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5391

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