Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2016, Az. AnwZ (Brfg) 2/16

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 11773

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Gegenstand

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Anforderungen an den Nachweis eines Vermögensverfalls im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids


Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 25. September 2015 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die [X.]eklagte hat durch [X.]escheid vom 26. Mai 2015 die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]) widerrufen. Der [X.] hat diesen [X.]escheid aufgehoben. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der [X.]erufung hat keinen Erfolg.

2

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); die Aufhebung des [X.] ist zu Recht erfolgt.

3

a) Der [X.] hat einen Vermögensverfall des [X.] bei Erlass der Widerrufsverfügung verneint. Nach den Urteilsfeststellungen ist es in der Vergangenheit zwar immer wieder zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen, er hat die entsprechenden Forderungen jedoch regelmäßig reguliert. Ein Insolvenzverfahren wurde kurzfristig beendet, nachdem das betreibende Finanzamt M.    die aufgrund von Schätzungen ergangenen [X.]escheide wieder aufgehoben hat. Soweit die [X.]eklagte den Widerspruchsbescheid darauf gestützt hat, dass es nach Auskunft des Finanzamts nach Einstellung des Insolvenzverfahrens erneut zu Steuerbescheiden aufgrund von Schätzungen gekommen sei, die Kontenpfändungen ausgelöst hätten, hat der [X.] diese nicht als erwiesen angesehen.

4

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser [X.]eurteilung bestehen nicht. Es kann dahinstehen, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] Kontenpfändungen seitens des Finanzamts M.    ausgebracht waren. Selbst wenn der Kläger, wie von der [X.]eklagten vorgebracht, in der mündlichen Verhandlung selbst mehrere Schreiben des Finanzamts M.    vom 23. September 2015 vorgelegt hätte, wonach Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aufgehoben worden seien, wäre damit noch nicht belegt, dass er sich zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] in Vermögensverfall befunden hat. Der Kläger hat das [X.]estehen einer Steuerschuld bestritten. Angesichts der Aufhebung früherer auf Schätzung beruhender Steuerbescheide und des Erlasses neuer Steuerbescheide, die zu Guthaben für den Kläger geführt haben, ist allein das - erneute - [X.]estehen einer vollstreckbaren Steuerschuld zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] kein ausreichendes [X.]eweisanzeichen für einen Vermögensverfall des [X.], zumal die fraglichen Kontenpfändungen vom Finanzamt offenbar zeitnah aufgehoben worden sind. Auch in Zusammenschau mit den vom [X.] erörterten früheren Vollstreckungsmaßnahmen wären hier durch eine zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] vollstreckbare Steuerschuld angesichts der [X.]esonderheiten des Falles ungeordnete Vermögensverhältnisse nicht bewiesen. Es gibt keinen hinreichenden Nachweis dafür, dass der Kläger zur Erfüllung der bekannt gewordenen Forderungen "ein Loch unter Aufreißung eines anderen stopfte" und nur so seinen Verpflichtungen nachkommen konnte.

5

c) Darauf, ob sich ein Vermögensverfall aus nach dem Widerruf eingeleiteten weiteren Vollstreckungsverfahren ableiten lässt, kommt es, wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, nicht an (so schon nach früherer Rechtslage Senatsbeschlüsse vom 26. November 2002 - [X.] ([X.]) 18/01, Rn. 12 juris; vom 2. Juli 2007 - [X.] ([X.]) 59/06, Rn. 7 juris; vom 20. April 2009 - [X.] ([X.]) 20/08, Rn. 14 juris).

6

2. Die [X.]eklagte hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des [X.]s beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Sie beruft sich auch nicht explizit auf einen Verstoß gegen § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO.

7

a) Die [X.]eklagte macht pauschal geltend, dass der [X.] den [X.] nicht hinreichend berücksichtigt habe. Es fehlt insoweit eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände konkret Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären, auf deren Grundlage ein Vermögensverfall anzunehmen gewesen wäre (vgl. [X.]VerwG, NJW 1997, 3328; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 112e Rn. 82). Der in § 86 Abs. 1 VwGO niedergelegte Untersuchungsgrundsatz verpflichtet den [X.] nicht, seinerseits durch Aufklärung der Vermögensverhältnisse des [X.] erst eine Grundlage für den Widerrufsbescheid der [X.]eklagten zu schaffen.

8

b) Der [X.] war - entgegen der Auffassung der [X.]eklagten - nicht verpflichtet, ihr Hinweise zum Fehlen eines [X.]eweises für das Vorliegen eines [X.] im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zu erteilen. Da sich der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] nicht in einem Insolvenzverfahren befand und nicht im Verzeichnis des Vollstreckungsgerichts gemäß § 882b ZPO eingetragen war, musste ihm der Vermögensverfall nachgewiesen werden. Wie der [X.] die [X.]eweislage beurteilen würde, musste er nicht vorab bekannt geben.

9

3. [X.] beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Limperg                         Roggenbuck                            Seiters

                     [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 2/16

06.05.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 25. September 2015, Az: 1 AGH 30/15, Urteil

§ 14 Abs 2 Nr 7 BRAO, § 882b ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.05.2016, Az. AnwZ (Brfg) 2/16 (REWIS RS 2016, 11773)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11773

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