Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.04.2012, Az. 24 W (pat) 523/10

24. Senat | REWIS RS 2012, 7505

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Integralanlage" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 056 856.1

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterin [X.] sowie des Richters am Oberlandesgericht Heimen

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 2. März 2010 hat die Markenstelle für [X.] durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die für die Waren und Dienstleistungen

2

„[X.]: Klimaanlagen; Lüftungsgeräte; Wärmepumpen; Kühlanlagen und -maschinen; Kühlräume; Kühlschränke; Kühlvitrinen; Heizungsanlagen; Gefrierschränke und -truhen; Eismaschinen und -apparate; Beleuchtungsapparate und -anlagen;

3

Klasse 35: Einzelhandelsdienstleistungen und Großhandelsdienstleistungen, auch über das [X.], in den Bereichen: Kälteanlagen, Klimaanlagen, Wärmepumpen, Beleuchtungsanlagen, Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel, [X.] und Elektronikwaren;

4

[X.]: Dienstleistungen eines Ingenieurs; technische Projektplanungen; Konstruktionsplanungen; Beratung auf dem Gebiet der Energieeinsparung; Erstellung von technischen Gutachten“

5

angemeldete Wortmarke 30 2009 056 856.1 / 11

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[X.]anlage

7

mit der Begründung zurückgewiesen, ihr fehle jede Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. [X.]“ erschöpfe sich in einem betriebsneutralen Hinweis auf eine Anlage i. S. e. Aggregats bzw. einer Maschine, die sämtliche Funktionen der Kälte- und/oder Wärmeversorgung sicherstelle. „[X.]“ bedeute „zu einem Ganzen dazugehörend und es erst zu dem machen, was es ist“. Die angemeldeten Waren der [X.] könnten, nach Jahreszeit und Bedarf zusammengestellt, eine Einheit mit mehreren Funktionen i. S. e. [X.]anlage bilden. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 könnten sich inhaltlich mit einer [X.]anlage befassen bzw. für eine solche bestimmt sein. Angesichts dessen könne dahinstehen, ob und inwieweit die Anmeldung auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zurückzuweisen sei.

8

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Zwar stelle „[X.]anlage“ die Verbindung zweier für sich genommen bekannter Begriffe dar. Die Wortkombination „[X.]anlage“ sei insgesamt jedoch unterscheidungskräftig, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], denn sie erwecke beim angesprochenen Verkehr lediglich allgemeine Vorstellungen und werde in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einem offensichtlich suggestiven Sinne verwendet. Insbesondere dem Wortbestandteil „[X.]“ ließen sich keine konkreten, beispielsweise technischen Merkmale zuordnen. Die durch den Senat vorab übermittelten Fundstellen zur Verwendung des [X.] gingen ganz überwiegend auf die Anmelderin selbst zurück. „[X.]anlage“ unterliege keinem Freihaltebedürfnis, § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Überwiegend werde das Markenwort zudem nicht für Klimageräte, sondern für Waren beansprucht, die diesen Geräten allenfalls ähnlich seien. Auch das Anwendungsgebiet der beanspruchten  Dienstleistungen sei nicht spezifisch auf diese Waren zugeschnitten. Zumindest in Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen bestehe kein Bedürfnis, der Bezeichnung im Interesse Dritter die Eintragung zu versagen. Schließlich beruft sich die Anmelderin auf eine Reihe ihrer Ansicht nach einschlägiger Voreintragungen.

9

Die Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 2. März 2010 aufzuheben.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. April 2012 ist die ordnungsgemäß geladene Anmelderin wie angekündigt nicht erschienen. Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.  

Die gemäß §§ 64 Abs. 1, Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 [X.] zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Markenstelle dem angemeldeten Zeichen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Schutzfähigkeit wegen fehlender Unterscheidungskraft versagt, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. [X.] GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 - Standbeutel; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rn. 62 - [X.]). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f., Rn. 51 - [X.]; [X.], 395, 397, Rn. 18 - [X.], [X.]). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2008, 608, 610, Rn. 59 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 943, 944, Rn. 26 - SAT.2; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rn. 60 - [X.]). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. [X.], 850, Rn. 28 - [X.]; [X.], 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Von diesen Voraussetzungen ausgehend muss „[X.]anlage“ die Eintragung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen versagt bleiben, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]:

Das von dem [X.] Verbum "integrare" i. S. v. "wiederherstellen, ergänzen“ abgeleitete Wort "integrieren" bedeutet im [X.] u. a. „1. zu einem übergeordneten Ganzen zusammenschließen, in ein übergeordnetes Ganzes aufnehmen, vereinheitlichen ([X.]: „eine integrierte Schaltung“); 2. in ein größeres Ganzes eingliedern, einbeziehen, einfügen ([X.]: „der Wagen hat integrierte Nebelscheinwerfer“) (vgl. [X.], [X.], 7. Aufl. 2011, [X.]). Ein „[X.]helm“ bezeichnet dementsprechend einen mit einem herunterklappbaren Visier aus durchsichtigem Kunststoff versehenen, Kopf und Hals bedeckenden Schutzhelm besonders für Motorradfahrer (vgl. [X.], [X.] Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 923).

Das sprachüblich gebildete Markenwort „[X.]anlage“ vermag dementsprechend eine Anlage i. S. e. Einrichtung (vgl. [X.], [X.], ebenda, [X.]) zu bezeichnen, in der mehrere Komponenten zu einem übergeordneten Ganzen zusammengefügt worden oder in diese Anlage eingegliedert worden sind.

Bei den in [X.] beanspruchten Waren kann es sich um Bestandteile einer [X.]anlage handeln, die für den Einbau in eine solche Anlage bestimmt und zu diesem Zweck mit besonderen Vorrichtungen ausgestattet sind.

Die in Klasse 35 beanspruchten Einzel- und Großhandelsdienstleistungen sind mit der Einschränkung „in den Bereichen Kälteanlagen, Klimaanlagen, Wärmepumpen, Beleuchtungsanlagen, Maschinen, Werkzeuge und Metallwaren, Bauartikel, [X.] und Elektronikwaren“ angemeldet worden. Da es sich bei Anlagen und Maschinen um [X.]anlagen handeln kann, besteht zwischen dem Markenwort „[X.]anlage“ und den in diesen Bereichen beanspruchten Einzelhandels- und Großhandelsdienstleistungen ein enger sachlicher beschreibender Bezug. Zu den in den Bereichen „Wärmepumpen, Metallwaren, Bauartikel, [X.] und Elektronikwaren“ beanspruchten Einzelhandels- und Großhandelsdienstleistungen besteht ein solcher Bezug ebenfalls, denn diese Dienstleistungen beziehen sich auf Waren, die Bestandteile von [X.]anlagen sein und speziell für den Einbau in diese hergestellt werden können. Gleiches gilt für die in [X.] beanspruchten Dienstleistungen, die sich thematisch mit [X.]anlagen befassen und auf diese beziehen können. Da [X.]anlagen auf dem Gebiet der  Klima- und Lüftungstechnik insbesondere der Energieeinsparung dienen können, kann sich entgegen der von der Anmelderin geäußerten Ansicht insbesondere auch die Dienstleistung „Beratung auf dem Gebiet der Energieeinsparung“ mit [X.]anlagen befassen.

Treffen der mit diesen Dienstleistungen vorwiegend angesprochene Fachverkehr sowie Geschäftskunden, die sich mit dem Einbau von Anlagen zur Klima- und Lüftungstechnik befassen, auf diese Dienstleistungen, werden sie eine Kennzeichnung mit dem Wort „[X.]anlage“ auch insoweit ausschließlich als Sachangabe, jedoch nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen. Für ein sachbezogenes Verständnis der Wortfolge ist unerheblich, dass sich der Wortfolge als solcher nicht entnehmen lässt, durch die Zusammenfügung welcher Komponenten die Anlage zur [X.]anlage wird und über welche konkreten Funktionen die Anlage verfügt. Auch zusammenfassende oberbegriffsartige Ausdrücke und Wortfolgen können, wie hier, einen beschreibenden und sachbezogenen Charakter in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen haben (vgl. [X.], 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; 2008, 397, Rn. 15 - [X.]; [X.], 960, Rn. 15 -  DeutschlandCard).

Dementsprechend hat das [X.] bereits in früheren Entscheidungen festgestellt, dass der Wortbestandteil „integral“ zu Anlagen zusammengefasste Geräte zur Datenverarbeitung ebenso zu beschreiben vermag ([X.] (pat) 126/87, Entsch. v. 24. Juni 1988 – integral 222) wie Personenkraftwagen- Vorder- und Hinterachsen ([X.] (pat) 210/88, Entsch. v. 25. Oktober 1989 – [X.]). Auch für verschiedene Dienstleistungen der [X.] wie „Dienstleistungen eines Ingenieurs, Erstellen von technischen Gutachten, technische Beratung und gutachterliche Tätigkeit“ ist der Wortbestandteil „integral“ bereits in der Vergangenheit als nicht unterscheidungskräftig und zugleich freihaltebedürftig erachtet worden ([X.] (pat) 157/82, Entsch. v. 8. September 1983 – [X.]).

Für eine Schutzversagung reicht es bereits aus, dass ein Wortzeichen in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. [X.] GRUR 2003, 58, 59, Rn. 21 - [X.]; [X.] 2003, 450, 453, Rn. 32 - [X.], [X.] 2004, 99, 109, Rn. 97 - Postkantoor; [X.] 2004, 111, 115, Rn. 38 - [X.]).

Eine beschreibende Verwendung des Gesamtbegriffs „[X.]anlage" durch verschiedene, auch von der Anmelderin unabhängige Autoren ergibt sich über die von der Markenstelle zur Akte gereichten Belege hinaus aus den [X.], die der Senat der Anmelderin vorab übersandt hat. Für die Feststellung, dass einem Markenwort das zu einer Eintragung notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft fehlt, bedarf es derartiger Nachweise im Übrigen nicht. Ob es sich bei „[X.]anlage" um eine in der [X.] durch die Anmelderin erstmals verwendete Wortneuschöpfung handelt, kann dahinstehen. Denn für die Annahme des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist kein lexikalischer oder sonstiger Hinweis erforderlich, dass die Angabe oder das Zeichen bereits im Verkehr geläufig ist oder verwendet wird. Dementsprechend ist unerheblich, ob die Bezeichnung bereits im [X.] durch eine Suchmaschine feststellbar ist oder nicht (vgl. [X.], [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 139). Die Neuheit einer Wortbildung ist weder eine unabdingbare Voraussetzung für deren Eintragungsfähigkeit, noch begründet sie für sich gesehen eine hinreichende Unterscheidungskraft (vgl. [X.] GRUR 2006, 680, Rn. 39 - 41 [X.]; [X.], [X.]/[X.], a. a. O).

Da dem Markenwort „[X.]anlage" mithin für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegensteht, kommt es auf die von der Anmelderin aufgeworfene Frage, ob „[X.]anlage" für die beanspruchten Dienstleistungen und einen Teil der beanspruchten Waren im Interesse von Mitbewerbern zusätzlich einem Freihaltebedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterliegt, nicht mehr an.

Soweit sich die Anmelderin auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbarer Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die hier zu beurteilende Anmeldemarke. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. [X.] [X.] 2008, 163, 167, Rn. 39 - Terranus; GRUR 2004, 674, Rn. 43, 44 - Postkantoor; GRUR 2004, 428, Rn. 63 - [X.]; BPatG [X.] 2007, 351, 352 f. - Topline; [X.], 333, 335 ff. - [X.]; [X.], 423 - amazing discoveries; [X.], 425 - Volksflat).

Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Meta

24 W (pat) 523/10

03.04.2012

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.04.2012, Az. 24 W (pat) 523/10 (REWIS RS 2012, 7505)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7505

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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28 W (pat) 533/19

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