Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2017, Az. 4 StR 375/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15593

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:150217B4STR375.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 375/16

vom
15. Februar
2017

[X.]St:
ja
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

-

StGB §
238 Abs.
3, §
18

Führt das Opfer einer Nachstellung den tödlichen Erfolg im Sinne des §
238 Abs.
3 StGB durch ein selbstschädigendes Verhalten (Suizid) herbei, ist der tatbestandsspezifische Zusammenhang zwischen Grunddelikt und tödlichem Erfolg bereits dann zu bejahen, wenn das Verhalten des Opfers motivational auf die Verwirklichung des [X.] zurückzuführen ist und diese Motiva-tion für sein selbstschädigendes Verhalten handlungsleitend war.

[X.], Beschluss vom 15.
Februar 2017

4
StR
375/16

LG Stuttgart

in der Strafsache
gegen

wegen Nachstellung mit Todesfolge
u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15.
Februar
2017
ge-mäß §
349 Abs.
2 [X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21.
März 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in drei Fällen, Bedrohung in drei tateinheitlichen Fällen, falscher Verdächtigung, wegen Nachstellung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beleidigung, mit Bedrohung und mit Sachbeschädigung in vier tateinheitlichen Fällen und wegen vier Fällen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in einem Fall in Tateinheit mit vor-sätzlicher Trunkenheit im Verkehr, sowie wegen versuchter Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf
Jahren
und sechs Monaten verurteilt und eine Sperre von drei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg (§
349 Abs.
2 [X.]). Die Verfahrens-rüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] jeden-1
2
-
3
-
falls unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
[X.] Erörterung bedarf lediglich die (tateinheitliche) Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung mit Todesfolge gemäß §
238 Abs.
3 StG[X.]
I.
Insoweit hat das [X.] im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1.
a)
Der Angeklagte und das spätere Tatopfer, die 1970 geborene

[X.]

, nahmen im Spätsommer 2014 eine Beziehung auf. Zu diesem [X.]punkt
war

[X.]

gesund und litt nicht an einer psychischen Erkrankung. Die zu-
nächst glückliche

[X.]

störte sich im weiteren Verlauf der Beziehung am
übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten und seinem zunehmend [X.], eifersüchtigen Verhalten ihr gegenüber. Am 23.
Februar 2015 sprach sie ihn in einem Telefonat versehentlich mit dem Vornamen ihres früheren Freundes an, was der Angeklagte zum Anlass nahm, ihr Untreue vorzuwerfen und die Beziehung umgehend zu beenden.
Daraufhin versandte der während des gesamten Tatzeitraums voll schuldfähige Angeklagte bis zum 5.
März 2015 u.a. zahllose Textnachrichten mit hasserfüllten Beleidigungen und Bedrohungen an

[X.]

, verfolgte sie,
ihre Eltern und Freunde mit Telefonanrufen sowie Sachbeschädigungen und versuchte ferner,

[X.]

bei ihrem Arbeitgeber durch erfundene Mitteilun-
3
4
5
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-
4
-
gen in ein ungünstiges Licht zu rücken. Hinsichtlich der Einzelheiten ist den
Urteilsfeststellungen u.a. Folgendes zu entnehmen:
Allein innerhalb eines [X.]raums von etwa achtzehn Stunden nach dem Telefonat am Mittag des 23.
Februar 2015, das Anlass für die Beendigung der Beziehung durch den Angeklagten war, schickte der Angeklagte

[X.]

111
[X.]-Nachrichten, die Beleidigungen und Drohungen bis hin zur [X.] ihrer baldigen Tötung enthielten, so in einer Nachricht am 24.
Febru-ar 2015 um 00.47
Uhr, die sie, wie spätere, ähnliche Drohungen, auch [X.] nahm, was dem Angeklagten bewusst war. Ferner hinterließ
er eine Vielzahl von Nachrichten ähnlichen Inhalts auf ihrem Anrufbeantworter. Sofort unter-nommene Bemühungen von

[X.]

, ihm das Missverständnis am Telefon
zu erklären, blieben erfolglos. Die Übersendung zahlloser Textnachrichten setz-te der Angeklagte

nunmehr per [X.] und E-Mail

auch fort, nachdem

[X.]

ihn einige [X.] später bei [X.] gesperrt und ihren Facebook-
Account geändert hatte. Er unterstellte ihr

tatsächlich haltlos

die Begehung diverser Straftaten und drohte ihr unter Fristsetzung für den Fall, dass sie ihm

bzw. Betruges. Weiter gab er vor, im [X.] alles sehen zu können, was sie mache, da er sie und ihre Kommunikation in [X.] Netzwerken überwache. Ab dem 25.
Februar 2015 sandte er mehrere E-Mails mit beleidigenden und teilweise obszönen Mitteilungen über

[X.]

an die Geschäftsleitung des
Unternehmens, in dem sie beschäftigt war. In regelmäßigen Abständen erreich-ten

[X.]

tagsüber und auch in den Nachtstunden weiterhin zahlreiche
Telefonanrufe des Angeklagten, so dass diese sich nur dadurch zu helfen wusste, dass sie ihr Telefon
dauerhaft abstellte.

7
-
5
-
Auch persönlich suchte der Angeklagte mehrfach Kontakt zu

[X.]

. Nachdem er schon wenige Stunden
nach dem Telefonat am 23.
Februar
2015 in ihrer Abwesenheit seine Sachen aus ihrer Wohnung geholt hatte, ließ diese das [X.] austauschen; ein weiterer Versuch des Angeklag-ten, sich kurze [X.] später erneut Zutritt zu verschaffen, blieb daher erfolglos, was er zum Anlass weiterer, drohender Sprachnachrichten nahm. Einen Tag später lauerte der Angeklagte

[X.]

auf dem Parkplatz ihrer Arbeitsstelle
auf und überschüttete sie wegen ihrer angeblichen Untreue in aggressiver [X.] mit Vorwürfen, zwei Tage später fuhr er mit einem Motorroller an dem Haus ihrer Eltern vorbei und machte eine drohende Geste, die die am Hauseingang stehende

[X.]

wahrnahm.
Am Morgen des 25.
Februar 2015 fand

[X.]

ihren Pkw auf einem
Parkplatz mit zwei vom Angeklagten zerstochenen Reifen vor, was dieser in einiger Entfernung, für

[X.]

wahrnehmbar, grinsend beobachtete, bevor
er mit seinem Pkw davonfuhr. Noch am selben [X.] er zwei Reifen am Fahrzeug einer Freundin des [X.], am Abend des 27.
Februar 2015 einen Reifen an dem Pkw ihres [X.]. Die jeweiligen Aufenthaltsorte der Fahrzeuge hatte er zuvor ausgekundschaftet. Zu einem nicht näher bestimmbaren [X.]-punkt zwischen dem 23.
und dem 28.
Februar 2015 riss er ferner das Namens-schild von

[X.]

an deren Wohnhaus ab. Am 5.
März 2015 sandte der
Angeklagte eine letzte [X.] an

[X.]

mit massiv beleidigendem und dro-
hendem Inhalt. Von einem Anruf des Angeklagten am 24.
März 2015 bei den Eltern der

[X.]

bereits in stationärer [X.] befand.

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-
6
-
Mit seinem gesamten Verhalten ging es ihm nicht um die Fortsetzung seiner Beziehung mit

[X.]

, sondern darum, sie zu demütigen, in Angst
zu versetzen und psychisch zu verletzen, ihr jegliches Sicherheitsgefühl zu nehmen, seine Präsenz in allen ihren Lebensbereichen zu demonstrieren und sie dadurch in ihrer gesamten Lebensführung nachhaltig zu beeinträchtigen. Dass sein Handeln

[X.]

in letzter Konsequenz dazu veranlassen könnte,
sich das Leben zu nehmen, hätte er dabei voraussehen und vermeiden können.
b)
Als Folge der Handlungen des Angeklagten war

[X.]

verängs-
tigt, verzweifelt und nicht mehr arbeitsfähig. Sie hatte Angst, dass der Ange-klagte ihr oder ihren Eltern etwas antun könnte. Da sie nicht mehr allein sein konnte, übernachtete sie dauerhaft bei ihren Eltern, wobei sie aber auch dort nur noch maximal zwei Stunden durchschlafen konnte. Bei ihr entwickelte sich bereits ab dem 24.
Februar 2015 eine depressive Störung, die sich nachhaltig verstärkte, als ihr am 1.
März 2015 die an ihren Arbeitgeber gerichteten, herab-setzenden und teilweise obszönen Nachrichten des Angeklagten über sie [X.] wurden, worüber sie große Scham empfand und verzweifelt war. Sie glaubte, der Angeklagte habe ihr Leben zerstört und sie könne sich nirgends mehr sehen lassen. Noch am Nachmittag desselben Tages machte sie in der Wohnung ihrer Eltern Anstalten zu einem Selbsttötungsversuch mit einem ein-geschalteten elektrischen Lockenstab in der Badewanne, schreckte jedoch letztlich vor der Durchführung zurück. Am darauffolgenden Tag erfolgte ihre Einweisung in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses in [X.]

,
wo sie mit der Diagnose einer schweren depressiven Episode behandelt wurde. Ohne eine durchgreifende Besserung ihres Zustandes
wurde sie am 29.
April 2015 wieder entlassen. Trotz der
kurz darauf begleitend zu ihrer beruflichen Wiedereingliederung aufgenommenen ambulanten psychiatrischen und psycho-therapeutischen Behandlung trug sie sich infolge der vom Angeklagten ausge-10
11
-
7
-
lösten depressiven Störung weiterhin mit Suizidgedanken und verfasste am 13.
Juli 2015 einen an ihre Eltern gerichteten, auf den 15.
Juli 2015 datierten Abschiedsbrief. Darin entschuldigte sie sich u.a. bei ihren Eltern; niemand habe ahnen könnenAusmaße annehmen würde. Ihr sei alles aus der Hand geglitten und sie habe nur noch Angst-
und Panikgefühle. Sie habe auf keinen Fall wieder in die Klinik gehen wollen, da dies ihre Qual nur verlängert hätte. Sie habe ihren Lebensmut von ihrem Hausarzt wegen Suizidalität veranlasste teilstationäre psychiatrische Behandlung vom 20.
August bis zum 9.
Oktober 2015 in einer Tagesklinik, in der eine posttraumatische Belastungs-störung sowie eine rezidivierende depressive Störung mit aktuell schwerer de-pressiver Episode diagnostiziert wurden, brachte keine Besserung ihres [X.]. Sie litt vielmehr weiterhin unter vermehrten Panikattacken und [X.] Angstzuständen. Da ihre behandelnden Ärzte von einer akuten, erheb-lichen und längerfristig bestehenden Suizidgefahr ausgingen, erklärte sich

[X.]

am 9.
Oktober 2015 zur Vermeidung der ihr für den Fall ihrer Weigerung
in Aussicht gestellten zwangsweisen Unterbringung mit einer erneuten stationä-ren Einweisung in die Klinik in [X.]

einverstanden. Dort angekommen
lehnte sie aber jegliche Behandlung ab, da sie sich davon keine Besserung ih-res Zustandes versprach. Vielmehr übernachtete sie in der Folgezeit weiter bei ihren Eltern, setzte ihre ambulante Behandlung fort
und nahm am 2.
November 2015 [X.] an ihrem Arbeitsplatz wieder auf. Ihre Angstzustände dauerten jedoch fort; sie konnte sich nur schlecht auf ihre Arbeit konzentrieren.
Am 9.
November 2015 begab sie sich nach der Arbeit in ihre
eigene Wohnung. Dort fanden sie ihre Eltern am Nachmittag im [X.] vor, wo sie sich mit einem Seil und einem Schal erhängt hatte.

-
8
-
2.
Die [X.] hat angenommen, dass die in engem zeitlichen und inneren Zusammenhang stehenden, beharrlich durchgeführten Handlungen des Angeklagten, der sich in der Vergangenheit auch gegenüber anderen Frauen nach Ende der jeweiligen Beziehung ähnlich verhalten hatte, die Tatvarianten
von §
238 Abs.
1 Nr.
1, 2 und 4 StGB erfüllten. In der gebotenen Gesamtschau hätten sie die Wirkung gehabt, dass

[X.]

nicht mehr so habe leben kön-
nen wie zuvor. Sie habe sich nicht mehr allein in ihrer Wohnung aufhalten [X.], sei psychisch erkrankt und nur noch eingeschränkt arbeitsfähig gewesen. Diese schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Lebensgestaltung sei vom [X.] des Angeklagten umfasst gewesen. Durch die [X.] im Sinne des §
238 Abs.
1 StGB habe der Angeklagte auch den Tod der

[X.]

fahrlässig verursacht (§
18 StGB) und dadurch den Qualifikationstat-
bestand des §
238 Abs.
3 StGB verwirklicht. Der Umstand, dass das spätere Tatopfer eine weitere, ihr dringlich angeratene stationäre psychiatrische [X.] abgelehnt und die letzte, zum Erfolg führende Ursache für die [X.] durch den Suizid selbst

und dies erst etwa acht Monate nach Be-endigung der Nachstellungen

gesetzt habe, lasse den erforderlichen Zurech-nungszusammenhang nicht entfallen. Die Tathandlung der Nachstellung berge vielmehr die Gefahr selbstschädigenden Verhaltens bis hin zur Selbsttötung infolge einer dadurch ausgelösten schweren psychischen Erkrankung des [X.] als naheliegende und deliktstypische Reaktion in sich. Die schwere Folge sei für den Angeklagten, der massiv auf

[X.]

eingewirkt und dabei die
mögliche Zerstörung ihrer Existenz im Blick gehabt habe, auch vorhersehbar gewesen.
12
-
9
-
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung mit Todesfolge im Sinne des §
238 Abs.
3 StGB hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1.
a)
Der Tatbestand der Nachstellung mit Todesfolge gemäß
§
238 Abs.
3 StGB setzt
als sog. erfolgsqualifiziertes Delikt

e-henden Personen) verursacht worden ist, wobei dem Täter hinsichtlich dieser Tatfolge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fallen muss (§
18 StGB). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] reicht bei solchen Delikten ein rein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verwirklichung des [X.] und dem Todeserfolg für die Erfüllung des Tatbestandes nicht aus. Erfolgsqualifizierte Delikte sollen der mit der Verwirklichung des jeweiligen [X.] verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden To-desfolge entgegenwirken und setzen deshalb einen spezifischen Ursachen-zusammenhang zwischen beidem voraus (vgl. [X.], Urteile
vom 30.
Juni 1982

2
StR
226/82, [X.]St 31, 96, 98; vom 9.
Oktober 2002

5
StR
42/02, [X.]St 48, 34, 37;
vom 16.
März 2006

4
StR
536/05, [X.]St 51, 18, 21, jeweils für §
226 StGB [aF] bzw. §
227
StGB
[i.d.F. 6.
StrRG]).
b)
Welche Anforderungen an das Vorliegen des gefahrspezifischen Zu-sammenhangs zu stellen sind, kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] zu den erfolgsqualifizierten Delikten nicht generell entschieden werden. Vielmehr müssen diese Anforderungen ebenso wie die gebotenen Ein-schränkungskriterien für jeden in Betracht kommenden Straftatbestand nach dessen Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung der von ihm erfassten Sachverhalte in differenzierender Wertung ermittelt werden. Dies folgt schon 13
14
15
-
10
-
aus dem Umstand, dass die verschiedenen Erfolgsqualifikationen in Bezug auf die jeweiligen [X.] uneinheitlich strukturiert sind und deshalb übergreifende Kriterien nicht benannt werden können ([X.], Urteile
vom 18.
September 1985

2
StR
378/85, [X.]St 33, 322, 323; vom 15.
Mai 1992

3
StR
535/91, [X.]St 38, 295, 298; vgl. auch [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
18 Rn.
8; [X.]/Kühl, StGB, 28.
Aufl., §
18 Rn.
8). Im Fall des §
238 Abs.
3 StGB ist der spezifische Ursachenzusammenhang gegeben, wenn der Tod des [X.]s unmittelbare Folge der durch die Nachstellungen verur-sachten schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung ist. Gerade die der Nachstellung innewohnende spezifische Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (Fischer, StGB, 64.
Aufl., §
238 Rn.
37a; vgl. auch [X.][X.], 2.
Aufl., §
238 Rn.
52; [X.]/Schluckebier, 3.
Aufl., §
238 Rn.
18; LK-StGB/[X.], 12.
Aufl., §
238 Rn.
77).
2.
Das [X.] hat das Vorliegen eines gefahrspezifischen Zusam-menhangs zwischen dem Grunddelikt und der Todesfolge unter zutreffender Berücksichtigung dieses Maßstabs geprüft und mit Blick auf die unter dem Ein-fluss einer nachstellungsbedingten psychischen Erkrankung erfolgte Weigerung des [X.], sich
(weiterhin)
stationär psychiatrisch behandeln zu lassen, und auf seinen
anschließenden Suizid die Frage erörtert, ob der erforderliche Zu-rechnungszusammenhang insoweit unter dem rechtlichen Gesichtspunkt selbst-schädigenden
Handelns des Opfers in Frage gestellt wird.
Dass es diese Frage verneint hat, ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a)
Die Ausgestaltung sowie der Sinn und Zweck der jeweiligen Strafvor-schrift sind auch für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob sich der Eintritt des tödlichen Erfolgs auch dann noch als Ausfluss der dem jeweiligen [X.] eigentümlichen Gefahr darstellt, wenn dieser Erfolg durch ein Ver-16
17
-
11
-
halten des [X.] herbeigeführt worden ist. Hiervon ausgehend ist bei der Nachstellung aufgrund der Deliktsstruktur des §
238 StGB und mit Blick auf den Schutzzweck der Vorschrift der tatbestandsspezifische Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn das Verhalten des Opfers motivational auf die Verwirkli-chung des [X.] zurückzuführen ist und diese Motivation für sein selbstschädigendes Verhalten handlungsleitend war. Liegen diese Vorausset-zungen vor, steht die Herbeiführung des tödlichen Erfolgs durch das Tatopfer selbst der Annahme eines die Erfolgsqualifikation des §
238 Abs.
3 StGB be-gründenden tatspezifischen Gefahrzusammenhangs nicht entgegen.
b)
Gemessen daran ändert
weder die Weigerung der

[X.]

, sich
(weiterhin) psychiatrisch behandeln zu lassen, noch ihr Suizid etwa acht Mona-te nach Beendigung der [X.] durch den Angeklagten et-was an der Annahme des gefahrspezifischen Zusammenhangs. Insoweit gilt Folgendes:
(1)
Der Grundtatbestand des §
238 Abs.
1 StGB bezweckt gerade den Schutz des [X.]s vor selbstschädigendem Verhalten unter dem Einfluss der in der Vorschrift im Einzelnen normierten Nachstellungshandlun-gen. Insoweit setzt die Bestimmung einen Taterfolg in Gestalt einer schwer-wiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers voraus, der [X.] besteht, dass das [X.] gravierende Einschränkungen in [X.] Lebensführung unter dem Druck von [X.] vornimmt, etwa in Form einer Verlegung des Wohnsitzes, eines Wechsels des [X.] oder eines vollständigen Rückzugs aus der Öffentlichkeit (Einzelheiten bei [X.] aaO, Rn.
48 mwN; vgl. auch BT-Drucks.
16/575). Unrechtskern der Vorschrift ist danach die Einschränkung der Autonomie des Opfers bei seiner Lebensführung durch Einwirkungen seitens des [X.]. Da diese Einwirkungen 18
19
-
12
-
im Regelfall psychischer Natur sind (vgl. [X.] aaO, Rn.
16), kann das Maß einer noch verbleibenden Autonomie bei der Entscheidung des Opfers, dem psychischen Druck nachzugeben und zu seinem eigenen Schutz sein Leben tiefgreifend zu ändern, rechtlich keine Bedeutung haben.
(2)
Die unter II.
2
b
(1) dargelegten Grundsätze gelten auch für das er-folgsqualifizierte Delikt des §
238 Abs.
3 StG[X.] Mag die Selbsttötung des [X.] die Zurechnung des [X.] nach dem Grundsatz [X.] Handelns bei
anderen erfolgsqualifizierten Delikten unter Berücksichti-gung des jeweiligen Schutzzwecks im Einzelfall ausschließen
(vgl. dazu [X.], Urteil vom 30.
September 1970

3
StR
119/70, NJW 1971, 152;
jeweils in [X.] dazu [X.], Urteile vom 17.
März 1992

5
StR
34/92, NJW
1992, 1708;
und vom 10.
Januar 2008

5
StR
435/07, [X.]R StGB §
227 Todesfol-ge
6; zur Ablehnung ärztlicher Hilfe s. [X.], Urteil vom 9.
März 1994

3
StR 711/93, [X.]R StGB §
226 Todesfolge
8; zum Eintritt der Todesfolge bei §
239b StGB im Zuge einer Geiselbefreiung vgl. [X.], Urteil vom 18.
Septem-ber 1985 aaO), so gilt dies im Fall des §
238 Abs.
3 StGB

wenn ein motivatio-naler Zusammenhang mit der Nachstellungshandlung gegeben ist und diese Motivation für das Tatopfer handlungsleitend war

nach Sinn und Zweck der Vorschrift und auf Grund ihres systematischen Zusammenhangs mit dem auf den Schutz vor einer Selbstschädigung angelegten Grunddelikt des §
238 Abs.
1 StGB nicht. Vielmehr stellt sich der durch den selbstschädigenden Akt des Suizids
herbeigeführte Tod nur als (letzte) Steigerung der tiefgreifenden Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers im Sinne des §
238 Abs.
1 StGB dar, die als schwere Folge nach dem Willen des Gesetzgebers der höhe-ren Strafdrohung unterliegen soll. Dabei hatte der Gesetzgeber bei der Schaf-fung der Vorschrift nicht nur den Fall vor Augen, in dem das Opfer etwa auf der Flucht vor dem nachstellenden Täter zu Tode kommt, sondern auch den, bei 20
-
13
-
dem das Opfer vom Täter in den Selbstmord getrieben wird (BT-Drucks. 16/3641, S.
14). Da §
238 Abs.
1 StGB so gefasst ist, dass dem Täter das
Opferverhalten als unfreiwillig im Rechtssinne zugerechnet wird, weil es sich
als psychische Folge seiner Nachstellungen darstellt (so zutr. [X.] aaO, Rn.
54), ist über einen handlungsleitenden motivationalen Zusammenhang hin-aus für eine Einschränkung des gefahrspezifischen Zusammenhangs zwischen Nachstellung und Todesfolge auch dann kein Raum, wenn das infolge intensi-ver [X.] unter einer sich verstärkenden posttraumatischen Belastungsstörung leidende Opfer

wie hier

ärztliche Behandlung ablehnt und seinem Leben selbst ein Ende setzt.
3.
Auch die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe hinsichtlich der Verursachung der Todesfolge fahrlässig im Sinne von
§
18 StGB gehandelt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a)
Da der Täter bei einem erfolgsqualifizierten Straftatbestand schon durch die schuldhafte Verwirklichung des [X.] objektiv und subjektiv pflichtwidrig handelt, ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit der [X.] Tatfolge, hier des Todes des Opfers (vgl. nur Senatsurteile vom 16.
März 2006

4
StR
536/05, [X.]St 51, 18, 21;
und vom 15.
November 2007

4
StR
453/07, [X.], 686, jeweils
mwN; ebenso schon [X.], Urteil vom 17.
März 1992

5
StR
34/92, [X.], 1708, 1709). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Eintritt des Todes des Opfers vorausgesehen werden konnte oder ob die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der [X.] lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist (Senatsurteile, jeweils aaO). Besteht die schwere Folge, 21
22
-
14
-
wie hier, im Eintritt des Todes, braucht sich die Vorhersehbarkeit nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs zu erstrecken, ins-besondere nicht auf die durch die Tathandlung ausgelösten, im Einzelnen oh-nehin nicht
einschätzbaren somatischen Vorgänge, die den Tod schließlich ausgelöst haben; es genügt vielmehr die Vorhersehbarkeit des Erfolges im
Allgemeinen (Senatsurteile, jeweils aaO mwN; vgl. auch [X.], Urteile vom 9.
Oktober 2002

5
StR
42/02, [X.]St 48, 34, 39;
vom 12.
Februar 1992

3
StR
481/91, [X.]R StGB §
226 [aF] Todesfolge
4; und vom 24.
Januar 1995

1
StR
707/94, [X.], 287, 288).
b)
Gemessen daran ist das [X.] ohne Rechtsfehler davon [X.], dass der Suizid der

[X.]

für den
Angeklagten vorhersehbar
war. Die Urteilsgründe ergeben, dass
die mehrere Tatvarianten des §
238 Abs.
1 StGB erfüllenden [X.] zu einer gerade auf [X.] Angst vor dem Angeklagten beruhenden, schwerwiegenden Beeinträch-tigung aller Lebensbereiche der

[X.]

führten, was von dessen Vorsatz in
jeder Hinsicht umfasst war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach sei-nen kognitiven Fähigkeiten nicht in der Lage war, seine Handlungen zutreffend zu bewerten und auch deren langfristige Wirkung auf die Geschädigte bis hin zu einem möglichen Tod durch Suizid auf Grund der durch die Nachstellungen ausgelösten schweren depressiven Erkrankung einzuschätzen und damit auch vorherzusehen, hat die [X.] zutreffend verneint. Die festgestellten in-tensiven [X.], mit denen er gezielt zerstörerisch in alle Lebensbereiche von

[X.]

einwirkte, konnte das [X.] vielmehr als
Beleg dafür heranziehen, dass er mit (weiteren) psychischen Folgen und

sei es auch, wie hier, mit zeitlicher Verzögerung

mit einem möglicherweise töd-lichen Ausgang hätte rechnen können. Dies gilt, wie das [X.] zutreffend hervorhebt, insbesondere unter Berücksichtigung mehrerer schon kurze [X.] 23
-
15
-
nach der aus nichtigem Anlass
vollzogenen Trennung an

[X.]

übermit-
telten Nachrichten. Darin ist u.a. die Rede

das
.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin

Meta

4 StR 375/16

15.02.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2017, Az. 4 StR 375/16 (REWIS RS 2017, 15593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15593

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 415/20 (Bundesgerichtshof)

Brandstiftung mit Todesfolge: Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts ohne Vollendung hinsichtlich beider Tatbestände


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