Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2006, Az. IX ZB 117/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2632

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.]/04 vom 13. Juli 2006 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] §§ 4, 287 Abs. 2 Satz 1 ZPO §§ 318, 329, § 572 Abs. 1 a) [X.]üsse des Insolvenzgerichts, die mit der sofortigen Beschwerde an-greifbar sind, können grundsätzlich innerhalb laufender Beschwerdefrist von Amts wegen geändert werden. b) Die Abtretungserklärung des Schuldners gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist vorrangig als Prozesshandlung zu verstehen; sie ist im Zweifel so auszu-legen, dass der Schuldner die Restschuldbefreiung unter den jeweils gülti-gen gesetzlichen Bedingungen anstrebt. [X.], [X.]uss vom 13. Juli 2006 - [X.] 117/04 - [X.][X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und die Richter [X.], [X.], [X.] und [X.] am 13. Juli 2006 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 14. April 2004 wird auf Kos-ten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Gründe: [X.] Der Schuldner beantragte mit [X.] seines anwaltlichen Vertreters am 17. Januar 2002 die Eröffnung des [X.] über sein Vermögen. Gleichzeitig beantragte er Restschuldbefreiung. Dem Antrag war eine Erklärung beigefügt, in der der Schuldner entsprechend der bis 30. November 2001 geltenden Fassung des § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] für den Fall der Ankündigung der Restschuldbefreiung seine pfändbaren Forderungen aus einem Dienstverhältnis für die Dauer von sieben Jahren nach der [X.] an einen vom Gericht zu bestimmenden Treu-händer abtrat. 1 - 3 - Mit [X.]uss vom 5. November 2003 kündigte das Amtsgericht - Insol-venzgericht - die Restschuldbefreiung an. Hierzu wird in dem [X.]uss weiter ausgeführt: 2 "Auf den Treuhänder gehen die pfändbaren Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an [X.] Stelle tretende laufende Bezüge nach Maßgabe der [X.] Abtretungserklärung für die Dauer der Laufzeit über. Die Laufzeit beginnt mit der Aufhebung oder Einstellung des [X.] und beträgt sechs Jahre." Mit [X.]uss vom 12. November 2003 hob das Amtsgericht - Insolvenz-gericht - den [X.]uss vom 5. November 2003 von Amts wegen auf und fasste ihn neu; die Neufassung weicht von der Erstfassung nur insoweit ab, als zur Laufzeit nunmehr bestimmt wird: 3 "Die Laufzeit beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (23. Juli 2002) und beträgt sechs (6) Jahre." Die gegen den [X.]uss vom 12. November 2003 erhobene sofortige Beschwerde der Gläubiger blieb ohne Erfolg. Mit der [X.] sie sich weiterhin gegen die Aufhebung des [X.]usses vom 5. November 2003 von Amts wegen. 4 I[X.] Die statthafte (§ 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 6, 7 [X.], § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache kei-nen Erfolg. 5 - 4 - Die Rechtsbeschwerde wendet sich erfolglos gegen die Auffassung des [X.], der [X.]uss des Insolvenzgerichts gemäß § 289 Abs. 1 Satz 2, § 291 [X.] sei hinsichtlich der Angabe der Laufzeit der [X.] während laufender Beschwerdefrist von Amts wegen abänderbar gewe-sen. 6 1. [X.]üsse des Insolvenzgerichts, die mit der sofortigen Beschwerde angreifbar sind, können grundsätzlich innerhalb laufender Beschwerdefrist auch von Amts wegen geändert werden. 7 a) Die überwiegende Meinung im neueren Schrifttum bejaht bei [X.], die der sofortigen Beschwerde unterliegen, eine Änderungsbefugnis auch von Amts wegen bis zur Unanfechtbarkeit des [X.]usses (vgl. Hk-ZPO/[X.], § 329 Rn. 19; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.]/[X.], ZPO 64. Aufl. § 329 Rn. 16 ff; [X.]/[X.]/[X.], ZPO 27. Aufl. § 329 Rn. 12; [X.], ZPO 7. Aufl. § 329 Rn. 11; [X.]/[X.], 2. Aufl. [X.], Vor § 567 Rn. 9 ff, § 572 Rn. 6; für insolvenzrechtliche [X.]üsse FK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 7 Rn. 31e; einschränkend MünchKomm-[X.]/Ganter, § 6 Rn. 88). Begründet wird dies überwiegend mit der Abhilfemöglichkeit des Erstgerichts bei eingelegter Beschwerde nach § 572 Abs. 1 ZPO. Nach anderer Meinung (vgl. Musielak, ZPO 4. Aufl. § 329 Rn. 15; [X.]/[X.], [X.] § 6 Rn. 38) sollen dagegen [X.]üsse, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, im Interesse des [X.] auf den Bestand der vom Gericht erlassenen Entscheidung nur abgeändert werden können, wenn sie angefochten sind. Nach vermittelnder Auffassung ([X.]/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 318 Rn. 8) 8 - 5 - ist eine Abänderbarkeit von Amts wegen gegeben, sofern der [X.]uss eben-falls von Amts wegen ergangen ist. b) Die überwiegende Auffassung ist für den Bereich der Insolvenzord-nung richtig. Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Dem Umstand, dass § 318 ZPO in § 329 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht genannt wird, kann entnommen werden, dass [X.]üsse das erlassende Gericht vor Ablauf der Beschwerde-frist im Zweifel nicht binden (vgl. [X.]/[X.], aaO Vor § 567 Rn. 9), solange es noch mit dem Gegenstand des [X.]usses befasst ist (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 21. Aufl. § 329 Rn. 13). Der von der Mindermeinung bemühte [X.] kann bis zu diesem Zeitpunkt keine Geltung [X.]: denn bis zum Ablauf der Beschwerdefrist muss ein durch den [X.] begünstigter Verfahrensbeteiligter ohnehin damit rechnen, dass ein an-derer Beteiligter Rechtsmittel einlegt. Geschieht dies nicht, sondern ändert das Insolvenzgericht seinen [X.]uss während der laufenden Rechtsmittelfrist von Amts wegen zum Nachteil eines Beteiligten, kann dieser seinerseits sofortige Beschwerde gegen den Änderungsbeschluss einlegen. 9 Das über § 4 [X.] auch für die [X.] geltende Verbot der reformatio in peius, das aus den §§ 528 Satz 2, 557 Abs. 1, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgeleitet wird, hindert eine Abänderung des [X.]usses von Amts wegen binnen laufender Rechtsmittelfrist nicht. Es besagt lediglich, dass das Beschwerdegericht - und auch das Erstgericht nach Aufhebung und Zurückverweisung (vgl. [X.] 159, 122, 124 f) - die Entscheidung nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers abändern darf, wenn nur dieser Beschwerde eingelegt hat. Ist keine Beschwerde eingelegt, sondern hat das [X.] in ansonsten zulässiger Weise seine Entscheidung korrigiert, kommt das 10 - 6 - Verbot auch dann nicht zur Anwendung, wenn durch die Änderung die [X.] eines Verfahrensbeteiligten verschlechtert wird. 2. Das Insolvenzgericht durfte den [X.]uss in Bezug auf die Angabe der Laufzeit der Abtretung von Amts wegen ändern, weil die im ersten [X.] angegebene Laufzeit unzutreffend war. 11 a) Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der [X.]uss über die [X.] der Restschuldbefreiung nach § 291 [X.] keine Aussage zur Lauf-zeit der Abtretungserklärung enthalten. Die Angabe der durch § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorgegebenen Laufzeit wird lediglich im Interesse der Rechtsklar-heit für wünschenswert gehalten (vgl. HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 291 Rn. 9; MünchKomm-[X.]/[X.], § 291 Rn. 15; FK-[X.]/[X.], aaO § 291 Rn. 12). Kommt nach Art. 107 EG[X.] noch eine auf fünf Jahre verkürzte Lauf-zeit in Betracht, wird eine Verpflichtung des Insolvenzgerichts zur Festlegung der Laufzeit im [X.]uss angenommen, weil die Gläubiger und der Schuldner einen Anspruch auf Klarheit über die Dauer der Wohlverhaltensperiode hätten (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], § 287 Rn. 67; FK-[X.]/[X.], aaO). Wel-chen Charakter die Bestimmung der Laufzeit in diesem Fall hat, kann offen bleiben. Jedenfalls im Regelfall ist die Angabe zur Laufzeit im [X.] lediglich ein Hinweis auf die bestehende Gesetzeslage. 12 b) Die Abtretungserklärung des Schuldners gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist vorrangig als Prozesshandlung zu verstehen. 13 aa) Ein Teil der insolvenzrechtlichen Literatur deutet die [X.] als materiell-rechtliche Erklärung, die zu einem Abtretungsvertrag mit dem Treuhänder führt, sobald dieser gemäß § 291 Abs. 2 [X.] vom Gericht bestellt 14 - 7 - worden ist, und mit der Übernahme des Amtes konkludent sein Einverständnis mit dem [X.] erklärt hat (vgl. HK-[X.]/[X.], aaO § 287 Rn. 16; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 287 Rn. 38 f; [X.]/ [X.], [X.] § 287 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 287 Rn. 29; einschränkend [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 287 Rn. 20). Nach anderer Meinung handelt es sich vorrangig um eine prozessuale Erklärung des [X.], die eine besondere Voraussetzung für die Durchführung des Restschuld-befreiungsverfahrens darstellt. Danach findet der [X.] nach § 291 Abs. 2 [X.] als gesetzlich angeordnete Folge der [X.] durch das Insolvenzgericht und dessen Amtsübernahme statt (vgl. FK-[X.]/ [X.], aaO § 287 Rn. 19 ff, 27 ff; MünchKomm-[X.]/[X.], § 287 Rn. 34, § 291 Rn. 33; [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 287 Rn. 10). [X.]) Die letztgenannte Auffassung verdient den Vorzug. Zwar begreift auch die Begründung zum Regierungsentwurf der [X.] (BT-Drucks. 12/2443 [X.]) die Abtretung als materiell-rechtlichen Vertrag gemäß § 398 BGB. Einer solchen Sichtweise stehen jedoch durchgreifende Einwände entgegen. Da die Abtretungserklärung gegenüber dem Gericht abgegeben wird, nicht gegenüber dem regelmäßig noch gar nicht bestimmten Treuhänder, müss-te sie als Blankozession und das Gericht als Erklärungsbote angesehen wer-den. Der Zugang und die konkludente Annahme des Angebots auf Abschluss des [X.] durch den Treuhänder kann nur generell fingiert wer-den. Um bei einem Wechsel in der Person des Treuhänders den Übergang der Bezüge auf den neuen Treuhänder zu gewährleisten, müsste die Abtretungserklärung zudem als Angebot zum Abschluss einer unbestimmten Anzahl von Verträgen ausgelegt werden. Diese konstruktiven Schwierigkeiten werden von vornherein vermieden, wenn man die Abtretungserklärung als an 15 - 8 - das Insolvenzgericht adressierte und von diesem auszulegende Prozesserklä-rung ansieht. Darüber hinaus spricht für die prozessuale Theorie, dass der Schuldner eine rechtsgeschäftliche Erklärung wegen [X.] anfechten und damit der Zession die Grundlage entziehen könnte. Die materiell-rechtliche [X.] vermag auch weder befriedigend zu erklären, warum der Schuldner noch nach dem [X.]uss gemäß § 291 [X.] im Zeitraum der [X.] jederzeit einseitig von der Abtretung Abstand nehmen kann, wenn er - aus welchen Gründen auch immer - auf die Restschuldbefreiung verzichten will, noch auf welche Weise nach der A[X.]erufung oder dem Tod des Treuhänders sein Nachfolger in dessen Rechtsstellung einrückt. Ebenso wenig verträgt es sich mit einer vertraglichen Konstruktion, dass die Abtretung nach § 299 [X.] bei Versagung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht in den Fäl-len der §§ 296 bis 298 [X.] endet; dasselbe gilt, wenn es dem Schuldner [X.], seine sämtlichen Verbindlichkeiten vorzeitig zu tilgen. 16 Auch nach der prozessualen Theorie genießen frühere Abtretungen im Umfang des § 114 Abs. 1 [X.] den Vorrang. Die Abtretungserklärung entfaltet unbestreitbar auch materiell-rechtliche Konsequenzen, die jedoch gegenüber den verfahrensrechtlichen Wirkungen in den Hintergrund treten (vgl. FK-[X.]/ [X.], aaO Rn. 27). 17 Nur die prozessuale Theorie ermöglicht schließlich auch eine angemes-sene Auslegung der Abtretungserklärung des Schuldners, weil Adressat bei dieser Betrachtungsweise nicht der Treuhänder, sondern das Insolvenzgericht ist. 18 - 9 - c) Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die [X.] mit einer Prozesser-klärung das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht ([X.], [X.]. v. 22. Mai 1995 - [X.], NJW-RR 1995, 1183 f; Urt. v. 24. November 1999 - [X.], [X.], 1446; [X.]/[X.], aaO Vor § 128 Rn. 25). Dementsprechend ist eine Erklärung, die hinsichtlich des Umfangs der abgetre-tenen Forderungen oder der Laufzeit der Abtretung über die gesetzlichen An-forderungen hinausgeht, so auszulegen, dass der Schuldner die [X.] unter den jeweils gültigen gesetzlichen Bedingungen anstrebt (vgl. FK-[X.]/[X.], aaO § 287 Rn. 33, 88). Daher findet der Übergang der [X.] nach § 291 Abs. 2 [X.] als Folge der gerichtlichen [X.] auch dann nur in dem gesetzlich vorgegebenen Umfang statt, wenn der Schuldner in seiner Abtretungserklärung eine längere Laufzeit angibt. Denn es ist anzunehmen, dass er die der geltenden Rechtslage entsprechende [X.] - 10 - tungserklärung abgeben wollte und bei Kenntnis der Gesetzesänderung auch abgegeben hätte. Dr. [X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 04.12.2003 - 3 [X.] 2/02 - [X.], Entscheidung vom 14.04.2004 - 2 T 37/04 -

Meta

IX ZB 117/04

13.07.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.07.2006, Az. IX ZB 117/04 (REWIS RS 2006, 2632)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2632

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 247/08 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 249/07 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 87/16 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiungsverfahren in Übergangsfällen nach Gesetzesänderung: Rückwirkende Erteilung der Restschuldbefreiung; Beendigung der Laufzeit der Abtretungserklärung in …


IX ZB 163/11 (Bundesgerichtshof)

Restschuldbefreiungsverfahren: Pflicht des Schuldners zur Herausgabe der Hälfte des Wertes des ererbten Vermögens; Verpflichtung zur …


IX ZB 87/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.