Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 40/12 R

6. Senat | REWIS RS 2013, 5301

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Gegenstand

(Wirtschaftlichkeitsprüfung - selbstständige Anfechtbarkeit der Beratung nach § 106 Abs 5a SGB 5 - Betreuung von Pflegeheimbewohnern - Praxisbesonderheit - Darlegungs- und Feststellungslast)


Leitsatz

1. Eine Beratung als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist selbstständig anfechtbar.

2. Die Betreuung von Pflegeheimbewohnern kann eine Praxisbesonderheit darstellen, wenn nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine aus zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis, wendet sich gegen die Festsetzung einer Beratung im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung aufgrund von Richtgrößen für das Jahr 2006.

2

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkasse [X.] setzte mit Bescheid vom 20.11.2008 gegen die Klägerin wegen Überschreitung der Richtgröße der Fachärzte für Allgemeinmedizin einen Regress in Höhe von 2789,37 [X.] fest. Ihre [X.] hätten im Jahr 2006 einschließlich Sprechstundenbedarf brutto 767 142,29 [X.] betragen bei einem Richtgrößenvolumen von 502 227,56 [X.]. Eine Summe in Höhe von 126 745,27 [X.] brachte die Prüfungsstelle in Abzug, weil sie Verordnungen für Indikationsgebiete betrafen, die als [X.] in der Prüfungsvereinbarung festgelegt waren, etwa die Schmerztherapie mit betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln. Weitere 7900,76 [X.] zog die Prüfungsstelle für Mehraufwendungen für Antidementiva ab, weil ein erhöhter Anteil an Demenzpatienten festgestellt worden war (6,8 % gegenüber 1,3 % in der Vergleichsgruppe). Soweit die Klägerin sich darauf berufen habe, dass sie eine Vielzahl von [X.] behandele, habe sie weder zu den von ihr namentlich benannten 20 Patienten, die [X.] von mehr als 2000 [X.] verursacht hätten, noch zu den 200 pauschal angegebenen [X.] Angaben zu Indikation, Diagnose, Name der Versicherten, Krankenkassenversichertennummer, verordneten Arzneimitteln sowie Menge und Quartalskosten der [X.] gemacht. Soweit der durchschnittliche Rentneranteil der Fachgruppe um 25 % überschritten sei, sei dies mit der höheren Richtgröße für Rentner berücksichtigt worden. Es verbleibe eine Überschreitung der gewichteten Richtgröße von 25,92 %.

3

Auf den Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie erneut auf die Praxisbesonderheit "[X.]" verwies, hob der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom [X.] aus der Sitzung vom [X.] den Regress auf und setzte eine Beratung fest. Er führte ua aus, [X.] könnten wegen einer aufwendigen Betreuung eine Besonderheit darstellen. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sei aber nicht ersichtlich, dass tatsächlich 200 Patienten in Pflegeheimen betreut würden. Die Nennung von 20 namentlich benannten besonders kostenintensiven Patienten - davon 17 [X.] - könne nicht ohne Weiteres zur Anerkennung von [X.] führen. Es wäre vielmehr Pflicht der Klägerin gewesen, die behaupteten [X.] sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach schlüssig darzulegen. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen. Nach eingehender Prüfung werde für insgesamt 11 der 20 namentlich genannten Patienten ein Mehraufwand in Höhe von 25 043,35 [X.] zusätzlich anerkannt. Zur Ermittlung möglicher [X.] sei ein Vergleich der häufigsten Diagnosen in den allgemeinmedizinischen Praxen in [X.] mit der klägerischen Praxis vorgenommen worden, der lediglich bei zwei Positionen - bei den somatoformen Störungen und der Herzinsuffizienz - eine geringe positive Abweichung gegenüber der Fachgruppe ergeben habe. Von einem besonderen Klientel könne deshalb nicht ausgegangen werden. Nach Abzug der bereits von der Prüfungsstelle anerkannten und der im Widerspruchsverfahren festgestellten [X.] in Höhe von insgesamt 159 789,16 [X.] verbleibe eine Überschreitung des [X.] von 20,93 %, sodass eine Beratung festzusetzen sei.

4

Das [X.] hat mit dem angefochtenen Urteil vom [X.] die Klage abgewiesen. Der auf die [X.] der Richtgrößenvereinbarung 2006 gestützte Regress sei rechtmäßig. Zwar sei diese Richtgrößenvereinbarung nicht rechtzeitig zu Jahresbeginn vereinbart und bekanntgemacht worden. Ihre Anwendung benachteilige die Klägerin jedoch nicht, weil für 2006 höhere Richtgrößen vereinbart worden seien als für 2005. In der Sache sei die Entscheidung des Beklagten rechtmäßig. Weitere [X.] habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Hierfür reiche es nicht aus, wenn der geprüfte Arzt lediglich eine Patientenliste mit der Angabe von Diagnosen und Behandlungen vorlege. Der Beklagte habe dem naheliegenden Gedanken Rechnung getragen, dass bei der Betreuung von Patienten in Pflegeheimen verstärkt Patienten mit Demenzerkrankung vorhanden sein könnten und habe die sich hieraus ergebenden Mehrkosten anerkannt. Bezüglich der namentlich genannten Patienten habe er darüber hinaus Art und Umfang der verordneten Arzneimittel bewertet und weitere 25 043,35 [X.] in Abzug gebracht. Für weitere in Pflegeheimen betreute Patienten sei dies schon deshalb nicht möglich gewesen, weil die Klägerin lediglich eine Anzahl angegeben habe, aber keine weiteren Patienten mit Namen bezeichnet habe. Allein die Unterbringung eines Patienten in einem Pflegeheim rechtfertige nicht die Anerkennung als Praxisbesonderheit mit Abzug eines pauschalen Verordnungsvolumens, für dessen Bemessung überdies keine Anhaltspunkte vorlägen. Eine weitere Substantiierung von [X.] sei der Klägerin auch nicht unzumutbar gewesen.

5

Zur Begründung ihrer Sprungrevision trägt die Klägerin vor, der Umfang der ihr auferlegten Darlegungspflichten sei rechtswidrig. Die erforderliche Behandlungsintensität bei den betreuten [X.] stelle per se eine anerkennungswürdige Praxisbesonderheit dar. Von den Prüfgremien seien ihr nur lückenhafte Informationen zur Verfügung gestellt worden, nämlich Dokumentationen ohne Klarnamen der Patienten sowie Vermerke von [X.] für Medikamente. Anhand dieser Daten habe sie ihrer Darlegungslast nicht nachkommen können. Andererseits seien die Anhaltspunkte für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit evident gewesen. Diese Erkenntnisse hätten die Prüfgremien aber nicht zum Anlass genommen, ihrer Amtsermittlungspflicht zu genügen. Sie fügt eine Aufstellung von 211 Patienten bei, die sie im [X.] in einem Seniorenheim betreut habe und deren Altersdurchschnitt 85,36 Lebensjahre betragen habe. Allein durch die im Vergleich zu den Mitgliedern höhere Richtgröße für Rentner seien die höheren Kosten für [X.] nicht ausreichend berücksichtigt. Etwa ab dem 75. Lebensjahr sei ein überproportionaler Anstieg der [X.] zu verzeichnen, sodass es einer weiteren Differenzierung bedürfe. Bei Heimbewohnern werde auch ausschließlich der das Heim betreuende Arzt für Verordnungen in Anspruch genommen. Es wäre sachwidrig, wenn der ein Heim versorgende Arzt für jeden Einzelfall die Besonderheit begründen müsse. Die systematische Besonderheit ergebe sich bereits aus dieser speziellen Patientengruppe, für die höhere Kosten anfallen würden. Die Prüfgremien seien verpflichtet, eine eigene Vergleichsgruppe für die Ärzte zu bilden, die [X.] betreuen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom [X.] und den Bescheid des Beklagten vom [X.] aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Da den Prüfgremien die Adressen der Versicherten nicht vorlägen, sei die Unterbringung in einem Heim nicht ohne Weiteres ersichtlich. Es sei Sache des Vertragsarztes, die entsprechenden Angaben vorzutragen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision der [X.]lägerin ist unbegründet. Das [X.] hat die [X.]lage gegen den Bescheid des Beklagten zu Recht abgewiesen.

1. Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die [X.]lägerin ist durch den angefochtenen Bescheid formell beschwert iS des § 54 Abs 1 Satz 2 [X.]G und damit klagebefugt. Sie erstrebt die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme, die sie als rechtswidrig beanstandet (vgl B[X.]E 90, 127, 130; zur [X.]lagebefugnis allgemein [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 54 [X.] bis 12a mwN). Ein nachteiliges Einwirken auf die Rechtssphäre der [X.]lägerin fehlt nicht etwa deshalb, weil der angefochtene Bescheid keine materielle Ausgleichspflicht festsetzt, sondern nur eine immaterielle Maßnahme der "Beratung". Auch bei der Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 und 2 [X.]B V handelt es sich nach der gesetzlichen [X.]onzeption um eine Sanktion im Falle der Überschreitung des [X.]. Das [X.] hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Richtgrößen nach der Intention des Gesetzgebers eine Steuerungsfunktion zukommt und dies im Wortlaut des § 84 Abs 6 Satz 3 [X.]B V zum Ausdruck kommt. Danach leiten die Richtgrößen den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Leistungen nach § 31 nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Steuerungsfunktion wird über die [X.] abgesichert (vgl BT-Drucks 12/3608 [X.] Zu Nummer 56 <§ 106> Zu Buchst f). Mit der Übertragung der Verantwortung für die Information und Beratung der Vertragsärzte über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der von ihnen verordneten Leistungen auf die Prüfgremien verband der Gesetzgeber die Vorstellung, erhebliche Wirtschaftlichkeitspotentiale zu aktivieren und die Versorgungsqualität zu verbessern (vgl BT-Drucks 15/1525 [X.] Zu Nummer 82 <§ 106> Zu den Buchst a und b). Wie jede Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung zielt auch die Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 und 2 [X.]B V letztlich auf eine Verhaltensänderung. Die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme steht im Ermessen der Prüfgremien (vgl BT-Drucks 14/6309 [X.] Zu Nummer 4 <§ 106> Zu Buchst b), soweit die Partner der [X.] keine Bestimmungen in den [X.] treffen. Dem Sinn und Zweck der Maßnahme dürfte am ehesten ein persönliches Beratungsgespräch gerecht werden, wie es nach den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in [X.] von den Prüfgremien auch regelmäßig durchgeführt wird. Unabhängig von der Art ihrer Ausgestaltung erfolgt mit der Festsetzung einer Beratung jedenfalls eine Beurteilung des Verordnungsverhaltens des Vertragsarztes. Die Prüfgremien treffen die Feststellung, dass eine Überschreitung der Richtgrößen nicht durch [X.] begründet, das Verordnungsverhalten des Vertragsarztes mithin unwirtschaftlich war. Der Vertragsarzt muss sich der Maßnahme der "Beratung" unterziehen, auch wenn diese uU nur in der [X.]enntnisnahme des [X.] besteht. Der damit verbundene Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit begründet eine Beschwer der [X.]lägerin.

Für die [X.] ab dem 1.1.2012 kommt hinzu, dass nach der Einfügung von § 106 Abs 5e [X.]B V durch das [X.] (vom 22.12.2011 - [X.]) die Festsetzung einer Beratung für einen vorhergehenden Prüfzeitraum Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses ist. Schließlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Beratung als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die rechtlichen Voraussetzungen in anderen Verfahren, etwa in einem Disziplinarverfahren oder auch einem Zulassungsentziehungsverfahren, eine Rolle spielen kann.

2. Rechtsgrundlage des Bescheides des Beklagten ist § 106 Abs 2 iVm Abs 5a und Abs 1a [X.]B V (hier zugrunde zu legen in der Fassung des G[X.]V-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, [X.] 2190, die im [X.] galt). Nach § 106 Abs 2 Nr 1 [X.]B V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der [X.] nach § 84 und/oder anhand von Stichproben (aaO [X.]), geprüft. Die Überschreitung der [X.] löst gemäß § 84 Abs 6 Satz 4 [X.]B V eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs 5a [X.]B V aus.

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass hier Prüfungsmaßstab die auf der Grundlage von § 84 Abs 6 [X.]B V getroffene Richtgrößenvereinbarung für das [X.] war. Diese war zwar entgegen § 84 Abs 6 Satz 1 [X.]B V nicht bis zum 15.11.2005 zustande gekommen, sondern beruhte auf einem Schiedsspruch vom 16.1.2006. Das steht jedoch der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung hier nicht entgegen, weil die Vereinbarung für das [X.] nach den von der [X.]lägerin nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] jedenfalls für die Fachgruppe der Allgemeinmediziner höhere Werte auswies als die Vereinbarung für das Vorjahr. Sofern keine Verschlechterung eintritt, stellen die neuen Richtgrößen keinen "Eingriff" dar, und es fehlt an der Grundlage für die Annahme einer unzulässigen Rückwirkung (vgl B[X.] [X.]-2500 § 84 [X.] Rd[X.]7; B[X.]E 95, 199 = [X.]-2500 § 106 [X.], [X.]). Dass sich für andere Fachgruppen (Gynäkologen, Psychiater und Orthopäden) die Richtgrößen zu ihren Lasten veränderten, berührt die Wirksamkeit der für die hier maßgebliche Fachgruppe vereinbarten Richtgrößen nicht.

3. Art und Umfang der Berücksichtigung von [X.] durch den Beklagten sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von [X.] geht (vgl B[X.] [X.]-2500 § 84 [X.] Rd[X.]8; B[X.]E 95, 199 = [X.]-2500 § 106 [X.], Rd[X.]6). Der Begriff der [X.] ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (vgl B[X.] [X.]-2500 § 84 [X.] Rd[X.]8; B[X.] [X.]-2500 § 87 [X.] Rd[X.]; [X.] in Laufs[X.], Handbuch des [X.], 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 123 [X.]). [X.] sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (B[X.] [X.]-2500 § 87 [X.] Rd[X.]). Regelmäßig nicht zielführend ist der Hinweis auf schwere und kostenintensive Erkrankungen, weil sich solche Fälle in jeder Praxis finden (vgl B[X.] [X.]-2500 § 84 [X.] Rd[X.]8; [X.] aaO, RdNr 63).

Seit dem 1.1.2004 verpflichtet § 106 Abs 5a Satz 5 [X.]B V (idF des G[X.]V-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 - [X.] 2190) die Vertragspartner, in der Prüfungsvereinbarung Maßstäbe für die Berücksichtigung von [X.] zu bestimmen. In der im streitbefangenen [X.]raum geltenden Prüfungsvereinbarung vom 14.4.2005 nannte die Anlage 7.1 "Indikationsgebiete zur Berücksichtigung als [X.] bei Richtgrößenprüfungen". Der Beklagte hat entsprechend § 5 Abs 2 Satz 3 der Anlage 7 zur Prüfungsvereinbarung die [X.]osten der Arzneimittel für die in der Anlage 7.1 genannten Indikationsgebiete aus dem Verordnungsvolumen der Praxis herausgerechnet. In Abzug gebracht hat der Beklagte ferner 99,78 Euro für Imiquimod zur Behandlung des superfiziellen [X.], das nach der Anlage 1.1 [X.]9 der Prüfungsvereinbarung vom 12.12.2007 als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen ist.

Weitere [X.] ermittelt nach § 106 Abs 5a Satz 8 [X.]B V idF des [X.] vom 26.3.2007 ([X.] 378) die Prüfungsstelle auf Antrag des Arztes, auch durch Vergleich mit den Diagnosen und Verordnungen in einzelnen Anwendungsbereichen der entsprechenden Fachgruppe. Es kann offenbleiben, ob die Formulierung eine Einschränkung der Amtsermittlungspflicht impliziert (vgl dazu [X.]/[X.], [X.]B V, Stand Juni 2013, [X.] § 106 Rd[X.]1 f). Die Ermittlungen des Beklagten genügten unabhängig davon jedenfalls den von der Rechtsprechung hierzu allgemein entwickelten Grundsätzen. Danach sind die Prüfgremien zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (vgl B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 17; aaO [X.] RdNr 18 unter Bezugnahme auf B[X.] vom 8.5.1985 - 6 R[X.]a 24/83 - Juris Rd[X.]1 = US[X.] 85190 S 1014 f; vgl zB auch B[X.] SozR 3-2500 § 106 [X.]; [X.] oben). Den von der [X.]lägerin als Besonderheit geltend gemachten Umständen ist der Beklagte hinreichend nachgegangen. Er hat mit Hilfe eines Diagnosevergleichs eine erhöhte Zahl von Patienten mit der Diagnose "Demenz" festgestellt und einen Mehraufwand für [X.] in Höhe von 7900,76 Euro berücksichtigt. Bezüglich der von der [X.]lägerin namentlich benannten Patienten hat der Beklagte nach eingehender Überprüfung [X.]osten für Diätetika, ein opioidhaltiges Schmerzmittel sowie ein Arzneimittel gegen Morbus Parkinson in Höhe von insgesamt 25 043,35 Euro als [X.] anerkannt. Im Übrigen hat er einen Vergleich der 30 häufigsten Diagnosen in der Fachgruppe angestellt und lediglich bei den [X.] geringfügige Überschreitungen der [X.]lägerin in Relation zur Fachgruppe festgestellt. Hieraus hat er beurteilungsfehlerfrei geschlossen, dass eine besondere [X.]lientel, die einen Mehraufwand im Verordnungsbereich erforderlich mache, nicht ersichtlich sei.

Rechtsfehlerfrei hat der Beklagte angenommen, dass die Betreuung von [X.] eine Praxisbesonderheit darstellen kann, wenn nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht. Ein solcher ergibt sich aber nicht per se aus dem Umstand, dass ein Patient in einem Pflegeheim wohnt. Weder die Pflegebedürftigkeit noch die spezielle Wohnsituation lassen ohne Weiteres auf erhöhte Verordnungskosten schließen. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Amtsermittlung mögliche Besonderheiten in diesem Zusammenhang - wie etwa den Mehraufwand für die Verordnungen von [X.] - untersucht und berücksichtigt. Er hat erhöhte [X.]osten für [X.] bei Pflegebedürftigen erwogen, aber nicht feststellen können. Ein Vergleich der [X.] mit der Fachgruppe zeigte keine signifikanten Besonderheiten. Weitere Ermittlungen von Amts wegen musste der Beklagte nicht anstellen. Entgegen der Auffassung der [X.]lägerin war der Beklagte nicht verpflichtet, die Verordnungskosten für die einzelnen von der [X.]lägerin behandelten Pflegeheimbewohner zu ermitteln. Dies dürfte ihm schon deshalb nicht möglich gewesen sein, weil ihm nach §§ 296 ff [X.]B V Adressen von Versicherten für die arztbezogenen Prüfungen nach § 106 Abs 2 Nr 1 [X.]B V regelmäßig nicht übermittelt werden (vgl dazu B[X.]E 95, 199 = [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]9).

Etwaige Mehraufwendungen für die Betreuung von [X.] hätte vielmehr die [X.]lägerin konkret darlegen müssen. Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren [X.] rechtfertigende atypische Umstände wie [X.] und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt (B[X.] SozR 3-2500 § 106 [X.] f mwN; [X.]; B[X.]E 101, 130 = [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 14; [X.]3 RdNr 13; [X.] RdNr 17). Es besteht insofern in der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein gewisses Spannungsfeld zwischen der nach § 20 Abs 1 [X.]B X bestehenden Verpflichtung der Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und der besonderen Mitwirkungspflicht des geprüften Arztes, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs 2 [X.]B X hinausgeht (vgl B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 40 mwN). Grundsätzlich ist es Angelegenheit des Vertragsarztes, die für ihn günstigen Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn sie allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (vgl B[X.] aaO mwN). Der Arzt ist gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der [X.] und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (B[X.] aaO RdNr 42).

Die [X.]lägerin hat hier zwar auf die Betreuung von Versicherten in Pflegeheimen hingewiesen, aber nicht dargelegt, inwiefern der Verordnungsbedarf bei [X.] wesentlich anders sein soll als bei - typischerweise ebenfalls älteren - Rentnern, deren erhöhter Bedarf durch die besonderen Richtgrößen für diese Gruppe bereits berücksichtigt war. Abgesehen von der namentlichen Nennung von 20 Patienten, davon 17 [X.], mit besonderem Verordnungsaufwand (insgesamt nach Angaben der [X.]lägerin 70 802 Euro) gegenüber dem Prüfungsausschuss hat sie sich im gesamten Verfahren auf den pauschalen Hinweis auf die Betreuung von [X.] beschränkt, ohne auch nur ein konkretes Beispiel für die Notwendigkeit besonders aufwendiger Verordnungen zu nennen. Ungeachtet dessen, dass im Revisionsverfahren neuer Sachvortrag nicht berücksichtigt werden kann, § 163 [X.]G, bezieht sich die im Revisionsverfahren vorgelegte Liste auf Bewohner eines [X.], nicht eines Pflegeheims, und belegt lediglich das hohe Alter der Patienten. Auch insofern behauptet die [X.]lägerin lediglich einen überdurchschnittlichen Verordnungsaufwand, ohne diesen näher zu begründen (vgl dazu B[X.] Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 [X.]A 101/11 B - [X.]). Anhand ihrer Behandlungsdokumentationen wäre für sie aber mit vertretbarem Aufwand nachvollziehbar gewesen, welche Verordnungen für welche Patienten aufgrund welcher Diagnosen ausgestellt wurden. Für 20 Patienten hat sie entsprechende Aufstellungen vorgelegt, die auch näher geprüft und berücksichtigt worden sind. Es ist nicht ersichtlich, dass ihr weiterer Vortrag unzumutbar gewesen wäre.

4. Der Beklagte hat zu Recht als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Beratung festgesetzt. Beratungen der Vertragsärzte nach § 106 Abs 1a [X.]B V auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im [X.]raum eines Jahres oder in einem kürzeren [X.]raum verordneten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung werden nach § 106 Abs 5a Satz 1 [X.]B V durchgeführt, wenn das Verordnungsvolumen eines Arztes in einem [X.]alenderjahr das Richtgrößenvolumen um mehr als 15 vom Hundert übersteigt und die Prüfgremien nicht davon ausgehen, dass die Überschreitung in vollem Umfang durch [X.] begründet ist. Bei einer Überschreitung des [X.] um mehr als 25 vom Hundert hat der Vertragsarzt nach § 106 Abs 5a Satz 3 [X.]B V nach Feststellung durch die Prüfgremien den sich daraus ergebenden Mehraufwand den [X.]rankenkassen zu erstatten. Da nach Abzug der anerkannten [X.] hier eine Überschreitung des [X.] um 20,93 % verblieb, lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Beratung vor.

5. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Die [X.]lägerin trägt die [X.]osten des Rechtsstreits, weil sie mit ihrem Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen [X.]osten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu B[X.]E 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.], RdNr 16).

Meta

B 6 KA 40/12 R

05.06.2013

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Dresden, 20. Juni 2012, Az: S 11 KA 142/09, Urteil

§ 106 Abs 1a SGB 5 vom 14.11.2003, § 106 Abs 2 Nr 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 106 Abs 5a S 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 106 Abs 5a S 2 SGB 5 vom 14.11.2003, § 106 Abs 5a S 3 SGB 5 vom 14.11.2003, § 106 Abs 5a S 5 SGB 5 vom 14.11.2003, § 106 Abs 5a S 8 SGB 5 vom 26.03.2007, § 106 Abs 5e SGB 5, § 84 Abs 6 S 3 SGB 5, § 84 Abs 6 S 4 SGB 5, § 54 Abs 1 S 2 SGG, § 20 Abs 1 SGB 10, § 21 Abs 2 SGB 10, Art 12 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 40/12 R (REWIS RS 2013, 5301)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5301

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