Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.11.2013, Az. III ZR 376/12

3. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1159

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Gegenstand

Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer eines Strafverfahrens: Einzelfallprüfung und Prüfungskriterien für die Beurteilung der Verfahrensführung des Gerichts - Unangemessene Verfahrensdauer


Leitsatz

Unangemessene Verfahrensdauer

1. Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

2. Unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist die Verfahrensdauer dann, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist.

3. Bei der Beurteilung des Verhaltens des Gerichts darf der verfassungsrechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) nicht unberücksichtigt bleiben. Dem Gericht muss in jedem Fall eine angemessene Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen. Es benötigt einen Gestaltungsspielraum, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens geltend.

2

In einem gegen andere Beschuldigte geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft [X.]wurde der Kläger am 4. Juli 2007 als Zeuge staatsanwaltschaftlich zu der Frage vernommen, wann er ein bestimmtes Gutachten über altersgerechtes Wohnen erstellt habe. Der ermittelnde Staatsanwalt äußerte in einem Vermerk vom 24. Oktober 2007 den "dringenden Verdacht", dass der Kläger die Unwahrheit gesagt habe, und forderte für diesen einen [X.] an. Darüber hinaus veranlasste er, dass der Kläger am 28. November 2007 richterlich als Zeuge vernommen und vereidigt wurde. Ob ihm bei dieser Gelegenheit von Seiten des ermittelnden Staatsanwalts mitgeteilt worden ist, dass gegen ihn wegen [X.] ermittelt werde, ist zwischen den Parteien streitig.

3

Am 4. November 2009 wurde der Kläger als Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung und des Meineids förmlich eingetragen und zu den Tatvorwürfen angehört. Am 5. Februar 2010 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum [X.]      . Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 9. April 2010 eine umfassende Einlassung abgegeben und die Staatsanwaltschaft hierzu am 29. April 2010 Stellung genommen hatte, beantragte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 12. Mai 2010 die Gewährung einer (weiteren) Einlassungsfrist bis Ende Juni 2010. Die angekündigte Erklärung des Verteidigers erfolgte nicht. Mit Beschluss vom 23. Juni 2011, rechtskräftig seit 1. Juli 2011, lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. In einem dem Kläger am 1. September 2011 zugegangenen gerichtlichen Schreiben wurde er über den Eintritt der Rechtskraft des Nichteröffnungsbeschlusses informiert.

4

Das [X.] hat das beklagte Land unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger eine immaterielle Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Höhe von 3.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Gleichzeitig hat es die Revision zugelassen "wegen der grundsätzlichen Bedeutung im Hinblick auf die Anforderungen an die Darlegungslast des [X.] in Strafverfahren und die Frage, ob und inwieweit sich Fehler der Strafverfolgungsbehörden auf die Höhe der Entschädigung auswirken können".

5

Gegen dieses Urteil richten sich die Rechtsmittel beider Parteien. Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung von mindestens 4.000 € gerichteten Klageantrag weiter. Der Beklagte erstrebt mit Revision und (inhaltlich identischer) [X.] die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

6

[X.]ie Revision des [X.] ist unbegründet. [X.]ie Revision des Beklagten führt dagegen zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

7

[X.]ie Revisionen sind zulässig.

8

Im Tenor des angefochtenen Urteils wurde die Revisionszulassung uneingeschränkt ausgesprochen. [X.]en Entscheidungsgründen lässt sich nicht mit der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit entnehmen, dass das [X.] die Revision nur eingeschränkt zulassen, insbesondere nur dem Kläger Gelegenheit zur Überprüfung des Urteils geben wollte (vgl. [X.], Urteile vom 8. Mai 2012 - [X.], NJW 2012, 2446 Rn. 6; vom 26. September 2012 - [X.], [X.], 120 Rn. 7 und vom 19. April 2013 - [X.], NJW 2013, 1948 Rn. 10). Im Übrigen wäre angesichts der (zusätzlich) eingelegten [X.] das angefochtene Urteil auch dann auf Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten zu überprüfen, wenn man den Gründen eine Beschränkung der Revisionszulassung für eine einzelne Prozesspartei entnehmen wollte.

II.

9

[X.]as [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

[X.]er maßgebliche [X.]raum für die Beurteilung, ob das gegen den Kläger geführte Strafverfahren übermäßig lang gewesen sei, erstrecke sich von November 2007 bis zum 1. September 2011 (Mitteilung über den Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 23. Juni 2011). [X.]ie Einschätzung des ermittelnden Staatsanwalts in dem Vermerk vom 24. Oktober 2007, es liege der "dringende Verdacht" einer unwahren Aussage vor, und der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörde einen Auszug aus dem Bundeszentralregister angefordert habe, hätten dazu geführt, dass der Kläger von da an der Sache nach als Beschuldigter behandelt worden sei. Spätestens seit der richterlichen Zeugenvernehmung vom 28. November 2007, in der ihm vermeintliche Unwahrheiten in seiner Aussage vorgehalten worden seien und nach der er auf Antrag des anwesenden Staatsanwalts vereidigt worden sei, habe er davon ausgehen müssen, dass er als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren behandelt werde. [X.] seien von November 2007 bis zur förmlichen Eintragung als Beschuldigter im November 2009 nicht erfolgt. [X.]as Verfahren sei mehr als zwei Jahre überhaupt nicht betrieben worden, so dass dem Kläger für mindestens 24 Monate eine Entschädigung gemäß § 198 Abs. 1 i.V.m. § 199 [X.] zustehe. Nach Anklageerhebung habe ab Juni 2010 keine nennenswerte Verfahrensförderung mehr stattgefunden. Es sei weder dargelegt noch erkennbar, warum das - allerdings recht umfangreiche - Verfahren nahezu ein Jahr lang nicht mit dem Ziel einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens bearbeitet worden sei. [X.]avon sei ein [X.]raum von sechs Monaten als unangemessen verzögerte Verfahrensdauer anzusehen. Nach allem ergebe sich im Rahmen der abschließend vorzunehmenden Gesamtwürdigung eine von den Behörden des beklagten [X.] zu verantwortende Verzögerung von zwei Jahren und sechs Monaten. Bei Zugrundelegung des Regelsatzes der Entschädigung für immaterielle Nachteile von 1.200 € pro Jahr der Verzögerung (§ 198 Abs. 2 Satz 3 [X.]) stehe dem Kläger ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 3.000 € zu. [X.]ieser Betrag sei nach den Umständen des Einzelfalls nicht als unbillig anzusehen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 [X.]). Schuldhafte Verstöße der Strafverfolgungsbehörden gegen die Vorgaben der Strafprozessordnung - der Kläger sei trotz bestehenden Anfangsverdachts und entgegen § 62 [X.] zur Erlangung einer wahrheitsgemäßen Aussage vereidigt worden - rechtfertigten jedenfalls im Regelfall keine Abweichung von der in § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] vorgesehenen Pauschale.

[X.] [X.]ie Revision des Beklagten

[X.]ie Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.], soweit zum Nachteil des beklagten [X.] entschieden worden ist.

1. Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet geht das [X.] davon aus, dass die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Regelungen der §§ 198-201 [X.] nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.]) vom 24. November 2011 ([X.]) auf den Streitfall Anwendung finden. [X.]anach gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten am 3. [X.]ezember 2011 (gemäß Art. 24 [X.]) bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren [X.]auer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim [X.] (im Folgenden: [X.]) ist oder noch werden kann. [X.]iese Voraussetzungen sind erfüllt. [X.]as vom Kläger als unangemessen lang angesehene Strafverfahren wurde durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 23. Juni 2011, rechtskräftig seit 1. Juli 2011, beendet und war damit bei Inkrafttreten des [X.] abgeschlossen. [X.]ie sechsmonatige, mit der Bekanntmachung der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung beginnende Frist für eine Individualbeschwerde zum [X.] nach Art. 35 Abs. 1 [X.] war zum [X.]punkt des Inkrafttretens des neuen [X.] noch nicht abgelaufen. [X.]ie [X.]auer des Verfahrens hätte somit noch Gegenstand einer Beschwerde beim [X.] werden können. Einer Anrufung des [X.] bedurfte es nicht ([X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 198 Rn. 57).

[X.]urch die am 17. Februar 2012 eingereichte und am 3. April 2012 zugestellte Klageschrift wurde die Ausschlussfrist des Art. 23 Satz 6 [X.] (3. Juni 2012) gewahrt.

2. [X.]ie Auffassung des [X.]s, dass in die Beurteilung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 199 [X.] auch der [X.]raum von November 2007 bis November 2009 einzubeziehen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Mit rechtsfehlerhafter Begründung hat das Gericht angenommen, dass der Kläger bereits seit dem 24. Oktober 2007, dem Tag der Anfertigung des Vermerks des zuständigen Staatsanwalts, "als Beschuldigter behandelt worden" sei.

aa) Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener [X.]auer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. In zeitlicher Hinsicht erfasst der Begriff des Gerichtsverfahrens nach der Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] alle Verfahrensstadien von der [X.]eitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. [X.]er Begriff "[X.]eitung" meint alle Formen, mit denen ein Verfahren in Gang gesetzt wird, unabhängig davon, ob dies durch Antrag oder Klageerhebung oder, wie im Strafverfahren, von Amts wegen geschieht ([X.][X.]rucks. 17/3802 S. 22; [X.] in [X.]/[X.], Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 [X.] Rn. 51, 53 und § 199 [X.] Rn. 6; [X.]/[X.] aaO § 198 Rn. 7). § 199 Abs. 1 [X.] erstreckt den Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren. [X.]ieses ist eingeleitet, sobald die Staatsanwaltschaft (§ 160 Abs. 1 [X.]) oder eine Behörde oder ein Beamter des [X.] (§ 163 [X.]) eine Maßnahme trifft, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen ([X.], [X.], 56. Aufl., [X.]. Rn. 60). [X.]abei ist Beschuldigter derjenige, gegen den polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung geführt werden. [X.]ie Beschuldigteneigenschaft kann nur durch einen Willensakt der zuständigen Strafverfolgungsbehörde begründet werden, der regelmäßig in der förmlichen [X.]eitung eines Ermittlungsverfahrens liegt. Ausreichend ist es aber auch, wenn gegen den Betroffenen faktische Maßnahmen ergriffen werden, die erkennbar zum Ziel haben, ihn als Täter einer Straftat zu überführen (HK-[X.]-Zöller, 5. Aufl., § 157 Rn. 1 und § 160 Rn. 6; KK-Griesbaum, [X.], 7. Aufl., § 160 Rn. 14; [X.] aaO Rn. 76).

bb) Nach diesem Maßstab ist nach Aktenlage gegen den Kläger erstmals mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 4. November 2009 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung und des Meineids eingeleitet worden. Zu diesem [X.]punkt wurde er als Beschuldigter förmlich eingetragen und anschließend zu den Tatvorwürfen angehört. [X.]emgegenüber kann der (bloße) Vermerk des den Kläger als Zeugen vernehmenden Staatsanwalts vom 24. Oktober 2007, es bestehe der "dringende Verdacht" unwahrer Angaben, noch nicht als förmliche [X.]eitung eines Ermittlungsverfahren angesehen werden, zumal in der Folgezeit keine Maßnahmen ergriffen wurden, die erkennbar darauf abzielten, den Kläger einer Straftat zu überführen. [X.]ie bloße Anforderung eines [X.] kann ebenso wenig als eine solche Maßnahme angesehen werden wie der Antrag, den Kläger [X.] als Zeugen zu vernehmen.

b) [X.]ie Entscheidung des [X.]s erweist sich aber auch unter einem weiteren Gesichtspunkt als rechtsfehlerhaft.

aa) In Strafsachen beginnt der nach § 198 Abs. 1 [X.] zu beurteilende [X.]raum für den Beschuldigten nicht bereits mit der [X.]eitung eines Ermittlungsverfahrens, sondern - der förmlichen [X.]eitung regelmäßig nachfolgend - erst mit der Eröffnung der Beschuldigung oder mit einer die Person ernsthaft beeinträchtigenden Ermittlungsmaßnahme ([X.][X.]rucks. 17/3802 S. 24; [X.]/[X.] aaO § 198 Rn. 13; [X.] aaO § 199 [X.] Rn. 6; vgl. auch [X.], NJW 1993, 3254, 3256; [X.], [X.], 3. Aufl., Art. 6 Rn. 196 jeweils zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

bb) Entgegen der Auffassung des [X.]s musste der Kläger deshalb, weil ihm im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vermeintliche Unwahrheiten seiner Aussage vorgehalten wurden und er auf Antrag der Staatsanwaltschaft vereidigt wurde, nicht davon ausgehen, dass er nunmehr als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren behandelt werde; erst recht kann hierin nicht die "offizielle Mitteilung" der [X.]eitung eines Ermittlungsverfahrens gesehen werden.

Bei Vorhalten handelt es sich um übliche Vernehmungsbehelfe, die allein für die Prüfung der Glaubwürdigkeit und die Auffrischung des Gedächtnisses des Zeugen von Bedeutung sind ([X.] aaO § 69 Rn. 7). Nach § 59 Abs. 1 [X.] kann die Vereidigung erfolgen, wenn dies vom Gericht nach dessen Ermessen auf Grund der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage für erforderlich gehalten wird. [X.]emgemäß enthalten weder der Antrag auf Vereidigung noch die Vereidigung selbst die (konkludente) Mitteilung oder auch nur einen Hinweis darauf, dass gegen den Zeugen wegen des konkreten Verdachts einer strafbaren Handlung ermittelt wird. [X.]ies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil außerhalb der Hauptverhandlung im vorbereitenden Verfahren die Vereidigung eines Zeugen nur bei Vorliegen weiterer - vorliegend nicht gegebener - Voraussetzungen (Gefahr im Verzug; voraussichtliche Verhinderung am Erscheinen in der Hauptverhandlung, vgl. § 62 [X.]) zulässig ist. [X.]er Umstand, dass die Vernehmung eines Zeugen unter Verletzung strafprozessualer Vorschriften erfolgt, kann nicht zu einer Änderung der Zielrichtung dieses Vorgangs dergestalt führen, dass die Vernehmung nunmehr als Maßnahme gegen einen Beschuldigten zu bewerten ist.

[X.]ass der Kläger durch eine sonstige konkrete Maßnahme der Strafverfolgung, die wegen eines Verdachts gegen ihn getroffen wurden, ernsthaft beeinträchtigt wurde (z.B. Haftbefehl, Festnahme, [X.]urchsuchungs- oder Beschlagnahmeanordnung), hat das [X.] nicht festgestellt.

c) [X.]er Beklagte hat den Vortrag des [X.], im Zusammenhang mit der richterlichen Vernehmung vom 28. November 2007 sei ihm durch den ermittelnden Staatsanwalt mitgeteilt worden, gegen ihn werde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Meineids geführt, bestritten. [X.]a das [X.] die Richtigkeit dieses Vorbringens - das sowohl für die [X.]eitung eines Ermittlungsverfahrens als auch für die Kundgabe der Verfahrenseinleitung von Bedeutung sein könnte - ausdrücklich offen gelassen hat, ist bei der revisionsgerichtlichen Nachprüfung zugunsten der Revision des Beklagten zu unterstellen, dass der Staatsanwalt eine derartige Äußerung nicht getan hat.

3. Soweit das [X.] angenommen hat, dass die Entscheidung des Amtsgerichts über die Eröffnung des Hauptverfahrens (§§ 199 ff [X.]) um sechs Monate verzögert ergangen sei, hält dies rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand, da für die diesbezügliche Beurteilung wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind.

a) Ob die [X.]auer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und [X.]ritter. § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benennt die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, nur beispielhaft ("insbesondere") und ohne abschließenden Charakter ([X.][X.]rucks. 17/3702 S. 18). Ein weiteres bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer ist die Verfahrensführung durch das Gericht, die unter Berücksichtigung des den Gerichten zukommenden Gestaltungsspielraums zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benannten Kriterien in Bezug zu setzen ist (vgl. [X.], Urteile jeweils vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 [X.], BeckRS 2013, 55758 Rn. 40 f und 5 C 27.12 [X.], BeckRS 2013, 56027 Rn. 32 f; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 128).

Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich und würde im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit bereits an der Vielgestaltigkeit der Verfahren und prozessualen Situationen scheitern. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 [X.]), wurde bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die [X.]auer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. [X.]ie Ausrichtung auf den Einzelfall ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes, wird durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt (dazu [X.] aaO Einführung Rn. 236 ff) und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers ([X.][X.]rucks. 17/3802 S. 18). [X.]er Verzicht auf allgemeingültige [X.]vorgaben schließt es regelmäßig aus, die Angemessenheit der Verfahrensdauer allein anhand statistischer [X.]urchschnittswerte zu ermitteln (vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 28 ff und 5 C 27/12 [X.] Rn. 20 ff; siehe auch [X.], Urteil vom 21. Februar 2013 - [X.] ÜG 1/[X.], juris Rn. 25 ff zu dem Sonderfall des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde nach dem [X.]: statistische Zahlen als "hilfreicher Maßstab"). Ebenso wenig kommt ein Evidenzkriterium in dem Sinne in Betracht, dass eine bestimmte Verfahrensdauer schon für sich genommen ohne Einzelfallprüfung als unangemessen eingestuft werden müsste (vgl. [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 88).

Feste [X.]vorgaben können auch der Rechtsprechung des [X.] zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht entnommen werden (siehe dazu die Übersicht bei [X.] aaO Art. 6 Rn. 199 ff, insbesondere Rn. 207 f). Auch das [X.] hat keine festen [X.]grenzen aufgestellt und beurteilt die Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, stets nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles (vgl. [X.], NJW 1997, 2811, 2812; Beschluss vom 22. August 2013 - 1 BvR 1067/12, juris Rn. 30, 32 mwN).

b) Unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die Verfahrensdauer dann, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 [X.] folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 37 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 29).

[X.]er unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen [X.]auer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und die ihn ausfüllenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] müssen unter Rückgriff auf die Grundsätze näher bestimmt werden, die der [X.] zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] und das [X.] zum Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und zum Justizgewährleistungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) entwickelt haben, zumal diese gefestigte Rechtsprechung dem Gesetzgeber bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 [X.] zum Vorbild diente (vgl. [X.][X.]rucks. 17/3802 S. 18; [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 38 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 30).

Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit ist als maßgeblicher [X.]raum die [X.], wie sie § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] definiert (vgl. [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 78). [X.]ies hat zur Konsequenz, dass Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer bewirken. Es ist vielmehr im Rahmen einer abschließenden Gesamtabwägung zu überprüfen, ob Verzögerungen innerhalb einer späteren Phase des Verfahrens kompensiert wurden (vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 44; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 79, 100 f). Hierbei muss auch in den Blick genommen werden, dass die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, mit zunehmender Verfahrensdauer sich verdichtet (vgl. nur [X.]urteil vom 4. November 2010 - [X.], [X.]Z 187, 286 Rn. 11 mwN).

[X.]urch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs gemäß § 198 [X.] an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 [X.], Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus. Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. [X.], [X.], 789, 791 f; [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 39 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 31; siehe auch [X.] aaO Rn. 26: "deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen").

c) Wie bereits dargelegt, ist ein bedeutsames Kriterium zur Beurteilung der Angemessenheit der [X.]auer eines Gerichtsverfahrens auch die Verfahrensführung durch das Gericht. Zu prüfen ist, ob Verzögerungen, die mit der Verfahrensführung im Zusammenhang stehen, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind. [X.]abei kann die Verfahrensführung nicht isoliert für sich betrachtet werden. Sie muss vielmehr zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] benannten Kriterien in Bezug gesetzt werden. Maßgebend ist, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer in jedenfalls vertretbarer Weise gerecht geworden ist, wobei das Ausgangsgericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Sicht ex ante einschätzen durfte (vgl. [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 41 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 33).

Bei der Beurteilung des Verhaltens des Gerichts darf der verfassungsrechtliche Grundsatz richterlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) nicht unberücksichtigt bleiben. [X.]a die zügige Erledigung eines Rechtsstreits kein Selbstzweck ist und das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht verlangt ([X.]urteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 14), muss dem Gericht in jedem Fall eine angemessene Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen. Es benötigt einen Gestaltungsspielraum, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Erst wenn die Verfahrenslaufzeit in Abwägung mit den weiteren Kriterien im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] auch bei Berücksichtigung dieses Gestaltungsspielraums sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, liegt eine unangemessene Verfahrensdauer vor (vgl. [X.]urteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 14; [X.] aaO Rn. 27; [X.] aaO 5 C 23.12 [X.] Rn. 42 und 5 C 27.12 [X.] Rn. 34; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 81, 127 f; [X.], Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, Rn. 97).

d) [X.]ie Überprüfung der Verfahrensführung im Ausgangsprozess obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die [X.] entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, [X.]enkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (vgl. [X.]urteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 18; Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 546 Rn. 12).

Unter Berücksichtigung dieses [X.] und der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich die Auffassung des [X.]s, das gerichtliche Verfahren sei seit Juni 2010 um sechs Monate unangemessen verzögert worden, als rechtsfehlerhaft, da das Gericht, wie die Revision zu Recht beanstandet, nicht alle für die [X.] nach § 198 Abs. 1 [X.] maßgeblichen Umstände gewürdigt hat.

[X.]as [X.] beschränkt sich auf die Feststellung, dass seit Juni 2010 eine nennenswerte Verfahrensförderung nicht mehr stattgefunden habe und der Verfahrensinhalt im Wesentlichen aus zwei Anfragen des [X.] vom 27. September und 31. Oktober 2010 sowie einem (richterlichen) Vermerk aus dem Februar 2011 bestehe, der nahelege, dass eine [X.]assung des [X.] nicht mehr erfolgen werde. In die an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls hätte das [X.] jedoch - unter Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - noch weitere Gesichtspunkte einbeziehen müssen.

aa) Es fehlt eine nähere Auseinandersetzung mit der Schwierigkeit des Verfahrens, die sich insbesondere daraus ergab, dass es für ein amtsgerichtliches Verfahren einen überdurchschnittlichen Umfang hatte (fünf Aktenbände und vier zum Teil sehr umfangreiche Sonderhefte), ein ebenso umfangreiches Parallelverfahren gegen [X.]ritte ([X.].: 5524 [X.]) auszuwerten war und die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine komplexe Beweiswürdigung zahlreicher Indizien erforderlich machte.

bb) Was das Verhalten des [X.] betrifft, hätte das Gericht in seine Abwägung einbeziehen müssen, dass dieser mit Schreiben vom 2. Februar 2011 den (unzutreffenden) Eindruck erweckte, sein Verteidiger verfüge über zusätzliche Informationen, die in einer (weiteren) schriftlichen Stellungnahme aufbereitet würden. [X.]ass das Strafverfahren den Kläger insbesondere in persönlicher und beruflicher Hinsicht unverhältnismäßig belastet hat, ist nicht ersichtlich. Wie das Amtsgericht in dem die Eröffnung ablehnenden Beschluss ausgeführt hat, bestand der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung zu Recht; das Gericht hatte lediglich Zweifel hinsichtlich der [X.] im Sinne von § 203 [X.]. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Berufsordnung für Ärzte den drohenden Verlust der ärztlichen [X.] geltend machte, beschränkten sich seine Ausführungen auf formelhafte und nichtssagende Wendungen.

cc) Schließlich bleibt unerörtert, dass das Amtsgericht ausweislich des vom [X.] zitierten Vermerks den Ausgang des vorerwähnten [X.] 5524 [X.] in nicht zu beanstandender Weise abgewartet hat, um die schriftlichen Gründe des Urteils des [X.].       vom 15. Februar 2011, aus denen sich wesentliche Gesichtspunkte zu Gunsten des Kläger ergaben, in die eigene Beweiswürdigung einbeziehen zu können.

4. [X.]ie Revision des Beklagten führt demnach zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Mangels Entscheidungsreife ist eine eigene Entscheidung des [X.] nicht möglich (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 562 Abs. 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Im [X.] gilt - wie auch sonst im Zivilprozess - der Beibringungsgrundsatz. [X.]er [X.] muss die Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, die nach seiner Auffassung eine unangemessene [X.]auer des Ausgangsverfahrens begründen. Unerheblich ist, ob es sich bei dem Ausgangsverfahren um einen Zivilprozess oder ein Strafverfahren handelt. Nicht anders als im Amtshaftungsprozess hat der Kläger die konkreten gerichtlichen Maßnahmen beziehungsweise Unterlassungen zu benennen, die aus seiner Sicht eine vermeidbare Verzögerung des Rechtsstreits zur Folge hatten. Eine bloße Bezugnahme auf die Akten des Ausgangsverfahrens reicht für einen schlüssigen Klagevortrag nicht aus. Bei gerichtsorganisatorischen Mängeln und [X.]efiziten sowie sonstigen Umständen, die im Bereich der Justiz liegen und dem Einblick des [X.] entzogen sind, wird demgegenüber seitens der Gerichtsverwaltung Erklärungsbedarf bestehen (vgl. [X.] [X.]rucks. 17/3802 S. 25; [X.]/[X.] aaO § 198 Rn. 39; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 244; siehe auch [X.]urteil vom 11. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 260 Rn. 22).

IV. [X.]ie Revision des [X.]

[X.]as Rechtsmittel ist nicht begründet. [X.]as angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand.

1. Soweit der Kläger rügt, das [X.] hätte bei der Bewertung der unangemessenen Verfahrensdauer den [X.]raum von Ende April 2010 bis zum 1. September 2011 zugrunde legen müssen, zeigt die Revision keine Umstände auf, die zum Nachteil des beklagten [X.] in die abschließende Gesamtabwägung zusätzlich einzustellen gewesen wären mit der Folge, dass das [X.] über die bereits festgestellten sechs Monate hinaus zu einer Verfahrensverzögerung von weiteren zehn Monaten hätte gelangen müssen. Unabhängig davon, wie die [X.]auer des Ermittlungsverfahrens einzuschätzen ist, enthält die Würdigung des [X.]s nach Maßgabe der unter [X.] 3 d dargestellten Gesichtspunkte keine Rechtsfehler zum Nachteil des [X.].

[X.]a der Beschluss des Amtsgerichts vom 23. Juni 2011 am 1. Juli 2011 formell rechtskräftig wurde, war der nachfolgende [X.]raum bis zum 1. September 2011 (Benachrichtigung des [X.] über den Eintritt der Rechtskraft) für die Entschädigungsfrage ohnehin bedeutungslos (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.]).

2. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des [X.], das [X.] hätte den Regelsatz für die Bemessung der Entschädigung für immaterielle Nachteile (§ 198 Abs. 2 Satz 3 [X.]) gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] um 50 % erhöhen müssen.

§ 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] sieht zur Bemessung der Höhe der Entschädigung für immaterielle Nachteile einen [X.] in Höhe von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor. Ist dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 [X.]). Mit der Pauschalierung unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche Belastung der Gerichte bedeuten würden, vermieden werden. Zugleich ermöglicht dies eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen ([X.] aaO Rn. 146; vgl. auch [X.][X.]rucks. 17/3802 S. 20). Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten [X.] aus [X.] (§ 198 Abs. 2 Satz 4 [X.]) abzuweichen. [X.]abei ist insbesondere an Fälle zu denken, in denen die Verzögerung zur Fortdauer einer Freiheitsentziehung oder einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung geführt hat (vgl. Schenke, NVwZ 2012, 257, 262; [X.] aaO Rn. 148; siehe auch [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 227 [X.]). [X.]erartige Umstände macht die Revision nicht geltend. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. [X.]er drohende Verlust der ärztlichen [X.] wird vom Kläger ohne hinreichenden tatsächlichen Hintergrund in den Raum gestellt.

Soweit der Kläger meint, schuldhafte Verfahrensverstöße der Strafverfolgungsbehörden (hier: im Zusammenhang mit seiner Vereidigung) würden eine Erhöhung des [X.] rechtfertigen, vermag er einen Rechtsfehler nicht aufzuzeigen. [X.]er Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass § 198 [X.] einen "staatshaftungsrechtlichen Anspruch sui generis" normiert, der einen Ausgleich für die Nachteile gewährt, die "durch die Verfahrensdauer" im Verantwortungsbereich des in Anspruch genommenen Rechtsträgers verursacht werden ([X.][X.]rucks. 17/3802 S. 19). [X.] für den Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer ist allein die Verletzung des Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener [X.] (vgl. [X.] aaO Rn. 25). Auf die Frage, ob der [X.] oder ein sonstiger Angehöriger der Justizverwaltung pflichtwidrig oder schuldhaft gehandelt hat, kommt es - anders als bei der Amtshaftung - nicht an (vgl. [X.][X.]rucks. 17/3802 S. 19; [X.] aaO § 198 [X.] Rn. 3, 95, 126). [X.]ementsprechend ist im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] nicht schon deshalb ein Abweichen vom Regelsatz zugunsten des Betroffenen geboten, weil den zuständigen Behörden und Gerichten neben der Verfahrensverzögerung weitere Verfahrensfehler unterlaufen sind.

Nach alledem ist die Entscheidung des [X.]s, von dem Regelbetrag des § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] nicht abzuweichen, rechtsfehlerfrei ergangen.

3. Entgegen der Auffassung des [X.] ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das [X.] dem Kläger einen Teil der Kosten entsprechend seiner Unterliegensquote nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO auferlegt hat.

[X.]ie Kostenentscheidung ergeht im [X.] grundsätzlich nach § 201 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. §§ 91 ff ZPO. Wenn ein Entschädigungsanspruch allerdings nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht, gleichwohl aber nach § 198 Abs. 4 [X.] im Tenor des Urteils eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt wird, entscheidet das Entschädigungsgericht nach billigem Ermessen über die Kosten (vgl. [X.]/[X.], NJW 2012, 1, 6; [X.] aaO § 201 [X.] Rn. 26 f; [X.] aaO Rn. 180). Eine derartige Sonderkonstellation liegt hier nicht vor, da das [X.] dem Kläger zwar eine geringere Entschädigung als beantragt zugesprochen, jedoch keine Feststellung nach § 198 Abs. 4 [X.] ausgesprochen hat. [X.] gemäß § 201 Abs. 4 [X.], wie sie die Revision anstellt, waren somit nicht veranlasst.

[X.]ie Revision des [X.] ist nach allem zurückzuweisen.

Schlick                       Wöstmann                      Seiters

               Remmert                           Reiter

Meta

III ZR 376/12

14.11.2013

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 24. Oktober 2012, Az: 23 SchH 3/12, Urteil

§ 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG, § 198 Abs 2 GVG, § 198 Abs 6 Nr 1 GVG, § 201 Abs 4 GVG, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 97 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 MRK, Art 23 ÜberlVfRSchG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.11.2013, Az. III ZR 376/12 (REWIS RS 2013, 1159)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1159

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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