Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2008, Az. IX ZR 195/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 5945

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 24. Januar 2008 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 204 Abs. 1 [X.] a) Die Einreichung eines [X.] bewirkt keine Verjährungshem-mung, wenn das Gericht die Bekanntgabe an den Gegner nicht veranlasst. b) Beantragt der Antragsteller, unabhängig von den Erfolgsaussichten des Prozess-kostenhilfegesuchs dessen Bekanntgabe an die Gegenseite zu veranlassen, muss das Gericht diesem Ersuchen entsprechen. [X.], [X.]. v. 24. Januar 2008 - [X.]/06 - [X.]

LG Hamburg - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2008 durch [X.] [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Gehrlein und Dr. [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil des [X.], 6. Zivilsenat, vom 5. Oktober 2006 wird auf Kos-ten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Mit Beschluss vom 19. September 2001 wurde über das Vermögen der B.

GmbH & Co KG (fortan: Schuldnerin) das Insolvenzver-fahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2003, der zwei Tage später bei Gericht einging, stellte der Kläger einen Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beifügung des Entwurfs einer Klage über den Betrag von 55.087,46 • nebst Zinsen, den er - gestützt auf die Vor-schriften der Insolvenzanfechtung - von der Beklagten begehrte. Der Prozess-kostenhilfeantrag wurde, ohne der Beklagten bekannt gegeben zu werden, mit der Begründung zurückgewiesen, es sei den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, die Kosten aufzubringen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des [X.] wurde mit Beschluss vom 14. Februar 2005 zurückgewiesen. 1 - 3 - Mit Schriftsatz vom 3. November 2005, bei Gericht eingegangen am 7. November 2005, hat der Kläger Klage erhoben. Das [X.] hat diese wegen Verjährung abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner zugelassenen Revision. 2 Entscheidungsgründe: Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die mit Eröffnung des [X.] am 19. September 2001 beginnende zweijährige Verjährungsfrist nach § 146 [X.] a.F. sei zum [X.]punkt der Klageeinreichung am 7. November 2005 verstrichen gewesen. Der am 25. Juni 2003 eingegangene Prozesskos-tenhilfeantrag habe den Lauf der Verjährungsfrist nicht gemäß § 204 Abs. 1 [X.] BGB gehemmt, weil er der Beklagten nicht bekannt gegeben worden sei. Eine Bekanntgabe sei auch nicht erforderlich gewesen, weil die Prozesskosten-hilfe schon nach dem eigenen Vorbringen des [X.] zu verweigern gewesen sei. Es wäre Sache des [X.] gewesen, vorab zu prüfen, ob die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfegesuchs zur Verjährungshemmung nötig sei, und [X.] das Gericht um weitere Veranlassung zu bitten. 4 - 4 - II. 5 Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand. 6 1. Vorab ist klarzustellen, dass sich die Verjährung des [X.] nach dem zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 15. Dezember 2004 gelten-den Recht richtet (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1 EGBGB). Nach dem damals geltenden § 146 Abs. 1 [X.] verjährte der Anfechtungsanspruch in zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. 2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 204 Abs. 1 [X.] Halbs. 1 BGB wird die Verjährung (nur) gehemmt durch die "Veranlassung der Bekanntgabe des – Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe". Allein die Antragstel-lung reicht danach nicht aus, um die Verjährungshemmung zu bewirken. 7 3. Die Revision verkennt dies nicht; sie meint jedoch, für die [X.]shemmung sei in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift auf den [X.]punkt des Eingangs des [X.] beim Gericht abzustel-len. Dem ist nicht zu folgen. Eine Gesetzesauslegung gegen den eindeutigen, mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmenden Gesetzeswortlaut ist den Gerichten im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG verwehrt ([X.] 135, 86, 91 f). 8 a) Die von der Revision befürwortete verfassungskonforme Auslegung stünde nicht nur mit dem unmissverständlichen Wortlaut des § 204 Abs. 1 [X.] Halbs. 1 BGB, sondern auch mit dessen ebenso eindeutigen Halbs. 2 im Widerspruch. Dort ist bestimmt, dass ausnahmsweise die Hemmung der [X.] bereits mit der Einreichung des Antrags eintreten soll, wenn die [X.] demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst wird. Diese Vorschrift setzt somit ebenfalls voraus, dass eine Bekanntgabe veranlasst wird, 9 - 5 - und bestimmt lediglich eine Rückwirkung der Hemmungswirkung auf die [X.] des Antrags, wenn die Bekanntgabe "demnächst" veranlasst wird. 10 b) Auch mit dem Willen des Gesetzgebers ist die Ansicht der Revision nicht zu vereinbaren. Die Gesetzesbegründung zu § 204 Abs. 1 [X.] BGB lautet wie folgt (BT-Drucks. 14/6040 [X.]): "Die Hemmung beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe des Antrags, wodurch sichergestellt ist, dass der Schuldner Kenntnis von der Hemmung erlangt. – Anträge, die vom Gericht dem Schuldner nicht bekannt gegeben werden, bewirken keine Hem-mung. Dies ist sachgerecht, denn dann handelt es sich entweder um von vornherein aussichtslose Gesuche oder um solche, bei denen zugleich der Antrag auf Erlass eines Arrestes, einer einst-weiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung gestellt wird und die Hemmung bereits durch die Nummer 9 sichergestellt ist." Danach soll die bloße Antragstellung gerade nicht genügen, die [X.]shemmung in Gang zu setzen. Rechtsverfolgungsmaßnahmen, die dem Schuldner nicht bekannt werden, sollen grundsätzlich keine verjährungshem-mende Wirkung entfalten. Der Eintritt der Hemmungswirkung wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens lediglich von der Bekanntgabe auf deren Veran-lassung vorverlegt (BT-Drucks. 14/7052 S. 181). Dies hatte seinen Grund darin, dass eine Bekanntgabe durch förmliche Zustellung von § 15a EGZPO nicht vorgeschrieben ist und man befürchtete, dass das Bestreiten des Schuldners, den die Bekanntgabe enthaltenden einfachen Brief erhalten zu haben, in der Praxis kaum zu widerlegen wäre, womit die Hemmungsregelung untauglich würde. 11 c) In der Literatur wird die Vorschrift ebenfalls ganz überwiegend in dem vorstehend beschriebenen Sinne verstanden ([X.]/[X.], [X.] 2004 § 204 Rn. 117; [X.] JR 2004, 137; [X.]/[X.], 12 - 6 - 5. Aufl. § 204 Rn. 66; [X.]/[X.]/[X.], BGB § 204 Rn. 46; [X.]/[X.] in [X.], § 204 Rn. 107; [X.]/[X.], [X.]. § 204 Rn. 36; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 204 Rn. 32; [X.] in Prütting/Wegen/Weinreich, [X.]. § 204 Rn. 20; [X.], [X.]. § 204 Rn. 16; a.A. nur [X.]/[X.] [X.] 2005, 485, 488 ff). 4. Es besteht kein Grund, die Vorschrift des § 204 Abs. 1 [X.] BGB et-wa für verfassungswidrig zu halten und deswegen die Sache dem Bundesver-fassungsgericht vorzulegen. 13 a) Zu Unrecht sieht die Revision einen Wertungswiderspruch zwischen den Vorschriften des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und der [X.] sowie eine damit zusammenhängende, gegen das Rechts- und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßende Diskriminierung der bedürftigen [X.]. Die Revision bezieht sich auf die Rechtsprechung, wonach auch eine unsubstantiierte oder un-schlüssige Klage die Verjährung hemmt ([X.] 160, 259, 263; ebenso bereits für die Verjährungsunterbrechung nach früherem Recht [X.] 78, 1, 5; [X.], [X.]. v. 4. Juli 1983 - [X.], NJW 1983, 2813; v. 26. Juni 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 1409). Damit sei nicht zu vereinbaren, dass ein Prozess-kostenhilfegesuch, welches das Gericht a limine zurückweisen wolle (und [X.] dem Gegner nicht bekannt gegeben werde), die Verjährung nicht hemme. 14 Dabei lässt die Revision außer [X.], dass nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur eine "erhobene" Klage die Verjährung hemmt. Erforderlich ist also die Zu-stellung an den Gegner. Das gilt auch für eine Klage, die nach dem eigenen Vorbringen des [X.] keinen Erfolg haben kann. Zwischen § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und der [X.] wird nicht danach differenziert, ob der Antragsteller bedürf-tig ist. Vielmehr wird an die Zustellung bzw. die Veranlassung der Bekanntgabe 15 - 7 - angeknüpft. Insofern werden eine bedürftige und eine nicht bedürftige [X.] nicht unterschiedlich behandelt. 16 b) Ferner weist die Revision darauf hin, die nicht bedürftige [X.] könne - falls die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen seien, insbesondere die volle Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen eingezahlt sei - davon [X.], dass die Klage zugestellt werde oder dass, wenn dies, aus welchen Gründen auch immer, nicht geschehe, sie verständigt werde. Demgegenüber werde die bedürftige [X.] nicht benachrichtigt, wenn die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfegesuchs nicht veranlasst werde. Sie laufe somit in eine "[X.]sfalle" (ähnlich [X.]/[X.] aaO S. 489). Dies sei eine untragbare Un-gleichbehandlung. Auch dies trifft nicht zu. Ob das angegangene Gericht die Bekanntgabe des [X.] an die Gegenseite unterlassen kann, wenn es meint, diesen Antrag a limine abweisen zu können, ist umstritten (bejahend MünchKomm-ZPO/Wax, 3. Aufl. § 118 Rn. 17.; Musielak/[X.], ZPO 5. Aufl. § 118 Rn. 3; [X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 118 Rn. 3; Hk-ZPO/Pukall, 2. Aufl. § 118 Rn. 2; verneinend [X.]/[X.], ZPO 22. Aufl. § 118 Rn. 6; [X.]/ [X.] aaO [X.]. 220; [X.] JR 2004, 137, 138; [X.]/[X.] aaO S. 488). Der [X.] braucht diese Frage nicht zu entscheiden. Selbst wenn man sie bejaht, ist die Beantragung der Prozesskostenhilfe aus verjährungsrechtli-cher Sicht nicht unsicherer als etwa die Klageerhebung. Der Antragsteller kann das Gericht - entweder sogleich oder bei einer rechtzeitig vor Eintritt der [X.] gehaltenen Nachfrage - darauf hinweisen, dass die Verjährung gehemmt werden solle, und deshalb darum bitten, unabhängig von den Erfolgsaussichten des Prozesskostenhilfegesuchs dessen Bekanntmachung an die Gegenseite zu veranlassen. Ein derartiges Vorgehen, zu dem bereits die Lektüre des Geset-zes Anlass gibt, ist ihm zuzumuten (vgl. [X.], aaO), zumal ihm durch die 17 - 8 - Bekanntgabe des Antrags selbst bei dessen späterer Ablehnung keine prozes-sualen Nachteile erwachsen. Das Gericht darf sich diesem Ersuchen nicht ver-schließen (vgl. [X.] JR 2004, 137, 138), weil die Vorschrift sicherstellen soll, dass der bedürftigen [X.] für die Durchsetzung ihrer Ansprüche dieselbe [X.] zur Verfügung steht wie jedem, der das Verfahren selbst finanzieren kann (vgl. BT-Drucks. 14/6040 [X.]). 5. Im Streitfall hatte auch bereits der Kläger Anlass und die Möglichkeit, auf die Bekanntgabe seines Prozesskostenhilfegesuchs an die [X.]. Er musste - selbst Rechtsanwalt - die Gesetzeslage kennen, somit zur Kenntnis nehmen, dass nach dem 1. Januar 2002 - anders als nach dem Recht vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform - die Einreichung des [X.] allein nicht mehr die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung bewirkt, sondern dass die "Veranlassung der Bekanntgabe" an den Gegner hin-zukommen muss. Dem Kläger musste ferner bewusst sein, dass jedenfalls nach der damals ganz herrschenden Meinung eine Beteiligung des Gegners unterbleiben konnte, wenn das Gericht der Meinung war, das [X.] könne schon nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers keinen Erfolg haben. Es war dem Kläger, der den Ablauf der Verjährungsfrist im Auge behalten musste, zuzumuten, vor Fristende bei dem angegangenen Gericht 18 - 9 - wenigstens nachzufragen, ob es die Bekanntgabe des Antrags an die Beklagte veranlasst habe, und verneinendenfalls um Nachholung zu bitten. Dr. [X.] [X.] [X.] Dr. Gehrlein Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.03.2006 - 320 O 16/03 - [X.], Entscheidung vom 05.10.2006 - 6 [X.]/06 -

Meta

IX ZR 195/06

24.01.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2008, Az. IX ZR 195/06 (REWIS RS 2008, 5945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5945

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