Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2007, Az. IV ZR 258/05

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5230

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/05 Verkündet am:

14. Februar 2007

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja [X.]R: ja _____________________ BGB § 2325 Vereinbart der Erblasser, nachdem er ein Grundstück schenkweise übertragen hat, nachträglich ein volles Entgelt für dieses Grundstück und die daraus vom Er-werber bereits gezogenen Nutzungen, steht dem Pflichtteilsberechtigten beim [X.] kein [X.] wegen der ursprünglichen Schenkung zu.
[X.], Urteil vom 14. Februar 2007 - [X.]/05 - [X.]

LG Aachen - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] [X.] auf die mündliche Verhand-lung vom 14. Februar 2007 für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 2. Zivil-senats des [X.] vom 5. Oktober 2005 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:

Der Kläger ist der nichteheliche [X.] des am 9. Oktober 2003 ver-storbenen Erblassers. Dieser hat die Beklagte, seine Ehefrau, als Allein-erbin eingesetzt. Der Nachlass ist überschuldet. Der Kläger macht einen Anspruch aus §§ 2325, 2329 BGB gegen die Beklagte als Beschenkte geltend. 1 Der Erblasser hatte sein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück durch notariellen Vertrag vom 3. August 1995 unter [X.] - 3 -

halt des Nießbrauchs sowie eines (von verschiedenen Voraussetzungen abhängigen) Widerrufsrechts der [X.] "im Wege der Schenkung, also ohne jegliche Gegenleistung" übertragen. Am 5. Juni 1996 schloss der Erblasser mit der [X.] einen notariellen Änderungsvertrag. [X.] entfielen die vorbehaltenen Rechte des Erblassers; dafür sowie für die bereits vollzogene Eigentumsübertragung wurden Gegenleistungen der [X.] vereinbart.
Der Kläger hält die nachträgliche Umwandlung der Schenkung in ein entgeltliches Geschäft jedenfalls ihm gegenüber für unwirksam. [X.] abgesehen sei die Gegenleistung nur zum Schein vereinbart worden. Zumindest liege eine gemischte Schenkung vor. 3 Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter. 4 Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache. 5 [X.] Das Berufungsgericht hält es aufgrund der Vertragsfreiheit für zulässig, den Rechtsgrund einer bereits erbrachten Leistung nachträglich durch die Vereinbarung eines anderen [X.] zu ersetzen. Zu diesem Zweck bedürfe es keiner Rückschenkung sowie einer erneuten, nunmehr entgeltlichen Übertragung. Einer solchen Änderung des [X.] stünden schutzwürdige Interessen des [X.] - 4 -

tigten nicht entgegen, selbst wenn die Gegenleistungen - wie hier - beim Erbfall nicht mehr im Vermögen des Erblassers vorhanden waren.
Mit Rücksicht auf den Änderungsvertrag von 1996 sei von einer in vollem Umfang entgeltlichen Übertragung des Grundstücks auszugehen. Der Erblasser und die Beklagte hätten die gegenseitigen Leistungen der Höhe nach jedenfalls vertretbar bewertet. Hinsichtlich des Grundstücks hätten sie sich auf eine "Wertschätzung" des von ihnen zu diesem Zweck beauftragten Architekten stützen können. 7 I[X.] Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. 8 1. Allerdings ist der Revision nicht zu folgen, soweit sie meint, für den Pflichtteilsergänzungsanspruch des [X.] komme es allein auf den [X.] an. 9 a) Dieser Vertrag stand zwar nicht unter dem Vorbehalt, dass der vereinbarte Rechtsgrund für die Grundstücksübertragung, nämlich Schenkung, nachträglich durch einen anderen Rechtsgrund ersetzt wer-den könne (zu solchen Fallgestaltungen vgl. [X.], Urteile vom 6. März 1985 - [X.] - NJW-RR 1986, 164 unter III; vom 17. Juni 1992 - [X.] - NJW 1992, 2566 unter 2 b; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1518, 1519; [X.]/[X.], BGB [2005] § 516 [X.]. 45). Auch wenn ein solcher Vorbehalt nicht vereinbart worden ist, bestehen aber im Hinblick auf die Vertragsfreiheit grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Vertragsänderung, durch die für eine bereits voll-zogene Übertragung von Vermögensstücken ein anderer Rechtsgrund 10 - 5 -

festgelegt wird (so auch Soergel/[X.]/[X.], [X.]. § 516 [X.]. 19; [X.], [X.]. § 2325 [X.]. 7; [X.]/[X.], 4. Aufl. § 516 [X.]. 21; a.A. [X.]/[X.], aaO [X.]. 44). Damit ist freilich nichts dazu gesagt, ob und inwieweit ein solcher Änderungsvertrag Rückwirkungen entfaltet (zur Formbedürftigkeit des ursprünglichen Vertrags vgl. [X.] NJW-RR 1995, 567 f.). b) Auf die Beziehungen der Vertragsparteien zueinander kommt es im vorliegenden Fall nicht an, sondern darauf, ob der nachträglichen Än-derung des [X.] auch Wirkungen im Verhältnis zu [X.]. Nach einer Entscheidung des [X.] ist der Begriff der unentgeltlichen Verfügung in bestimmten Vorschriften der damals maßgebenden Fassung des Anfechtungsgesetzes im Sinne des Zwecks jener Vorschriften auszulegen, nämlich die vollstreckbaren Rechte von Gläubigern gegen die Folgen unentgeltlicher Vermögensübertragungen zu schützen. Deshalb könne die einmal wegen Unentgeltlichkeit gegebe-ne Anfechtbarkeit einer Verfügung nicht nachträglich geheilt werden ([X.], 204, 207 ff. = NJW 1988, 3174). 11 Diese Rechtsprechung ist auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch, der hier geltend gemacht wird, nicht übertragbar. Zwar sichert dieser [X.] den Pflichtteilsberechtigten dagegen, dass sein Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil durch lebzeitige, den Nachlass mindernde Schen-kungen des Erblassers umgangen wird (vgl. [X.]Z 157, 178, 187). Das Gesetz schränkt aber die Verfügungsbefugnis des Erblassers zu dessen Lebzeiten nicht ein und schützt den Pflichtteilsberechtigten insbesondere nicht gegen die Übertragung von Vermögensgegenständen, für die der Erblasser ein Äquivalent erhält, selbst wenn dieses im Zeitpunkt des [X.] - 6 -

falls verbraucht ist. Der Schutz ist vielmehr auf Schenkungen be-schränkt. Bei dem Beweis, es liege trotz behaupteter Einigung über eine angebliche Entgeltlichkeit des Geschäfts eine Schenkung vor, wird [X.] nach der Rechtsprechung vermutet, dass der Erblasser und sein Vertragspartner sich in Wahrheit über eine unentgeltliche Zuwendung verständigt haben, wenn zwischen der Leistung des Erblassers und der vereinbarten Gegenleistung ein auffallendes, grobes Missverhältnis be-steht (st. Rspr., vgl. [X.]Z 59, 132, 136; 82, 274, 281 f.; Senatsurteil vom 17. April 2002 - [X.]/01 - NJW 2002, 2469 unter 3 c m.w.N.).
Für den erst beim Erbfall entstehenden Anspruch des Pflichtteils-berechtigten (§ 2317 Abs. 1 BGB) kann also nicht unberücksichtigt blei-ben, ob der Erblasser einen ursprünglich verschenkten Vermögensge-genstand einschließlich daraus vom Empfänger gezogener Vorteile zu-rückerhalten oder dafür nachträglich ein Entgelt vereinbart hat, das [X.] nicht in grobem Missverhältnis zu seiner Leistung steht. In sol-chen Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf Pflicht-teilsergänzung erheben ([X.], [X.] 2003, 196, 197). 13 c) Dass der Pflichtteilsberechtigte auch nachträgliche Vereinba-rungen über die Entgeltlichkeit von lebzeitigen Geschäften des [X.] hinnehmen muss, solange zwischen Leistung und Gegenleistung kein auffallendes, grobes Missverhältnis besteht, entspricht [X.] Rechtsprechung. Danach steht seit langem fest, dass der [X.] seine Gegenleistung für ihm erbrachte Dienste auch nachträglich in den genannten Grenzen erhöhen kann ([X.], Urteil vom 15. März 1989 - [X.] - NJW-RR 1989, 706 unter 1; [X.], 325, 327; 94, 157, 159). 14 - 7 -

15 2. Das Berufungsgericht hat also mit Recht geprüft, ob das [X.] infolge des Änderungsvertrages von 1996 in vollem Umfang ent-geltlich übertragen worden ist. Seine Würdigung dazu ist jedoch nicht frei von Verfahrensfehlern.
Die von der [X.] aufgrund des Änderungsvertrages zu ent-geltenden Leistungen des Erblassers bestanden aus der Übertragung des Grundstücks sowie der Überlassung der daraus seit seiner Übertra-gung im Jahre 1995 von der [X.] gezogenen Nutzungen. Der Klä-ger hat vorgetragen, das Grundstück sei erheblich mehr wert gewesen, als die Vertragsschließenden im Hinblick auf die von ihnen eingeholte Wertschätzung des Architekten angenommen hätten. Er hat dieser Schätzung nicht nur sein nachvollziehbares Misstrauen entgegengesetzt, sondern schon in erster Instanz innerhalb dazu nachgelassener Frist sachliche Einwände erhoben, die er in der Berufungsbegründung [X.] hat. Sein Antrag, ein gerichtliches Sachverständigengut-achten einzuholen, hätte im Hinblick auf die - als Parteivortrag der [X.] zu wertende - Wertschätzung des Architekten nur unberücksich-tigt bleiben können, wenn der Tatrichter schon auf deren Grundlage zu einer zuverlässigen Beantwortung der Beweisfrage hätte gelangen [X.] (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92 - NJW 1993, 2382 unter II 3 b). Der Architekt ist aber inzwischen verstorben und kann zu den Einwänden des [X.] nicht mehr angehört werden. Mit dem streitigen Verkehrswert des Grundstücks und den dazu vom Kläger erhobenen Einwänden haben sich die Vorinstanzen nicht ausein-ander gesetzt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, auf den objektiven Wert des Grundstücks komme es nicht an, sondern nur auf die Vertret-barkeit des von den Vertragsparteien vereinbarten Entgelts, greift zu kurz. Vielmehr kann der Tatrichter das Vorliegen eines auffälligen, gro-16 - 8 -

[X.] von Leistung und Gegenleistung und auch die weitere Frage, ob trotz eines solchen Missverhältnisses noch von ver-tretbaren Bewertungen der Vertragsparteien ausgegangen werden kann, in aller Regel sinnvoll erst prüfen, wenn er den Verkehrswert der Leis-tung und die dafür maßgebenden Gesichtspunkte kennt. Deshalb muss die Sache zur Einholung eines [X.] zurückverwiesen werden. Die weiteren Verfahrensrügen hat der Senat geprüft; sie greifen aber nicht durch. Insoweit wird gemäß § 564 ZPO von einer Begründung abgesehen. 17 Terno [X.] [X.] Dr. [X.] Dr. [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.01.2005 - 12 O 337/04 - [X.], Entscheidung vom 05.10.2005 - 2 U 19/05 -

Meta

IV ZR 258/05

14.02.2007

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2007, Az. IV ZR 258/05 (REWIS RS 2007, 5230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5230

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